Protocol of the Session on June 17, 2004

haben wir gemeinsam getan: Wir setzten uns bereits in dieser Sitzung zusammen, um über die Sommerpause die Anhörungsverfahren auf den Weg zu bringen. Wir müssen uns insofern nicht gegenseitig Hektik oder ähnlich Blödes unterstellen. Das will niemand und das ist auch nicht der Fall.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Hinrichsen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der Vorlage des Gesetzentwurfs durch die Landesregierung wird die durch die Reformkommission III vorgesehene Neuorganisation der Landespolizei im Parlament diskutiert.

Durch den heute vorliegenden Entwurf werden flachere Organisationseinheiten bei der Polizei geschaffen. Statt bisher 24 werden es nur noch elf Organisationseinheiten sein, sodass die Führungs- und Stabsebene gestrafft wird; dies begrüßen wir ausdrücklich.

Daneben ist positiv hervorzuheben, dass dadurch mehr Beamtinnen und Beamte in den Revieren und Stationen vor Ort bürgernah arbeiten können. Es werden somit mehr Beamte in den operativen Dienst zurückkehren

Wichtig ist und bleibt bei einer Neuorganisation, dass hoheitliches Handeln in polizeilicher Hand bleibt, Einbußen in der Qualität der Einsatz- und Ermittlungsleistung nicht geschehen und dass die Kernaufgaben der Polizei bei dieser verbleiben. Diese Bedingungen werden durch die Neustruktur nicht verändert. Darüber sind wir sehr froh, also keine Privatpolizei.

Trotzdem werden höhere Kosten entstehen, welche die Landesregierung auf einmalig circa 1,1 Millionen € schätzt und danach ab 2006 circa 50.000 € jährliche Mehrausgaben. Die Zwischenrechnung für das Jahr 2005 mit Mehrausgaben über weitere 362.000 € ist für mich in diesem Zusammenhang nicht ganz nachvollziehbar, ebenso die genannten Einsparungen im gleichen Zeitraum. Ich gehe davon aus - das haben Sie vorhin schon zugesagt -, dass wir hier im Ausschuss nähere Einzelheiten erfahren, wie es sich mit den Mehrkosten verhält und wo Einsparungen erfolgen. Denn so ist es in der Begründung des Gesetzestextes sehr kurz gefasst.

Das Innenministerium war bei der Planung zunächst davon ausgegangen, dass circa 30 Stellen für Angestellte für die Umsetzung möglicherweise gestrichen

werden müssten. Hier ist jedoch durch den heute vorliegenden Entwurf eine erhebliche Verbesserung eingetreten.

Ein Kritikpunkt der GdP ist die Gleichbehandlung des Landespolizeiamtes und des Landeskriminalamtes. Diese stehen weiterhin nebeneinander und nach fachlicher und polizeilicher Führung wäre es möglicherweise sinnvoller, hier eine Hierarchie zugunsten des Landespolizeiamtes vorzunehmen. Die GdP sieht hier ein Problem, da es keinen einheitlichen Weisungsstrang gibt.

In der Begründung zum Gesetz wird festgestellt, dass sich bei der Aufgaben- und Prozessanalyse herausstellte, dass in der Stabsorganisation erhebliche Redundanzen bestehen. Anscheinend bestehen diese nicht bezüglich des Landeskriminalamtes, denn es wird weiter von einer Gleichrangigkeit ausgegangen. Dabei werden jedoch Detailregelungen in diesem Verhältnis dem Innenministerium überlassen. Hier fragt sich, warum nicht gerade ein mögliches Streitpotenzial eindeutig geklärt wird.

Auch hier werden wir sicherlich im Ausschuss Näheres hören, denn die Lösung kann kaum sein: Für die eher theoretische Konstellation, dass ein Einvernehmen nicht erzielt werden kann, löst die Dienst- und Fachaufsicht der Polizeiabteilung im Innenministerium den Konflikt. Ich frage mich, wie das in aktuellen Lagen schnell erfolgen kann, aber ich gehe davon aus, dass wir im Ausschuss Näheres dazu erfahren werden.

