Protocol of the Session on April 29, 2004

(Zuruf des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

- Wir sind da einig, Schleswig-Holstein mit der SPD! Während wir in Schleswig-Holstein für die A20 kämpfen, gibt es keinen größeren Bekämpfer als Ihren ehemaligen Kollegen Steenblock mit seinem Sperrfeuer. Wieder einmal sind die Grünen Ihr Problem. Sie sind handlungsunfähig, weil die Grünen mit dem roten Hund wedeln. Ich bin überzeugt: Wenn wir Ihre Liste fortsetzen wollten, dann könnten wir uns den ganzen Tag lang über diese falschen Beispiele unterhalten. Deshalb lassen Sie mich zum Schluss feststellen, dass der letzte Satz des Papiers richtig ist, Herr Rohwer. Dort schreibt Herr Rohwer nämlich:

„Wir werden auch die neuen Herausforderungen lösen. Jeder an seiner Stelle kann dazu seinen Beitrag leisten.“

Das ist richtig. Sie leisten ihn als Professor an der Uni, die Opposition von der SPD leistet ihn hier im Raum

(Glocke des Präsidenten)

und wir leisten unseren Beitrag dadurch, dass wir dieses rot-grüne Regierungsdilemma im Frühjahr 2005 für ein besseres Schleswig-Holstein ablösen.

(Beifall bei CDU und FDP - Zurufe von der SPD - Ursula Kähler [SPD]: Eine unreflek- tierte Rede!)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hay das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mit großer Aufmerksamkeit der Rede des Oppositionsführers zugehört. Das, was ich jetzt sage, ist ironisch gemeint. Ich finde es wirklich beachtenswert, welche wirtschaftspolitischen Vorstellungen Sie in 15 Minuten entwickelt haben, nämlich gar keine.

(Beifall bei der SPD)

Daraus schließe ich: Die CDU hat kein wirtschaftspolitisches Konzept und sie stellt keinen alternativen Entwurf vor. Das heißt, es herrscht wirtschaftspolitische Ratlosigkeit.

Herr Kayenburg, weil Sie Kabul erwähnt haben, lassen Sie mich an dieser Stelle eines mit aller Deutlich

keit sagen: Ich bin unserer Ministerpräsidentin außerordentlich dankbar dafür, dass sie nach Kabul gefahren ist und sich erkundigt hat, wie es den Soldaten aus Schleswig-Holstein dort geht. Das ist ein wesentlicher Beitrag zur Friedenssicherung in diesem Land. Das sollten wir alle anerkennen.

(Beifall bei SPD, SSW und der Abgeordne- ten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Ich glaube, Sie tun gut daran, sich sowohl mit der Ministerpräsidentin als auch mit dem Wirtschaftsminister einmal darüber zu unterhalten, welche Bemühungen gerade von den beiden von mir Genannten unternommen worden sind, um zu verhindern, dass es in Tarp zu einer Schließung kommt und dass Olpenitz in irgendeiner Form geschlossen wird. Da ziehen Landesregierung und Opposition an einem Strang, dann sollte man hier auch keinen Keil dazwischen treiben. Das ist in unser aller Interesse.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich kann mich eines Eindrucks nicht erwehren, Herr Kayenburg. Ich kenne einige Ihrer Kollegen, die an Ihrem Wahlprogramm arbeiten. Sie haben in eine wirtschaftspolitische Leitlinie 30mal das Wort „Bürokratieabbau“ und fünfmal das Wort „rot-grünes Chaos“ geschrieben. Mehr ist Ihnen dazu nicht eingefallen. Da kam es Ihnen natürlich ganz recht, dass unser Wirtschaftsminister wirtschaftspolitische Überlegungen bis zum Jahre 2020 entwickelt hat, und prompt haben Sie dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt. Als Beitrag zum lebenslangen Lernen kann ich Ihnen nur empfehlen: Nutzen Sie die Chance heute, lesen Sie dieses Papier aufmerksam, damit Sie wenigstens einige Anregungen bekommen!

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Veronika Kolb [FDP]: Was wollen Sie uns eigentlich sagen!)

Ich möchte noch eine weitere Bemerkung machen, die ich wohlweislich schon in meine Rede hineingeschrieben hatte, weil ich ja weiß, was von Ihnen kommt: Natürlich haben Sie - wie von früheren Debatten bekannt - Unternehmensentscheidungen zum Abbau von Arbeitsplätzen in Schleswig-Holstein dem Wirtschaftsminister und der Ministerpräsidentin angelastet - wider besseren Wissens. Als könnte die Ministerpräsidentin, als könnte der Wirtschaftsminister, Entscheidungen, die bei Motorola in den USA oder bei Danfoss in Nordborg unter bestimmten globalen

(Lothar Hay)

Gesichtspunkten getroffen werden, entscheidend beeinflussen!

