Dies ist inzwischen allgemein bekannt, aber ich erwähne es deshalb, weil aus den Fragen der CDUFraktion auch Kritik am Zeitplan der Bundesregierung deutlich wird. Diese Kritik halte ich schon für erstaunlich, insbesondere deshalb, weil die bis 1998 verantwortliche CDU-geführte Bundesregierung keinerlei Lösung der Entsorgungsfrage zustande gebracht hat. Die Betriebsgenehmigungen für die drei schleswig-holsteinischen Kernkraftwerke sind, wir wissen es alle, unter der Verantwortung der CDULandesregierung erteilt worden, und zwar - man muss es so sagen - im Bewusstsein der ungeklärten Entsorgung. Hieran kann es keinen Zweifel geben.
Was ist die Konsequenz? - Die Konsequenz ist, dass sich die Menge des endzulagernden hoch radioaktiven Materials Tag für Tag erhöht. Die jetzige Landesregierung hat deshalb unterstützt, dass die amtierende rot-grüne Bundesregierung sehr frühzeitig den „Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte“ ins Leben gerufen hat, unbestritten ein pluralistisches Gremium von Experten. Was sind nun die Ergebnisse dieser von der Bundesregierung ins Leben gerufenen Arbeitsgruppe? Sie weisen - so unsere Bewertung - einen Weg, wie die nukleare Endlagerung in Deutschland sowohl sicherheitstechnisch vertretbar als auch sozial vertretbar geregelt werden kann.
Dieses Ergebnis eines unabhängigen Expertenkreises ist eben auch, dass die Sozialverträglichkeit, das Arbeiten an der Akzeptanz der Bevölkerung eine zentrale Voraussetzung ist, um zu einer erfolgreichen Endlagerung zu kommen. Ich erinnere deswegen noch einmal an das nukleare Entsorgungszentrum in Gorleben. Es ist nämlich auch deshalb ein Projekt auf dem Reißbrett geblieben, weil versäumt wurde, der betroffenen Bevölkerung seine Notwendigkeit so zu vermitteln, dass sie damit leben konnte.
Es ist aber nicht nur ein deutsches Problem, sondern ein weltweites Problem. Wir können zurzeit in die USA blicken. Dort ist in Nevada ein Endlagerprojekt ins Auge gefasst, aber auch dort hat man versäumt, die Bevölkerung mitzunehmen, und nimmt dieses Projekt eher gegen ihren Widerstand in Angriff. Auch dort sehen wir, dass es wahrscheinlich nicht zu einem Ergebnis kommen wird. Ich sehe eine weitere Parallele zu der Situation in Deutschland, nämlich die Zustimmung der allermeisten Bundesstaaten in den USA zu diesem Projekt in Nevada scheint damit begründet zu sein, dass niemand anders das Endlager haben will.
Wie sieht das denn bei uns aus? - Die Zweifel an der Eignung des Standortes in Gorleben hat die Bundesregierung in einer Anlage zu der Atomkonsensvereinbarung mit den Energieversorgungsunternehmen schriftlich fixiert. Bis heute ist dieser Zweifel nicht ausgeräumt. Die Bundesregierung hat auch deutlich gemacht, dass es sich dabei um Fragestellungen handelt, die durch eine weitere Erkundung des Salzstocks in Gorleben nicht beantwortet werden können. Insofern verwundert es schon sehr, wenn verantwortliche CDU-Politiker, vor allem aus dem süddeutschen Raum, immer wieder die These vertreten, es habe sich bisher nicht herausgestellt, dass Gorleben ungeeignet sei, deshalb müsse zügig weiter erkundet werden. Was die süddeutschen Länder angeht, ist diese Haltung zwar fragwürdig, aber nach dem Sankt-FloriansPrinzip auch nachvollziehbar. Endlagerung ja, aber nicht vor meiner Haustür!
Vor diesem Hintergrund halte ich die von diesem unabhängigen Expertenkreis vorgeschlagene weiße Landkarte im Ansatz grundsätzlich für richtig. Dem Auswahlverfahren muss die Gesamtfläche Deutschlands zugrunde gelegt werden. Eine ergebnisoffene Prüfung kann von vornherein nicht gewährleistet werden, wenn nur ein einziger Standort erkundet wird, gegen den es überdies noch Vorbehalte gibt. Dass der jetzige niedersächsische Umweltminister für ein Atommüllendlager in Gorleben und ein Weiteres im Schacht Konrad ist, macht die Lage auch nicht besser.
