Größere kommunale Einheiten sichern mehr Einfluss für die Bürgerinnen und Bürger. Deshalb will der SSW, dass die bestehenden Ämter in Gemeinden zu überführen sind. Die Umwandlung von amtsangehörigen Gemeinden zu einer „Großgemeinde“ ist organisationstechnisch relativ unproblematisch: Die bisherige Verwaltungsstruktur muss lediglich in eine Gemeindeverwaltung umstrukturiert werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der heutigen Amtsverwaltung nehmen nämlich schon heute die Aufgaben der Gemeindeverwaltung wahr.
Darüber hinaus fordern wir eine Mindestgröße von 8.000 Einwohnern je Gemeinde, da erst eine Kommunalverwaltung ab dieser Größenordnung den Bürgern kompetent und effektiv Hilfe, Service und Beratung gewähren kann. Diese Kommunalverwaltung wäre bürgernah, da sie nicht immer auf Dritte verweisen muss. Sie kann Aufgaben wahrnehmen, die schon zum Teil auf die Kreise verlagert worden sind. Bei künftigen Verlagerungen des Landes auf die kommunale Ebene wären dann alle Gemeinden in der Lage, diese Aufgaben wahrzunehmen.
Dazu muss die Landesregierung die Leitlinien der Gebiets- und Verwaltungsreform auf Gemeindeebene vom 10. Juli 1973 ändern.
Bei einer Umsetzung unserer Vorschläge würde die Zahl der Gemeinden in Schleswig-Holstein von circa 1.130 auf circa 180 sinken. Trotzdem müssen die Menschen nicht befürchten, dass sie ihre örtliche Identität und lieb gewordene Heimat verlieren. Die alten Gemeinden sollen die Option bekommen, zu Dorfschaften zu werden. Das Modell der Dorfschaft gibt es bereits seit 1945 im Kreis Eutin mit durchweg positiven Erfahrungen. In den einzelnen bisherigen Gemeinden werden jeweils Dorfvorstände gebildet und direkt durch die alte Gemeinde gewählt - im Gegensatz zum Ortsbeirat, der durch eine Gemeindevertretung gewählt wird. Diese haben auch das Recht, sich mit allen Selbstverwaltungsangelegenheiten zu beschäftigen. Das Entscheidungsrecht verbleibt jedoch bei der Gemeindevertretung. Mit diesem Modell, mit dem auch die bisherigen Gemeinden ihren Namen behalten können, kann man die lokale Identität bewahren.
Auch der SSW setzt zunächst auf Freiwilligkeit und „Hochzeitsprämien“ für Zusammenschlüsse von Kommunen. Wir meinen allerdings, dass die neue Kommunalstruktur schon bei den Kommunalwahlen 2008 in Kraft treten muss,
weil die Zeit für notwendige Veränderungen uns sonst davonläuft. Daher sollten die finanziellen Anreize degressiv gestaltet und nur bis Ende 2007 gezahlt werden. Gleichzeitig muss klar sein, dass der Landtag gegebenenfalls bis 2008 eine entsprechende Gemeindegebietsreform für diejenigen Kommunen durchführen wird, die sich nicht selbst zusammenschließen können oder wollen. Es geht eben nicht nur mit Zuckerbrot. Die Erfahrung lehrt uns, dass wir leider auch die Peitsche gebrauchen müssen.
Ich möchte ganz kurz noch auf das eingehen, was die Kollegen gesagt haben. Der Kollege Puls sprach davon, die Ämter nicht zerschlagen zu wollen. Ich darf auf Folgendes hinweisen: Im Jahr 1979 hat es bereits - -
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Schlie, man kann alles ins Lächerliche ziehen, wenn man das will, aber das hilft nicht, einen Prozess zu beschleunigen und es zeigt vor allen Dingen auch nicht, was man selber machen möchte.
Herr Schlie, ich erinnere mich noch sehr gut - das war im Herbst 2002 -: Ich hatte im August 2002 in einem winzigen dpa-Interview angemahnt, dass wir andere Verwaltungsstrukturen brauchen, als Sie mir im Landtag zuriefen: Herr Minister, lassen sie die Hände
Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, über neue Verwaltungsstrukturen im kommunalen Bereich nachzudenken. Ich möchte sie nicht alle aufführen, aber ein Grund ist natürlich auch der Bericht des Landesrechnungshofs. Ich denke, wir alle, die wir Verantwortung auf Landes- und kommunaler Ebene tragen, sind aufgerufen, mit Steuergeldern so sorgsam wie irgend möglich umzugehen.
