Protocol of the Session on May 26, 2004

Der Bericht macht deutlich, dass sich SchleswigHolstein seit 1999 auf einem guten Weg befindet und dass die Entwicklung bei uns über dem Bundesdurchschnitt liegt. Das ist erfreulich.

Der Bericht sagt auch, dass weiterhin Unterschiede in der Umsetzung dieses Bologna-Prozesses bestehen und dass nicht alle Hochschulen gleich eifrig sind.

Es geht aber kein Weg daran vorbei, diesen Weg zu beschreiten, und dass alle in diesen Prozess einzubinden sind, ist - so denke ich - selbstverständlich. Dies muss aus Rücksicht auf die Studierenden und ihre Mobilität innerhalb Schleswig-Holsteins, innerhalb Deutschlands und innerhalb Europas geschehen. Studierende müssen die Möglichkeit haben, mit ihrem Bachelor zum Beispiel aus Flensburg auch in Kiel, München, Bologna oder Kopenhagen weiterstudieren zu können.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Ein weiterer wichtiger Punkt ist bei der Umsetzung zu berücksichtigen: Mit der großen Aufgabe, für die Bachelor/Master-Studiengänge zu werben, dürfen die Universitäten nicht allein gelassen werden - die Ministerin sprach genau diesen Punkt an -, denn das Verständnis für diese Abschlüsse in der Wirtschaft, aber auch der Gesellschaft allgemein muss gefördert werden. Die Umstellung an sich kostet die Universitäten schon Kraft und auch Mittel. Wir dürfen also nicht am falschen Ende sparen, um dann festzustellen, dass die Einführung von Bachelor/Master-Studiengängen zu guter Letzt nur an schlechter Öffentlichkeitsarbeit scheitern könnte.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Was hilft es den Studierenden, ein maßgeschneidertes Studium zu erhalten, mit dem sie dann später auf dem Arbeitsmarkt nichts werden können? - Mir wurde von einigen „Pionieren“ mit einem BachelorAbschluss berichtet, wie schwer es ihnen gefallen sei, aufgrund mangelnden Bekanntheitsgrads ihres Studiums und des Abschlusses überhaupt eine Stellung zu bekommen. Der Begriff „breit gefächertes Studium“ erhält dann einen leicht bitteren Beigeschmack.

Also, es gibt noch viel zu tun. Genau wie Kollegin Birk meine ich: Man sollte nicht vergessen, dass wir heute so hohe Abbrecherquoten haben und dass wir viele junge Leute einfach hinten herunterfallen lassen. Für sie würde die Einführung von BachelorStudiengängen eine neue Chance darstellen.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie sollen ja nicht Ärzte werden, wenn sie einen Bachelor-Abschluss in Medizin haben. Sie sollen etwas anderes machen. Sie sollen vielleicht in die Medizintechnik gehen oder andere Heilberufe ergreifen. Es gibt viele Möglichkeiten, allerdings vorausgesetzt, dass es uns gelingt, die Akzeptanz für diese Abschlüsse auch in der Wirtschaft zu finden.

Die Einführung des European Credit Transfer Systems findet fest verschnürt mit der Einführung des Bachelor/Master-Systems statt. Darauf können wir vielleicht im Ausschuss noch einmal eingehen.

Als letzten Punkt möchte ich das Problem der Mobilität ansprechen. Im Bericht werden als finanzielle Förderungsmöglichkeiten für Studiengänge im Ausland unter anderem das BAföG und europäische Förderprogramme genannt. Für viele Studierende sieht die Wirklichkeit aber immer noch so aus, dass sie sich einen Auslandsaufenthalt gar nicht leisten können. Mit anderen Worten: Auch hier gilt es, die Rahmenbedingungen zu verändern.

Denn künftig wird es so sein, dass Auslandsaufenthalte an einer Universität bei Bewerbungen von jungen Akademikern und Akademikerinnen eine immer größere Rolle spielen. Darum kann es nicht angehen, dass wieder einmal das Portemonnaie der Eltern entscheidend ist. An dieser Stelle müssen wir etwas tun, damit wir uns nicht der Gefahr einer sozialen Schieflage aussetzen.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abgeordneter Hentschel, halten Sie Ihren Antrag auf einen Redebeitrag gemäß § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung nach dem Redebeitrag Ihrer Fraktionskollegin aufrecht?

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Dann erteile ich Ihnen das Wort.

Es tut mir Leid, Herr Präsident! Ich hätte auf diesen Beitrag unbedingt verzichten wollen, wenn Herr Dr. Klug nicht ausgerechnet auf die Naturwissenschaften zu sprechen gekommen wäre. Sie haben hier zum Bereich der Naturwissenschaften eine so unsägliche Aussage gemacht, dass ich mich nicht halten kann. Ich muss ans Rednerpult gehen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben von allen Industriestaaten die geringste Anzahl von Naturwissenschaftlern. Man muss sich fragen, woher das kommt. Wo liegen unsere Probleme in diesem Bereich? Mein Mathematikstudium im ersten Semester begann so, dass der Professor erklärte: 4 % der Studierenden reichen für den wissenschaftlichen Nachwuchs, der Rest braucht das hier nicht zu verstehen. Bei diesen Studiengängen liegt die Abbruchquote bei etwa zwei Dritteln. Das macht deutlich, welche Orientierung unser Ausbildungssystem hat. Es hat nicht die Orientierung, Menschen für Berufe in der Wirtschaft und im freien Leben auszubilden. Ziel der Ausbildung ist im Wesentlichen, wissenschaftlichen Nachwuchs zu rekrutieren. Der Rest ist Abfall.

(Beifall der Abgeordneten Roswitha Strauß [CDU])

- Es freut mich, dass ich auch einmal von der Opposition Beifall bekomme. Das ist völlig überraschend! In diesen Bereichen muss sich etwas ändern.

(Unruhe)

Als ich in der Wirtschaft war, habe ich genügend Diplomanden mit ausgebildet. Ich habe - gerade im Informatikbereich - die Erfahrung gemacht: Es ist letztlich egal - -

(Anhaltende Unruhe - Glocke des Präsiden- ten)

Herr Abgeordneter! Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit und um das Anhören der Argumente des Redners. Es lohnt sich!

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Präsident! Ich empfinde es als Lob, wenn die Leute sich aufregen und bei meinen Reden nicht schlafen. Das sage ich ganz ehrlich.

(Lachen bei CDU und FDP)

Ich habe die Erfahrung gemacht: Es war egal, ob junge Informatiker eine Berufsausbildung im Betrieb absolviert haben, ein Diplom erreicht oder habilitiert haben. In der Berufspraxis war dies nicht sonderlich entscheidend. Entscheidend war das, was sie konnten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein Chefprogrammierer unserer Firma hatte einen Hauptschulabschluss mit einer Berufsausbildung im Bereich Maschinenbau. Später ist er umgeschult worden. Er war einer unserer besten Programmierer. Er war ein Genie. So etwas gibt es in der Wirklichkeit!

Daher ist die Behauptung, dass man mit einem Bachelor-Abschluss nichts anfangen kann, nicht nachvollziehbar. Herr Dr. Klug, Sie haben sich überhaupt nicht darüber informiert, was im Medizinbereich im Ausland los ist. Dort können Sie mit einem BachelorAbschluss Pfleger und Medizinischer Assistent sein. Im Unterschied zu Deutschland haben Sie dort anschließend die Möglichkeit, vorausgesetzt, Sie sind gut qualifiziert, ein Master-Studium anzuschließen und Arzt zu werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

In Deutschland ist die Ausbildung zum Pfleger oder Medizinischen Assistenten eine Sackgasse. Wer anschließend Arzt werden will, muss ganz von vorn anfangen. Gleiches gilt für Laboranten in der Chemie-Industrie. Natürlich gibt es in der chemischen Industrie nicht nur ausgebildete Chemiker, sondern auch Laboranten und andere Assistenten.

(Glocke des Präsidenten)

Natürlich brauchen wir die alle. Bei uns ist es aber so: Entweder man macht eine Ausbildung oder man macht ein Studium. Wenn man ein Studium macht, muss man gleich das ganze Vollstudium machen, was nur sehr wenige Studierende schaffen.

(Glocke des Präsidenten)

- Entschuldigung, Herr Präsident! Ich habe es jetzt gehört.

(Zurufe von der CDU)

Ich kann meine Ausführungen leider nicht fortsetzen. Mein Schlusssatz lautet: Ich wünsche mir eine Mo

(Karl-Martin Hentschel)

dernisierung der universitären Ausbildung. Ich wünsche mir, dass die FDP das Bremserhaus verlässt. Der Zug fährt los, der Staub wirbelt auf und der Privatdozent der FDP kommt vor Schreck ins Husten! Ich glaube, das ist Ihrer Partei nicht würdig!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Zu einem Kurzbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Klug das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was die verschiedenen medizinischen Ausbildungsgänge betrifft, so wird der Kollege Hentschel von meiner Kollegin Veronika Kolb noch ein spezielles Privatissimum erhalten. Jedenfalls wird dies angeboten. Vielleicht wissen Sie anschließend, worüber Sie eigentlich reden.

Herr Kollege Hentschel, ich wollte Ihnen noch einmal kurz erläutern, worin das Problem besteht: In dem Moment, in dem Sie in einem bestimmten Studienfach für Bachelor-Studierende eine höhere Aufnahmekapazität vorsehen als für den nachfolgenden Master-Studiengang, schaffen Sie so etwas wie ein Nadelöhr, denn von den Aufnahmemöglichkeiten des jeweiligen Faches her ist es nicht möglich, Studierende zum Master-Studium in der gleichen Zahl aufzunehmen wie zum Bachelor-Studium. Das heißt, dass Sie das Qualifikationsniveau, das dem bisherigen Diplom, Staatsexamen oder auch Magister entspricht, bei einer solchermaßen vorgenommenen Umstellung für den Arbeitsmarkt noch einmal verknappen.

Wenn Sie der Hochschule sagen: Macht doch bitte gleich große Kapazitätszuweisungen für beide Studiengänge, nämlich Bachelor und Master, dann haben Sie das Problem, dass der Aufwand der Hochschule für die Sicherstellung des Bedarfs an Lehrkapazitäten so groß ist, dass dies nicht mehr mit den vorhandenen Ressourcen funktioniert. Auch darüber sollten Sie sich kundig machen, indem Sie einmal mit einem Mitarbeiter der Hochschulverwaltung sprechen, der für Fragen der Kapazitätsberechnung im Hochschulbereich zuständig ist. Das sind nämlich lauter Probleme, mit denen sich jetzt auch die Studiengänge herumschlagen, die vor der Umstellung stehen.

Zum Beispiel fragen die sich, ob sie nicht eine völlig verkehrte Personalstruktur haben. Sie müssen in teilweise erheblichem Maße bisherige Professorenstellen in Stellen des Mittelbaus mit einem wesentlich höhe

ren Lehrdeputat umwandeln, um das Lehrangebot für die Lehrveranstaltungen für Bachelor- und MasterStudiengänge gewährleisten zu können. Dieser Umstellungsprozess ist nicht ganz einfach, denn man hat nicht alle Nase lang eine Stelle zur Verfügung. Deshalb ist ein Umstellungsverfahren nach dem Hauruckverfahren selbst für die Fächer, in denen es vielleicht ginge, teilweise fatal.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])