Ohne den Abbau von Steuervergünstigungen sind alle Versuche, zu einem einfachen Steuerrecht zu kommen, zum Scheitern verurteilt. Wer von vornherein deutlich macht, dass er an einzelnen Subventionen nicht rütteln lassen will, bei dem kann es mit dem Reformwillen nicht allzu weit her sein.
Ich bin mir sicher, dass eines für die Menschen, aber auch für die Politik klar ist: Eine große Reform, die ein transparentes und gerechtes Steuersystem zum Ziel hat, ist eine Mammutaufgabe. Wir brauchen eine Lösung in einem überschaubaren Zeitraum. Gleichzeitig ist es aber wichtiger, den Blick mehr auf die Qualität zu richten als auf das Tempo. Gemeinsames Ziel müsste es sein, aus den vorliegenden Konzepten das Beste herauszufiltern und zusammenzuführen. Hier können die schleswig-holsteinischen zehn Punkte einen wichtigen Beitrag leisten.
Es wird Ihnen nicht verborgen geblieben sein, dass die Vorstellungen des Landes insgesamt in der veröffentlichten Meinung eine positive Aufnahme gefunden haben. Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich im Namen der SPD-Fraktion bei unserer Ministerpräsidentin und unserem Finanzminister für dieses Konzept bedanken.
Lassen Sie mich nun im Einzelnen zu dem Konzept kommen. Wir teilen die grundsätzliche Einschätzung, dass Möglichkeiten für allgemeine Steuersenkungen nicht mehr bestehen. Der Staat kann sich keine weiteren Einnahmeverluste leisten, wenn die öffentlichen Aufgaben sachgerecht erledigt werden sollen. An die Adresse der Opposition, des ewigen Zwischenrufers Heiner Garg, gerichtet: Sagen Sie doch den Menschen in Schleswig-Holstein, wenn Sie weitere Steuersenkungen haben wollen, in welchen Bereichen in Schleswig-Holstein gekürzt werden soll! - Im Schulbereich, im Hochschulbereich, bei der Polizei? Das
sind die Punkte, die sehr kostenintensiv sind. Dazu gibt es keine Antwort von Ihnen. Das sollten Sie den Menschen im Hinblick auf den 20. Februar erklären.
Das schleswig-holsteinische Konzept strebt anders als die bisher vorgestellten Modelle Verteilungsgerechtigkeit an. Alle anderen Modelle führen zu erheblichen Vergünstigungen für Besserverdienende. Nicht nur die aktuelle Konjunkturlage ist ein Hinweis darauf, dass dies in die falsche Richtung führen würde.
Ich weiß von vielen Menschen, die sehr viel Geld verdienen, dass sie weitere Steuerentlastungen für den oberen Einkommensbereich nicht für notwendig halten. Keines der bisher vorgestellten Konzepte hatte bisher die Besteuerung nach Leistungsfähigkeit im Visier. Aber neben einer deutlichen Vereinfachung des Steuersystems muss es darum gehen, dass es zu einer Besteuerung nach Leistungsfähigkeit kommt. Damit kommen wir auch dem Anspruch nach mehr Generationengerechtigkeit deutlich näher. Wenn die öffentlichen Aufgaben auch zukünftig gerecht erledigt werden, kann sich der Staat auf allen Ebenen keine weiteren Einnahmeverluste leisten. Deshalb sieht das Konzept der Landesregierung vor, dass sich gerade die finanziell Leistungsfähigen ihrer Verantwortung zu stellen haben. Deshalb kann es - da sind wir uns mit der Landesregierung einig - keine weitere Absenkung des Spitzensteuersatzes über 42 % hinaus geben.
Auch ist die Überlegung richtig - das sage ich in aller Deutlichkeit -, Einkommen über 500.000 € zu zusätzlichen Abgaben heranzuziehen.
Es muss darum gehen, dass ein Steuersystem als gerecht empfunden wird. Keines der bisher vorgestellten Konzepte hat diese Forderung ausreichend beachtet.
Ziel des schleswig-holsteinischen Konzeptes ist deshalb auch die Verteilungsgerechtigkeit. Subventionen müssen abgebaut und Schlupflöcher gestopft werden. Eine verbreiterte Bemessungsgrundlage soll zu Steuersenkungen, insbesondere für Geringverdienende, und zur Förderung von Familien genutzt werden. Die Senkung im Eingangssteuersatz könnte mittelfristig dazu beitragen, den Abstand zwischen Netto-Arbeitseinkommen und Sozialleistungen zu vergrößern und beschäftigungs- sowie arbeitsmarktpolitischen Verwerfungen des Sozialsystems entgegenzutreten.
Damit Kinder nicht länger das Armutsrisiko Nummer 1 bleiben - der Finanzminister ging schon darauf ein -, wollen wir über eine verfassungskonforme Individualveranlagung und den gleichzeitigen Wegfall des Splittingtarifs sowie über ein erhöhtes Kindergeld Steuermehreinnahmen unmittelbar an die Eltern zurückgeben.
Wenn wir mit der Senkung der Abgaben auf Arbeit Ernst machen und damit die soziale Symmetrie stärken wollen, ist eine Erhöhung der Umsatzsteuer bei gleichzeitiger Senkung der Lohnnebenkosten ein sinnvoller Weg.