Dies ist nach unserer Ansicht ein Kritikpunkt, dem wir uns anschließen können. Gerade durch das neue Polizeiorganisationsgesetz sollen klarere Regelungen und einfachere Weisungsstränge geschaffen werden. Es wird jedoch auch mit Handlungsermächtigungen der Landesregierung oder des Innenministeriums bei der Ausgestaltung der Organisation gearbeitet.

Ein weiterer Punkt, der im Ausschuss näher zu erörtern ist, ist die enge Verbindung zwischen der kommunalen Selbstverwaltung und der Polizei. Durch die Neuorganisation kann es durchaus sein, dass mehrere Polizeibeiräte zum Beispiel bei Stellenneubesetzungen zu hören sind. Wir müssen im Ausschuss klären, ob dies notwendig ist und wie das weitergeht. Meine Vorredner haben das eben schon angesprochen.

Viele weitere Erörterungen und Problemstellungen haben meine Vorrednerin und meine Vorredner genannt. Die möchte ich nicht wiederholen. Ich möchte für den SSW abschließend Folgendes sagen: Uns kommt es bei der Neuorganisation darauf an, dass es tatsächlich kürzere und klarere Entscheidungswege

(Silke Hinrichsen)

gibt und dass tatsächlich die mit der Reform versprochene „mehr Polizei vor Ort" kommt.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

Im Rahmen der festgesetzten Redezeit der Regierung erteile ich Herrn Innenminister Klaus Buß das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen allen herzlich für die überwiegend sehr sachlichen Beiträge danken. Ich glaube, das nützt unserer Polizei, denn wir brauchen in der Tat Ruhe in dieser großen Organisation, damit sie ihren schweren Dienst auch mit Motivation und großem Einsatzwillen vollbringen kann. Dafür ganz herzlichen Dank!

Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. Selbstverständlich werden wir alle Fragen beantworten. Da ich aber noch ein bisschen Zeit habe, lassen Sie mich kurz in aller Sachlichkeit auf einige Punkte eingehen, die hier genannt worden sind.

Ich habe eine klare Vereinbarung mit dem Finanzminister und der Ministerpräsidentin, dass die „Reformgewinne“ in der Polizei verbleiben.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich sage Ihnen auch ganz persönlich: Wenn das nicht zustande gekommen wäre, hätte ich dieses große Werk, das viel Kraft gekostet hat, nicht angefangen.

Wir haben den gesamten Prozess mit größtmöglicher Transparenz durchgeführt. Ich wollte genau das nicht, was in Hamburg passiert ist und zu sehr viel Unmut geführt hat. Wir haben von vornherein alle Zwischenergebnisse über Informationsbriefe an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, an Sie, durch Einstellung ins Intranet und Internet immer wieder bekannt gegeben. Jede Beamtin, jeder Beamte konnte sich beteiligen. Mehr kann man überhaupt nicht machen, um Transparenz in einen so wichtigen Vorgang hineinzubringen.

Die Entscheidung für 8 plus 1 kann man relativ einfach erklären. Es sollte so sein, dass möglichst viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Stäben für den operativen Dienst freigesetzt werden. Dafür muss ich mir überlegen, welche Führungsspanne ich noch händeln kann und wo ich überziehe. Wir waren der Meinung, dass es, wenn wir uns auf vier geeinigt hätten, in Schleswig-Holstein nicht mehr handelbar

wäre, aber 8 plus 1 handelbar ist. Selbstverständlich wäre es auch machbar, 13 zu nehmen, aber dann würde ich weniger Personal aus den Stäben frei bekommen.

Dazwischen muss man sich entscheiden. Ich habe dieses Ergebnis auf der letzten Landrätekonferenz vorgetragen und einstimmige Zustimmung dafür erhalten. Die Landräte sehen darin kein Problem. Das möchte ich hier noch einmal ausdrücklich betonen.