Von daher ist es an der Zeit, über Verwaltungsstrukturen zu diskutieren und nachzudenken. Ich halte den Prozess, der angestoßen worden ist, für völlig in Ordnung.
Ich möchte hier gern eines noch einmal sagen - ich glaube, das habe ich schon einmal gesagt -: Wenn ich eines in meinem politischen Leben gelernt habe, ist es das, dass ich bei einer Veränderung solcher gewachsenen Strukturen - dass hat Herr Hentschel besonders betont -, wenn ich die Menschen auf diesem Weg mitnehmen möchte, sehr behutsam vorgehen muss, Herr Schlie. Sie kritisieren gerade die Behutsamkeit. Das verstehe ich nicht.
Das Innenministerium hat neue Handlungsempfehlungen zu den kommunalen Verwaltungsstrukturen in Schleswig-Holstein erarbeitet. Die Ministerpräsidentin hat sie vor kurzem vorgestellt. Herr Puls hat darüber gesprochen. Sie sind den kommunalen Landesverbänden jetzt im Rahmen der Anhörung zugeleitet worden. Der Landesrechnungshof erhält ebenfalls Gelegenheit zur Stellungsnahme. Das halte ich für wichtig, denn der Landesrechnungshof hat mit seinem Bericht ja den Anstoß dazu gegeben, unsere Leitlinien den heutigen Gegebenheiten anzupassen.
In dem Entwurf der Leitlinien wird als anzustrebende Größe für die Ämter die Zahl 8.000 Einwohnerinnen und Einwohner genannt, wobei als optimale Größe die Zahl 9.000 Einwohnerinnen und Einwohner gilt. Auch damit folgen wir dem Gutachten des Landesrechnungshofs. Für amtsfreie Gemeinden sehen wir eine zukunftsfähige Verwaltungseinheit ab einer Größe von 5.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Hierbei berücksichtigen wir die historisch gewachsene
örtliche Struktur. Die Gemeindeordnung sieht derzeit noch eine Mindestgröße von 2.000 Einwohnerinnen und Einwohnern für die Hauptamtlichkeit von Gemeinden vor.
Im Vorfeld hat es hierzu Kritik gegeben. Wir werden abwarten, wie sich die kommunalen Landesverbände dazu im Rahmen der Anhörung positionieren werden. Herr Hildebrand, ich bin gern bereit, Ihrer Anregung zu folgen und den Entwurf den Fraktionen zur Verfügung zu stellen.
Vorrangig werden in den Handlungsempfehlungen unter den Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit die Orte betrachtet, in denen ein Amt mit einer eigenen Verwaltung seinen Sitz in einer dem Amt nicht angehörigen hauptamtlich verwalteten Stadt beziehungsweise Gemeinde hat, also zwei selbstständige Kommunalverwaltungen nebeneinander bestehen.
Bei den so genannten Kragenverwaltungen wird besonders deutlich, dass erheblich größere kommunale Verwaltungen entstehen können, ohne auf eine bürgernahe Verwaltung zu verzichten.
Die berechtigten Belange der kleinen Gemeinden müssen hier natürlich vertraglich abgesichert werden.
Die Landesregierung fordert und unterstützt interkommunale Zusammenarbeitsformen, insbesondere Verwaltungszusammenlegungen durch intensive Beratung. Das haben wir immer schon getan und werden es natürlich auch in Zukunft tun.
Wir haben zwischenzeitlich die Richtlinien zum kommunalen Bedarfsfonds insoweit ergänzt. Danach ist die Gewährung einer einmaligen Sonderbedarfszuweisung in Höhe von 100.000 € je wegfallender Verwaltung zur pauschalen Abdeckung von Aufwand für die Verwaltungszusammenlegung möglich, wenn zwei oder mehrere Verwaltungen von Gemeinden und Ämtern oder von Ämtern und Gemeinden zusammengelegt werden. Die Förderung gilt zunächst für Verwaltungszusammenschlüsse, über die bis zum 31. Dezember 2006 entschieden wird und die bis zum 30. Juni 2008 in Kraft treten.
