Protocol of the Session on April 30, 2004

Was aber, wenn die Rechtsaufsicht - das ist in diesem Fall der Fall - eine andere Rechtsansicht vertritt? Was aber, wenn die Rechtsaufsicht keine weitere Handhabe zum Einschreiten sieht? Kann dann über den Landesrechnungshof das Handeln des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz als Rechtsaufsicht überprüft werden? - Lieber Kollege Kalinka, die FDP-Fraktion hat da erhebliche Bauchschmerzen. Der von Ihnen vorgelegte Antrag hat zwar den Charme, dass durch die Hintertür der Rechtsauf

sicht der Landesrechnungshof eine Wirtschaftlichkeitsprüfung der Selbstverwaltung vorzunehmen hätte. Das ist - das gebe ich zu - in der Tat ein interessanter Ansatz, der allerdings aus unserer Sicht aus rechtlichen Gründen nicht funktionieren kann. Tatsächlich hat sich eine Prüfung der Selbstverwaltung - das ist in diesem Fall das Problem - nach § 274 Abs. 1 SGB V mindestens alle fünf Jahre auf den gesamten Geschäftsbetrieb zu erstrecken.

Sie umfasst nach dem Wortlaut des Gesetzes die Prüfung seiner Gesetzmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit. - Ich komme zu meinem letzten Satz, Frau Präsidentin. - Eine solche Überprüfung, lieber Kollege Kalinka, steht aber aus unserer Sicht nicht dem Landesrechnungshof zu, sondern dem Bundesversicherungsamt und den für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörden der Länder, also auch dem Sozialministerium des Landes SchleswigHolstein.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb will die FDP-Landtagsfraktion eine zusätzliche rechtliche Konkretisierung des Rahmens, innerhalb dessen sich die Selbstverwaltungen bewegen dürfen.

Ich würde mich sehr freuen, wenn wir über Ihren Antrag heute nicht in der Sache abstimmen müssten, sondern im Ausschuss noch einmal ordentlich darüber beraten könnten, was Sie tatsächlich möchten und inwieweit das von Ihnen geforderte Prüfungsrecht tatsächlich gehen soll. Denn in einem sind, glaube ich, nicht nur wir beide uns einig, sondern sind wir auch einig mit der SPD-Fraktion: Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der AOK und den Versicherten der AOK Schleswig-Holstein hilft nur eines: eine rasche, lückenlose Aufklärung, damit sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder dem widmen können, wozu sie da sind und wozu sie da sein wollen: die Versicherten ordentlich zu betreuen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Birk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist das gute Recht des Landesrechnungshofs, sich die Schwerpunkte seiner Prüfung selbst zu setzen. Bisher sah er keine Veranlassung, die Prüftätigkeit des Sozialministeriums gegenüber den Krankenkas

(Angelika Birk)

sen unter die Lupe zu nehmen. Wenn die Opposition dies fordert, ist dies ebenfalls ihr gutes Recht.

Die Fragen aber, die die aber die CDU an den Rechnungshof stellt, sind eher juristischer als finanzieller Natur. Ich bin Herrn Dr. Garg sehr dankbar, dass er am Schluss seines Redebeitrages unmissverständlich deutlich gemacht hat, dass dieser Antrag, so wie er hier gestellt ist, gar nicht funktioniert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Diese Ansicht teilen wir. Ich finde es gut, dass Sie dies - bei allen Differenzen, die wir sicherlich im Einzelnen haben - noch einmal unterstrichen haben.

Ihnen von der CDU geht es darum nachzuweisen, dass das Sozialministerium seine Rechtsaufsicht unzureichend wahrgenommen hat. - Das ist ja Ihre These. - Dabei unterstellen Sie, dass das Sozialministerium gegenüber den Krankenkassen beliebige Befugnisse hat, so als ob es keine Selbstverwaltung mit entsprechenden Verantwortlichkeiten gäbe.

Wir haben beispielsweise den Wissenschaftlichen Dienst befragt und eine ausführliche Antwort erhalten. Meine Damen und Herren von der CDU, wenn Ihnen diese Antwort nicht reicht, wenn Sie dies weiterverfolgen wollen, dann gehen Sie geeignete juristische Wege, aber behelligen Sie uns nicht mit einem Antrag, der einfach nicht funktionieren kann und den Rechnungshof mit sehr viel überflüssiger Arbeit beladen würde.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Glücklicherweise hat die Veröffentlichung der Kreditgewährung an Herrn Buschmann den Vorstand der Selbstverwaltung, wenn auch sehr spät, etwas zur Vernunft zurückfinden lassen. Aber es entstand ein unermesslicher, sich auch in Euro und Cent niederschlagender Vertrauensverlust der AOK. Dieser wird nicht auf einen Schlag sichtbar. Es sind jetzt nicht Hunderttausende von Leuten ausgetreten und haben sich eine andere Versicherung gesucht. Aber die öffentliche Meinung über die Krankenkassen insgesamt und auch über die AOK hat natürlich Schaden gelitten und das kann uns in der Politik alles andere als gleichgültig sein. Denn wir brauchen Kassen, in die die Leute mit Recht Vertrauen setzen.