(Zuruf des Abgeordneten Heinz Maurus [CDU])

Sie haben aber zumindest den Versuch unternommen. Wer hat dann in der Vergangenheit dazu beigetragen, ist nach Chicago geflogen und hat dafür gesorgt, dass bei Motorola eine erste Entscheidung für den Standort Flensburg getroffen worden ist? - Das war unsere Ministerpräsidentin, das war unser Wirtschaftsminister. Das müssen Sie auch einmal zur Kenntnis nehmen. Die beiden setzen sich für den Erhalt von Arbeitsplätzen in Schleswig-Holstein über die Maßen ein.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Heiner Garg [FDP]: Mit rie- sigem Erfolg!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, unbestritten ist: Wir brauchen Wachstum und wir brauchen Beschäftigung.

(Zurufe von CDU und FDP: Ach!)

Das erhoffte Anspringen der Konjunktur ist bisher nicht in dem Maße erfolgt, wie es von der Bundesregierung, aber auch von der Wirtschaft selbst erwartet wurde. Die Wirtschaftsweisen haben in diesen Tagen beklagt, dass vor allem der private Konsum zurückgeblieben sei. Zwar geben die aktuellen Daten erneut Anlass zu leichtem Optimismus, aber für eine nachhaltige positive Entwicklung brauchen wir einen erheblich stärkeren Schwung.

Zum Papier von Wirtschaftsminister Rohwer: Die von ihm aufgezeigte Analyse ist natürlich richtig. Wir haben nach wie vor Nachholbedarf - und das verschweigen wir nicht - in der überregionalen Verkehrsanbindung, was sich im Kern erst durch die Elbquerung der A 20 ändern wird, denn der Engpass Hamburg kann auch durch die vierte Elbtunnelröhre - das wissen wir alle - nicht überwunden werden. Wir brauchen den weiteren Ausbau und die Elektrifizierung von Schienenstrecken in Schleswig-Holstein.

Die Abhängigkeit zahlreicher Betriebe von Unternehmenszentralen, die ihren Sitz außerhalb Schleswig-Holsteins haben, ist in den vergangenen Monaten bei deren Entscheidungen zulasten von Arbeitsplätzen in unserem Land immer wieder deutlich geworden. Jeder, der aus Flensburg kommt, weiß, was das heißt und wie stark die Bemühungen sind, wenigstens einen großen Teil dieser Arbeitsplätze zu erhalten. Und da erwarte ich auch von Mads Clausen, dass er nicht nur in Sonntagsreden über die Region Flensburg/Sønderjylland redet, sondern dass er auch dafür sorgt,

dass ein Großteil der bei Danfoss abzubauenden Arbeitsplätze in Nordborg wieder aufgebaut werden, sodass die Menschen in der Region eine Chance haben, nach Norden zu fahren und dort einen Arbeitsplatz zu bekommen. Das erwarte ich dann auch von den Unternehmern.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Demgegenüber sollten die richtig beschriebenen Stärken den Ausgangspunkt für die Überlegungen zur Entwicklung Schleswig-Holsteins darstellen. Wir sind Bestandteil der dynamischen Ostseeregion und gleichzeitig das Bindeglied zwischen Dänemark, Schweden und Norwegen nach Mitteleuropa. Die Nähe zur Metropole Hamburg mit ihrer ökonomischen Stärke ist eine unbestreitbare Chance. Wir haben mit Brunsbüttel, in Husum mit dem Offshorehafen, in Kiel und in Lübeck gut ausgebaute Häfen an Nord- und Ostsee. Das wirtschaftliche Rückgrat, die vielen kleinen und mittleren Unternehmen, bieten durch geringe Krisenanfälligkeit gute Chancen für eine langfristig stabile Entwicklung.

Wir haben hochleistungsfähige Universitäten und Fachhochschulen und eine hohe Lebens- und Umweltqualität, was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass sich immer mehr Menschen, vor allem ältere, in Schleswig-Holstein ansiedeln. Dies kann auch als Hinweis dafür genommen werden, dass wir beispielsweise im Bereich Tourismus auf dem richtigen Weg sind. Zu uns kommen die Menschen, um hier zu arbeiten und sich zu erholen. Gerade in diesem Bereich, nämlich der Bewahrung des Naturerbes und der Lebensqualität, liegt auch eine der Chancen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Denn gerade hier könnte Schleswig-Holstein als Standort für Konferenzen, kulturelle Veranstaltungen und Kulturereignisse im Zusammenhang mit dem Tourismus noch weiter entwickelt werden, wobei gerade der Kulturtourismus eine noch größere Bedeutung bekommen kann und muss.

