Protocol of the Session on June 17, 2004

Herr Kalinka, erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang einen Hinweis: Ich halte im Bereich der inneren Sicherheit, im Bereich von Justiz und Polizei relativ wenig davon, dass wir uns wechselseitig immer zu denunzieren versuchen.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben alle gemeinsam ein vitales Interesse daran, dass wir mit den vorhandenen Ressourcen ein optimales Ergebnis erreichen, denn dies sind wir den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes schuldig. Ich sage das nachdrücklich. Wir hätten, wenn wir regieren würden, das gleiche enge Korsett zu bewältigen, wie es gegenwärtig die Regierung bewältigen muss.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist trotz der diversen Informationsbriefe des Innenministers über den Verlauf der Beratungen in der Reformkommission III bisher nicht erkennbar, nach welchen Kriterien - sieht man einmal von dem Kriterium potenzieller Einsparungen ab - die Entscheidungen für das 8-plus-1-Modell gefallen sind. Mir ist nicht klar, warum Sie die Überlegungen betreffend das 13er-Modell aufgegeben haben. Darüber werden wir aber noch reden können. Der Innenminister wird uns dies zu erläutern haben. Wir werden im weiteren parlamentarischen Verfahren prüfen, ob die polizeilichen Führungsebenen nicht in den Kreisen beibehalten werden sollten, wie es von den kommunalen Vertretungen übrigens mittlerweile gewünscht wird.

Es besteht darüber hinaus noch Gesprächsbedarf bezüglich der Reduzierung der Einsatzleitstellen von jetzt 15 auf künftig vier. Diese Reduzierung macht nur Sinn - ich sage das ausdrücklich -, wenn es gleichzeitig zur Einführung des Digitalfunks kommt. Es ist ein Grundsatz, dass vor einer Reform von Organisationsstrukturen zunächst einmal die hierfür notwendigen technischen Voraussetzungen zu schaffen sind. Das ist bisher nicht geschehen. Vielleicht können Sie uns zu den jeweiligen Zeitschienen Erläuterungen geben. Wie immens wichtig aber die Einführung des Digitalfunks für die zukünftige Arbeit der Polizei ist, wissen wir alle.

Es ist auch bekannt, dass wir, was die polizeiliche Funktechnik angeht, in Europa gemeinsam mit Albanien Schlusslicht sind. Deswegen müssen wir über die nun geplanten Insellösungen möglichst schnell zur flächendeckenden Einführung des Digitalfunks kommen. Das hat absolute Priorität.

Eine zum jetzigen Zeitpunkt geplante Straffung der Einsatzleitstellen ohne Digitalfunk ist aus meiner Sicht nichts anderes als eine reine Sparmaßnahme und hat mit dem eigentlichen Ziel der Effizienzsteigerung der polizeilichen Arbeit nichts zu tun. Im Gegenteil, ohne die technischen Voraussetzungen wird die Umorganisation, wie ich glaube, eher problematisch werden.

Schließlich ist da noch das Problem der Anbindung der Polizeiautobahnreviere an die örtlichen Flä

(Wolfgang Kubicki)

chenorganisationen. Vor dem Hintergrund, dass die Verkehre auf den Straßen in den nächsten zehn Jahren erheblich zunehmen werden, darf die fachliche polizeiliche Kompetenz auf den Autobahnen nicht verloren gehen. Es ist ein Unterschied, liebe Kolleginnen und Kollegen, ob man als Polizeibeamter einen Parkplatzunfall oder eine Massenkarambolage auf der Autobahn zu bewältigen hat.

Daher müssen wir bei der Beratung des Gesetzentwurfes prüfen, ob die Beibehaltung der zentralen Führung der Polizeiautobahnreviere möglicherweise als Unterorganisation im Landespolizeiamt nicht doch sinnvoller ist.

(Beifall bei FDP und CDU)

Dies sollte dann auch im Gesetz und nicht nur im Wege einer Verordnungsermächtigung, wie es der Entwurf vorsieht, positiv geregelt werden.

Überhaupt ist der Gesetzentwurf voller Handlungsermächtigungen. Das allerdings trifft auch auf das momentan geltende Polizeiorganisationsgesetz zu. Es ist auch nicht grundsätzlich falsch, dem Innenministerium Handlungsermächtigungen an die Hand zu geben, um im Einzelfall entsprechend flexibel reagieren zu können. Dennoch sollten zumindest die Aufgaben der neuen Polizeizentralbehörde im Gesetz - also vom Parlament und nicht nur durch das Innenministerium - definiert werden.

