Protocol of the Session on March 11, 2004

(Beifall bei CDU und FDP)

um Antworten auf Ihre Forderungen und Fragen zu erhalten? Was hat der Bund festgelegt und durchgesetzt? Ich kann nur sagen: Alles Fehlanzeige. Aber an einer Stelle hat Herr Möller Recht gehabt, er hat nämlich gesagt: „Allerdings hilft es hier auch nicht, in Panik zu verfallen.“ Aber genau dies wird mit Ihren Beiträgen forciert, nämlich die Bürger in Panik zu bringen.

Ich glaube, Herr Trittin startet hier nur den untauglichen Versuch, den schwarzen Peter wieder einmal den Ländern zuzuschieben, indem er fordert, die Länder sollten die Sicherheit ihrer Kernkraftwerke überprüfen. Solange ein Gesamtkonzept des Bundes fehlt, hat es doch nach Auffassung der Länder zu Recht keinen Sinn, in unkoordinierten Aktionismus zu verfallen. Für die Länder war und ist nicht erkennbar, warum eine Überprüfung durch sie erforderlich, rechtmäßig oder auch nur verhältnismäßig sein soll und warum sie eigentlich aktiv werden sollten. Zu Recht haben die Länder wiederholt ein Gesamtkonzept des Bundes gefordert. Nur, das liegt bis heute nicht vor. Wenn der Bundesumweltminister eine wirkliche Gefahr sähe, hätte er die Überprüfung anordnen müssen. Genau das hat er aber nicht getan, weil es eben keine konkreten Ansätze, keinen konkreten Anlass für die vereinbarten Sicherheitskonzepte gibt. Sie, Herr Malerius, kennen genau so gut wie ich die Absprachen mit dem Bundesumweltminister, mit dem Bundesverteidigungsminister, mit dem Bundesverkehrsminister und auch die betreibereigenen Konzepte. Deswegen finde ich es unverantwortlich, dass Sie hier so ein Szenario in die Öffentlichkeit bringen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Gleichzeitig macht Herr Trittin Gutachten zur Verschlusssache, die dann allerdings auf wundersame Weise durch den BUND an die Öffentlichkeit kommen. Mich erinnert das sehr an das Szenario, das wir bei FFH mit Herrn Müller erlebt haben.

(Zuruf von der SPD: Das ist Diffamierung!)

- Dann schauen Sie doch einmal ins Internet, da finden Sie die Mitteilung. Der Vergleich trifft völlig zu Recht zu. Jedenfalls wird hier die ganze Unverfrorenheit und Verantwortungslosigkeit des Umweltministers offensichtlich. Seit dem 11. September sind zweieinhalb Jahre vergangen. Herr Trittin hat es bis heute nicht geschafft, ein einheitliches Konzept vorzulegen. Also wie immer: in der Ideologie Spitze, bei sachlicher Politik Fehlanzeige.

(Beifall bei CDU und FDP)

Stattdessen - da komme ich auf Herrn König - schickt er seinen alten Kampfgenossen, den seit 1999 präsidierenden Leiter des Umweltamtes für Strahlenschutz, den früheren grünen Staatssekretär in Sachsen-Anhalt, seinen früheren Mitarbeiter aus Niedersachsen, Wolfram König, in den Ring, und es gibt zwar nichts Neues, aber die Seilschaften funktionieren, die Diskussion ist erneut losgetreten. Frei nach dem Motto: irgendetwas wird schon hängen bleiben, wird wieder einmal eine ideologische Sau durchs Dorf getrieben, und Herr Trittin treibt sein Spiel mit

(Martin Kayenburg)

der Angst der Bürger. Das ist unverantwortliche Panikmache, das finde ich billig und schäbig.

(Beifall bei der CDU)

Unbestritten ist aber, dass der Umweltminister die Gesamtverantwortung hat und nicht das Bundesamt für Strahlenschutz. Deswegen ist leicht zu durchschauen, was hier passiert. Ich behaupte, so ein Umweltminister ist selbst für die Grünen eine Schande.

Darüber hinaus sind die wiederholt vorgetragenen Mängel im Ausstiegsgesetz beschlossen worden. Es hat keinen Handlungsrahmen gegeben, es hat keine Anweisungen gegeben. Deswegen kann dieses Szenario so nicht stimmen, Herr Malerius. Wenn Sie in das Gutachten hineinschauen, dann wundere ich mich, dass Sie ausgerechnet Brunsbüttel in diese Kategorie nehmen, denn das Gutachten geht davon aus, dass die Flugzeuge senkrecht auf die Kernkraftwerke einwirken.

