Protocol of the Session on May 28, 2004

Schon in den vergangenen Jahren hat die Landesregierung mit der EU gut kooperiert. Mit dem HanseOffice haben wir gemeinsam mit Hamburg eine gute und verhandlungsfähige Vertretung in Brüssel. Ich rege an, dass man noch einmal den Versuch unternimmt, das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern in diesen Verbund zu integrieren.

Mit Strukturhilfen wie den URBAN-Projekten und vor allem ziel und ZAL konnte vieles in unserem Lande finanziert und entwickelt werden. In Zukunft müssen wir diese Mittel sehr effektiv nutzen. Unsere Ministerpräsidentin hat ja die neue strategische Lage Schleswig-Holsteins deutlich gemacht. Wir müssen uns noch einmal intensiv mit der Zukunft der europäischen Fonds in diesem Hause beschäftigen.

Zentrales Anliegen der Landespolitik ist die Ostseekooperation mit Skandinavien, den drei baltischen Staaten Litauen, Estland und Lettland, Polen, von Russland der Enklave Kaliningrad und der Region um Sankt Petersburg. Nur Norwegen und Russland sind nicht Mitglieder der EU.

Der Ostseeraum gehört zu den Zukunftsregionen Europas. Hier leben über 50 Millionen Menschen, die einen eigenen innereuropäischen Markt bilden. Die Landesregierung hat bereits seit langem die Zusammenarbeit im Ostseeraum initiiert und zu einem politischen Schwerpunkt gemacht. Zahlreiche Kooperationsbündnisse sind inzwischen entstanden. Angefangen hat das Ganze mit einer parlamentarischen Konferenz, die sich Jahr für Jahr fortsetzt und demnächst in Norwegen stattfinden wird.

Heute sind praktisch alle relevanten Organe und Institutionen im Lande in Bündnissen organisiert mit Partnern im Ostseeraum. Dazu gehört zum Beispiel auch die Baltic Sea Chambers of Commerce Associa

(Detlef Matthiessen)

tion, die ihren Sitz bei der IHK in Kiel hat. Die Zusammenarbeit wird durch den Ostseerat der Außenminister, CBSS, jetzt auch formal durch staatliche Kooperationen fortgesetzt.

Die bestehenden vielfältigen Verflechtungen eröffnen der Ostseeregion die Chance, gemeinsam im schärfer werdenden Wettbewerb der europäischen Großregionen um Handelsströme und Standortentscheidungen bestehen zu können. Dabei wird auf nachhaltige Entwicklung und die Beachtung von ökologischen Kriterien Wert gelegt, jedenfalls aus schleswig-holsteinischer Sicht. Da hat SchleswigHolstein unter den Staaten der Ostseekooperation durch die Beschlüsse der parlamentarischen Konferenzen stets eine Vorreiterrolle inne gehabt.

Wir wollen weiterhin Motor im Ostseeraum bleiben. Wir brauchen die Kooperation mit unseren Nachbarstaaten, zum Beispiel bei der Sicherung der Wasserstraßen auf der Ostsee. Auch hier nimmt SchleswigHolstein bereits heute eine Vorreiterposition ein.

Ich freue mich übrigens besonders - ich weiß nicht, ob Sie das mitgekriegt haben -, dass die Fähren der schleswig-holsteinischen Häfen beim jüngsten ADAC-Test im europäischen Vergleich als besonders sicher eingestuft worden sind. Wir haben - glaube ich - die einzige Fähre, die von Lübeck abgeht, mit der Note eins bewertet bekommen

(Werner Kalinka [CDU]: Und hier mit Note zwei!)

und alle andere Fähren hier mit Note zwei. Ich finde, darauf können wir stolz sein.

(Vereinzelter Beifall)

Das ist auch ein Signal für die Kooperation im Ostseeraum im Tourismus und Warenverkehr.