Dies zeigt nämlich nur, dass Rechtssicherheit, Sicherheit und Bevölkerungsinteressen missachtet werden, um die Pro-Atom-Politik der CDU durchzusetzen. Lösungen kommen so nicht zustande.
Wir in Schleswig-Holstein halten es mit dem Prinzip „Sicherheit vor Schnelligkeit und differenzierte Lösungen für diffizile Probleme“. So stellt sich zum Beispiel die Frage, ob es überhaupt gelingen wird, einen Standort zu finden, der den unterschiedlichen Eigenschaften von abgebrannten Brennelementen und radioaktiven Abfällen aus Forschung, Medizin und Industrie gleichermaßen gerecht wird. Im Interesse
einer sachgerechten Entscheidung hat SchleswigHolstein deshalb das Bundesumweltministerium im Länderausschuss für Atomenergiepolitik nachdrücklich aufgefordert, den Ländern einen Bericht mit einer vergleichenden Darstellung der Vor- und Nachteile eines Ein-Endlagerstandort-Konzepts beziehungsweise eines Zwei-Endlagerstandort-Konzepts vorzulegen, diesen mit den Ländern zu diskutieren, die Ergebnisse des Arbeitskreises Endlagerung ergebnisoffen zu sehen und eine fachlich begründete Entscheidung herbeizuführen. Wie Sie wissen, hat sich die Bundesregierung bereits eher ein EinEndlagerstandort-Konzept ausgesprochen. Ich denke, hier tut eine Diskussion Not.
Meine Damen und Herren, die schleswig-holsteinische Landesregierung unterstützt die Bemühungen, findet den Weg der Bundesregierung richtig, tut alles in ihrer Macht stehende, damit es zu sichtbaren qualitativen Fortschritten bei der Lösung der nuklearen Entsorgungsfragen kommt. Wir tun dies in Verantwortung für unser Land und ungeachtet der Tatsache, dass wir für die drei Atomkraftwerke in diesem Land keine Verantwortung tragen, aber die Entwicklung verschärft sich und wir wollen zu Lösungen beitragen. Dazu gehört der sensible Umgang mit der Endlagerproblematik, mit der Zwischenlagerproblematik, aber auch, damit nicht Ängste entstehen, die Endwicklung einer zukunftsweisenden Energiepolitik, für die wir hier in Schleswig-Holstein stehen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, es wäre eine Chance zum Neuanfang in der Energiepolitik gewesen. Die haben Sie leider nicht genutzt.
Sie sind auf den ausgetretenen Faden weitergegangen, die energiepolitisch ins Niemandsland führen. Wir sind energiepolitisch in der Tat völlig unterschiedlicher Auffassung. Wir sind der Auffassung, dass die Kernenergien zu dem notwendigen Kernenergienmix weiter ihren Beitrag leisten muss, schon aus Klimaschutzgesichtspunkten.
Sonst werden wir der Klimaschutzproblematik nicht Herr. Mit Glaubensbekenntnissen, dass Sie gegen die Kernkraft sind, werden Sie das Problem nicht beseitigen können, vor dem Sie energiepolitisch stehen. Wie wollen Sie eigentlich eine Energiepolitik betreiben, die die Klimaschutzproblematik löst?
Die Debatte um die Endlagerung hat schon in den 70er-Jahren nach dem Ölschock zu Zeiten, als die SPD im Bund mit Helmut Schmidt an der Spitze im Bund regiert hat, eine große Rolle gespielt. Sie ist damals von allen politischen Kräften im Bundestag als entscheidende Voraussetzung für die dauerhafte Beherrschbarkeit und Akzeptanz der Kernenergie angesehen worden. Die Bedeutung war allen eigentlich immer klar. Hier ist die Regierung Kohl unter Töpfer und Merkel schon sehr viel weiter gewesen, weiter als die heutige Bundesregierung. Die hat erst einmal einen Rückschritt gemacht.
