Protocol of the Session on May 27, 2004

Die FDP begründet ihren Antrag auch mit einer Angleichung der Erzieherinnenausbildung an die europäischen Standards und hat sicher die skandinavischen Länder vor Augen. Aber der Vergleich hinkt. Die Fachschulen in Deutschland, die die Ausbildung für Erzieherinnen durchführen, sind Teil der beruflichen Schulen, die es in den skandinavischen Ländern leider so nicht gibt. Sie eröffnen in Deutschland gleichzeitig die Möglichkeit zu weiterführenden Abschlüssen, was es in anderen Ländern ebenfalls nicht gibt. Auch das sollte man nicht vergessen, Frau Spoorendonk, wenn man immer nach Skandinavien schaut.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Die Voraussetzung zum Besuch der Fachschule ist der mittlere oder der Realschulabschluss. Damit wird auch den theoretisch nicht so Begabten, die gern mit Kindern arbeiten, eine Berufsausbildung eröffnet. Stellt man diesen eine Erzieherin oder einen Erzieher de luxe gegenüber, findet nach aller Erfahrung ein Verdrängungswettbewerb zulasten der Erzieherinnen mit einer guten Fachschulausbildung statt. Ich kann nicht glauben, dass die FDP das will. Die Folge wäre nämlich der Closedshop für diejenigen, die nicht die theoretischen Voraussetzungen für ein Abitur erfüllen, aber dennoch gern mit Kindern arbeiten wollen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Dass sich neue finanzielle Ansprüche aus einer Akademisierung der Erzieherinnenausbildung ergeben, hat die GEW natürlich richtig erkannt. Diese Personalkosten werden die Träger der Kitas belasten, es sei denn, das Land Schleswig-Holstein übernähme im Wege des Konnexitätsprinzips die erhöhten Kosten für den Einsatz der Hochschulabsolventen. Das erscheint aber zurzeit nicht sehr wahrscheinlich, ist doch gerade die Kostenübernahme von der Landesregierung gedeckelt worden.

Der FDP-Antrag lässt - bei allem Wohlwollen in der großen Zielsetzung - noch einige wichtige Fragen unbeantwortet. Deswegen sollten wir ihn dem Ausschuss übergeben.

(Beifall bei der CDU und der Abgeordneten Jutta Schümann [SPD])

Bevor ich weiter das Wort erteile, möchte ich Gäste begrüßen. Zwischenzeitlich haben auf der Tribüne

Mitglieder der Jusos Elmshorn Platz genommen. - Auch Ihnen ein herzliches Willkommen!

(Beifall)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Birk das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Eisenberg, in einem stimmen wir überein: Ausschussüberweisung ist angesagt. In allen anderen Fragen aber kann ich Ihnen nicht folgen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Der Erzieherinnen- und Erzieherberuf braucht in Deutschland eine bessere Ausbildung und Vergütung.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

In anderen europäischen Ländern ist Erzieherin/Erzieher ein der Lehrkraft durchaus gleichgestellter Beruf.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Heiner Garg [FDP])

In Deutschland wird die Aufgabe, sich beruflich mit den ersten Lernerfahrungen kleiner Kinder oder der außerschulischen Bildung von Jugendlichen zu befassen, seit Jahrzehnten unterschätzt. Dies drückt sich auch im Erziehergehalt und in der mangelnden Präsenz von Männern in diesem Berufsfeld aus.

(Beifall bei der FDP)

Das ist ja durchaus ein größer werdendes Problem. Die Erzieherinnen in Schleswig-Holstein zeigen mit ihrer praktischen Arbeit und ihrer hohen Fortbildungsbereitschaft, dass sie mehr können und mehr beitragen wollen.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, es ist eindeutig zu laut. Ich bitte um etwas mehr Konzentration.