(Zurufe)

Es gibt Schleswig-Holstein-Büros in Danzig, Kaliningrad, Malmö, Tallinn, Vilnius und Riga. Wir können auch ein bisschen stolz sein, dass wir uns damit so etwas Ähnliches wie eine Landesaußenpolitik leisten.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zuruf des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

Natürlich erleichtern auch diese Ostseebüros den wirtschaftlichen Warenaustausch. In der Regel sind dort Muttersprachler aus den Ländern beschäftigt, die hervorragend deutsch sprechen und die Verhältnisse sowohl bei uns als auch in ihren Ländern kennen. Wir durften das zum Beispiel bei unserem Aufenthalt in

Polen zur Kenntnis nehmen mit der hervorragenden Betreuung des Schleswig-Holstein-Büros in Danzig.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Manfred Ritzek [CDU])

Eine besondere Rolle spielt Russland als Partner in der Ostseezusammenarbeit. Die Kooperation mit der dortigen Duma und auch mit der Universität sind ein gutes Beispiel, wie Zusammenarbeit gerade auch von Schleswig-Holstein aktiv betrieben wird.

Ich habe in meiner Rede - es ist ja ein bisschen die Luft heraus - sehr viel gestrichen, aber eines habe ich doch stehen lassen. Unsere Landtagsvizepräsidentin Gabi Kötschau hat in der Zusammenarbeit mit den ehemaligen GUS-Staaten mit ihrer Sprachkompetenz und ihrem kulturellen und sozialen Einfühlungsvermögen eine hervorragende Arbeit geleistet.

(Beifall)

Liebe Gabi, ich freue mich, dass du diese Arbeit im Interesse des Landes fortsetzen wirst.

(Zuruf der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Ich finde, das hat sie wirklich verdient.

Wir müssen in Zukunft weiter auf enge Zusammenarbeit im Bereich der Hochschulen setzen. Sowohl bei uns im Lande als auch bei unseren Partnerländern im Baltikum ist Bildung eine strategische Aufgabe. Bildungsarbeit wollen wir weiter ausbauen. Die Ostseeregion muss eine Wissensregion werden.

Auch in anderen Bereichen wollen wir deutlich machen, dass wir ein Europa sind. Es gibt keine Grenzen mehr, die Zusammenarbeit verhindern. Nehmen wir zum Beispiel die Arbeit des Landesjugendringes mit dem Ostseebüro, so ist das ein weiteres Beispiel für die strategische Option: Schleswig-Holstein und die Ostsee-Zukunftsregion für junge Menschen.

Schleswig-Holstein liegt jetzt im Herzen der EU, wenn auch etwas am nördlichen Rande dieses Herzens. Mit unseren beiden großen Häfen in Kiel und Lübeck-Travemünde haben wir tägliche Verbindungen zu unseren Nachbarstaaten. Wir wollen dies nutzen, um den Warenaustausch von road to sea, also die Verlagerung von der Straße auf die wassergebundenen Transportwege, vorwärts zu bewegen.

Meine Damen und Herren, Schleswig-Holstein ist von seiner Randlage jetzt mitten in die EU gerutscht. Up plattdüütsch: Wi sin midden mang dorbi. Unsere Ministerpräsidentin genießt hohes Ansehen im Raum

(Detlef Matthiessen)

des Mare Balticum, in Deutschland und Europa. Davon profitiert Schleswig-Holstein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben mit allen Parteien hier im Hohen Hause große Einigkeit. Wir wollen weitermachen auf dem Kurs, Schleswig-Holstein im erweiterten Europa voranzubringen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Politik ist Landespolitik“ heißt es in dem vorliegenden Antrag der regierungstragenden Fraktionen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Recht haben Sie! Denn einerseits wird die Landespolitik mehr, als wir uns es in unser täglichen Arbeit bewusst sind, von Brüssel gesteuert. Andererseits ist es natürlich auch so, dass uns in Schleswig-Holstein durch Einbeziehung der europäischen Perspektive in die Landespolitik neue Chancen geboten werden. Was - in Klammern bemerkt - nicht so aufgefasst werden soll, dass es bei der anstehenden Europawahl darum geht, irgendwelche innenpolitische Denkzettel zu verabreichen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich frage Sie einmal: Hat der sehr geschätzte Kollege Carstensen, Ihr Landesvorsitzender, etwa vor, in das Europaparlament einzuziehen? Wenn man gewisse Plakate sieht, könnte man auf den Gedanken kommen.

