Entschuldigen Sie bitte, Herr Abgeordneter! Das Wort hat jetzt ausschließlich Herr Abgeordneter Schröder. Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nicht nur die aktuelle Diskussion über Preise von Benzin und Diesel, die wir ja auch hier hatten, verdeutlicht eine verkehrspolitische Problematik in Deutschland und in Schleswig-Holstein. Die Abhängigkeit vom Auto beziehungsweise vom LKW muss langfristig als zu hoch beziehungsweise in heutiger Form nicht befriedigend eingeschätzt werden. Zudem besteht bis heute keine systematische, integrierte Ent
wicklung von alternativen Lösungen, insbesondere der Bahn, abgestimmt im internationalen Zusammenhang, realisiert konkret vor Ort, zum Beispiel auch im grenzüberschreitenden Güterverkehr. Tatsächlich wird die Entwicklung des Bahnverkehrs in Deutschland über Gebühr durch die auf die Vernetzung der Zentren fokussierte Unternehmenspolitik der Deutschen Bahn AG bestimmt.
Wir alle haben gerade heute zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Bahn auch hier in SchleswigHolstein erhebliche Einschnitte plant.
Im Zuge der Regionalisierung des SPNV, also der Übernahme der Verantwortung für den Schienenpersonennahverkehr durch die Länder, hat die Landesregierung mit ihren Mitteln dem eine systematisch konzipierte Alternative entgegengesetzt. Die Umsetzung durch die LVS und die von ihr zu verantwortenden Projekte ist deutlicher Beleg dafür.
Dieser landespolitisch richtige und erfolgreiche Ansatz wird aber durch folgende Negativentwicklungen gefährdet. Seit vielen Jahren wird der Betrieb von Nebenstrecken insbesondere aus bautechnischen Gesichtspunkten aufgegeben.
Daneben findet - für viele gar nicht feststellbar - ein stetiger Substanzverfall der unter Betrieb befindlichen Schieneninfrastruktur abseits dieser Magistralen statt. Wenn das so weitergemacht wird wie bisher, wird das Schienennetz in Schleswig-Holstein weiter an Substanz verlieren. In der praktischen Konsequenz wären Alternativen zum Auto- und LKW-Verkehr zukünftig nicht mehr zu entwickeln, weil die dann dafür benötigten Schienenwege nicht mehr existieren oder ihre Reaktivierung nur mit einem nicht mehr vertretbaren Aufwand verbunden wäre.
Damit wird Schleswig-Holstein in der Zukunft mehr als in der Vergangenheit von leistungsfähigen und umweltverträglichen Verkehrssystemen abhängen, will es seine durch die dynamische Entwicklung des Ostseeraumes gewonnene Brückenkopffunktion nutzen und stärken.
Die erste Schlussfolgerung kann also nur sein: Das Land fordert aus strukturpolitischen Erwägungen für
seine Schienenwege eine substanzielle, perspektivisch leistungsfähige Erhaltung und Weiterentwicklung.
Dass wir hier von Problemen großer Dimension sprechen, ist unter Fachleuten keine neue Erkenntnis. Die Thematik bestimmt vielmehr seit Jahren viele Fachtagungen; entsprechende Forderungen vor Ort sind auch bei uns im Land nicht neu. Ich erinnere nur an die leidige Diskussion um die Engpassbeseitigung an der Strecke Elmshorn - Pinneberg oder aktuell an den Ausbau der Strecke Neumünster - Bad Segeberg.
Die Politik hat aber in jüngster Vergangenheit konkrete Folgen bewirkt, derer wir uns nunmehr bewusst werden müssen:
Expertenkommissionen wie jüngst die PällmannKommission beraten über die Aufteilung des Schienennetzes beziehungsweise die Größe des insgesamt notwendigen Eisenbahnnetzes in Deutschland. Die DB Netz AG hat eine eigene Abteilung direkt unter dem Vorstand eingerichtet, die sich ausschließlich mit der Abgabe beziehungsweise Aufgabe von Strecken befasst. Selbst auf den Hauptstrecken der DB sind mittlerweile nicht nur vereinzelt Langsamfahrstellen wegen bautechnischer Defizite gegeben.
