Protocol of the Session on April 28, 2004

Ich komme zu Herrn Hildebrand. Im Bericht des Landesrechnungshofs steht wesentlich mehr als das, was die Kolleginnen und Kollegen und ich hier ausgeführt haben. Im Bericht des Landesrechnungshofs steht nämlich, dass es viele Möglichkeiten der Zusammenarbeit und auch viele Gespräche zwischen Gemeinden, Ämtern und Ähnlichem gegeben hat. Der Landesrechnungshof hat nachgefragt, woran das Ganze gescheitert ist. - Das ist zum einen, dass nicht unbedingt immer auf gleicher Augenhöhe verhandelt werden konnte. Wenn die Gemeinden aber alle relativ gleich groß sind, dann kann auf gleicher Augenhöhe verhandelt werden. Zum anderen ist herausgekommen, dass persönliche Befindlichkeiten - ich weiß nicht, ob das Wort jetzt sachgerecht ist - zumindest eine große Rolle gespielt habe. Wir meinen, dass die freiwillige Zusammenarbeit, die alle so ziemlich

(Silke Hinrichsen)

heraufbeschworen haben, manchmal genau dadurch behindert wird. Ich finde, die Ausführungen des Landesrechnungshofs sind bemerkenswert. Sie unterstützen unsere Auffassung, die wir hierzu haben.

Zu den Dorfschaften möchte ich noch auf Folgendes hinweisen: Sie entsprechen in der Struktur nicht den so genannten Ortsbeiräten. Da ist ein großer Unterschied. Deshalb haben wir gesagt, dass den Gemeinden, die sich zusammenschließen, auch diese Möglichkeit eingeräumt werden sollte. Der Unterschied besteht darin, dass bei den Ortsbeiräten die Gemeindevertretung auch die Zusammensetzung bestimmt. Sie kennen vielleicht noch die Diskussion aus Kiel, die darüber geführt worden ist, wie der Ortsbeirat in Holtenau aussehen soll, ob die in Holtenau Gewählten darin sitzen sollen, das heißt, auch Parteien, und/oder ob er sich entsprechend der Ratsversammlung zusammensetzen soll. Wir meinen, da ist die Dorfschaft genau das Richtige. Da wählt das Dorf selbst die Dorfvorstände.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt dann vor Ort eine Struktur, die die Identität des Dorfes bewahrt. Die Dorfschaft beschäftigt sich mit Selbstverwaltungsangelegenheiten und tritt in der Gemeindevertretung für diese ein. Die Dörfer können auch ihre Namen und Postleitzahlen behalten. Das ist das, was uns zusammenschmiedet. Ich zum Beispiel komme aus dem „Dorf“ Leck, der Gemeinde Leck. Mir kommt es darauf an, dass das, woher ich komme, weiterhin Leck ist, dass das so bleiben kann. Das halte ich für sehr wichtig. Ich gebe dem Kollegen Schlie Recht, der gesagt hat, dass die Identitätsstiftung in dem Ort liegt, woher man kommt. Gerade die aber wird durch unseren Vorschlag nicht zerstört.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag erteile ich der Frau Abgeordneten Monika Heinold.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Hinrichsen, als Kind vom Lande unterstütze ich es ausdrücklich - das will ich für meine Fraktion ausdrücklich noch einmal sagen -, dass die Identität der Dörfer erhalten bleiben muss und dass es für die Dörfer eine klare Aufgabenzuweisung geben muss, sodass vor Ort demokratisch entschieden werden kann.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wenn wir uns den Beitrag des geschätzten Kollegen Schlie in Erinnerung rufen, dann fragen wir uns, was die CDU denn eigentlich will. Viereinhalb Minuten lang haben Sie uns in Ihrem Redebeitrag verprügelt und gesagt, es sei alles falsch. Dann haben Sie in zwei Sätzen gesagt, dass unser Antrag im Prinzip richtig sei, weil Sie es auch für richtig halten, dass erste Schritte zur freiwilligen Zusammenarbeit gemacht werden.

Wir beantragen, dass über unseren Antrag in der Sache abgestimmt wird, und sind gespannt darauf, ob die CDU den Antrag ablehnt, was ein bisschen absurd wäre. Wir gehen davon aus, dass der Antrag des SSW an den Ausschuss überwiesen wird, weil die darin enthaltenen Forderungen sehr viel weiter gehen.

