Protocol of the Session on June 16, 2004

Das sind Trendaussagen, die wie folgt lauten: Erstens. Insgesamt sind rund 50.000 Anträge bei den für diese Aufgaben zuständigen Kreisen und kreisfreien Städten gestellt worden. Damit war ein erheblicher Aufwand verbunden. Das war allen bekannt, denn die Rentenversicherungsträger waren ihrer Informationspflicht nachgekommen und hatten alle Rentnerinnen und Rentner informiert, sodass es auch zu einer sehr grundsätzlichen Nachfrage und Überprüfung der Ansprüche gekommen ist. Aber es hat sich gelohnt. Die Kommunen haben sich dieser neuen Aufgabe ganz offensichtlich mit hohem Engagement gestellt und die Erstanträge im Wesentlichen inzwischen abgearbeitet. Das heißt - und das ist ein spannendes Ergebnis -, dass für die Hälfte, nämlich für circa 24.000 Menschen, die Grundsicherung heute Realität geworden ist. Das heißt ganz konkret, dass mit diesem Gesetz die verschämte Altersarmut von circa 24.000 Men

schen in Schleswig-Holstein behoben werden konnte. Ich finde, das ist ein gutes Zwischenergebnis.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ganz offensichtlich ist zweitens auch das erreicht worden, was ebenfalls bezweckt worden war, nämlich insbesondere die Zielgruppe der Frauen zu erreichen. Die Daten zeigen, dass von drei heutigen Empfängern der Grundsicherung zwei weiblichen Geschlechts sind. Das heißt, dass gerade ältere Frauen, die sich nur sehr bescheidene Einzahlungen in die Rentenkasse leisten konnten, jetzt in den Genuss der Grundsicherung kommen.

Das dritte Ergebnis beziehungsweise der dritte Hinweis ist: Sie wissen, der Bund gleicht die Mehrbelastungen, die durch den Wegfall der Heranziehung Unterhaltsverpflichteter entstehen, aus. Die Landesregierung hat die gesamten Bundesmittel an die Kommunen weitergeleitet und darüber hinaus zusätzliche 14,5 Millionen € Landesmittel an die Kommunen überwiesen. Das sind insgesamt jetzt ungefähr 32 Millionen €.

Viertens. Die Bundesregierung hat - das ist außerordentlich bemerkenswert für ein Gesetz - eine Revisionsklausel eingeführt, die eine Anpassung des Ausgleichsbeitrages für Land und Kommunen ab 2005 ermöglicht und bei der über 2003 und 2004 zu verhandeln wäre, wenn der Ausgleichsbeitrag nicht ausreichen sollte. Das heißt, dass die Kommunen auch in finanzieller Hinsicht fair behandelt werden. Und das bleibt auch zukünftig die Geschäftslage.

Ich finde, mit diesen Daten ist sowohl die Richtigkeit des politischen Ansatzes als auch die Richtigkeit des gewählten Verfahrens deutlich geworden. Es stellt sich ein wenig die Frage, warum die CDU das Gesetz zur Einführung der Grundsicherung abgelehnt hat. Warum hat die CDU hier im Landtag das Landesausführungsgesetz abgelehnt? Wäre es jetzt nicht an der Zeit, dieses als eine Art Fehleinschätzung einzugestehen und sich bei den 24.000 Bürgerinnen und Bürgern zu entschuldigen?

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das macht einmal mehr deutlich, dass, wenn man im Bereich der Sozialhilfe vorankommen will, man dieses mit Innovation tun muss. Nicht die Behandlung des Themas Missbrauch ist hier wegweisend, sondern ganz grundsätzlich Innovation im Bereich der Sozialhilfe. Das entlastet Menschen, das entlastet Kommunen und Länder und führt letztlich dazu, dass die Menschen, die Anspruch auf Unterstützung durch den Staat und Steuermittel haben, durch diese Art von

(Ministerin Dr. Brigitte Trauernicht-Jordan)

Gesetzen in den Genuss kommen. Und deshalb freue ich mich, Ihnen heute einen ersten Bericht über die Effekte dieses Gesetzes in Schleswig-Holstein auf Basis der Anfrage der CDU vorlegen zu können.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Kalinka.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist eigentlich ein sehr inhaltsarmer Bericht, den Sie uns präsentiert haben, auch in der schriftlichen Fassung. Immerhin haben Sie jetzt ja die Zahlen nachgeliefert, wie viele beantragt haben und wie viele davon wie beschieden worden sind. Das ist nicht einmal im Bericht festgehalten gewesen.

Wir haben den Berichtsantrag vor allen Dingen deshalb gestellt, um die Auswirkungen auf die Kommunen überschauen zu können. Da muss ich Ihnen allerdings sagen, Frau Ministerin, sind wir erheblich unterschiedlicher Meinung. Fest steht nach diesem Bericht, dass höhere Kosten für die Kommunen entstanden sind, als bislang Bundes- und Landesmittel zur Verfügung stehen. Das ist die erste entscheidende Feststellung dieses Berichtes, der auch schriftlich vorliegt. Das ist zwar nur eine Tendenzaussage, weil das nicht spitz abgerechnet worden ist, aber Tatsache bleibt, dass die Bundes- und Landesmittel nicht ausreichen, um die Kommunen adäquat gleichzustellen.

