Es sind eben nicht nur statistische Werte, sondern hinter jedem Arbeitsplatz verbergen sich menschliche Schicksale: Familienväter, allein erziehende Mütter, verdiente Mitarbeiter, die nach Jahrzehnten der Betriebszugehörigkeit die Unternehmen verlassen müssen, und auch junge Menschen, die sich ihrer beruflichen Perspektive beraubt fühlen.
Meisterns werden die zahlreichen kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht erwähnt - obwohl Sie diese als positiv darzustellen versuchen -, die in
Schleswig-Holstein fast täglich ohne viele Nebengeräusche in die Insolvenz gehen. Vergessen wird auch, dass hinter jeder Insolvenz oder Betriebsaufgabe das harte Schicksal eines mittelständischen Unternehmers steht. Das sind Frauen und Männer, die mit viel Herzblut, Engagement und Fürsorgebewusstsein für ihre Unternehmen und für ihre Mitarbeiter einen manchmal ausweglosen Kampf kämpfen, die soziales Engagement gezeigt und Ausbildungsplätze und Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt haben.
In dieser wirtschaftlichen Situation, die der Wirtschaftsminister verschweigt, legt er ein angeblich weitreichendes und visionäres Papier vor, das eine nachhaltige Verbesserung der wirtschaftlichen Situation in Schleswig-Holstein bewirken soll.
Die SPD ist groß in Datierungen, die außerhalb ihres Verantwortungsbereiches liegen. Deswegen muss das Ganze auch „Strategie 2020“ heißen.
Man muss es Ihnen lassen, Herr Professor: Im Entwerfen von so genannten Zukunftspapieren sind Sie wirklich Spitze. Aber das Papier ist nur eine Zusammenfassung von Stellungnahmen, die Ihr Haus schon lange abgegeben hat. Es ist im Grunde nichts Neues und wenn das Ihre Strategie für 2020 ist, kann ich nur sagen: Gute Nacht, Schleswig-Holstein!
Sie werden mit diesem Konglomerat SchleswigHolstein nicht nach vorn bringen, aber Gott sei Dank kann es nicht mehr viel schaden, denn weiter nach hinten geht es auch nicht mehr.
Es ist schade, Herr Minister, dass Ihre Bemühungen fast immer ins Leere laufen. Nicht umsonst haben Sie deshalb den Namen „Ankündigungsminister“; den haben Sie sich redlich verdient.
Es gibt eine Vielzahl von Beispielen, die diesen Namen rechtfertigen. Ich will nur das jüngste Beispiel nennen. Der Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Flughafens Blankensee war für den März in Aussicht gestellt. Im April ist er immer noch nicht da. Vermutlich haben Sie nur vergessen zu sagen, in welchem Jahr der Planfestsstellungsbeschluss ergehen soll.
Ähnlich sieht es mit der A 20 und der A 21 aus. Alle zugesagten Daten haben Sie ohne Ausnahme nicht eingehalten. Das geht sogar so weit, dass im Regionalplan dieser Landesregierung die A 20-Strecke nicht einmal als Aufdruckstrecke oder als Korridor enthalten ist. Dafür finden sich um so mehr FFH
Gebiete. Herr Minister, was ist das für ein Verhalten? - Sie sind nicht einmal in der Lage, Regionalpläne angemessen vorzubereiten.
Schon die Beschreibung der Ausgangslage ist fehlerhaft. Sie gestehen nämlich keine eigenen Fehler ein, sondern verweisen nur auf die allgemeine Wachstums- und Beschäftigungskrise und die strukturellen Schwächen der deutschen Wirtschaft.
Ihre mangelnde Zukunftsfähigkeit wird meiner Meinung nach vor allem daran deutlich, dass Sie die weitere Globalisierung und Öffnung der EU nach Osteuropa nicht vorwiegend als Chance darstellen, sondern sie als Grund für unsere derzeitigen wirtschaftlichen Probleme anführen. Was verdrängen Sie dabei eigentlich? - Im Bundesvergleich liegt Schleswig-Holstein leider ganz weit hinten. Das heißt, hier hat die Wirtschaftspolitik versagt. Denn wir hatten doch dieselben Rahmendaten wie alle anderen Bundesländer auch.
Auch Ihr Hinweis auf den Strukturwandel in der schleswig-holsteinischen Wirtschaft soll offensichtlich nur dazu dienen, von eigenen Fehlleistungen abzulenken.
Sicherlich ist es so, dass Landwirtschaft und Schiffbau schwierigen Anpassungsprozessen unterworfen sind. Wir sollten aber genau dies als Chance begreifen, die dahinter steckt. Aber was haben Sie eigentlich in den letzten zehn Jahren für die Ernährungswirtschaft getan, für die Sie selbst einen Rückgang von 25 % konstatieren? - Da hätten wir mit unserer Landwirtschaft einen Standortvorteil gehabt. Da hätten wir etwas entwickeln können. Doch dieser Wirtschaftsminister hat nichts getan. Statt dessen erfolgten Ankündigungen, aber keine Ergebnisse.