(Zurufe von der CDU)

Ich sage nicht, dass das hübsche Bilder sind. Aber wenn ich mir die Plakate ansehe, frage ich mich: Kandidiert er für die Europawahl oder was will er?

(Zuruf von der CDU: Europapolitik ist Lan- despolitik!)

Doch jetzt zum Thema! Auch der SSW ist der Auffassung, dass die Ostseekooperation ein zentrales Element in der Europapolitik unseres Landes ist und auch künftig sein soll. Für diese Art der regionalen Zusammenarbeit spricht weiterhin, dass sie breit gefächert und von unten gewachsen ist. Historisch betrachtet gehört es auch zu ihren Stärken, dass sie sowohl Mitglieder der EU als auch Nicht-EU-Mitglieder umfasst. Zugegeben, jetzt nach der EUErweiterung muss man nach Nicht-EU-Mitgliedern in

der Ostsee-Kooperation suchen. Umso wichtiger wird vor diesem Hintergrund die Weiterentwicklung eines guten nachbarschaftlichen Verhältnisses zu Russland sein. Man könnte auch sagen, dass die Strategie der nördlichen Dimension in der EU jetzt aktueller ist denn je.

War die Ostsee-Kooperation mit der Etablierung des Ostseerates anfänglich eine Initiative der Landesregierung, so spielt inzwischen auch die parlamentarische Zusammenarbeit eine wichtige Rolle. Aus Sicht des SSW könnte man ruhig selbstbewusst hinzufügen, dass sich auch der Schleswig-Holsteinische Landtag mit guten Initiativen eingebracht hat und einbringt. Die Ostsee-Parlamentarierkonferenz stellt dafür einen wichtigen Rahmen dar. Daher unterstützen wir die Bemühungen des Landtagspräsidenten, diese Arbeit weiter zu stärken. Diskutiert wird unter anderem, dass die Mitglieder der Ostsee-Parlamentarierkonferenz künftig für eine ganze Legislaturperiode gewählt und dass transparentere Beziehungen zwischen dem Ostseerat und der Parlamentarierkonferenz hergestellt werden. Wir bleiben aber dabei, dass wir es weiterhin mit einer Konferenz und nicht mit einem Regionalparlament zu tun haben. Und wir bleiben auch dabei, dass die Anbindung an den Nordischen Rat sehr hilfreich und eine gute Perspektive für diese Arbeit ist.

Vor diesem Hintergrund wünschen wir uns, dass die Ostseepolitik der Landesregierung wieder einen eigenständigeren Stellenwert erhält, frei nach dem Motto: Chefsache ist gut, aber auf zwei Beinen gehen ist besser.

(Beifall bei SSW und CDU)

Nur so können wir nach außen hin dokumentieren, wie wichtig diese regionale Außenpolitik ist, und den Einfluss auf die Bundesebene stärken. Eines sollten wir alle befürworten: Die nördliche Dimension, von der ich vorhin sprach, und die damit zusammenhängende Ostsee-Kooperation müssen in Zukunft auch ein zentrales Element deutscher Europapolitik sein.

Die andere Seite dieser Medaille, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist natürlich die Arbeit des HanseOffice und auch die Arbeit des Schleswig-HolsteinBüros. Diese Arbeit müssen wir künftig nicht nur stärken, sondern weiter ausbauen; denn das ist das, worauf wir als Parlamentarier eigentlich angewiesen sind, wenn wir auf Partnerschaftskooperationen oder auf Partnerschaftsverträge eingehen oder die regionale Zusammenarbeit weiterhin stärken wollen.

Doch jetzt noch einige Worte zur künftigen EUVerfassung. Wenn wir der Meinung sind, dass die Wahrung der kulturellen und sozialen Vielfalt in ei

(Anke Spoorendonk)

nem zusammenwachsenden Europa höchste Priorität hat, dann müssen auch die Minderheiten und Volksgruppen in allen Mitgliedsländern Anerkennung, Schutz und Förderung genießen.