Überdies schafft die Bundesregierung Haushaltsrisiken für den Bundeshaushalt, für den Steuerzahler, wenn die Endlagerstätten Schacht Konrad und Gorleben trotz ihrer geologischen und sonstigen Eignung nicht ausgewählt werden, weil sie dann die von den Betreibern für die Erkundung aufgewandten Summen einschließlich Zinsen zurückzahlen müssen. Wir reden dabei nicht über Peanuts. Inzwischen sind schon über 2 Milliarden €, die zurückgezahlt werden müssen, wenn man davon abstimmt. 2 Milliarden €! Der Bundesrechnungshof hat im November 2003 genau darauf hingewiesen. Darüber müssen Sie auch einmal reden.
Die Kosten für ein künstlich verlängertes Auswahlverfahren einschließlich politischer Akzeptanz können im Übrigen nicht auf die Betreiber umgelegt werden. Herr Cloosters, ein Mitarbeiter, der beim Deutschen Atomrechtsforum in Köln mit war, weiß das sehr genau. Das ist verfassungsrechtlich nicht darstellbar. Das werden Sie nicht hinkriegen, selbst wenn Herr Trittin das noch so gern möchte. Der Steuerzahler wird für die Unwilligkeit der Bundesregierung, zu entscheiden, eines Tages bitter zu bezahlen haben, mehr als die 2 Milliarden €, wenn es so weitergehen sollte, wenn wir in der Energiepolitik nicht doch eine Wende hinbekommen.
Sie in Land und Bund schaffen dadurch das Risiko, dass eines Tages ganz andere Stätten als Schacht Konrad und Gorleben ausgewählt werden. Darüber
Deshalb haben wir in der Großen Anfrage so sorgfältige Anfragen hinsichtlich der geologischen Standorte gestellt. Darauf haben wir von der Landesregierung überhaupt nichts gehört. Die Risiken bestehen besonders für Schleswig-Holstein, meine Damen und Herren. Es reicht nicht, die Ergebnisse des AkEnd als „akzeptable Diskussionsgrundlage“ - wörtliches Zitat aus der Antwort auf die Große Anfrage - zu bezeichnen. Sie müssen endlich einmal Ihre Auffassung äußern. Sie werden Ihrer Aufgabe, die Interessen des Landes in dieser Frage zu vertreten, durch Ihre Untätigkeit und die Untätigkeit der Bundesregierung nicht gerecht.
Im Atomkonsens ist den Energieversorgungsunternehmen ausdrücklich zugestanden worden: Es gibt keine sachlich begründeten Anhaltspunkte für die Nichteignung von Gorleben als Endlager. Auch der AkEnd hat bisher keinerlei Substanz für die Nichteignung zu Tage gefördert. Bisher kein Wort dazu. Der einzige Punkt, der neu sein soll, ist die fehlende Akzeptanz der Bevölkerung und der Öffentlichkeit, die dazugekommen sein soll. Frau Ministerin, offen gestanden: Bei jedwedem Anlagenbau brauchen Sie entweder die Akzeptanz der Bevölkerung oder Sie müssen möglicherweise einmal gegen die Bevölkerung entscheiden. Wenn aus Allgemeinwohlinteresse eine Standortentscheidung sein muss, muss sie sein.
Beifall können Sie für solche Standortscheidungen - wo immer Sie sie zu fällen haben - erwarten. Das hat bei Müllverbrennungsanlagen auch der heilige Minister Hydemann schon kennen lernen müssen.
Seitenlang geben Sie die Meinung des AkEnd wieder - auf 16 von 35 Seiten. Haben Sie eigentlich keine eigene Meinung? Ich kann das Ihnen persönlich, Frau Ministerin, nicht anlasten, weil Sie die Antwort nicht geschrieben haben können. Das weiß ich sehr genau. Aber Sie vertreten diese Landesregierung nun einmal.
Sie wollen vor allen Dingen deshalb keine eigene Meinung haben, weil die Herren Trittin und Schröder - mit denen haben Sie ein bisschen mehr zu tun - schon immer gegen Gorleben und Schacht Konrad gekämpft haben und diesen Kampf lieber ihren politischen Nachkommen, wenn Sie eines Tages nicht mehr regieren, überlassen wollen.
Die Tatenlosigkeit dieser Bundesregierung schadet nicht nur dem ganzen Land, sondern mittelbar auch ganz besonders Schleswig-Holstein, weil sie die Gefahr erhöht, dass auch Standorte in SchleswigHolstein ins Blickfeld geraten. Deshalb schaden auch die Ruhe und die Stille dieser Landesregierung bei diesem Thema diesem Land, unserem Land. Wenn wir vermeiden wollen, dass Standorte in SchleswigHolstein in eine Auswahlentscheidung geraten, muss Schleswig-Holstein im Fall der Eignung von Gorleben und Schacht Konrad für die Auswahl der Standorte eintreten. Das erwarten wir von dieser Regierung.