Besonders frech finde ich es allerdings, wenn Sie die unterdurchschnittliche Intensität von Forschung und Entwicklung, die insbesondere Folge der kleineren Betriebsgrößen und eines Süd-Nord-Gefälles bei öffentlichen Forschungseinrichtungen sein soll, als „natürlichen“ Standortnachteil darstellen. Es ist verdammt noch einmal Ihre Pflicht und Schuldigkeit, genau hier anzusetzen und diesem Standortnachteil entgegenzuwirken. Und vor allem: Das ist nicht gottgegeben, sondern hier muss man aktiv werden. Auch hier hat diese Regierung leider völlig versagt. Dies gilt aber nicht nur für Ihren Bereich, sondern für den Bildungsbereich genauso.
Eine weitere eklatante Fehlleistung der gesamten Landesregierung mit Heide Simonis an der Spitze spiegelt sich im Kapitel „Bundeswehrstandorte“ wider. Ich finde es richtig und gut, Frau Simonis, dass Sie nach Kabul fahren und unseren Soldaten zeigen, dass wir an sie denken und mit ihnen sind. Aber dieses Engagement hätte Sie auch einmal für Olpenitz, für Tarp und an anderer Stelle mit der gleichen Intensität zeigen müssen.
Die Ergebnisse sprechen Bände. Sie müssen gar nicht protestieren. Diese Landesregierung hat in Berlin nichts zu sagen, weder beim Verteidigungsminister noch beim Finanzminister - das haben wir gestern beim Steuerkonzept gehört -, noch an anderer Stelle.
Diese Landesregierung hat in der eigenen Bundesregierung keinen Rückhalt mehr. Herr Rohwer, besonders hanebüchen finde ich Ihren Vergleich mit den westdeutschen Ländern. Ihre Formulierung, dass sich Schleswig-Holstein trotz einer von oben verordneten Benachteiligung annähernd im Gleichschritt mit den anderen Ländern entwickelt hätte, ist der blanke Hohn. Sie sind nicht bereit zuzugeben, wie die Situation wirklich ist. Gucken wir nur einmal auf die Beschäftigtenzahlen. Seit 1999 haben wir hier ein Anwachsen um 0,9 %. In Westdeutschland haben wir im gleichen Zeitraum einen Anstieg der Beschäftigtenzahlen um 3 %. Das heißt, wir haben nicht einmal ein Drittel der Arbeitsplätze geschaffen, die im Durchschnitt der Bundesländer geschaffen wurden. Das ist Ihr Erfolg und das ist Ihre Wirtschaftspolitik! Da sagen Sie, wir hätten mit den anderen Bundesländern Schritt gehalten. Wie denn wohl?
Im Übrigen wird die Inhaltslosigkeit Ihrer Politik ganz deutlich, wenn man das Beispiel Außenwirtschaftsförderung prüft. Sie reden viel, aber Sie sagen nichts. Da wird mit blumigen Worten von „Community-Treffs“ und von „Task Forces für Technologie“ geredet, es bleibt aber die große Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen Theorie und Umsetzung.
Das ist leicht zu belegen, denn es konnten nicht einmal 10.000 € zur Verfügung gestellt werden, damit Schleswig-Holstein am Baltic Development Forum partizipieren kann. Das beweist, wie unglaubwürdig Ihre Ankündigungen sind, Herr Rohwer. Sie sind in der Wirtschaftspolitik kein Macher, Sie sind ein Ankündigungsapostel! Wenn man Ihr Papier und das, was Sie als Maßnahmen bezeichnen, durchschaut, dann wird deutlich: Das, was Sie als Maßnahmen
bezeichnen, sind keine Maßnahmen, sondern allenfalls Ziele. Dort steht nämlich nicht: Wir werden tun, sondern da steht, man muss, man soll, man dürfte und so weiter. Dort steht keine einzige Maßnahme. Sie werden kein Macher, Sie bleiben ein Theoretiker!
Sie, Herr Minister, sind über den Status des Leiters der Engholmschen Denkfabrik leider nie hinausgelangt. Richtig ist an Ihrer Strategiestudie einzig die Beschreibung der grundsätzlichen Trends.
