Protocol of the Session on May 28, 2004

Ich hätte mir eigentlich gewünscht, dass ein paar mehr Sachbeiträge geleistet werden vom Herrn Finanzminister zu dem, was das Parlament beschlossen hat, nämlich einen Bericht über die finanzielle Lage, in der sich dieses Land befindet, abzugeben.

Lassen Sie mich zum Beitrag der Ministerpräsidentin kurz zwei Punkte anführen. Sie sagen, Ihr Vorschlag, die Mehrwertsteuer zur Entlastung der Lohnnebenkosten zu erhöhen, sei der Königsweg. Darüber haben wir schon mehrfach, auch in anderen Runden, miteinander diskutiert. Einfach die Mehrwertsteuer zu erhöhen und dann einen Betrag an die gesetzliche Krankenversicherung zu überweisen, ist garantiert nicht der Königsweg, sondern der Königsweg ist, erst

(Rainer Wiegard)

einmal die Strukturen in der gesetzlichen Sozialversicherung neu zu ordnen,

(Beifall bei CDU und FDP)

sie von Kosten zu befreien, die nicht dahin gehören, festzulegen, wer sich gegen welche Risiken zu versichern hat, und dann festzulegen, welche Leistungen der gesetzlichen Sozialversicherung aus allgemeinen Steuermitteln zu befriedigen sind, weil die Gesellschaft sie will. Darüber müssen wir zuerst reden. Wenn diese Reihenfolge eingehalten wird, sind wir auf dem richtigen Weg.

Meine Damen und Herren, Ihr Beitrag zur Stärkung der Gerechtigkeit in Deutschland und SchleswigHolstein ist, dass Sie die Erbschaftsteuer anheben wollen mit einem riesigen Monstrum, das Sie da bewegen wollen. Nach Ihren eigenen Berechnungen bewegt das immerhin 16 Millionen € mehr in die Kassen des Landes Schleswig-Holstein. Großartig! Damit decken Sie wenigstens ein Drittel der zusätzlichen Zinslasten, die Sie fürs nächste Jahr im Haushalt einplanen. Das ist bedeutender Beitrag zu mehr Gerechtigkeit in Schleswig-Holstein!

Ich bitte, dass wir nur ernst gemeinte Zuschriften entgegennehmen, die auch wirklich Wirkung entfalten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Finanzminister, das war eine teure Rede, die Sie hier heute Morgen gehalten haben. Es war die teuerste Rede, die ein Finanzminister vor dem Plenum des Schleswig-Holsteinischen Landtages je gehalten hat. Nie hat ein Finanzminister in der Zeit, in der er hier gesprochen hat, so viel Zinsen für Schulden bezahlen müssen wie Sie. Nie hat ein Finanzminister in der Zeit, in der er hier gesprochen hat, so viel neue Schulden aufgenommen wie Sie. Das hätte zur Beschreibung der Lage der öffentlichen Finanzen des Landes Schleswig-Holstein gehört, wenn Sie den Auftrag heute Morgen pflichtgemäß erfüllt hätten.

Stattdessen pöbeln Sie schon im ersten Satz gegen die Opposition, als sei die dafür verantwortlich, welche finanziellen Zustände hier herrschen.

Es gibt die Aussage, insbesondere von Herrn Hay, dass es nun keinen Sinn mache, einen Nachtragshaushalt aufzustellen und etwa eine Haushaltssperre zu verfügen. Ich darf Ihnen eine Pressemitteilung vorlesen: „Der Finanzminister hat heute, 15. Mai, angekündigt, dem Kabinett einen Nachtragshaushalt vorzulegen. Mit dem Nachtragshaushalt sollen die drohenden Steuermindereinnahmen kompensiert werden. Zur Unterstützung der nötigen Einsparungen hat der Finanzminister eine differenzierte Haushaltssperre