Um die Interessen der Niedrigverdiener zu berücksichtigen, soll gleichzeitig ein ermäßigter Umsatzsteuersatz für das Lebensnotwendige gelten.
Wer die soziale Marktwirtschaft ernst nimmt und von der Infrastruktur unseres Landes profitiert, der muss auch seinen Beitrag dazu leisten. Das Selbstverständnis von Teilen unserer so genannten Leistungselite, sich durch Steuerflucht ins Ausland vor solidarischen Abgaben zu drücken, muss offen diskutiert werden.
Es muss erlaubt sein, auch prominente Einzelfälle in den Bereichen Sport, Unterhaltung oder Medien offen anzusprechen.
Lassen Sie mich Folgendes in aller Deutlichkeit sagen: Steuern zahlen ist nicht unanständig. Es ist vielmehr gegenüber dieser Gesellschaft unanständig, sich der Verantwortung des Gemeinwesens zu entziehen.
(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr rich- tig!)
In den Jahren 1998 bis 2005 hat es insgesamt für Steuerzahler und Unternehmen Steuerentlastungen im Umfang von 55 Milliarden € gegeben beziehungsweise wird es noch geben.
Es ist die größte Steuerentlastung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Weitere Steuerentlastungen, Belastungen der öffentlichen Hände kann es in den nächsten Jahren nicht geben, wenn die notwendigen Leistungen für unser Gemeinwesen erbracht werden sollen.
Bei weiteren Maßnahmen zur Steuervereinfachung wird es darauf ankommen, die soziale Symmetrie, die soziale Gerechtigkeit innerhalb unserer Gesellschaft
im Blick zu behalten. Also, Geringerverdienende und Familien mit Kindern müssen besser gestellt werden. Es gibt keinen vernünftigen Grund, die Besserverdienenden in näherer Zukunft erneut zu entlasten. Es sollte auch in den Oppositionsparteien darüber nachgedacht werden, wie man dem Sozialstaatsprinzip in dieser Frage näher kommen kann.
Bei allen zukünftigen Überlegungen muss der Subventionsabbau eine zentrale Rolle spielen. Dabei geht es sowohl um den Aspekt der Gerechtigkeit als auch um eine deutliche Vereinfachung unseres Steuersystems.
Die Eckpunkte der Landesregierung stellen aus meiner und aus Sicht der SPD-Fraktion einen sinnvollen Ausgangspunkt für weitere Debatten in Richtung Steuervereinfachung und Steuergerechtigkeit dar. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten die Diskussion mit den Bürgerinnen und Bürgern und auch mit den politischen Konkurrenten suchen, um in einem überschaubaren Zeitrahmen zu durchgreifenden und realistischen Lösungen zu kommen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Hay, die größte Steuerentlastung, die diese Republik jemals erlebt hat, war die famose Körperschaftsteuerreform Ihres Finanzministers Eichel - in Klammern: SPD -: Sie brachte Milliardenbeträge für die Großindustrie und den Ruin für viele mittelständische Betriebe. - So viel zu Anfang.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist gut einen Monat her, als die Ministerpräsidentin dem Land ihr Steuerkonzept verkündete. Einen Tag wurde es medial beleuchtet, von der Parteiführung der SPD verworfen und dann verschwand es. Heute sprechen wir nur darüber, weil sich die linke Seite des Hauses verzweifelt gegen diese Wirklichkeit wehren will, aber spätestens übermorgen ist das Papier wieder da, wo es hingehört, nämlich im Lokus der Geschichte.
Peer Steinbrück, Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, nannte es schlicht - ich zitiere - „falsch, jetzt mit immer neuen Steuererhöhungsplänen in die Öffentlichkeit zu gehen …, zumal, wenn sie unausgegoren sind“.
Kurz nach der Verkündung wurde Franz Müntefering Vorsitzender der SPD. Sie erinnern sich? - Das ist derjenige, der zum ersten Advent 2002 die frohe Botschaft verkündete, die Menschen sollten weniger Geld für den privaten Konsum ausgeben und dafür dem Staat mehr Geld lassen, damit er es besser ausgeben könne. Genau diesem verfehlten Gedankengut folgt auch das Steuerkonzept der Heide Simonis. Es ist ein weiteres Konzept aus Frau Simonis’ politischem Seriendauerbrenner „Rot-Grünes aus Schleswig-Holstein: Konzepte, die die Welt nicht braucht“.
Viele von Ihnen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, erinnern sich bestimmt noch an ältere Folgen dieser Serie: Ich nenne als Beispiele „Lehrer sinnlos und teuer entbeamten“, „Werftenhilfe versprechen und nicht auszahlen“, „Landesvermögen unter Preis verschleudern“, „Arbeitsmarktpolitik ohne Rücksicht auf Arbeitslose“ oder die geniale Doppelfolge zu Weihnachten „Der Landeshaushalt: neue Schulden ohne Nutzen für das Volk“.
Demgegenüber hat das Steuerkonzept einen unbestrittenen Vorteil: Es handelt von Bundesrecht und wird nicht umgesetzt werden.
Es kostet die Menschen in Deutschland wenigstens nichts mehr. Die Kosten seiner Entwicklung und Verbreitung sind bereits versunken. Und das ist gut so.