Dieses Vertrauen ist aber nicht über den Landesrechnungshof zurückzugewinnen. Tatsächliche Veränderungen - das hat bisher in der Debatte überhaupt keine Rolle gespielt - bringt die bundesgesetzliche Pflicht, ab diesem Jahr die Einkünfte der Krankenkassenvorstandsmitglieder zu veröffentlichen. Ich bin der

rot-grünen Bundesregierung sehr dankbar für diesen gesetzlichen Fortschritt. Denn es wurde erstens sichtbar, dass manche Gehälter gar nicht so hoch sind, wie sie vielleicht in der Bevölkerung erträumt werden. Jedenfalls sind sie nicht so hoch wie beispielsweise die Gehälter in Banken- und ähnlichen Vorstandspositionen, bei denen es einem vor lauter Nullen ganz schwindlig werden kann und bei denen, muss ich sagen, jegliches Schamgefühl und jegliches Gefühl für Verhältnismäßigkeit verloren gegangen ist. Trotzdem ist es natürlich genug Geld und es ist eigentlich nicht notwendig, sich Kredite geben zu lassen. Insofern besteht die öffentliche Empörung über diesen Vorgang völlig zu Recht.

Ich frage mich natürlich auch, welche Selbstverwaltungsmitglieder zu solchen Mitteln greifen konnten und wie dies so lange verborgen geblieben ist. Das sind zu Recht kritische Fragen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU - Werner Kalinka [CDU]: Ja, ge- nau!)

Ich hoffe, dass dies in der Selbstverwaltung der AOK zu einem Nachdenken führt und dass die Veröffentlichungspraxis in Zukunft das Maßhalten fördert.

(Veronika Kolb [FDP]: Nachdenken allein reicht doch nicht!)

So wie die Presseveröffentlichungen dies tun, wird auch eine regelmäßige Veröffentlichung zumindest für die Mitglieder, die ihre Aufgabe in den Selbstverwaltungsgremien gewissenhaft wahrnehmen, Maßstäbe setzen, Vergleiche ermöglichen und damit auch regulierend eingreifen.

Die FDP hat darüber hinaus weitere Beschränkungen bei allen unseren Vorständen in Stiftungen, in kommunalen Gebietskörperschaften und ähnlichen Einrichtungen gefordert. Dieser Antrag befindet sich noch in der Ausschussdebatte. Über ihn ist heute nicht zu entscheiden. Der Wissenschaftliche Dienst hat hierzu ebenfalls interessante Hinweise gegeben und ausgeführt, welche Körperschaften davon betroffen sein könnten. Herr Kalinka, Herr Dr. Garg und Frau Kolb, ich spreche jetzt insbesondere Sie an. - Nach dem langen Beitrag von Herrn Dr. Garg möchte ich an dieser Stelle festhalten, dass es Frau Kolb war, die das Thema in vielen Sitzungen des Sozialausschusses mitverfolgt hat. - Nach allen Sitzungen, die wir hatten, können Sie nicht weiter Honig hieraus saugen, indem Sie einen Buhmann aufbauen, den es meiner Ansicht nach so nicht gibt. Sicherlich ist zu fragen: Hätte das Sozialministerium seine kritische Aussage beim zweiten, dritten und vierten Kredit nicht noch etwas entschiedener wiederholen können?

(Angelika Birk)

Aber auch dies hätte offensichtlich das Verhalten nicht verändert. Manchmal ist tatsächlich die so genannte vierte Gewalt, die Öffentlichkeit, das entscheidende Instrument.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Frau Birk, dann ist das Kind aber schon in den Brunnen gefal- len!)

Ich spreche der Presse selten Lob aus. Aber in diesem Fall war es der richtige Weg.

Wir können uns überlegen, ob wir hier eine Gesetzeslücke haben und ob wir den Weg gehen sollen, den Sie vorschlagen. Ich finde, das ist eine offene Frage.

(Werner Kalinka [CDU]: Nein!)

Aber jemanden für ein noch nicht vorhandenes Gesetz zu verhaften, ist der falsche Weg.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Hinrichsen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Langsam wird die ganze Sache absurd. Die Ereignisse und Vorgänge in der Leitungsetage der AOK SchleswigHolstein sind für sich genommen schon traurig genug. Dazu kommt aber der jetzt schon monatelange Versuch der CDU, insbesondere des sozialpolitischen Sprechers der CDU, Herrn Kalinka, die Verantwortung für die wirklich vorhandenen ganz gravierenden Mängel und Versäumnisse der Selbstverwaltung der AOK dem Sozialministerium zuzuschieben.

Wir haben diese unfruchtbare Auseinandersetzung schon mehrere Male im Sozialausschuss geführt, aber der heutige Antrag schlägt nach unserer Ansicht dem Fass den Boden aus. Denn die CDU will, dass alle Vorgänge bei der AOK Schleswig-Holstein und natürlich insbesondere die Rolle der Rechtsaufsicht des Sozialministeriums vom Landesrechnungshof untersucht werden.