Es kann natürlich nicht angehen, dass Sie in Berlin und Kiel Entscheidungen treffen, für die dann nachher jedenfalls zum Teil die Kommunen die finanziellen Pflichten zu übernehmen haben.

Sie haben gesagt, die Kommunen seien fair behandelt worden. Im Bericht, Seite 5, heißt es:

„Es ist beabsichtigt, im Jahr 2005 mögliche Mehrbelastungen für die Kommunen zu errechnen.“

Ihre Zusage war ganz eindeutig, dass die Mehrbelastungen innerhalb der zwei Jahre ausgeglichen werden. Da muss ich Ihnen aufgrund der Tendenzfeststellung des Berichtes jetzt einfach sagen: Sie sollten rasch zumindest eine Abschlagszahlung machen und den Kommunen das erstatten, was sie mehr ausgegeben haben. Ich sage das einmal etwas salopp: Her mit der Kohle für die Kommunen! Anders kann das nicht sein.

Ich will dies einmal anhand eines Beispiels aus unserem Kreis Plön erläutern. Die Grundsicherung kostet 2,7 Millionen €. An Sozialhilfeausgaben wären das 2,25 Millionen € gewesen. Das Land würde sich an den Sozialhilfekosten mit 872.000 € beteiligt haben. Bei der Grundsicherung waren es nur 516.000 €, der Bund hat ein Stück ausgeglichen. Bleibt unter dem Strich ein Minus von knapp 150.000 €. Das ist jetzt absehbar und ich meine, das Land und der Bund haben die Pflicht, uns dieses Geld sofort auszugleichen.

Zweitens steht fest, dass ein hohes Maß an Verwaltungs- und Personalaufwand zu treiben war. Es sind bis heute in Schleswig-Holstein noch nicht alle Anträge bearbeitet worden, eineinhalb Jahre, nachdem das Gesetz in Kraft getreten ist. Das ist ein Punkt, der Nachdenklichkeit erzeugen muss.

Ab 1. Januar 2005, wenn die Hartz-IV-Reform kommt, zahlen die Kreise auch das Wohngeld für die Grundsicherungsempfänger, das bis dahin vom Bund und vom Land gezahlt wird. Auch hier kommen Mehrkosten auf uns zu, über deren Ausgleich Sie uns Auskunft geben müssen.

Die notwendige Datenabgleichsklärung und die Plausibilitätsprüfung auf Seite 7 können Sie im Augenblick auch noch nicht vornehmen, wegen der kurzen Laufzeit, wie Sie das formulieren. Ich finde, das ist nicht ausreichend.

In der Zielsetzung werden mehr Menschen, die in verschämter Armut leben mussten, bessere Leistungen bekommen. Darin sind wir uns einig. Das ist auch nicht Gegenstand der strittigen Diskussion. Wir erwarten jedoch, dass diese Leistungen - wie zugesagt -, den Kommunen finanziell gegengerechnet werden, dass damit nicht noch ein weiteres Jahr gewartet wird, sondern unverzüglich erfolgt. Das ist in der Tendenz die Quintessenz des Berichtes, der uns vorliegt.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Baasch das Wort.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Kalinka, eigentlich wollte ich in meiner Rede nicht zu Ihnen sagen. Aber Sie schaffen es immer, dass man Ihnen sagen muss: Hohle Kritik ist zwar irgendwie schön, aber man sollte sich mit seiner Kritik an Berichten oder Aussagen des Ministeriums zurückhalten. Ich empfehle Ihnen: Schlagen Sie Seite 11 des Berichts auf. Sie finden die Zahl der positiv

(Wolfgang Baasch)

beschiedenen Anträge dort vermerkt. Vielleicht sollten Sie Berichte lesen, bevor Sie sie kritisieren.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Die wesentlichen Neuregelungen der 2003 eingeführten sozialen Grundsicherung bestanden darin, dass zum einen nun Menschen im Rentenalter und dauerhaft Erwerbsunfähige aus der Sozialhilfe herausgenommen werden und zum anderen kein Rückgriff mehr auf die Vermögen von Kindern und Eltern erfolgt, es sei denn, diese verfügen über ein Einkommen von über 100.000 € jährlich.

Der vorliegende Bericht, für den, Frau Ministerin, die Fraktion der SPD herzlichen Dank sagt, lässt sich in drei Ergebnissen zusammenfassen:

Erstens. Die Grundsicherung wird gut angenommen und erwartungsgemäß sind zwei Drittel der Anspruchsberechtigten Frauen.

Zweitens. Das Ziel, verschämte Altersarmut zu verhindern, wurde erreicht.

Drittens. Ob die Zuschüsse von Bund und Land reichen, wird im Jahr 2005 nach der Überprüfung infolge der Revisionsklausel abschließend feststehen.