Wer einmal die Listen von Anmeldungen zu den Fortbildungen des Ministeriums, aber auch zu den Fortbildungen von Berufsverbänden oder Gewerkschaften gesehen hat und zur Kenntnis nehmen muss, dass sich dort doppelt und dreifach so viele anmelden, wie angenommen werden können, und trotzdem an der Fortbildung Hunderte von Menschen teilnehmen,

(Angelika Birk)

obwohl sie am Wochenende stattfindet, dem wird deutlich, was die Fortbildungsbereitschaft in diesem Beruf hier in Schleswig-Holstein bedeutet. Ich finde, das sollten wir an dieser Stelle ausdrücklich anerkennen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Die Fachhochschule Kiel greift die Initiativen einiger anderer Bundesländer auf und will eine BachelorAusbildung für Erzieherinnen und Erzieher anbieten. Dies finden wir gut. Wir würden uns freuen, wenn die Landesregierung dieses Anliegen unterstützt. Uns ist bewusst, wie viele Hürden es dabei gibt, insbesondere angesichts des augenblicklichen kommunalen Trends, an den Kitas und in der Jugendarbeit trotz des Bildungsauftrages beider Felder sparen zu wollen. Auch die Tatsache, dass sich wegen der schlechten Vergütung der Nachwuchs von Erzieherinnen zunehmend über den Aufstieg sozialpädagogischer Assistentinnen, statt über den Einstieg Abitur rekrutiert, macht uns Sorgen. Dieser Tatsache müssen wir ins Gesicht sehen. Die jetzige Generation von Leiterinnen von Erziehungseinrichtungen, insbesondere Kindertagesstätten, berichtet uns mit Kummer, dass der Erzieherberuf im öffentlichen Bewusstsein so „auf den Hund gekommen“ ist, dass praktisch kein direkter Einstieg erfolgt, sondern dass es nur eine „Aufstiegsmöglichkeit“ für die sozialpädagogischen Assistentinnen ist. Das ist natürlich, so schön der Aufstieg für die sozialpädagogischen Assistentinnen ist, nicht gut, wenn das der einzige Einstieg ist. Wir müssen hier also etwas tun.

Aber es ist mir bewusst, dass es nicht der richtige Weg sein kann, jetzt einfach so zu tun, als wäre das Feld so, wie wir uns das ideal vorstellen. Wir schlagen deshalb erstens Ausschussüberweisung und zweitens eine Anhörung vor. Einige haben sich ja offensichtlich schon mit den Fachverbänden auseinander gesetzt. Wir halten es aber für sinnvoll, eine Anhörung nicht nur mit den Fachverbänden, sondern auch mit der Uni Flensburg, die ja für die Lehrerausbildung zuständig ist - Kindertagesstätten und Schulen sollen ja mehr zusammenarbeiten -, aber natürlich auch mit der Fachhochschule Kiel durchzuführen.

Ein pragmatischer erster Schritt wäre es unseres Erachtens, wenn die Fachhochschule Kiel und die Uni Flensburg mit den bestehenden Fachschulen für den Erzieherberuf zusammenarbeiten würden.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie sollten sehen, wie weit sie gemeinsam erste Schritte in Richtung Bachelor machen können. Wün

schenswert wäre auch, bald gemeinsame Vorhaben in der Erzieherfortbildung und in der Qualifizierung der Leitung von Kinder- und Jugendeinrichtungen umzusetzen. Diese beiden Ziele sollte man mit Zeitplänen ins Auge fassen, nachdem wir uns in einer Anhörung ausführlich über den aktuellen Diskussionsstand informiert haben.

Dieses Thema der FDP ist also keineswegs eines für Sonntagsreden, sondern hier besteht dringender Handlungsbedarf.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Spoorendonk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der SSW begrüßt ausdrücklich die Initiative der FDP; denn genau diesen Aspekt der Frühförderung sprachen wir ja auch in der Debatte über unsere Initiative zur Förderung der Lesekultur bei Kindern und Jugendlichen an. Dass unsere Kitas mehr als nur Betreuung bieten müssen, ist aber in der Bundesrepublik leider erst sehr spät erkannt worden. Gerade heute konnten wir im „Flensburger Tageblatt“ lesen:

„Noch in der zweiten Klasse ist an den schulischen Leistungen und am Sozialverhalten der Kinder die Qualität ihrer Kindertagesstätte ablesbar.“

So Professor Wolfgang Tietze, der eine Qualitätsuntersuchung an den Kitas in Flensburg durchgeführt hat. PISA hat uns gezeigt, dass wir in Deutschland einfach zu spät einsetzen, wenn es um fördern und fordern geht. Die so genannte frühkindliche Diagnostik muss einfach früher eingesetzt werden. Wenn Kinder mit Lernschwierigkeiten und mit anderen Auffälligkeiten erst in der Schule behandelt werden, dann bleibt der normale Lehrstoff häufig auf der Strecke.