Bemerkenswert ist jedoch auch, dass andere Bundesländer in konkreten Beispielen erste Versuche der Übernahme der Schienenwege in neue Betreibermodelle realisiert haben, zum Beispiel in BadenWürttemberg, in Rheinland-Pfalz und nun auch in Sachsen. In allen Fällen sind dies gute Ansätze für Überlegungen in einem größeren Kontext. Was fehlt, ist ein systematisches Konzept mit strategischen Zielen und konkreten Vorgaben zur praktischen Umsetzung.
Wir in Schleswig-Holstein haben bei der Regionalisierung des SPNV gelernt, dass nur dann bleibende Verbesserungen im Land, vor Ort erreicht werden können, wenn wir die Dinge selbst gestalten und in die Hand nehmen.
Die zweite Schlussfolgerung kann also nur sein: Das Land fordert die Herauslösung des Netzes aus der DB AG und die Übergabe der Verantwortung für die
Wir brauchen ein landesweit ausgewogenes Netz der Schienenwege, abgestimmt auf die landesplanerischen Zielvorstellungen, und die Umsetzung im SPNV durch die LVS. Wir brauchen eine langfristige technische Sicherung der Schienenwege und eine auf den hiesigen schleswig-holsteinischen Verkehrsbedarf abgestimmte technisch-betriebliche Konzeption und auch Finanzierung.
Die Schlussfolgerung Nummer 3 kann also nur lauten: Das Land will die Verantwortung für das regionale Schienennetz auf der Basis einer effizienten Leitstruktur wahrnehmen und den Betrieb etablierten Unternehmen unter maximaler Nutzung hiesiger Technologien und Arbeitspotentiale übergeben. Die dafür notwendigen Vorbereitungen sind unverzüglich in die Hand zu nehmen.
Ich bitte daher, dem Antrag bereits heute zuzustimmen. Die Presse und die Problematik, die ich eingangs geschildert habe mit den Zielsetzungen der DB AG zwingen uns dazu, jetzt auch als Land zu handeln und nicht erst lange in den Ausschüssen darüber zu beraten.
Meine letzte Bemerkung: Es würde allen gut tun, den Artikel „Mobilität ist machbar“ im „Spiegel“ vom 18. September 2000 zu lesen. Darin wird die gesamte Problematik sehr gut geschildert und erläutert.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den Antrag von SPD und Grünen können wir gut verstehen. Die Missstände hat Herr Schröder auch sehr deutlich aufgezeigt. Sie sind ja auch niemandem verborgen geblieben, spätestens seit man das alles in den Zeitungen gelesen hat. Aber ist dieser Antrag wirklich überlegt? Bringt uns der Wunsch der Antragsteller wirklich den gewünschten Durchbruch für unsere Zielvorstellungen? Trifft er die rechtliche Situation aufgrund des Grundgesetzes und des EG-Vertrages?
Lassen Sie uns doch gemeinsam feststellen: Es gibt kein Industrieland, das kostendeckende Eisenbahnstrecken betreiben kann. Das ist einfach ein Fakt und darüber dürfen wir uns nicht hinwegtäuschen. Ich halte es für äußerst gefährlich, das Land Schleswig-Holstein in neue Risiken hineinzustürzen, wenn wir kein Geld haben.
Deshalb meinen wir, dass wir nicht in das letzte Jahrhundert zurückgehen können, denn die Situation hat sich total verändert. Es gibt so viele Mängel, die die Bahn heutzutage nicht überwinden kann, weil in vielen Fällen Flugzeuge, Schiffe und Kraftfahrzeuge einen Wettbewerb mit der Bahn einfach nicht mehr zulassen. Dennoch kann es nicht sein, dass jedes Bundesland nun wieder ein eigenes Eisenbahnnetz aufbaut wie vor 100 Jahren. Das kann es nicht sein.
Im Grundsatz wäre es natürlich schön, wenn man sagen könnte: Ich möchte etwas und die anderen bezahlen es und geben mir das Geld. Aber ist das nicht ökonomisch völlig unrealistisch? Dann gäbe es ja gar kein Problem bei der Bundesbahn. Wenn die Deutsche Bahn AG mit entsprechenden finanziellen Mitteln ausgestattet wäre, stünde sie heute ja nicht vor dieser schwierigen Situation. Und Konnexität von der Bundesregierung zu verlangen - das haben wir in anderen Fällen auch noch nicht erreicht. Ich halte das also für äußerst gefährlich.
Das Pällmann-Gutachten hast du ja eben zitiert, Bernd. Ich denke, darin ist die Problemlage der Bundesbahn ganz deutlich aufgezeigt. Lassen Sie mich zitieren: