Protocol of the Session on May 27, 2004

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Klug das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit einer Überweisung - ich schlage vor, an den Sozialausschuss und mitberatend an den Bildungsausschuss - sind wir selbstverständlich einverstanden.

(Zurufe)

- Sind Sie einverstanden? - Wunderbar!

Ich möchte als ersten Punkt noch einmal hervorheben, dass die Diskussion, die wir hier in der ersten Runde geführt haben, im Zusammenhang mit einer zentralen Frage steht: Verstehen wir den Elementarbereich, also die Kindertagesstätten und andere Vorschuleinrichtungen, als die erste Stufe des Bildungswesens oder ist er für uns eine vom Bildungswesen sozusagen zu trennende Sphäre der Kinderbetreuung? Wenn man die Zugehörigkeit zum Bildungswesen bejaht, dann gibt es denklogisch keine Gründe dafür, für die Ausbildung des Fachpersonals einen anderen Standard vorzusehen als etwa für Lehrer an Grundschulen.

(Beifall bei der FDP)

Wie wollen Sie, wenn Sie die These Bildung bejahen und wenn Sie das in Rechnung stellen, was alle wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahre zur Bedeutung der frühkindlichen Pädagogik, und das heißt eben auch zu einer Vorschulerziehung und Vorschulbildung, die diese neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigt, einbeziehen, begründen, dass Sie bei der Qualifizierung des Fachpersonals für die erste Phase des Bildungssystems, für den Elementarbereich, einen anderen Standard ansetzen als für den Grundschulbereich? Dafür gibt es dann keine logische Begründung mehr.

(Dr. Ekkehard Klug)

Zweiter Punkt - damit komme ich zum Schluss, Herr Präsident -: Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass es hierzu bundesweit längst eine Entwicklung mit entsprechenden Studienangeboten in Berlin, Niedersachsen und Bremen gibt. Das heißt, es geht hier auch um die Frage, ob sich Schleswig-Holstein wieder einmal - wie in so vielen Fällen - im Konvoi der Länder auf die altbekannte schleswig-holsteinische Schlusslichtrolle einlässt.

(Widerspruch bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das sind Sozialdemokraten und Christdemokraten mit ihrer Positionsbeschreibung in dieser Debatte. Sie wollen lieber wieder „hinterherhoppeln“

(Zurufe von der SPD)

- Herr Kollege Baasch -, anstatt einmal eine schon längst bundesweit laufende Entwicklung auch mit eigenen schleswig-holsteinischen Akzenten aktiv mitzugestalten.

(Beifall bei der FDP - Wolfgang Baasch [SPD]: Das machen wir doch schon längst! - Weitere Zurufe von der SPD)

Ich erteile der Frau Ministerin Erdsiek-Rave das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Klug, die letzte Bemerkung war total daneben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und des Abgeordneten Torsten Geerdts [CDU])

Berlin und Brandenburg haben sich jetzt auf den Weg gemacht, aber von der überwiegenden Zahl der Länder wird das abgelehnt. Das sollten Sie bitte einmal zur Kenntnis nehmen. Ich finde, wir sollten den Boden der ernsthaften Auseinandersetzung jetzt nicht unbedingt mutwillig verlassen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Jürgen Feddersen [CDU] und Heinz Maurus [CDU])

Die Elementarpädagogik hat es in der Tat derzeit nur mit drei zentralen Herausforderungen zu tun. Das erste ist die Neudefinition des Bildungsauftrages - sicherlich auch nach PISA - und der Aufmerksamkeit für den Elementarbereich. Natürlich ist das - jeden

falls nach meiner Auffassung - die erste Stufe des Bildungswesens.

Zweitens ist das die Gestaltung des Übergangs vom Kindergarten, der Kindertagesstätte in die Grundschule und drittens ist das die Ausbildungsqualität und die Weiterqualifizierung der Erzieherinnen und Erzieher.

Ich möchte zunächst einmal feststellen - weil hier solche Töne zum Teil angeklungen sind, auch bei Ihnen, Frau Eisenberg -: Die hohe Qualität der Erzieherausbildung ist in Schleswig-Holstein allgemein anerkannt,

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

auch über die Landesgrenzen hinaus. Das schleswigholsteinische Konzept der Erzieherausbildung hat die Rahmenvereinbarung der KMK dazu aus dem Jahr 2003 ganz wesentlich beeinflusst.

(Beifall der Abgeordneten Jutta Schümann [SPD])

Noch etwas muss man sagen: Es entspricht in vielem - das muss man auch sehen - bereits der akademischen Qualifizierung in anderen Ländern. Das ist so.