(Widerspruch des Abgeordneten Detlef Mat- thiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Senkrecht, Herr Matthiessen, steht da drin. Lesen Sie doch Ihre Unterlagen. Ich frage Sie: Wie soll ein Flugzeug gerade dieser Masse ein Kernkraftwerk, das eher rechtwinklig gebaut ist, senkrecht treffen, die Wände dort senkrecht treffen? Das ist schlechterdings nicht möglich, oder es kommt senkrecht im Sturzflug von oben. Da gibt es dann die zweite Annahme, dass es Probleme gibt, wenn Träger der Konstruktion in den Kühlwasserreaktor eintreten. Machen Sie doch nicht so ein Horrorszenario. Ich bin der Überzeugung, die Betreiber haben mit großer Verantwortung ihre Konzepte vorbereitet, haben die Szenarien mit den verantwortlichen Ministerien durchgespielt. Selbst - das tröstet vielleicht Herrn Nabel - die Windkraftanlagen um Brunsbüttel herum würden dazu beitragen, dass die Flieger eben nicht senkrecht auf die Wände aufschlagen können.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Matthiessen.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle fest, dass der Oppositionsführer sich soeben für einen vermehrten Ausbau der Windkraft ausgesprochen hat.

(Martin Kayenburg [CDU]: Aber nur um Kernkraftwerke!)

- Ja, um Kernkraftwerke.

Herr Kayenburg, wir haben uns mit dieser Frage auch sehr intensiv beschäftigt: Ist es überhaupt technisch möglich, ein Kernkraftwerk so anzufliegen, dass diese mechanischen Lasten auszulösen sind? Glücklicherweise haben wir einen Starfighter-Piloten in unserer Landesarbeitsgemeinschaft Energie, der dort sehr interessante Ausführungen gemacht hat. Nichts desto weniger ist es fliegerisch sehr schwer, es ist aber nicht unmöglich, und der Aspekt der thermischen Lasten, die solch ein Flugzeug mit sich bringt - es hätte ja von Fuhlsbüttel einen kurzen Weg - ist damit noch nicht abgearbeitet. Das heißt, wir hätten vielleicht nicht unbedingt eine Durchdringung, aber zumindest eine Beschädigung. Dann würden auch die thermischen Lasten wirken und zum Zerbrechen des Druckbehälters führen.

Meine Damen und Herren, kein Atomkraftwerk in Deutschland ist auf terroristische Attacken ausgelegt. Kein AKW ist auch auf militärische Angriffe ausgelegt. Dies ist ein Risiko der Atomkraft von Anfang an und von der Antiatombewegung auch von Anfang an kritisiert worden.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Meine Damen und Herren, zwar hat man Sicherheitsüberlegungen hinsichtlich so genannter Binnentäter angestellt und auch gegen Täter von außen, die sich im Auto oder zu Fuß annähern beziehungsweise eindringen wollen, aber seit dem Anschlag vom 11. September in New York gibt es eine neue Dimension der Gefährdung kerntechnischer Anlagen und diese ist nicht nur technischer Art. Wir müssen also insbesondere die technische Wappnung unserer AKWs gegen solche Eingriffe diskutieren.

Während Flugzeugeinwirkungen als Unfallereignis von 10 t für Starfighter oder von 20 t bei einer Phantom als kompensierbar in der technischen Auslegung dargestellt werden mussten, um eine Genehmigung für ein AKW zu erhalten, galt die Gefährdung durch darüber hinausgehende Schadensereignisse als so genanntes Restrisiko. Und unter Restrisiko verstehen wir juristisch Ereignisse, deren Eintritt nicht vorhersehbar ist beziehungsweise die jenseits praktischer Vernunft liegen.

Die Bundesregierung ist in diesem gesamtstaatlichen Problem gefordert, auch bundesweit einheitliche Konzepte vorzulegen. Das ist aus unserer Sicht kritisch anzumerken und darin sind wir uns im Schleswig-Holsteinischen Landtag offenbar auch einig. Die Bundesregierung muss handeln. Die konkrete anla

(Detlef Matthiessen)

genspezifische Umsetzung wäre dann wieder Ländersache.

Wir brauchen in diesem Zusammenhang aber auch eine Weiterentwicklung des Atomgesetzes. Schleswig-Holstein hat dies bei der letzten, allerdings nicht zustimmungspflichtigen Novellierung im Bundesrat gefordert und sie ist nach wie vor erforderlich. Hierbei geht es um die Streichung des § 18 Abs. 3. Nachrüstungen sind vom Betreiber zu tragen. Schadensersatzpflicht besteht nach unserer Auffassung nicht. Eine Klarstellung im AtG wäre wünschenswert. Dies gilt genauso für die Forderung in § 1 nach dem jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik, der einzuhalten wäre.

Nach dem 11. September sind Gefährdungsmöglichkeiten durch größere Flugzeuge nicht mehr jenseits praktischer Vernunft, sondern liegen leider im Bereich technischen Erfahrungswissens - wenn auch an einem anderen Objekt. Erstmals war ja auch eine große Gruppe von Tätern zu beobachten, die unter Außerachtlassung jeglicher menschlicher Maßstäbe und vor allen Dingen auch des eigenen Lebens Terror verübte. Von einem Restrisiko, das nicht weiter berücksichtigt werden muss, kann sowohl praktisch als auch juristisch nicht mehr die Rede sein.