Noch dazu sind die dazugehörigen Fragen so gestellt, als ob es um einen Untersuchungsauftrag geht. Man kann fast die Frage stellen, warum die CDU nicht gleich einen Untersuchungsausschuss beantragt, um diese Vorfälle zu beleuchten, wenn sie schon der Auffassung ist, dass das Sozialministerium quasi die alleinige Verantwortung für die Vorgänge bei der AOK Schleswig-Holstein trägt.

Ich möchte nicht missverstanden werden: Der SSW hält die Darlehensvergabe an den ehemaligen AOKVorsitzenden Buschmann, die hohen Repräsentationskosten seines Stellvertreters und die mangelvolle Vergabepraxis bei der AOK für sehr kritikwürdig und auch für nicht vereinbar mit dem Auftrag einer öffentlichen Krankenkasse an.

So soll das Geld der Versicherten nicht ausgegeben werden.

(Beifall bei SSW und CDU und des Abge- ordneten Andreas Beran [SPD])

Um es deutlich zu sagen: Wir haben in diesem Zusammenhang - genau wie die Mehrheit des Sozialausschusses - eine umfassende Aufklärung von der AOK gefordert und wir haben auch deutliche Konsequenzen innerhalb der Leitung der AOK gefordert. Dies ist inzwischen geschehen. Man sollte auch nicht übersehen, dass die beiden Herren, die die Arbeitgebervertretung und die Arbeitnehmervertretung repräsentierten, auch zurückgezogen worden sind und dass nun neue Herren dort sitzen. Das ist die Selbstverwaltung der AOK gewesen und diese muss sich doch darum kümmern, was bei der AOK passiert.

(Beifall des Abgeordneten Andreas Beran [SPD])

Sie soll auch sagen, was sie sich bei all diesen Vergaben und ähnlichen Dingen gedacht hat. Wir haben uns immer auf den Standpunkt gestellt, dass diese Maßnahmen, wie gesagt, innerhalb der Selbstverwaltung der AOK durchzuführen sind. In diesem Zusammenhang habe ich in den Ausschusssitzungen immer wieder versucht insbesondere meinem Kollegen Kalinka deutlich zu machen, welche Rolle dem Sozialministerium als Rechtsaufsicht der AOK vom Gesetzgeber zugewiesen worden ist. Leider hat er dies anscheinend nicht ganz verstanden.

Zwischenzeitlich haben wir vom Wissenschaftlichen Dienst freundlicherweise einen Umdruck erhalten, in dem noch einmal genau ausgeführt wird, was eine Rechtsaufsicht ist. Ich gehe davon aus, dass Sie es gelesen haben, Herr Kalinka, aber ich weiß nicht, ob das Leseverständnis vorhanden war. Dieser Umdruck 15/4426 liegt, wie gesagt, dem Sozialausschuss dankenswerterweise vor. In diesem Umdruck heißt es:

„Die Krankenkassen haben ihre Aufgaben selbstständig und eigenverantwortlich durchzuführen, während auf konkrete Einzelmaßnahmen bezogene Weisungen in diesem Bereich grundsätzlich unzulässig sind.“

Natürlich hat die Rechtsaufsicht die Pflicht, die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Krankenkasse

(Silke Hinrichsen)

zu überprüfen. Dazu kann sie, soll sie aber nicht Geschäfts- und Rechnungsführung der Krankenkassen prüfen und unter anderem persönliche und sächliche Verwaltungskosten oder privatrechtliche Verträge und Vereinbarungen uneingeschränkt prüfen. Wird bei diesen Prüfungen durch das Handeln oder Unterlassen eines Versicherungsträgers Recht verletzt, so soll die Aufsichtsbehörde - hier das Sozialministerium - zunächst beratend darauf hinwirken, dass der Versicherungsträger - hier die Krankenkasse - die Rechtsverletzung behebt.

Genau das hat das Sozialministerium beispielsweise im Fall der Kreditvergabe an den ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Herrn Buschmann ja getan. Das Problem in diesem Fall war, dass die Selbstverwaltungsorgane der AOK eindeutig versagt haben. So hat möglicherweise nicht der gesamte Vorstand von der Kritik der Rechtsaufsicht in diesem Fall zu wissen bekommen.

Eine Rechtsaufsicht ist eben nicht eine Fachaufsicht und hat somit viel begrenztere Möglichkeiten der Einflussnahme auf den Versicherungsträger; denn erst nachdem der Versicherungsträger innerhalb einer Frist den Aufforderungen der Rechtsaufsicht nicht nachgekommen ist, kann er zur Behebung der Rechtsverletzung gezwungen werden. Die Rechtsaufsicht hat also nicht die gleichen direkten Mitwirkungsrechte gegenüber dem Versicherungsträger, wie es beispielsweise eine Fachaufsicht hat.