(Beifall der Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD] und Jutta Schümann [SPD])

Wenn wir jetzt aber darüber nachdenken, ob wir in Zukunft ein Hochschulstudium im Bereich der Elementarpädagogik, etwa als Qualifikation für Teile des Erzieherberufes, brauchen - ich finde, diesem Gedanken sollten wir uns grundsätzlich nicht verschließen -,

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall des Ab- geordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

dann hängt das in erster Linie mit europäischen Entwicklungen zusammen, angefangen von PISA bis hin zu Bologna, mit der europäischen Forderung nach Mobilität und Flexibilität. Wenn wir uns fragen, ob und welcher Reformbedarf besteht, dann darf das nicht zugleich eine Generalkritik an der bisherigen Arbeit der Kindertageseinrichtungen sein.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN sowie Beifall des Abgeordneten Torsten Geerdts [CDU])

Im Gegenteil, auch das Flensburger Beispiel ist ein sehr positives. Die Kindertagesstätten unterziehen sich einer Qualitätsüberprüfung. Welch ein Fortschritt, kann man da nur sagen. Und Eltern wissen, Erzieherinnen leisten heute sehr viel, sie engagieren sich häufig außerordentlich in Betreuung und - Frau Eisenberg - in Bildung. Sie setzen neue pädagogische

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

Impulse, erproben neue Konzepte. Ich habe seit dem letzten Jahr, seit dem ich dafür zuständig bin, eine ganze Reihe von Einrichtungen besucht. Ich kann Ihnen nur sagen, manches pädagogische Konzept, das dort vorliegt, kann sich heute mit jedem Schulprogramm messen. Das ist wirklich so.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und des Abgeordneten Torsten Geerdts [CDU])

Natürlich gibt es neue Herausforderungen. Zum Beispiel ist die Bedeutung der frühen Sprachförderung inzwischen unumstritten. Wir suchen auch Wege, um sie in die jetzige Praxis, in die Fort- und in die Ausbildung einzubeziehen. Derzeit wird in Neumünster an der schon zitierten Elly-Heuss-Knapp-Schule ein solches Modell erprobt - zusammen mit der Landeskoordinatorin sehr erfolgreich. Und weil das so ist, werden wir das in den Lehrplan für die Fachschule, der ja in der Erprobung ist und alle neue Elemente und Herausforderungen aufnimmt, aufnehmen und sozusagen zur Regel machen. Er tritt am 1. August 2004 in Kraft.

Nun noch einmal die Frage: Brauchen wir darüber hinaus als Ergänzung oder Alternative eine Ausbildung an der Hochschule? Und wie stehen die Praktiker dazu? - Ich will aus den Gesprächen, die ich in der Elly-Heuss-Knapp-Schule geführt habe, zwei Punkte aufgreifen. Es ist eine Europaschule - Frau Höfs hat das schon dargestellt -, die Auszubildenden sind hoch interessiert am europäischen Austausch und sie stellen dabei fest, die typisch deutsche Fachschulausbildung ist wenig kompatibel mit den Ausbildungen in anderen Ländern. Das muss man bitte auch zur Kenntnis nehmen.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das gilt aber generell für die mangelnde Transparenz der beruflichen Ausbildung in Europa. Deswegen ist auch der Brügge-Prozess, der jetzt parallel zum Bologna-Prozess in Gang gesetzt worden ist und sich mit der Angleichung, Transparenz und Modularisierung der beruflichen Ausbildung beschäftigt und das auf den Weg bringt, so bedeutsam. Wir müssen da Hürden und Hemmnisse abbauen.

Und einer Erzieherin, die sich nach ihrer Ausbildung oder einer Berufsphase heute für ein aufbauendes Studium an der Fachhochschule entscheidet, werden noch nicht einmal die Ausbildungsteile anerkannt, die ganz oder weitgehend deckungsgleich mit denen der Fachhochschule sind.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Viele Erzieherinnen nehmen das wahr, machen das so, 20 % derer, die sich in dem entsprechenden Studienzweig in der Fachhochschule befinden, kommen aus der Erzieherausbildung. Denen wird nicht ein einziges Semester, ein einziges Modul, anerkannt. Da bietet die Umstellung auf Bachelor/Master, wie sie jetzt an der Fachhochschule vorbereitet wird, eine sehr gute Möglichkeit, diese Module aufzunehmen und den Übergang sozusagen von der Erzieherausbildung in ein Fachhochschulstudium zu erleichtern. Ich finde, das wäre ein guter erster Schritt.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Darüber hinaus müssen wir prüfen - es hat in dieser Woche dazu Gespräche mit der Fachhochschule gegeben und wir sind da ein Stück weitergekommen - und auch die schwierigen Auswirkungen einbeziehen, ob bei dieser konsekutiven Umgestaltung des Fachhochschulstudiengangs Sozialwesen im Zuge des Bologna-Prozesses der erste berufsqualifizierende Abschluss, also der Bachelor, eine elementarpägagogische Qualifizierung umfassen kann. Das wäre unter Umständen eine wünschenswerte Voraussetzung für eine Leiterin oder einen Leiter von Kindertagesstätten.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber die Fachhochschule ist erst wirklich - bitte nicht übertreiben - in den allerersten Anfängen ihrer Überlegungen dazu.

Die Anrechnung bestimmter Module muss also sichergestellt werden. Das ist der erste Schritt. Den weitergehenden Schritt sollten wir sehr sorgfältig prüfen. Ich stehe dem tendenziell offen gegenüber, Herr Dr. Klug, denn der europäischen Herausforderung, die damit verbunden ist, müssen wir uns unbedingt stellen.

(Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Ich finde, wir sollten die Konsequenzen wirklich sorgsam bedenken und im Ausschuss vielleicht eine umfassende Anhörung durchführen, denn der Ansatz ist wichtig und zukunftweisend und wir sollten uns dem öffnen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)