verfügt.“ Es handelt sich um den 15. Mai 2001! Die Steuerschätzung hatte ergeben, dass wir eine Steuermindereinnahme von 30 Millionen € haben werden. Wegen 30 Millionen € wurden alle gesetzlich und verfassungsmäßig zulässigen Notmaßnahmen getroffen. Aber heute, bei Größenordnungen, die in die Milliarden gehen, sagen Sie, das sei alles nicht notwendig, das sei alles nicht sinnvoll.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, zur Beschreibung hätte es gehört, dass Sie wenigstens das Ergebnis der Steuerschätzung einmal der Öffentlichkeit und dem Hause offen und transparent dargestellt hätten. Zum Ergebnis der Steuerschätzung gehört - Herr Finanzminister, wenn Sie die Güte hätten, einmal zuzuhören; offensichtlich kennen Sie die Zahlen nicht, deshalb möchte ich sie Ihnen vortragen - erstens der Haushalt 2004, den Sie mit Ihrer Mehrheit hier im Dezember beschlossen haben, und dazu gehört zweitens der Bericht über die Auswirkungen der nach der Haushaltsverabschiedung erfolgten Einigung im Vermittlungsausschuss, den Sie am 22. Januar dem Hause vorgetragen haben. Da haben Sie gesagt, dass dies 120 Millionen € mehr in die Kassen des Landes bringt. Das ist dann die Grundlage, nämlich 5,025 Milliarden € Haushalt plus 120 Millionen € angebliche Mehreinnahmen durch den Vermittlungsausschuss, das ergibt 5,1 Milliarden € angenommene Steuereinnahmen. - Da brauchen Sie nicht den Kopf zu schütteln, Herr Finanzminister. Das ist die Grundlage, auf der wir hier zu diskutieren haben. Das Land wird aber nach dieser Steuerschätzung zum ersten Mal tatsächliche Steuermindereinnahmen gegenüber dem Vorjahr in Höhe von 200 Millionen € haben, die auch etwas mit der konjunkturellen Lage zu tun haben. Es hätte sich gehört, dass Sie das hier darstellen.

Zur Beschreibung der Lage hätte auch gehört - ich habe das vorhin hochgehalten; vielleicht können wir uns da ja noch miteinander austauschen -, dass Sie sich die drei Eckdaten, auf denen die Finanzlage unseres Landes beruht, zu Gemüte führen. Sie hatten am Ende des vergangenen Jahres einen Schuldenberg von 19 Milliarden €. Am Ende dieses Jahres werden es vermutlich 20 Milliarden € sein, und zum Ende Ihrer Regierungszeit mit dem Haushalt 2005 werden Sie mehr als 21 Milliarden € Schulden aufgetürmt haben. Allein in den Jahren, in denen ich dem Landtag angehören durfte, nämlich seit 2000, haben Sie an Schulden und Vermögensveräußerungen so viel Schaden angerichtet, wie die CDU-geführte Landesregierung in 40 Jahren für den Aufbau des Landes Schleswig-Holstein verwendet hat.

(Beifall bei der CDU)

(Rainer Wiegard)

In nur sechs Jahren haben Sie die gleiche Summe zusammengetragen, nämlich fast 8 Milliarden €, meine Damen und Herren!

Sie sagen, das sei überall so, und Sie sagen auch, dafür sei die Bundesregierung und seien alle anderen mitverantwortlich. Es gibt heute die Veröffentlichung der Pro-Kopf-Verschuldung der Flächenländer. Warum liegt Schleswig-Holstein denn am Ende aller Länder und warum liegt Deutschland am Ende aller Staaten in Europa? Das hat etwas mit der Politik zu tun, die Sie mit begleitet haben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die Frau Ministerpräsidentin hat im vergangenen Jahr bei den Haushaltsberatungen gesagt: Wir sind zur Umsetzung der Vorschläge der rot-grünen Bundesregierung bis an die Grenze der Belastbarkeit Schleswig-Holsteins gegangen. Wie kommen Sie eigentlich dazu, bis an die Grenze der Belastbarkeit SchleswigHolsteins zu gehen, um Vorschläge der rot-grünen Bundesregierung umzusetzen - Herr Kayenburg hat es vorhin angesprochen -, die uns insgesamt nur schaden und nicht helfen?

Herr Kollege!

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.

Ich will nur noch einmal ein Zitat vorlesen, da Sie diesmal dabei sind, Frau Ministerpräsidentin, das aus Ihrer ersten Haushaltsrede als Finanzministerin des Landes Schleswig-Holstein am 6. Dezember 1988 stammt und im Wesentlichen beschreibt, wo das Manko unseres Landes liegt, seit Sie hier die Verantwortung übernommen haben. Sie sagten:

„Ich komme zu einem weiteren wichtigen Eckdatum eines jeden Landeshaushalts, nämlich den Investitionen. Da die Investitionen von heute die Voraussetzungen beziehungsweise der Anreiz für private Investitionen von morgen sind und damit also auch über die Arbeitsplätze von morgen und die soziale Leistungsfähigkeit entscheiden,“

- über all das haben wir heute viel gesprochen -

„ist dies ein Punkt, der erschrecken muss, wenn man sich im Süd-Nord-Gefälle ansieht, wie die Sachinvestitionen der einzelnen Länder aussehen. Wir wollen“

- so haben Sie am 6. Dezember 1988 gesagt -

„den rückläufigen Trend der Investitionsquoten aufhalten und die Investitionsquote von 16,2 % auf 17 % erhöhen.“

Das war die Frau Ministerpräsidentin. Hätten Sie es nur getan! Sie haben sie tatsächlich halbiert. Im letzten Jahr und im vorletzten Jahr, in denen Sie die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts erklärt haben, haben Sie die niedrigsten Investitionen aller Zeiten für Schleswig-Holstein aus diesem Landeshaushalt bewirkt. Das ist eine der wesentlichen Ursachen für die Misere, in der wir uns befinden.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Kollege, die CDU hatte noch eine Restredezeit von zwei Minuten. Zusätzlich zu den fünf Minuten, die vereinbart waren, ergibt das entsprechende Redezeiten.