Neu ist daran allerdings wenig. Dem geneigten Beobachter war nämlich vorher schon bekannt, dass der Mittelstand vor existenziellen Problemen steht und dass die Zentren schneller wachsen als die weniger zentralen Regionen. Auch dass regionale Cluster an Bedeutung gewinnen, ist wirklich nichts Neues. Darüber haben wir häufig genug diskutiert. Ihre ganze Ratlosigkeit wird in Ihrer Feststellung deutlich, dass die Finanzsituation der öffentlichen Haushalte prekär bleibe und dass Schleswig-Holstein strukturbedingt eine hohe Pro-Kopf-Verschuldung habe. Was aber tun Sie dagegen? Wo haben Sie gesagt, wie Sie dem begegnen wollen? Es gibt nur Ankündigungen. Es gibt keine konkreten Maßnahmen und keine konkreten Vorschläge.
Er hat aber auch Recht: Schleswig-Holstein hat nach der Politik dieser Landesregierung die höchste ProKopf-Verschuldung der Flächenländer in Deutschland. Ich will an dieser Stelle gar nicht nachfragen, was mit den Ankündigungen geworden ist, die Neuverschuldung sollte bis 2008 auf null gesenkt werden. Viel wichtiger ist: Sie haben auch da Ihre Schularbeiten nicht gemacht, wo Ihnen jetzt vom Landesrechnungshof der Spiegel vorgehalten wird. Wir haben angemahnt, dass Sie bei den Personalkosten Einsparungen vornehmen sollten. Geschehen ist nichts. Das Einsparpotenzial liegt bei 1.000 Stellen.
- Herr Neugebauer, auch wenn Sie dazwischenreden: Von der Wahrheit beißt die Maus an dieser Stelle keinen Faden ab.
Herr Rohwer, abschließend zu Ihnen: Ihre Strategie ist wirklich bemerkenswert; sie ist wie ein Besinnungsaufsatz. Sie haben für Schleswig-Holstein Ziele für das Jahr 2020 aufgelistet. Ich will diese kurz zusammenfassen. Man könnte es so formulieren:
Schleswig-Holstein wird ein ganz tolles Land, ganz modern mit einer tollen Politik und einer engen Zusammenarbeit mit Hamburg. Die Menschen werden glücklich und alles wird gut. Wie Sie das bewerkstelligen wollen, sagen Sie aber an keiner einzigen Stelle. Wer soll Ihnen das angesichts der desaströsen Bilanz noch glauben, Herr Minister?
Selbst bei intensivem Durchforsten des Papiers fallen kaum Neuigkeiten auf. So fordern Sie beispielsweise die Bündelung der Förderinstitute im Haus der Wirtschaft. Das ist eine tolle und bahnbrechende Idee, vielleicht sagen Sie mir aber, wann dort das Richtfest war, Herr Minister? Sie sagen, wir benötigten dringend den Abbau von Vorschriften. Die Landesregierung stellt fest, dass die laufende Überprüfung aller Landesforderungen auf ihre Notwendigkeit hin zügig abgeschlossen werden muss. Ich frage: Was haben Sie denn in den letzten 16 Jahren getan? Wieder einmal nichts! Sie haben angekündigt, sonst nichts!
Falls Sie es wider Erwarten doch leugnen sollten, Herr Minister: Unser Land ist dank Ihrer Politik und der Politik von Frau Simonis pleite. Ein Blick in den Landeshaushalt wird Ihnen das auf den ersten Blick bestätigen. Es ist einfach unglaubwürdig, was Sie tun, und Sie haben das zu vertreten.
Es kann also in der jetzigen Phase nicht darum gehen, ständig neue Visionen zu haben oder so genannte Strategien auf den Markt zu schmeißen. Die tatsächliche Frage muss lauten: Wie kann man das Notwendigste bezahlen? Das muss auch der Regierung klar sein. Darauf gibt Ihr Papier keine Antwort. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass Sie in den Augen der Wirtschaft und auch in unseren Augen keine Glaubwürdigkeit mehr besitzen.
Die einzige Umkehr, die aus der Strategie 2020 hervorgeht, ist die Abkehr des Wirtschaftsministers vom Wachstum als oberstem Ziel der schleswig-holsteinischen Landespolitik. Jetzt wollen Sie plötzlich eine Gleichsetzung von Ökologie und Ökonomie. Damit wird auch Ihr größtes Problem deutlich. Das sitzt nämlich neben Ihnen und dort: Es sind die Grünen, Herr Minister! Wie schnell Sie umfallen, wird deutlich, wenn man sich daran erinnert, dass Sie im Rahmen der Veranstaltung der Unternehmensverbände zu Beginn dieses Jahres Wachstum als den einzig richtigen Weg bezeichnet haben, Schleswig-Holstein aus der Krise zu führen: Wachstum schaffe Arbeitsplätze, Wachstum sei sozial. Heute soll das alles nicht mehr wahr sein? Das sind unglaubwürdige Ankündigungen, Herr Minister!
Es gibt verschiedene andere Beispiele. In Kaltenkirchen wollen Sie wenigstens die Option offen halten, Herr Müller aber will die Kaltenkirchener Heide als FFH-Gebiet ausweisen.