Das sind die Aussagen, die nachgefragt sind. Das sind auch die Aussagen, auf die wir uns verlassen.

Um es noch einmal sehr deutlich zu sagen: Die Grundsicherung ist Bestandteil der Rentenreform und seit dem 1. Januar 2003 müssen Rentnerinnen und Rentner mit niedrigem Einkommen keine Sozialhilfe mehr beziehen. Das ist ein enormer Fortschritt.

Allerdings muss kritisch bemerkt werden, dass die Grundsicherung für viele ältere Menschen und Anspruchsberechtigte zu einem Kampf mit der Behörde wurde. Der Weg zur Grundsicherung war manchmal schwer. So hatten zum Beispiel in Lübeck bis zum Mai 2003 einige anspruchsberechtigte ältere Menschen keine finanziellen Überweisungen der Grundsicherung erhalten.

Die Umsetzung der bedarfsorientierten Grundsicherung im Alter, die am 1. Januar 2003 in Kraft getreten ist, bereitete in vielen Kommunen große Probleme. Das belegen auch die Berichte der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten. Antragsteller wurden verunsichert, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Grundsicherungsämter waren überlastet und viele Anträge blieben viel zu lange unbearbeitet liegen. Nach diesen Anfangsschwierigkeiten scheinen sich die Abläufe jetzt eingespielt zu haben. Das ist eine sehr erfreuliche Tatsache.

Der Bundeszuschuss zur Umsetzung der sozialen bedarfsorientierten Grundsicherung beträgt 409 Millionen € jährlich. Ich erinnere daran, dass es 409 Millionen € sind, weil sich das Land Schleswig-Holstein sehr engagiert, die damalige Sozialministerin Heide Moser, dafür eingesetzt hat, dass der Betrag vom Bund beträchtlich erhöht worden ist.

(Beifall bei der SPD)

Von diesen 409 Millionen € entfallen auf schleswigholsteinische Kommunen 18,486 Millionen €. Hinzu kommt für die Jahre 2003 und 2004 ein Betrag von jeweils 14,56 Millionen €, den das Land aufgrund der erwarteten Einsparungen bei seinem Anteil an den Sozialhilfekosten zur Verfügung stellt. Insgesamt stehen damit rund 33 Millionen € jährlich zur Verfügung. Zum 31. Dezember 2004 erfolgt eine erste Bilanz, die gegebenenfalls eine Anpassung der Zuweisung an die Kreise und kreisfreien Städte zur Folge hat. Damit sind denn auch die Forderungen des Kollegen gut aufgehoben und gut begründet abgewiesen.

(Vereinzelter Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Nach gut eineinhalb Jahren sozialer bedarfsorientierter Grundsicherung lässt sich festhalten: Nach einigen für viele Menschen auch sehr belastenden Anlaufschwierigkeiten entfaltet das Grundsicherungsgesetz seine Wirkung. Viele Menschen, die in einer finanziellen Notlage den Gang zum Sozialamt gescheut haben, weil sie befürchteten, ihre Angehörigen könnten wegen der Unterhaltspflicht in Anspruch genommen werden, oder die sich schlicht und ergreifend schämten, eine Notlage zugeben zu müssen, haben mit der bedarfsorientierten Grundsicherung eine erhebliche Verbesserung ihrer Lebenslage erreicht.

Nach großer und vielfach berechtigter Aufregung über die Umsetzung der bedarfsorientierten Grundsicherung ist sie heute fast zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Eine Reform der Bundesregierung, über die kaum noch gesprochen wird, die aber ihre positive Wirkung entfaltet. Wir sind gern bereit, diesen Bericht im Sozialausschuss weiter zu diskutieren.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich möchte neue Gäste auf der Tribüne begrüßen, und zwar den Seniorenbeirat der Gemeinde Grömitz und den SPD-Amtsverband Silberstedt. - Herzlich willkommen!

Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Kolb.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich gebe gern zu: Im Grundsatz ist der Ansatz des Grundsicherungsgesetzes der richtige. Es sind aber einfach zu viele Fragezeichen vorhanden. Zu viele Fragezeichen bleiben - ich glaube, das ist auch schon gesagt worden - schlicht und einfach für die Kommunen stehen. Das ist nicht so ganz richtig.

Das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und Erwerbsminderung verfolgt das Ziel, ein der Sozialhilfe vorgelagertes, aber nicht bedarfsdeckendes Sozialleistungssystem zu schaffen. Sie sagten es bereits, Frau Ministerin.

Wie bei der Sozialhilfe besteht ein Anspruch auf Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz nur, soweit der Antragsberechtigte seinen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen bestreiten kann. Allerdings bleiben Unterhaltsansprüche gegenüber Kindern und Eltern unberücksichtigt. Auch das wurde bereits gesagt. Mit dieser Regelung wollte man verhindern, dass aus Furcht vor dem Unterhaltsrückgriff gegen die Kinder keine Sozialhilfe beantragt wird.