(Beifall bei FDP und CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, all diese Fragen müssen wir in Ruhe und mit den entsprechenden Vertretern der Polizeigewerkschaften besprechen. Auch die FDP verfolgt das Ziel, künftig mehr Polizeibeamte auf die Straße zu bringen.

Was wir auf keinen Fall mitmachen werden, ist eine Polizeireform, die in erster Linie dem Finanzminister und seinem Haushalt und nicht der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger dient. Ich denke, wir können uns auf eine vernünftige parlamentarische Beratung verständigen, sodass zeitnah - das heißt für mich: noch in diesem Jahr - und hoffentlich gemeinsam das Polizeiorganisationsgesetz verabschiedet werden kann.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Fröhlich das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es sehr angenehm, dass nach der

hektischen Rede des Kollegen Schlie jetzt etwas mehr Ruhe und Sachlichkeit in die erste Lesung dieses Gesetzes einkehrt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich halte das für erforderlich, denn nur mit Ruhe, Überlegtheit und Sachlichkeit wird es uns gelingen, unsere Polizei für das fit zu machen, was sie an neuen Aufgaben von uns immer wieder zugewiesen bekommt. An der Stelle müssten wir vielleicht auch eine grundsätzliche Debatte darüber führen, ob man den Umfang der Polizeiaufgaben kontinuierlich erweitern kann oder ob man Aufgaben ausschließt. Dann stellt sich aber die Frage: Wer nimmt diese Aufgaben sonst wahr?

Im Zusammenhang mit dem Gefahrhundegesetz - so nennen wir es im Moment in der Kurzform -, also dem Gesetz zur Haltung von möglicherweise auch gefährlichen Hunden, habe ich durchaus Bedenken, ob die kommunalen Ordnungsbehörden in der Lage sind, tatsächlich die Kontrolle über Hundehalter und ihre möglicherweise gefährlichen Hunde auszuüben. Das sage ich als Bemerkung vorweg, um aufzuzeigen, dass wir der Polizei durchaus auch Aufgaben zuschreiben müssen, weil es nicht anders geht und weil sie das Gewaltmonopol innehat.

Ich möchte jetzt nichts zum Verhältnis von Grünen zu Grünen sagen. Die Polizei sagt uns immer wieder, dass sie sich als die Urgrünen empfänden. Dies finde ich nett, weil sie meiner Meinung nach auf diese Weise eine Verbindung zu den Grünen herstellen, die längst besteht. Außerdem kommt so eine gegenseitige Verantwortlichkeit zum Ausdruck, die wir durchaus spüren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Deswegen nehmen Sie auch an keiner Veranstaltung teil!)

Aus meiner Sicht ist es völlig selbstverständlich, dass ein solches Gesetz eine ausreichende Anhörungszeit erfordert. Dennoch sollte diese Anhörungszeit nicht dazu missbraucht werden, die Gesetzesverwirklichung auf unabsehbare oder womöglich absehbare Zeit nach der Wahl zu verschieben. Ich bitte die CDU sehr herzlich, nicht so zu verfahren.

Aus unserer Sicht geht es darum, mehr sichtbare Polizeiarbeit aus dem System heraus zu erwirtschaften. Aus unserer Sicht ist das auch gelungen. Dies sage ich vor dem Hintergrund, dass wir von 15 Polizeidirektionen auf acht kommen. Das ist ein guter Wert und eine enorme Arbeit, die dahinter

(Irene Fröhlich)

steckt. Diese fand nicht in Hektik statt, sondern ist in Ruhe und mit sehr viel Austausch innerhalb der Polizei vor sich gegangen. Daran haben wir intensiv teilhaben können, weil wir ständig über diese Prozesse informiert wurden. Herr Schlie, Sie sollten sich noch einmal überlegen, wie Sie darüber hier reden wollen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Es ist allerdings eine uralte Erfahrung, dass strukturelle Änderungen in großen Organisationen nie auf einhellige Billigung oder gar Zustimmung stoßen. Dies gilt natürlich noch mehr, wenn eine ganze Verwaltungsebene eingespart wird. Umso bemerkenswerter finde ich es, dass es dem Innenministerium und der Polizei - und hier insbesondere dem Leitenden Polizeidirektor Herrn Pistol - gelungen ist, in einem höchst transparenten Verfahren und mit vorbildlicher Beteiligung der Betroffenen ein überholtes Organisationsmodell an heutige Anforderungen anzupassen, und zwar ohne das Ritual des auswärtigen Gutachtens. Ich betone das auch als Grüne als positiven Aspekt dieses Gesetzes.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Was werden die Bürgerinnen und Bürger davon haben? - Das ist schließlich die vordringlichste Frage. Die Ansprechpartner vor Ort, also die Polizeireviere, Polizeistationen und so weiter, bleiben wie gewohnt bestehen. Das Prinzip der abgestuften Spezialisierung bleibt bestehen. Das gilt beispielsweise für die kriminalpolizeiliche Arbeit, für die Verkehrsüberwachung und für die Arbeit im maritimen Bereich.