Zur Leitstellenproblematik! Ziel sind im Land nach Einführung des Digitalfunks - eher ist das Ziel nicht zu erreichen - vier so genannte bunte Leitstellen. Ich muss hier nicht erläutern, was das bedeutet. Ich bin in Finnland gewesen. Finnland ist weltweit das erste Land, das den digitalen Funk vollständig für alle Bereiche eingeführt hat. Dieses Land, das flächenmäßig nicht ganz, aber fast so groß ist wie die Bundesrepublik heute, hat insgesamt nur 15 bunte Leitstellen. Das heißt, es funktioniert hervorragend, es geht.

Allerdings wird es bei uns noch einige Zeit dauern, bis der digitale Funk kommt. Sie wissen, das hängt an Finanzierungsschwierigkeiten. Das Land Schleswig-Holstein kann nicht allein den Digitalfunk einführen. Auch das wissen Sie sehr genau.

Aber auf dem Weg zu der Zielvorstellung vier bunte Leitstellen werden wir natürlich alle Entscheidungen, die in der Zwischenzeit möglicherweise zu treffen sind, Herr Schlie, weil an irgendeiner Stelle eine Einsatzleitstelle marode wird, so treffen, dass auf dem Weg zu diesem Ziel möglichst wenig Geld unnütz verbraucht wird. Das ist die klare Ansage. Ich glaube, da sind wir uns zu 100 % einig.

Deshalb entsteht in dem Bereich, den Sie angesprochen haben, Pinneberg, Elmshorn, Bad Segeberg, kein Problem, denn wenn das Modell einmal komplett steht, werden wir nur vier Einsatzleitstellen haben, aber acht Direktionen. Daraus wird deutlich, dass man anders wird arbeiten müssen. Das ist bei der neuen Technik überhaupt kein Problem.

Ich will hier nichts weiter sagen zum Landespolizeiamt/LKA. Die Fachleute haben mir gesagt: So ist es richtig. Es gibt Einzelne - die GdP ist genannt worden -, die anderer Auffassung sind; ich will das nicht weiter kommentieren. Ich glaube, ich war gut beraten, zunächst einmal auf meine Fachleute zu hören.

Herr Schlie, ich habe von mir aus in mein Haus keine Hektik hineingetragen, sondern die Polizeireformkommission III hat die Zeit gehabt. Ich habe mich auch nicht - wie Sie hier behauptet haben - kurz vor Weihnachten in den Prozess eingeschaltet und zu dem Zeitpunkt politische Vorgaben gemacht, wirklich

(Minister Klaus Buß)

nicht, sondern die gesamte Zeitleiste ist mir ausschließlich von der Kommission selbst vorgelegt worden. Sie können Herrn Pistol dazu befragen. Ich habe mich in diesen Prozess bewusst nicht eingeschaltet, sondern ich habe lediglich den Einsatzauftrag gegeben und danach die Zwischenergebnisse zur Kenntnis genommen, genau wie Sie, mehr nicht. Ich bin kein Fachmann; das maße ich mir nicht an. Aber ich habe sehr gute Fachleute und fühle mich hervorragend beraten.

Meine Damen und Herren, mehr möchte ich an dieser Stelle nicht sagen. Ich freue mich auf die Beratungen. Ich wäre sehr froh, wenn wir Sie in gleicher ruhiger, sachlicher Weise fortführen könnten.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 9 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften

Gesetzentwurf der Fraktion der FDP Drucksache 15/3470

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Grundsatzberatung. Das Wort hat Herr Abgeordneter Hildebrand.

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Jeder in der gesamten Republik, der in der Kommunalpolitik tätig ist, kennt mittlerweile Tönisvörst. Von Tönisvörst aus ging die Klage gegen die Zulässigkeit kommunaler Zählgemeinschaften bis vor das Bundesverwaltungsgericht. Dies entschied im Dezember 2003, dass die Bildung kommunaler Zählgemeinschaften, die lediglich dazu dienen, zusätzliche Sitze in den Ausschüssen zu erreichen, in den meisten Fällen verfassungswidrig sind. Da auch in SchleswigHolstein die Ausschussbesetzungen in Kommunalvertretungen vielerorts durch Zählgemeinschaften besetzt worden sind, hat dies eben auch in SchleswigHolstein erhebliche Auswirkungen, zumal der Innenminister diese Entwicklung durch seinen entsprechenden Runderlass bestätigt hat. Seine Feststellung, dass Zählgemeinschaften grundsätzlich unzulässig

sind, hat die Verunsicherung in den Kommunalparlamenten zusätzlich geschürt.