Weiter hat die Landesregierung in der letzten Woche entschieden, dass noch in diesem Haushaltsjahr insgesamt weitere 100.000 € für die finanzielle Förderung von Kommunen bereitgestellt werden. Damit sollen die Kommunen finanziell unterstützt werden, die im Rahmen einer engen Zusammenarbeit ihre ITInfrastruktur vereinheitlichen. Sollte für das Haushaltsjahr 2005 ein Nachtragshaushalt erforderlich
werden, werden weitere Fördermittel eingeworben, und zwar Barmittel in Höhe von 1 Million €, und für die Jahre 2006 bis 2009 Verpflichtungsermächtigungen in gleicher Höhe eingestellt. So können kommunale Investitionen und kommunale Zusammenschlüsse noch wirksamer als bisher gefördert werden.
Der Prozess der kommunalen Verwaltungsstrukturen wird auch gesetzgeberisch begleitet werden. Wir werden die Weichen stellen, um Vorschläge des Schleswig-Holsteinischen Gemeindetages aufzugreifen, mit der die Hauptamtlichkeit größerer Ämter ermöglicht wird. Wir wollen neue Formen kommunaler Zusammenarbeit dadurch ermöglichen, dass wir im Gesetz über kommunale Zusammenarbeit eine Experimentierklausel einfügen. Bei dieser Lösung könnten zunächst Erfahrungen gesammelt werden, ob im Einzelfall Änderungsbedarf für das Gesetz über kommunale Zusammenarbeit besteht. Die geltenden Instrumentarien des Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit bilden auch heute schon die Grundlage für die vielfältigen Kooperationen im kommunalen Bereich. Aus meiner Sicht werden diese Instrumentarien bislang jedoch nur unzureichend ausgeschöpft.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wäre Ihnen allen sehr verbunden, wenn wir gemeinsam diesen schwierigen Prozess, die gewachsenen Strukturen ein Stück zu verändern, in großer Sachlichkeit begleiten könnten.
Mir liegen zwei Wortmeldungen zu Kurzbeiträgen nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung vor. Die erste Meldung ist von Frau Abgeordneter Silke Hinrichsen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte ganz kurz noch zu den Bemerkungen der Kolleginnen und Kollegen zu unserem Antrag Stellung nehmen.
Herr Kollege Puls, ich möchte noch einmal auf eine Sache hinweisen. Im Jahre 1979 haben Abgeordnete des Schleswig-Holsteinischen Landtages gegen die heutige Ämterordnung geklagt, und zwar deshalb, weil sie gesagt haben, es fehle die direkt gewählte Gemeindevertretung an der Seite des Amtes.
Ich habe einmal nachgeguckt - ich weiß nicht, ob meine Vermutung richtig ist - und einige Namen kamen mir sehr bekannt vor, sie schienen mir möglicherweise Ihrer Fraktion angehört zu haben. Diese Klage ist damals gescheitert, weil ausdrücklich festgestellt worden ist, dass die Ämter nur die Schreibstuben für die Gemeinden sein sollen. Wenn man heute aber gerade den Landesrechnungshofbericht liest, ergibt sich daraus das Gegenteil.
Der Landesrechnungshof hat unter anderem festgestellt, dass es zum einen Aufgaben gibt, die die Ämter selbst wahrnehmen, zum anderen aber die Ämter sogar auch Aufgaben wahrnehmen, die ihnen nie übertragen worden sind. Darauf möchte ich gern noch hinweisen. Die Frage ist also, wie heute das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden würde, ob die Ämter ein selbstständiger Gemeindeverband sind und auch eine Vertretung haben müssen, die direkt gewählt wird. Genau das sehen wir als Problem an.
Wir möchten gern weiterhin an der Seite einer derartigen Verwaltung auch für einen größeren Bereich eine direkt gewählte Vertretung haben.
Zum anderen möchte ich gern darauf hinweisen, dass unsere Modelle manchmal gar nicht so weit auseinander liegen. Ich weise darauf hin, dass ein Problem bei größeren Gemeinden häufig ist, dass es einen hauptamtlichen Bürgermeister gibt. Der Vorschlag des Herrn Buß war ja, ab - so glaube ich - 15.000 Einwohnern einen so genannten Amtsbürgermeister vorzusehen. Wir hätten da natürlich auch gern eine Gemeindevertretung. Im Hinblick darauf, dass man da einen so genannten Amtsbürgermeister mittelbar wählen lässt, frage ich mich, ob das noch geht.