Jetzt hat der Kollege Karl-Martin Hentschel für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich fand es interessant, dass Sie in diesem Zusammenhang auf den Nachtragshaushalt des Jahres 2001 eingegangen sind. Ich finde, das zeigt, wie beliebig Sie hier argumentieren. Im Jahre 2001 waren zwei Dinge anders als heute. Erstens gab es eine andere Konjunkturlage. Damals gingen alle Konjunkturprognosen davon aus, dass es einen selbst tragenden Aufschwung gibt. Das ist zurzeit nicht der Fall. Das heißt, es geht im Moment um die Frage: Macht es Sinn, noch weitere Einsparungen vorzunehmen, oder gefährdet das das zurzeit gestörte gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht? Das ist der erste Unterschied.

Der zweite Unterschied ist: Der Nachtrag bezog sich auf den laufenden Haushalt. Der laufende Haushalt für 2004 ist aber gedeckt.

(Rainer Wiegard [CDU]: Er ist verfassungs- widrig!)

Wir reden über den Haushalt von 2005. Es handelt sich um zwei völlig verschiedene Dinge, die Sie einfach mal zusammengebracht haben, ohne darauf überhaupt einzugehen. Das ist nicht zulässig, Herr Wiegard.

Ich möchte nun auf die Frage der deutschen Einheit eingehen, weil die hier zweimal angesprochen worden ist. Es gab ein Modell für die Finanzierung der deutschen Einheit und das Modell ist der Lasten

(Karl-Martin Hentschel)

ausgleich von 1948. Damals hatten wir eine außerordentliche Situation, in der alle Vermögen mit einer Sonderabgabe von 50 % belastet worden sind, um in dieser einmaligen Situation die Lasten zu finanzieren. Diese Lasten sind auf alle umgelegt worden. Dieser Vorschlag lag 1990 auf dem Tisch. Er ist damals auch von meiner Partei gemacht worden. Dieser Vorschlag ist nicht aufgegriffen worden. Es hätte ausgereicht, eine 10-prozentige Sonderabgabe auf sämtliche Vermögen zu erheben. Die hätte man über zehn Jahre strecken können. Das hätte den Leuten wenig ausgemacht. Das wären jährlich 1 % gewesen. Damit wäre die deutsche Einheit finanziert gewesen. Niemand hätte irgendetwas dagegen sagen können, in dieser Situation von 1990, als alle von der deutschen Einheit begeistert waren, dass jeder 10 % seines Vermögens abgibt, um die deutsche Einheit zu finanzieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das ist nicht gemacht worden. Stattdessen hat man die Sozialkassen ausgeräubert und hat blühende Landschaften versprochen. Ich halte das immer noch für einen gravierenden Fehler. Ich habe Ihre Argumentation wirklich nicht verstanden.

Zu den Schulden! Es ist richtig, wir haben die höchsten Schulden. Aber Schleswig-Holstein hatte bereits die höchsten Schulden, als die Regierung 1988 wechselte.

(Widerspruch bei der CDU)

Das müssen Sie ehrlicherweise auch sagen. Es gehört zumindest zur Ehrlichkeit, dass man so etwas sagt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Wir tun nichts weiter, als Jahr für Jahr die Zinsen zu zahlen. Hätten wir diese Vorbelastung nicht gehabt, hätten wir jedes Jahr ein Plus gemacht. Das muss man ehrlicherweise auch sagen.

(Zuruf von der FDP: Herr Hentschel, was haben Sie denn für Zahlen?)

Letzter Punkt: Herr Wiegard, Sie haben Ihre Rede mit der Forderung nach einem Nachtrag begonnen. Ich verstehe den Nachtrag angesichts der Situation so, dass Sie sagen, man sollte die Ausgaben kürzen. Am Ende Ihrer Rede haben Sie dann von mehr Investitionen gesprochen. Mehr Investitionen bedeuten doch, die Ausgaben anzuheben. Ich finde, für beides spricht viel.

Wir brauchen mehr Investitionen, wir brauchen auch eine Kürzung der Ausgaben. Das ist auch genau der Weg, den wir ständig beschreiten. Ich finde es richtig,