Das ist auch aus übergeordneten Gründen richtig. Dr. Derek Taylor - das ist der Leiter des Bereiches Kernenergie, Abfallwirtschaft und Transport bei der EU-Kommission - hat am 7. Oktober 2003 in einem Vortrag in Köln - Sie bestätigen das Zitat - ausgeführt - mit Genehmigung der Frau Präsidentin zitiere ich wörtlich; ich bin auch gleich fertig; ich sehe, dass gerade die Zeit abläuft -:
„In der Europäischen Union - wie auch in anderen Regionen der Welt - werden die gefährlichsten und höchststrahlenden Materialien zurzeit in Zwischenlagern aufbewahrt. Eine endgültige Entsorgung steht bisher aus. In der Zwischenzeit wachsen die Mengen dieser Materialien weiter an. Diese Situation muss sich ändern, da sie nicht mehr tragbar ist. Was in der Vergangenheit aus technischen Gründen hinausgezögert worden sein mag, ist mittlerweile zur Entschuldigung dafür geworden, dass kein Fortschritt erzielt wird.“
Daraus folgt das Nuklearpaket der EU, das von den Mitgliedstaaten klar definierte Programme für die Entsorgung verlangt. Sie dürfen es nicht auf das Jahr 2030 vertagen. Die Ablehnung beispielsweise des Stilllegungsfonds durch den Bundesrat, die Sie lauthals beklagen, ist nicht das eigentliche Problem. Die Untätigkeit von Bundes- und Landesregierungen ist ein wirklich großes Problem sicherheitspolitischer Art.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kerssenbrock, ich erinnere Sie an den 30. März
2001. Damals haben Sie als energiepolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion ein atomares Endlager vor der Westküste in der Nordsee vorgeschlagen. Der Kollege Klug, der heute leider nicht hier ist, bezeichnete den Vorschlag als völlig gaga. So kann ich Ihren Beitrag, den Sie eben hier geleistet haben, eigentlich auch nur beurteilen: völlig gaga.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Verantwortung für die Einrichtung von Endlagern für radioaktive Abfälle liegt wegen der enormen langfristigen Risiken rechtlich wie politisch eindeutig beim Bund und nicht bei den Ländern. Die Entsorgung der radioaktiven Abfälle, deren letzter Schritt die Endlagerung ist, bildet einen Kern des gesellschaftlichen Konfliktes um die Nutzung der Atomenergie. Die Wahrnehmung der Aktivitäten in Deutschland zur Endlagerung radioaktiver Abfälle ist bei vielen Menschen auch von sehr persönlichen Erlebnissen geprägt. Es sind Wege eingeschlagen worden, die gescheitert sind. Es sind Ideen entwickelt und Projekte durchgeführt worden, die nicht nur nukleare Abfälle, sondern auch viele Fragen hinterlassen. Der so genannte Kernbrennstoffkreislauf wurde nie realisiert. Der Schnelle Brüter in Kalkar und die Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf blieben milliardenschwere Fehlinvestitionen.
Wo stehen wir bei der Endlagerung heute? Das erste Forschungsbergwerk Asse droht abzusaufen. Heute muss der Bund jährlich Millionenbeträge für die Stilllegung der Asse ausgeben. Morsleben, dem einzigen in Deutschland betriebenen Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle, droht das mechanische Versagen von Teilen des Salzstocks. Schacht Konrad ist 2002 für nicht wesentlich Wärme entwickelnde Abfälle genehmigt worden. Der Antrag auf Sofortvollzug ist mit Recht zurückgenommen worden. Vor einer gerichtlichen Entscheidung sollen keine Fakten geschaffen werden.
Zwischen der Bundesregierung und den Energieunternehmen ist vereinbart worden, die Erkundung des Salzstocks Gorleben, der für die Lagerung hochradioaktiver Abfälle untersucht wurde, bis zu zehn Jahre durch ein Moratorium zu unterbrechen, um grundsätzliche Sicherheitsfragen zu beantworten, zu denen die weitere Erkundung keinen Beitrag leisten kann.
Meine Damen und Herren, mit der 2002 auch im Atomgesetz festgelegten geordneten Beendigung der Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung wird erstmals seit Beginn des atomaren Zeitalters in der Bundesrepublik die zu entsorgende Menge des radio
Bis zum geplanten Ende der nuklearen Stromerzeugung fallen in der Bundesrepublik insgesamt 16.000 t abgebrannter Brennelemente an. Dazu kommen 300.000 m³ schwach- und mittelradioaktive Abfälle.
Die Bundesregierung hat entschieden, dass nach dem inhaltlichen Scheitern des Entsorgungskonzeptes für die Endlagerung aller Arten radioaktiver Abfälle ein einziges Endlager in tiefen geologischen Schichten ausreicht und jeder Betreiber eines Atomkraftwerkes am Kraftwerksstandort Zwischenlagerkapazitäten zu schaffen hat, die nicht zum Zweck der Endlagerung genutzt werden dürfen. Dieses neue Entsorgungskonzept wird schrittweise verwirklicht. Wesentliche Elemente sind die Beendigung der Transporte zur ausländischen Wiederaufarbeitung und die Beschränkung der Entsorgung auf die direkte Endlagerung.