Es ist der Präsident des Deutschen Atomforums, Gerd Maichel, gewesen, der in diesen Tagen gesagt hat - das steht in offenem Gegensatz zu dem, was Sie hier verkündet haben, Frau Ministerin -:
„Die einzige Strategie, die ich zurzeit erkennen kann, heißt Verzögerung. Warum wurde sonst in der Entsorgungspolitik auf Schneckentempo heruntergebremst? Worauf warten wir also?“
Diese Bundesregierung aus Rot-Grün ist es, die die Endlagerfrage mit dem Atomkonsens von Juni 2000 auf die lange Bank schieben will. Sie haben das Moratorium für Gorleben verfügt. Sie haben auf 2030 vertröstet und alles eingestellt. Angeblich wollten Sie mit dem AkEnd schon in der Phase II sein. Das sollte alles Ende des Jahres 2004 sein. Darauf werden wir wohl auch vergeblich warten müssen.
Der Planfeststellungsbeschluss zum Schacht Konrad liegt vor, Frau Ministerin. Er ist ausführungsfähig. Es ist der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Müller gewesen, der heute in der Energiepolitik als Vorstandsvorsitzender eines bedeutenden Unternehmens eine nicht unwesentliche Rolle spielt, hat ausdrücklich erklärt: Die Bundesregierung entzieht dem von ihr selbst erwirkten Planfeststellungsbeschluss die Notwendigkeit und erhöht das Prozessrisiko einer Klage gegen diesen Planfeststellungsbeschluss, wenn sie davon keinen Gebrauch macht. Das ist wie bei einer Baugenehmigung, von der Sie auch keinen
Gebrauch machen. Genau das machen Sie. Sie wollen von diesem Planfeststellungsbeschluss, der vorliegt, nach Prüfung offensichtlich keinen Gebrauch machen.
Frau Ministerin, in der Antwort auf die Große Anfrage belaufen Sie schlichtweg die Unwahrheit. Es gibt keine fachlich begründeten Zweifel an der Eignung des Salzstockes Gorleben. Das ist im Atomkonsens 2000 ausdrücklich erklärt worden. Es steht schriftlich drin, ist nachzulesen, Frau Ministerin.
Sie können nicht einfach das Gegenteil behaupten. Sie sollten der Bevölkerung nicht Sand in die Augen streuen und sagen, dass es irgendwelche Zweifel gebe. Es gibt bisher keine sachlich begründeten Zweifel. Ich komme noch auf die angeblichen Zweifel zurück.
Die Fixierung der Bundesregierung auf ein einziges Endlager - stattdessen haben Sie nun 12 Zwischenlager eingerichtet - kann aus sicherheitspolitischer Sicht eigentlich nur Kopfschütteln auslösen.
So muss dieses eine Endlager möglicherweise noch Jahrzehnte, Jahrhunderte, für schwach wärmeentwickelnde Abfälle offen bleiben und kann nicht verschlossen werden, weil es beispielsweise aus Krankenhäusern immer noch schwach radioaktive Abfälle geben wird. Es kann nicht verschlossen werden, weil Sie an diesem einen Endlager festhalten.
(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben keine Ahnung von Technik! - Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])
Obwohl Sie aus der Kernenergie aussteigen wollen, erhöhen Sie das Risiko, indem Sie ein solches Endlager immer noch offen halten wollen. Meine Damen und Herren, das ist ein Widerspruch in sich und das ist sicherheitspolitisch überhaupt nicht vertretbar.
(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein technischer Eiertanz! Sie haben keine Ahnung von Atomtechnik!)
Die Bundesregierung hat durch die Einrichtung von Zwischenlagern - - Herr Kollege Matthiessen, Sie dürfen noch reden. Sie kommen noch dran.
(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da müssen Behälter ausge- tauscht werden! Das muss gekühlt werden! Sie haben doch keine Ahnung!)
Die Bundesregierung hat durch die Einrichtung von Zwischenlagern die Gefahren für die Bevölkerung eher noch erhöht.
(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben doch keine Ahnung! - Claus Ehlers [CDU]: Herr Matthiessen steht auf der Lohnliste der Windenergie!)
- Sind Sie so freundlich und bremsen den Kollegen einmal, Frau Präsidentin? Das wäre sehr freundlich.
Sie wollen offenbar durch Vertagung der Entscheidungen sich selbst unbequeme Entscheidungen vom Halse halten und die zukünftig Regierenden unter Druck setzen.