Wenn ich mich noch einmal mit der CDU beschäftigen darf, so frage ich mich zum einen, wie die CDU es fertig bringt, bei diesem Thema mit keinem Wort zu erwähnen, was der Landesrechnungshof sagt. Ich erinnere mich an letzten Freitag, als der Rechnungshof das Land und uns alle aufgefordert hat, sparsamer zu wirtschaften. Da haben Sie „Hurra“ geschrien. Heute aber sitzen Sie wieder unter dem Tisch und tun so, als hätten Sie das grüne Buch gar nicht gelesen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann möchte ich noch einmal auf das durchaus interessante Papier der CDU „Arbeit für alle - Chancen für alle - Was Schleswig-Holstein Luft verschafft“ hinweisen. Was steht denn darin? Darin steht, dass es bei der Verwaltungsmodernisierung keine Tabubereiche geben darf. Die Bereiche Landespolizei, Justiz, Bildung und der allgemeine Verwaltungsbereich sind dabei ebenso zu modernisieren wie die kommunalen Verwaltungsstrukturen. Es darf auch keine Tabubereiche bei der Modernisierung kommunaler Verwaltungsstrukturen geben. Sie stellen sich hier hin und versuchen mühsam zu begründen, dass unser Vorschlag eine Gebietsreform und somit Teufelswerk sei; Ihr Modell sei aber eine -Verwaltungsstrukturreform und das sei der Weg nach vorn. Ich sage Ihnen, dass das eine verlogene Debatte ist, die uns nicht weiterbringt. Ich garantiere Ihnen: Diejenigen, die dieses Land im nächsten Jahr regieren werden - wer auch immer das ist -, werden dazu beitragen, dass es per Gesetz Veränderungen bei den kommunalen Verwaltungsstrukturen geben wird; denn es muss sie geben.

Ich schließe mit dem, was der uns allen bekannte ehemalige CDU-Landtagsabgeordnete Max Stich

(Monika Heinold)

gesagt hat - ich zitiere aus der „sh:z“ vom Januar 2004 -:

„Ich mache mir Sorgen und dafür gibt es zwei gewichtige Gründe: Meine Partei, die CDU, sagt nichts dazu, wohin sie das Land nach einem Wahlsieg steuern will. Ich höre nichts Grundsätzliches von der CDU, nichts Überzeugendes, nichts Innovatives.“

Ich schließe mich diesen Ausführungen von Herrn Stich an.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD - Günter Neuge- bauer [SPD]: Wo Max Stich Recht hat, hat er Recht!)

Es liegen drei weitere Wortmeldungen für Kurzbeiträge nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung vor. Zunächst Herr Kollege Klaus Schlie!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hin und wieder wäre ich ganz froh, Herr Kollege Hentschel, wenn die Hose rutschen würde. Aber daran arbeite ich noch.

(Heiterkeit und Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Entscheidende bei diesem Thema ist, dass wir wirklich ernsthaft - das finde ich schon, Herr Minister - nicht nur über die möglichen Konsequenzen aus dem Bericht des Landesrechnungshofs, über den wir übrigens noch nicht diskutiert haben - das sollten wir vielleicht auch einmal tun, um zu gucken, welche Konsequenzen wir daraus ziehen wollen -, sondern auch über die Verwaltungsstrukturen, und zwar auch die kommunalen, reden müssen. Aber der Schlüssel - das haben wir mehrmals miteinander besprochen; der Kollege Hildebrand hat es noch einmal gesagt - zu allem ist erst einmal die Aufgabendefinition. Das ist zunächst die Frage, welche Aufgaben öffentlich zu erfüllen wir uns überhaupt noch leisten können. Wenn wir das geklärt haben und der entsprechenden Ebene zugewiesen haben und wenn wir den Bürgerinnen und Bürgern gesagt haben, welche Aufgaben wir aufgrund der Finanzsituation, in der wir uns befinden, nicht mehr erfüllen können, dann können wir darüber reden, wie die Strukturen tatsächlich ausgerichtet werden sollen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das ist doch der Weg, um den es hier geht. Das andere, was Sie machen, ist doch Humbug. Deswegen habe ich mich in dieser Form damit auseinander gesetzt.

Sie wissen genauso gut wie ich, Herr Innenminister, dass wir vom Prinzip her die gleichen Gedanken hinsichtlich der Struktur im Kopf haben. Sie wissen genauso gut wie ich - Herr Kollege Puls weiß es auch -, dass es in den verbleibenden neun Monaten überhaupt nicht mehr möglich ist, in irgendeiner Form etwas auf den Weg zu bringen, wodurch Strukturen so verändert werden, dass hinsichtlich Effizienz, Kosteneinsparung und weiterer Bürgernähe etwas erreicht wird. Die Instrumentarien stehen doch zur Verfügung. Das haben Sie mir gegenüber bei Podiumsdiskussionen mehrmals öffentlich zugegeben. Sie müssen nur eingesetzt werden.

Veränderungen lassen sich aber nicht dadurch erreichen, dass Sie den Kommunen 100.000 € Einmalzahlung aus den eigenen Töpfen, nämlich aus dem kommunalen Finanzausgleich, zur Verfügung stellen und sagen: Das ist es. - Nein, wir brauchen ein anderes System. Wir brauchen ein System, das die Kommunen langfristig dazu bewegt, und zwar auf freiwilliger Basis, die Verwaltungsstrukturen zu ändern. Dazu gibt es schon jetzt durch das Gesetz über kommunale Zusammenarbeit, die Gemeindeordnung und die Kreisordnung vielfältige Möglichkeiten.