Durch die starke Bündelung von Stabsaufgaben können zusätzliche Kräfte für den operativen Dienst gewonnen werden, also für die Polizeiarbeit, die man wirklich sieht. Damit erfüllen wir, sehr geehrte Damen und Herren von der rechten Seite dieses Hauses, auch Forderungen der Opposition.

Diese zusätzliche Polizeipräsenz auf der Straße wollen wir aus dem System heraus erwirtschaften; ich habe es bereits gesagt. Da unterscheiden wir uns ganz klar - jedenfalls gemessen an dem, was ich der Zeitung entnehmen kann - von der FDP. Schließlich hat Herr Kubicki in den „Lübecker Nachrichten“ vom 11. Juni 2004 angekündigt, im Falle eines Wahlsiegs die zweigeteilte Laufbahn einzuführen, indem die Landesanteile an der Nordbank verkauft würden. Sie, Herr Kubicki, bleiben uns allerdings die Antwort schuldig, woher das Geld kommen soll, wenn auch dieses verbraucht sein wird. Wir haben es hier schließlich mit einer Dauer- und einer konsumtiven Aufgabe zu tun. Von daher finde ich es richtig, den

Prozess der weiteren Organisation und auch der weiteren Aufgabenkritik in der Polizei einzurichten und festzumachen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Frau Kollegin, wenn Sie anwesend gewesen wären, hätten Sie es verstanden! Sie müssen an den Veran- staltungen auch teilnehmen!)

Dies über den Verkauf von Landesanteilen zu bewältigen halte ich für schwierig.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Zusammenführung der Polizeidirektionen auf acht Standorte kommt unseren Vorstellungen einer Verwaltungsreform besonders entgehen. Als Nordfriesin muss ich sagen: Alle Polizeidirektionen sind auf zwei Kreise verteilt - nur die nordfriesische nicht. Dies ist so, weil die nordfriesische Polizei mit der Präsenz auf den Inseln eine besondere Arbeit zu leisten hat,

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

die nicht zu erfüllen wäre, wenn man über Zusammenlegungen an dieser Stelle nachdenken würde. Darüber ist ausgiebig auch in Nordfriesland diskutiert worden. Ich bin froh darüber, dass uns die Beibehaltung der ursprünglichen Organisation gelungen ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Diese Gebietsaufteilung reiht sich in unsere grünen Überlegungen ein, die Dienstleistungen auf der mittleren Ebene in Schleswig-Holstein in größeren regionalen Einheiten zusammenzufassen.

Es macht uns selbstredend nicht gerade unglücklich, dass andere unabhängig von uns zu dem gleichen Schluss wie wir gekommen sind, dass nämlich in einem Land von der Größe Schleswig-Holsteins die untere Ebene der Landesverwaltung nicht auf 15 Gebiete aufgeteilt werden muss. Das Land macht nun den ersten Schritt mit der Reform der Polizeiorganisation. Wir begrüßen das außerordentlich.

Wir wollen das Gesetzgebungsverfahren noch in diesem Jahr abschließen. Die notwendige Vorarbeit wurde geleistet. Wenn wir es mit diesem Projekt ernst meinen, dann müssen wir jetzt auch die notwendigen Gesetzesänderungen vornehmen. Alles andere würde dem Umstrukturierungsprozess nur schaden.

In diesem Sinne gehe ich optimistisch in die Ausschussberatungen und hoffe, dass die noch bestehenden Dissense in Detailfragen baldmöglichst geklärt werden. Den ersten Schritt, dies zügig zu schaffen,

(Irene Fröhlich)

haben wir gemeinsam getan: Wir setzten uns bereits in dieser Sitzung zusammen, um über die Sommerpause die Anhörungsverfahren auf den Weg zu bringen. Wir müssen uns insofern nicht gegenseitig Hektik oder ähnlich Blödes unterstellen. Das will niemand und das ist auch nicht der Fall.