In demokratischen Staaten erfordert die Realisierung von Großprojekten eine intensive Beteiligung der Bevölkerung bereits bevor eine formelle Planung beginnt. Seit der Umweltkonferenz von Rio wird diesem Gedanken Rechnung getragen. Die Übereinkunft von Aarhus beinhaltet das Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Informationen sowie die Beteiligung an Entscheidungen im Zusammenhang mit Eingriffen in die Umwelt und damit möglichen Auswirkungen auf die Gesundheit. Viele Länder, die auf der Suche nach Endlagerstandorten sind, haben erklärt, die Öffentlichkeit zu beteiligen.
Im Rahmen der neuen Entsorgungspolitik der Bundesregierung ist 1999 der Arbeitskreis „Auswahlverfahren Endlagerstandorte“ durch den Bundesumweltminister eingerichtet worden. Es ist darauf geachtet worden, dass ein breites Spektrum der in der Fachwelt zur Endlagerung vertretenen Meinungen und Kenntnisse in ihm vertreten ist. Der Auftrag dieses Arbeitskreises war, ein nachvollziehbares Verfahren für die Suche und die Auswahl von Standorten
zur Endlagerung aller Arten radioaktiver Abfälle in Deutschland zu entwickeln. Dieses Verfahren soll auf wissenschaftlich fundierten Kriterien beruhen und die Beteiligung der Öffentlichkeit in geeigneter Form vorsehen. Die Vorgehensweisen und Erfahrungen in anderen Ländern - dabei ist der Blick besonders nach Schweden und Finnland gerichtet - waren bei der Erarbeitung zu berücksichtigen.
Als Randbedingungen für die Verfahrensentwicklung wurden folgende Vorgaben genannt. Alle radioaktiven Abfälle sollen in tiefen geologischen Formationen in Deutschland eingelagert werden. Für die Endlagerung aller Arten und Mengen radioaktiver Abfälle reicht ein Endlager aus, das ab 2030 betriebsbereit sein soll. Es war weder die Aufgabe des AkEnd, das Auswahlverfahren durchzuführen, noch war es seine Aufgabe, das zu entwickelnde Verfahren auf die Beurteilung der Eignung der Standorte Gorleben oder Konrad anzuwenden.
Meine Damen und Herren, die Auswahl von Endlagerstandorten ist eine Aufgabe in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung. Deshalb hat der AkEnd die Öffentlichkeit über seine Arbeit informiert. Am 19. September 2002 haben auch die energiepolitischen Sprecher der in diesem Hause vertretenen Parteien mit Vertretern des Arbeitskreises hier in Kiel diskutiert. Herr Kerssenbrock, Sie haben an dieser Diskussion leider nur sehr kurze Zeit teilgenommen.
Der Weg bis zum betriebsbereiten Endlager umfasst drei Phasen des Auswahlverfahrens, das sich daran anschließende atomrechtliche Genehmigungsverfahren sowie die Errichtung eines betriebsbereiten Endlagers. Mit der Empfehlung des AkEnd für ein Auswahlverfahren für Endlagerstandorte ist Ende 2002 die Phase I abgeschlossen worden. Die Empfehlung des Arbeitskreises soll in Phase II in einem gesellschaftlichen und politischen Verhandlungsprozess unter Beteiligung der Länder erörtert werden. Darauf aufbauend soll das Auswahlverfahren durch eine politische und rechtliche Festlegung abgeschlossen werden. Die Ängste und Befürchtungen der Bevölkerung müssen ernst genommen werden. Vorrang der Sicherheit, Beteiligung der Bevölkerung in allen Verfahrensschritten, Einbindung des Endlagers in die Regionalentwicklung und Transparenz des Auswahlverfahrens sind die leitenden Prinzipien in Phase III.
Weltweit gibt es bis heute keine Endlager für abgebrannte Brennelemente aus Kernkraftwerken und für hochradioaktiven Abfall aus der Wiederaufarbeitung. Wir befinden uns in der Frage der Endlagerung radioaktiver Abfälle vor einer entscheidenden Weichen
stellung. Alle bekennen sich zumindest verbal zur Verantwortung für eine sichere Entsorgung hochradioaktiver Abfälle. Der eine Weg ist die ausschließliche Verfolgung des Endlagerprojektes Gorleben ohne Berücksichtigung der grundlegenden Kritik an der Auswahl und Umsetzung des Projektes. Bei dem anderen Weg der Öffnung der Standortsuche wird der Versuch gemacht, aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Bei diesem anderen Weg wird der Stand der internationalen Diskussion nicht nur aus naturwissenschaftlicher, sondern auch aus gesellschaftspolitischer Sicht reflektiert. Vor dem Hintergrund der internationalen Erfahrungen und der selbstverständlichen Grundprinzipien einer demokratischen Gesellschaft sollten wir uns alle für den richtigen Weg, den zweiten Weg entscheiden und diesen Weg unterstützen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Kernkraft birgt zwei große Probleme: erstens das Risiko unkontrollierter radioaktiver Strahlung und zweitens die unbeantwortete Frage: Wohin mit dem atomaren Müll?