Dann muss im Wettbewerb aufgrund bestimmter Kennzahlen verglichen werden, wer die effizientesten Verwaltungsstrukturen geschaffen hat; es muss ein Rankingsystem geschaffen werden. Diejenigen, die solche Strukturen kostengünstig, effizient und bürgernah geschaffen haben, müssen langfristig dafür belohnt werden - beispielsweise durch eine Sonderzuweisung im Rahmen des Finanzausgleichs -, statt - wie bisher - diejenigen zu belohnen, die die kompliziertesten und teuersten Strukturen haben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich befinde mich übrigens in guter Gesellschaft: Die Argumentation des Städteverbandes SchleswigHolstein liegt genau auf dieser Linie. Ich denke, an dieser Stelle kann man ernsthaft weiterarbeiten. Es bringt nichts, in einer Art Schnellschuss einen Beratungserlass herauszugeben und zu sagen: Jetzt wollen wir einmal sehen, dass wir die Dinge voranbringen.

In den verbleibenden neun Monaten werden Sie gar nichts mehr voranbringen. Wir werden danach gemeinsam mit den Kommunen ein klares Konzept auf der Grundlage dessen erarbeiten, was ich hier dargestellt habe, nämlich dass sich tatsächlich etwas verändert und bewegt, allerdings ausschließlich im Rahmen

(Klaus Schlie)

der Verwaltungsstrukturen. Da unterscheiden wir uns eben sehr grundlegend. Dankenswerterweise sagt der SSW das sehr klar. Sie, die Grünen, sagen das sehr verklausuliert. Es gibt überhaupt keine Notwendigkeit

(Glocke des Präsidenten)

- ich komme zum Ende, Herr Präsident -, über die politischen Strukturen zu sprechen. Das ist die Zerstörung der Ehrenamtlichkeit, Herr Kollege Hentschel.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben es nur nicht begriffen. Es ist völliger Unsinn, einen Amtsbürgermeister installieren zu wollen. Das alles ist aber auch kompliziert. Sie müssen das nicht alles verstehen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Heinz Maurus.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Klaus Schlie ist auf die Vorstellungen der Union eingegangen. Ich habe gesehen - darüber freue ich mich auch -, dass Sie, verehrte Frau Kollegin Heinold, unsere Broschüre in der Hand haben, in der wir uns mit den Eckpunkten einer effizienten Verwaltungsstrukturreform auseinander setzen. Herr Minister, ich stelle sie Ihnen nach meinem Redebeitrag zur Kenntnisnahme zur Verfügung.

Ich hatte von dieser Debatte etwas mehr erwartet.

(Zurufe von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was herausgekommen ist, ist nichts anderes als ein Feuerwerk der Ideen, das zu einem bunten Himmel geführt hat, aber keine klare Linie aufweist. Sehe ich mir Ihren Antrag Drucksache 15/3382 an, frage ich mich am Schluss nur: Was wollen Sie eigentlich?

Der Innenminister und die Ministerpräsidentin nehmen auf Ihrer Pressekonferenz zur interkommunalen Zusammenarbeit Vorschläge des Schleswig-Holsteinischen Gemeindetages oder - besser gesagt - des Verbandes der Leitenden Verwaltungsbeamten auf. Analysiert man dieses Modell, kommt man sehr schnell zu dem Schluss, dass hier der Einstieg in die Samtgemeinden, wie wir sie in Niedersachsen bereits finden, vorbereitet wird. Der Kollege Hentschel schaut etwas weiter südlich und kommt zu dem Modell der Amtsgemeinde mit der Ortsgemeinde.

Ich frage Sie: Wo finden Sie die Unterschiede zu unserer derzeitigen schleswig-holsteinischen Kommunalverfassung? Da haben Sie die Gemeinden mit den Ortsbeiräten. Ich war zehn Jahre lang Bürgermeister in einer solchen Gemeinde mit fünf Ortsteilen, die früher auch einmal selbstständig gewesen sind und in denen wir funktionsfähige Ortsbeiräte haben. Die Frage ist immer nur, wie man sie einbindet. Ich habe nicht ganz verstanden, in welche Richtung Sie dort eigentlich marschieren wollen.

Wie Sie die Schulverbandsvorsteher bei den Ämtern unterbringen wollen, müssen Sie mir noch einmal erklären. Nach dem Gesetz ist die Gemeinde Schulträger. Selbst wenn Sie unterschiedliche Gemeinden haben, bleibt jede Gemeinde Schulträger, es sei denn, Sie haben Gymnasien oder Realschulen und mehrere Gemeinden außerhalb des Amtes. Dann finden Sie einen Schulverband. Die Zweckverbandslösung, die Sie den Ämtern zuschreiben, finden Sie dort nicht.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wissen Sie, was mich gefreut hätte? - Mich hätte gefreut, wenn die Regierungsfraktionen hier im Haus schlichtweg dazu gekommen wären, uns einen sehr klaren Vorschlag zu unterbreiten, zu sagen: Das haben wir vor, dort wollen wir hin, die Gesetzesvorlage wird nach dieser Grunddiskussion erarbeitet und darüber stimmen wir ab. Bisher liegt uns ein Sammelsurium unterschiedlicher Ideen vor, die uns hier nicht weiterbringen.

(Beifall bei CDU und FDP)