Wenn wir einen Blick über den berühmten Tellerrand wagen, müssen wir weiter feststellen, dass die Bundesrepublik mit der Form ihrer Erzieherinnen- und Erzieherausbildung so ziemlich allein da steht. In anderen europäischen Ländern befindet sich mindestens ein Teil der Ausbildung auf dem Hochschulniveau oder auf dem Fachhochschulniveau. So zum Beispiel auch in den skandinavischen Ländern. Die Kollegin Eisenberg sprach das ja auch schon an. Nördlich der Grenze gibt es einen Pädagogik

(Anke Spoorendonk)

Studiengang auf Fachhochschulniveau. Hier gibt es außerdem die Möglichkeit, sich nach einer gewissen Zeit im Beruf einen Bachelor-Abschluss oder Hochschulabschluss auf dem Gebiet der Elementarpädagogik oder Sonderpädagogik anzueignen. Dieses Modell würde uns in Deutschland sowohl einen hochschulbezogenen als auch einen fachschulbezogenen Einstieg in den Erzieherberuf ermöglichen. Hinzu kommt, was wir schon gestern in der Debatte um den BolognaProzess ansprachen: Nehmen wir die Forderung nach Europatauglichkeit ernst, dann müssen wir noch vieles in unserem Bildungssystem ändern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was die Platzierung des Studiengangs betrifft, gibt es aus unserer Sicht doch noch Diskussionsbedarf. Die FDP fordert - ich glaube, sie fordert es nur als Möglichkeit -, dass der Studiengang an der Universität Flensburg angesiedelt wird. Wir sind weiß Gott immer die Ersten, die Vorschläge zur Stärkung Flensburgs begrüßen.

(Unruhe)

- Liebe Kolleginnen und Kollegen, hören Sie doch bitte mal zu! - Doch wir meinen, dass die Universität besser gestärkt wird, wenn sie zu einem wirklichen Zentrum für Vermittlungswissenschaften wird. Vorschulische Erziehung ist eben mehr als Elementarpädagogik. Unsere Kindertagesstätten sind rechtlich der Jugendhilfe angegliedert und sollen nicht zur Schule vor der Schule werden. Mit anderen Worten: Wir wollen nicht, dass der Schulbeginn in den Kindergarten vorverlegt wird. Die Kindertagesstätten müssen die Schnittstelle zwischen Jugendhilfe und Bildungsauftrag bleiben.

Was also die Platzierung der Ausbildung betrifft, so hat uns die Fachhochschule Kiel ja einige ihrer Gedanken zu diesem Thema erläutert. Man möchte dort die langjährigen Erfahrungen und die Fachkompetenz auf dem Gebiet der Jugendhilfe mit einbringen. Unter anderem gibt es derzeit bereits viele Erzieherinnen und Erzieher, die die dort vorhandenen Studiengänge nutzen, um sich weiterzubilden. Darüber hinaus sind auch in anderen Bundesländern, wie zum Beispiel Berlin und Niedersachsen, Studiengänge mit dem Abschluss Bachelor of Education als die akademische Ausbildung für Erzieherinnen und Erzieher an den Fachhochschulen im Fachbereich Soziale Arbeit angesiedelt. Wir halten diese Argumente für überzeugend, sind aber natürlich - das will ich auch deutlich machen - für Diskussionen offen. Eines ist jedoch sicher: Es ist am sinnvollsten, dass wir die Stärken nutzen, die bereits vorhanden sind.

(Beifall bei SSW und FDP)

Ich meine, der Einstieg des Kollegen Klug ist wirklich ganz wichtig, nicht zuletzt angesichts der gestrigen Debatte. Denn auch wenn man sagt, wir müssen weiterhin Möglichkeiten für Fachschulabsolventen haben, so müssen wir auch daran denken, dass wir Aufstiegsmöglichkeiten haben müssen und dass wir unsere Berufe auch der Entwicklung in Europa angleichen müssen.

Ich stimme also der Ausschussüberweisung zu und beantrage, dass außerdem der Sozialausschuss damit beauftragt wird.

(Beifall bei SSW, SPD und FDP)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Klug das Wort.