Bevor ich Herrn Lars Harms für den SSW das Wort gebe, darf ich ein gemeinsames Verständnis darüber herstellen, dass Werturteile von Politikern anderer Parteien nicht mit medizinischen Krankheitsbildern verbunden werden. - Ich bitte Herrn Lars Harms vom SSW um das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wieder einmal fordert die CDU die „brutalst mögliche“ Aussetzung der Ökosteuer. Was sie allerdings wieder eindeutig verwechselt, ist die Ursache für die hohen Benzinpreise. Es ist nicht die Ökosteuer, die die Preise für Benzin und Diesel so in die Höhe schießen lässt, sondern vielmehr der allgemein hohe Ölpreis und die Talfahrt des Euro.
Nun stellt sich die Frage, woran knüpft sich meine scharfe Erkenntnis? Folgendes ist Fakt: Wenn in Norwegen Raffinerien blockiert werden, in England demonstriert wird, in Belgien für billigeres Benzin gestreikt wird, ja selbst in Israel gegen den hohen Spritpreis protestiert wird, können nicht die deutsche Öko
Gleichzeitig zeigen diese Beispiele auch, dass deutsche Betriebe erst einmal nicht allein durch die hohen Preise auf dem europäischen Markt benachteiligt sind. Vielmehr ist es erst durch die Zugeständnisse beispielsweise der französischen Regierung an bestimmte Wirtschaftszweige zu einem Ungleichgewicht gekommen, die jetzt mit dazu beitragen, dass die Diskussion über die Ökosteuer diese Schärfe bekommen hat. Daher hätte es mich eher erfreut, wenn die CDU mit einem konstruktiven Vorschlag gekommen wäre, der darauf abzielt, die Bundesregierung aufzufordern, auf EU-Ebene dafür Sorge zu tragen, dass diese Bevorzugung und Besserstellung französischer Unternehmen unterbunden wird. Einen solchen Antrag von Ihnen hätten wir ohne weiteres mittragen können. Aber der liegt ja jetzt trotzdem vor und wir begrüßen das ausdrücklich.
Ich möchte davor warnen, dem Irrtum zu erliegen und zu glauben, dass ein Verzicht auf die Ökosteuer direkt an die Verbraucher weitergegeben würde. Dies mag im ersten Moment den Anschein haben, jedoch ist davon auszugehen, dass das Preisvakuum höchstwahrscheinlich sofort von den Ölförderstaaten ausgefüllt werden würde.
Das soll heißen, dass der Preis schnell in gleichem Maße steigen und somit die Taschen anderer füllen würde. Das kann nicht unser Ziel sein. Wir werden kurz- und mittelfristig umdenken und uns verstärkt nach anderen Energiequellen umsehen sowie stärker Niedrigverbrauchfahrzeuge nutzen müssen.
Nur so wird es künftig möglich sein, uns aus dem Schwitzkasten der erdölexportierenden Länder zu befreien und ihrer Allmacht zu trotzen.
Wir müssen lernen und erkennen, dass der hohe Benzinpreis auch als Chance zur Weiterentwicklung anderer Techniken dienen kann, die uns endgültig von den Zwängen des Ölmarktes befreien.
Ich meine, wir sollten hier ansetzen und die Forschung auf dem Energiesektor und dem der Energieeinsparung weiter forcieren.
Wer in Protestaktionen fordert, die Ökosteuer zu senken, da sie Arbeitsplätze vernichte, der handelt meines Erachtens nicht verantwortungsbewusst, denn mit der Ökosteuer senken wir die Lohnnebenkosten, was maßgeblich nicht nur zur Rentensicherung, sondern auch zur Schaffung von Arbeitsplätzen beiträgt.
- Herr Kubicki, das ist eine Tatsache, die man nur allzu gern vergisst. Hierdurch werden Arbeitsplätze erhalten und geschaffen, weil Arbeitskraft nach langen Jahren endlich preiswerter geworden ist. Das ist eine F.D.P.-Forderung pur.
Wer sich also hinstellt und die Abschaffung der Ökosteuer fordert, der muss auch sagen, wie die Senkung der Lohnnebenkosten durchgeführt werden soll und wie die Renten finanziell abgesichert werden sollen. Alles andere ist unredlich.
Meine Damen und Herren von CDU und F.D.P., teilen Sie uns doch einmal mit, wem Sie in die Tasche greifen wollen. Oder sollen gar die heutigen Renten gesenkt werden, um diese fixe Idee zu finanzieren?
Leider ist von Ihnen nicht zu erwarten, dass Sie uns mitteilen, was Sie anstelle der Ökosteuer wollen. Das haben Sie nicht, als der damalige Umweltminister Töpfer die Ökosteuer forderte, und das taten Sie auch nicht, als die damalige Umweltministerin Merkel die Ökosteuer forderte. Da war die Ökosteuer für die CDU noch akzeptabel.