Zunächst müssen wir uns aber die Frage stellen, was denn bitte Zählgemeinschaften überhaupt sind. Es sind Zweckbündnisse zur Ausschussbesetzung ohne die Verfolgung gemeinsamer politischer Ziele. Insbesondere kleinere Fraktionen in Kommunalvertretungen sind zur Sicherung der Mitbestimmung in den Ausschüssen auf Zählgemeinschaften angewiesen. Denn das geltende Recht bevorzugt die großen Fraktionen und schließt in vielen Kommunen kleine Fraktionen vom direkten Zugriff auf Ausschussplätze aus. Die Bevorzugung großer Parteien im Kommunalrecht sieht wie folgt aus: Durch das Missverhältnis von Direktwahlplätzen zu den Listenplätzen in den Kommunalvertretungen spiegelt sich das Wahlergebnis nur suboptimal in den Vertretungen der Kommune wider. Eine Partei, die beispielsweise mit einem Durchschnitt von 43 % alle Wahlkreise direkt gewinnt, hat regelmäßig die absolute Mehrheit in den Vertretungen, obwohl ihr hierzu nach dem Wählerwillen noch 7 % fehlen. Meistens sind in diesen Fällen auch Ausgleichmandate noch nicht fällig. Da sich dann noch die Ausschussbesetzung nach dieser paradoxen Zusammensetzung der Kommunalvertretung berechnet und nicht nach dem prozentualen Wahlergebnis, besteht eine doppelte, durch das Wahlergebnis nicht gerechtfertigte Bevorzugung dieser großen Fraktionen.

Das ist das eigentliche Problem. Zählgemeinschaften sind im Prinzip nur eine parlamentarische Krücke. Sie dienen dazu, das Kommunalrecht aufrecht zu erhalten und trotzdem Möglichkeiten der Teilnahme kleiner Fraktionen in den Ausschüssen zu ermöglichen. Gleichzeitig bieten aber Zählgemeinschaften den großen Partnern leider auch die Möglichkeit, bei politischen Differenzen mit der Aufkündigung der Zählgemeinschaft und dem damit verbundenen Verlust der Ausschusssitze des kleineren Partners zu drohen. Damit muss Schluss sein.

Das Beste wäre es, insgesamt zu einem neuen Wahlsystem zu kommen, zum Beispiel mit Kumulieren und Panaschieren bei der Gemeindewahl und mit der Sitzverteilung nach dem Hare/Niemeyer-System in den Vertretungen und den Ausschüssen. Allein durch dieses Wahlrecht würde sich bereits eine deutlich korrektere Repräsentanz der Wahlergebnisse in den Gemeindevertretungen und den Ausschüssen ergeben. Darum muss es letztlich gehen. Wir müssen in Zukunft dazu kommen, dass sich die abgegebenen Wählerstimmen von vornherein in den Vertretungen und Ausschüssen mathematisch korrekt widerspiegeln.

(Günther Hildebrand)

Wir haben bereits vor drei Jahren einen entsprechenden Entschließungsantrag in den Landtag eingebracht, der allerdings von CDU und SPD abgelehnt wurde. Auch die Grünen konnten diesem Antrag aus Koalitionsräson nicht zustimmen. Es ist dann zu dieser anderen Lösung gekommen, die aber sicherlich nicht optimal ist. Das war enttäuschend, aber auch nicht anders zu erwarten. Nun nach Tönisvörst hat sich die Sachlage geändert. Nun sollten auch CDU und SPD ihre Positionen überdenken. Deshalb schlagen wir Ihnen mit unserem Gesetzentwurf die Einführung des Zählsystems Hare/Niemeyer bei der Besetzung kommunaler Ausschüsse vor.