Im Übrigen, meine Damen und Herren, sind der Fantasie, Terror auszuüben, keine Grenzen gesetzt. Und dieses Ereignis in New York war ein Ereignis, das man sich bis dato hätte nicht vorstellen können.

Konsequent wäre es, wenn die Sicherheit nicht gewährleistet werden kann, alle Atomkraftwerke so schnell wie möglich abzuschalten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Risikoanfälligkeit gilt natürlich auch für eine Brotfabrik oder eine Raffinerie. Die Schadensfolgen aber sind bei Atomkraftwerken katastrophal und das ist der gravierende Unterschied.

Während in Frankreich kurzzeitig sogar darüber nachgedacht wurde, Flugabwehreinheiten auf den AKWs zu positionieren, wurde in Deutschland folgerichtig eine Untersuchung zur Abschätzung der Gefährdungspotenziale durchgeführt. Im Ergebnis dieser Bewertung wurde nach meinem Wissen eine Tauglichkeit gegen solche Terrorangriffe bei allen AKWs infrage gestellt, jedoch ergeben sich bei der Schadensanfälligkeit gravierende Unterschiede. Daher konzentrieren sich unsere Beobachtungen auch auf das Kernkraftwerk in Brunsbüttel.

Meine Damen und Herren, ich habe von der Opposition nur Kritik, aber keine Positionierung in dieser Frage hören können.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Eine eindeutige!)

Ich denke, das ist eine billige Art, hier Politik zu machen. Wir sagen, wir brauchen a) einen Untersuchungsbericht und b) Maßnahmen. Nach meinem Dafürhalten ist es richtig, was Herr König vorgeschlagen hat: Wir müssen die Atomkraftwerke mit dem höchsten Gefährdungspotenzial vorzeitig abschalten. - Danke schön.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu allererst möchte ich darauf aufmerksam machen, dass wir unseren Ursprungsantrag zugunsten unseres gemeinsamen Antrags mit Rot-Grün formell zurückziehen. Das hat sich sicherlich jeder gedacht, aber ich mache es noch einmal formell.

Der terroristische Anschlag vom 11. September 2001 in New York hat uns nochmals die Augen für das Gefahrenpotenzial, das von Kernkraftwerken ausgeht, geöffnet. Er hat uns auch deutlich gemacht, dass einige unserer Atomkraftwerke veraltete Sicherheitskriterien aufweisen. Auf diese Tatsache hat zuletzt - und daher haben wir heute diese Debatte - der Präsident des Strahlenschutzamtes, Wolfram König, aufmerksam gemacht.

Der Bericht der Landesregierung macht deutlich, dass die schleswig-holsteinischen AKW auf der Basis von Genehmigungsentscheidungen aus den 70er- und 80er-Jahren betrieben werden. Diese Genehmigungsentscheidungen reichen also in eine Zeit zurück, als terroristische Angriffe mit Passagierflugzeugen noch völlig undenkbar erschienen.

Die Landesregierung hat unmittelbar nach dem 11. September eine erste Überprüfung der atomrechtlichen Genehmigungen und des darin festgelegten Schutzniveaus eingeleitet. Dass hier schnell gehandelt wurde, war der Situation angemessen. Hier ist die Landesregierung ihrer Verantwortung nachgekommen.

Die Überprüfung hat im Prinzip auch das ergeben, was Herr König erklärt hat, dass Brunsbüttel nämlich gegen einen Terrorangriff mit Passagierflugzeugen nicht geschützt ist. Wissenschaft und Technik waren während der Errichtungsphase des AKW Brunsbüttel nicht in der Lage, die notwendige Vorsorge im Falle eines Flugzeugabsturzes zu treffen.

(Lars Harms)

Und es klingt wie Hohn, dass dem Bericht zu entnehmen ist, dass die Betreiber der schleswigholsteinischen AKW nach ihren ersten Analysen zwar feststellen, dass schwere Personen- und Sachschäden in der Anlage nicht ausgeschlossen werden können, dass sie gleichzeitig aber auf die Schwierigkeit hinweisen, wie schwer es sei, einen Reaktor mit einem Passagierflugzeug mit hoher Geschwindigkeit zu treffen. Ich frage mich: Haben die Betreiber die Bilder aus New York nicht gesehen?

Was nun unsere angeblich sicheren AKW Krümmel und Brokdorf angeht, macht der Bericht deutlich, dass sie gegen einen Aufprall so gut geschützt seien, dass ein Durchstanzen der Reaktorgebäude nach gegenwärtiger Einschätzung nicht zu erwarten sei, da beide Anlagen über einen so genannten Vollschutz gegen Aufprall verfügen. Für ein Spektrum von möglichen Flugzeugtypen und Anfluggeschwindigkeiten sei deshalb zu erwarten, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Freisetzung von Radioaktivität aufgrund eines Flugzeugabsturzes sehr niedrig sei. - Sie hören schon die vielen Konjunktive.

Diese Erkenntnis mag zwar sehr beruhigend wirken, aber letztendlich gewähren die Betreiber für diese beiden AKW auch keine 100-prozentige Sicherheit.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)