Ich bin mir sehr wohl im Klaren darüber, dass die Bevölkerung in einem Flächenland wie SchleswigHolstein angesichts der vielen Pendler, die wir in unserem Land haben, unter den hohen Benzinpreisen leidet. Daher hat der SSW auch in der Ökosteuerdebatte vor der Sommerpause gefordert, dass man die Kilometerpauschale für Pendler erhöhen solle. Das wird nun in
Form der Einführung einer generellen Entfernungspauschale von 80 Pf geschehen. Ich muss sagen, es ist gut, dass der Ruf des SSW bis nach Berlin gedrungen ist und dort auch hoffentlich weiter gehört wird.
(Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Martin Kayenburg [CDU]: Überschätzen Sie sich mal nicht!)
Es ist auch wichtig, dass die Heizkostenbeihilfe für Empfänger von Sozialhilfe geleistet wird. Diese beiden Maßnahmen greifen jedoch erst 2001, was eindeutig zu spät ist. Die erhöhten Kosten für die Betroffenen - die Pendler und die sozial Schwachen - fallen jetzt an und nicht erst im nächsten Jahr. Angesichts der enormen Summe, die durch den Verkauf der UMTSLizenzen in die Bundeskassen geflossen ist, ist es nicht nachvollziehbar, dass keine Soforthilfe möglich sein soll. Die Bundesregierung muss die Maßnahmen der Einführung einer Kilometerpauschale in Höhe von 80 Pf und die Gewährung eines Heizkostenzuschusses für sozial Schwache rückwirkend zum 1. Januar 2000 einführen. Wir verlangen allerdings auch, dass der Bund für die Heizkostenbeihilfe aufkommt und diese nicht auf die Kommunen und die Länder abgewälzt wird. Ich hoffe, dass auch dieser Ruf des SSW in Berlin gehört wird.
Der SSW wird den Antrag der CDU-Fraktion so nicht mittragen können und dem Antrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will kurz auf die mehrfache Darstellung des Kollegen Neugebauer eingehen. Er hat sich als ein ganz profunder Kenner unseres Wahlprogramms zur Bundestagswahl 1998 ausgewiesen. Herr Neugebauer, Sie haben gestern und heute mehrfach betont, dass wir als CDU 1998 dasselbe gefordert haben, was Ihre Bundesregierung nun gemacht hat. Sie bezeichnen unsere Politik deshalb als verlogen. Da Sie nun gleichzeitig auch noch behaupten, dass Sie das Wahlprogramm der CDU gelesen haben, kann ich nur sagen: Dann ist das gelogen, was Sie gesagt haben. Wir haben damals in
unserem Zukunftsprogramm beschlossen, dass wir das besteuern wollen, was hinten aus dem Auspuff oder dem Schornstein herauskommt, nämlich das, was die Umwelt tatsächlich belastet. Ich überreiche Ihnen nachher ein Exemplar zu Ihrer gefälligen Kenntnisnahme.
Wir wollen nicht das besteuern, was in den Tank reinkommt, weil das die Umwelt zunächst überhaupt nicht beeinflusst.
Kollege Neugebauer, unsere beiden Hauptziele heißen mehr Beschäftigung und weniger Umweltbelastung. So steht es schwarz auf weiß im Zukunftsprogramm der CDU von 1998. Es heißt weiter, dass diese Aufgabe allerdings nicht in einem nationalen Alleingang zu lösen ist. Wenn nur bei uns in Deutschland Energie teurer wird, die Unternehmen daraufhin nicht mehr konkurrenzfähig produzieren können und Arbeitsplätze in Nachbarländer verlagert werden, wo dasselbe unter für die Umwelt weniger günstigen Bedingungen produziert wird, dann ist nichts gewonnen - für die Arbeitsplätze nicht und für die Umwelt auch nicht. Wer Umwelt gegen Arbeitsplätze ausspielt, der hat verspielt, heißt es dort.
Nun nenne ich das, worauf Sie immer anspielen, wo Sie aber falsch liegen und die Unwahrheit sagen: Erstens. Es geht nur im europäischen Rahmen. Zweitens. Infrage kommt nur die europaweite Einführung eines erhöhten Mehrwertsteuersatzes für den Energieverbrauch oder die Einführung einer aufkommensund wettbewerbsneutral ausgestalteten CO2-Energiesteuer. Das war unser Vorschlag für eine Ökosteuer. Das war eine tatsächliche Ökosteuer, die den Namen verdient und nicht eine „Verbrauchserhöhungsteuer“.
Gestern und auch heute führen Sie immer wieder die Mineralölsteuererhöhung an, die wir von 1986 bis 1998 um etwa 50 Pf erhöht haben. Es gab da einen gewaltigen Unterschied. Wenn Sie die Preise, die Ihre Regierung Ende 1982 auf dem Benzinpreissektor hatte, mit den Benzinpreisen von Ende 1998, dem Ende
unserer Regierungszeit, vergleichen, dann waren sie - trotz der Mineralölsteuer - nicht höher. Das ist der gewaltige Unterschied. Herr Neugebauer, ich bitte Sie, ein bisschen bei der Wahrheit zu bleiben.
(Beifall bei CDU und F.D.P. - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich noch nicht verstanden!)
Ich darf darauf hinweisen, dass dies der erste Redebeitrag des Abgeordneten Wiegard war und die Glückwünsche des Präsidiums aussprechen. Ich gratuliere ihm ganz herzlich zu seiner Genesung.