Die aktuellen Entwicklungstrends sind von unserem Wirtschaftsminister aufgearbeitet worden, weil sie für die zukünftige strategische Positionierung des Landes wichtig sind. Lassen Sie mich davon einige Punkte darstellen:

Erstens. Die existenziellen Probleme des Mittelstandes beruhen auf der häufig zu geringen Eigenkapitalbasis und den zunehmenden Schwierigkeiten der Kapitalbeschaffung sowie den nicht zu leugnenden Problemen der Nachfolge beim Ausscheiden des Betriebsinhabers.

(Lothar Hay)

Zweitens. Die Konzentration von Wachstum und Beschäftigung auf Ballungsräume wird sich in den zukünftigen Jahren fortsetzen. Daraus muss der Schluss gezogen werden, Vorteile für unser Land aus der Wachstums- und Beschäftigungskraft der Metropole Hamburg zu ziehen. Und dies darf nicht nur für die Randkreise gelten, sondern muss auch für die Entwicklungsachsen Richtung Neumünster-Kiel, Richtung Lübeck und weiter über Flensburg Richtung Sønderjylland gelten.

Drittens. Wenn es richtig ist, dass die Bildung regionaler Cluster für die Konkurrenzfähigkeit von Bedeutung ist, dann ist daraus der Schluss zu ziehen, dass in den Bereichen Gesundheitswirtschaft, Ernährungswirtschaft, Informations- und Systemtechnik, maritimer Wirtschaft, regenerative Energie sowie Tourismus Cluster gebildet und gefördert werden müssen. Derartige Kompetenzprofile sollen die Regionen überregional attraktiv positionieren, sowohl für die Unternehmen, für Arbeitskräfte als auch für die Forscher im jeweiligen Bereich.

Viertens. Qualifizierte Hochschulabsolventen stehen für die Wirtschaft im Land bereit. Es muss aber in unserem eigenen Interesse liegen, dass bei uns mit Steuergeldern ausgebildete Hochschulabsolventen auch vermehrt einen Arbeitsplatz in unserem Land finden und dort arbeiten können.

(Vereinzelter Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Fünftens. Was die hochwertige Aus- und Fortbildung angeht, müssen wir in den Bereichen, die zu den vorgenannten Clustern gehören, besser sein als andere.

Sechstens. Der demographische Wandel mit ungünstigen Entwicklungen im Bereich der Sozialversicherung ist für Schleswig-Holstein gleichzeitig mit Chancen verbunden. Bereits seit längerem stellen wir fest, dass sich gerade ältere Menschen, die häufig über eine überdurchschnittliche Kaufkraft verfügen, wegen der Wohninfrastruktur, touristischer Angebote und Gesundheitsleistungen in unserem Land niederlassen.

Der weiter wachsende Bedarf an Mobilität wird dazu führen, dass das Verkehrsaufkommen bei allen Verkehrsträgern auch in den nächsten Jahren noch zunehmen wird. Für Schleswig-Holstein bedeutet dies vor allem die Ausbauvorhaben im Bereich A 7, A 20, A 21, die Elektrifizierung der Bahnstrecke HamburgLübeck, die Engpassbeseitigungen, insbesondere um Hamburg, sowie die feste Fehmarnbelt-Querung voranzubringen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Es ist sehr erfreulich, dass sich bei der Elbquerung zumindest eine kleine Lösung abzeichnet. Was die feste Fehmarnbelt-Querung angeht, so wird noch in diesem Jahr eine Grundsatzentscheidung nötig - das haben wir bei Gesprächen in Dänemark, in Kopenhagen, immer wieder erfahren -, damit ein Baubeginn vor 2010 erfolgen kann, um auch die entsprechenden europäischen Fördergelder zu erhalten.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Mir erscheint es noch wichtig, darauf hinzuweisen, dass die bisher vorgelegten Berechnungen gerade unter Berücksichtigung der Erfahrungen der ØresundBrücke und der Querung des Großen Belts in Dänemark zu prüfen sind.

Schleswig-Holstein soll auch 2020 ein Land mit vielen erfolgreichen Mittelstandsbetrieben sind. Das wird nur dann gelingen, wenn alle Chancen für neue Produktideen, für neue Produktionswege genutzt und Hemmnisse soweit wie möglich abgebaut werden. Wir unterstützen dies durch viele Institutionen und Fördervorhaben. In den bereits von mir genannten Punkten Gesundheitswirtschaft, Mikrosystemtechnik, Informationstechnik und Multimedia, maritime Wirtschaft sowie erneuerbare Energien und Tourismus müssen wir uns weiter profilieren.

Ein Nordverbund, vor allem mit Hamburg, kann sich als Wachstumsregion Nord unter Nutzung der Wachstumspotentiale Hamburgs überdurchschnittlich entwickeln.