Protocol of the Session on February 19, 2004

(Zurufe der Abgeordneten Dr. Henning Höppner [SPD] und Angelika Birk [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Nicht alles, was dazugekommen ist, stellt uns strategisch besser auf, als es bisher der Fall gewesen ist.

(Beifall der Abgeordneten Sylvia Eisenberg [CDU])

Ehrlicherweise sollten Sie auch zugeben, dass sich zwei Neuzugänge, die in der Tat sehr interessant sind, nämlich der Multi-Media-Campus in Kiel und die International School for New Media in Lübeck, sehr wohl in Schwierigkeiten befinden. Auch das muss man zur Kenntnis nehmen und die Schlussfolgerungen daraus ziehen. Insofern ist in der Hochschullandschaft in Schleswig-Holstein nicht alles Gold, was glänzt.

Ein Punkt, der in der Beantwortung der Großen Anfrage sehr zurückhaltend behandelt wird, ist die Zu

(Jost de Jager)

sammenarbeit mit Hamburg. Ich halte es für problematisch, dass diese Landesregierung es so wenig geschafft hat, auf dem Feld der Forschungs- und Hochschulpolitik eine substanzielle Zusammenarbeit mit Hamburg hinzubekommen. Ich glaube, dass wir es nur als eine gemeinsame Forschungsregion im Norden schaffen können, die Herausforderungen der Zukunft wirklich anzunehmen und zu bestehen. Die Zeiten, in denen kleine Bundesländer - gerade wenn sie so eng benachbart sind wie Hamburg und Schleswig-Holstein - vor sich hinwursteln können und am Ende dabei Zukunft herauskommt, sind vorbei. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir die Zusammenarbeit mit Hamburg im Bereich von Forschung und Hochschule intensivieren.

Wir wollen zum Beispiel, dass es eine institutionalisierte Abstimmung der Hochschulentwicklungsplanung gibt. Wir haben in Hamburg die Situation, dass es dort den Dohnanyi-Bericht gibt, der Aussagen über die Hochschulstrukturentwicklung in Hamburg macht. Wir haben hier über die Erichsen-Kommission beraten, die Aussagen über die Hochschulstrukturentwicklung in Schleswig-Holstein macht. Es ist eigentlich ein riesiger Fehler, dass es nie gelungen ist, diese beiden Handlungsstränge in den benachbarten Bundesländern zusammenzubekommen und zu einer abgestimmten Hochschulstrukturentwicklung in Hamburg und Schleswig-Holstein zu kommen. Das wäre dringend erforderlich gewesen!

(Beifall bei der CDU)

Wenn man über Forschungspolitik redet, redet man immer auch über Forschungsfinanzierung. Das ist zum einen die Finanzierung, die von den Ländern selbst zu leisten ist. Zum anderen ist das die Finanzierung, die in einer Mischaufgabe - einer gemeinsamen Aufgabe von Bund und Ländern - geleistet wird. Lassen Sie mich zunächst einmal etwas zur Länderfinanzierung sagen: Ich glaube auch das, was der Kollege Weber gesagt hat: Es ist uns in Teilen nicht ausreichend gelungen, auch private Mittel - also Drittmittel - zu binden, die im Raume stehen. Das hat etwas mit der Frage zu tun, ob wir die Forschungsförderung richtig machen.

Die Ministerin selber hat es angesprochen: Wir müssen Zentren wissenschaftlicher Exzellenz bilden. Wir müssen Cluster bilden, indem es uns gelingt, tatsächliche Spitzenforschung in Schleswig-Holstein - hier in der Region im Norden - anzusiedeln. Es ist meine feste Überzeugung, dass wir das mit der noch sehr versteinerten Form der Hochschulfinanzierung, wie wir sie in Schleswig-Holstein haben, nicht hinbekommen werden. Wir müssen Mittel und Wege finden, wie wir zu einer Konzentration der Mittel kom

men, um diejenigen Bereiche besser mit Landesmitteln auszustatten, die tatsächlich drittmittelfähig und spitzenforschungsfähig sind. Das bedeutet, dass wir größere Teile der Hochschulfinanzierung nach Leistungsbezogenheit und Wettbewerbsbezogenheit vergeben müssen.

Deshalb haben wir vorgeschlagen, dass man künftig schrittweise den Anteil, der nach Wettbewerbsgesichtspunkten vergeben wird, von derzeit 5 Millionen € im Innovationsfonds auf 5 % der Landesmittel insgesamt ausweitet, um damit eine Konzentration der Mittel hinzubekommen, die uns zukunftsfähig macht. Ich will gar nicht leugnen, dass das einen großen Finanz- und Kostendruck für die Hochschulen beinhaltet. Ich glaube, es wird ein schwieriger Weg werden. Ich glaube aber auch, dass er alternativlos ist. Jeder, der das nicht möchte, muss heute erklären, wie er die Forschungs- und Hochschulfinanzierung in Schleswig-Holstein auf neue Beine stellen will.

Ich glaube, wir haben deutliche Defizite in den Modernisierungsbemühungen der Hochschulfinanzierung. Es ist so, dass diese Landesregierung seit 1995 davon redet, eine Leistungsbezogenheit der Mittelvergabe einzuführen. Das hat sie bisher aber noch nicht geschafft. Wir haben im Dezember vergangenen Jahres die Einführung eines Innovationsfonds beschlossen. Bis heute, das hat eine Kleine Anfrage von mir ergeben, gibt es noch nicht einmal Vergaberichtlinien für diese 5 Millionen €, die dort künftig jedes Jahr vorgesehen sind. Die Hochschulen arbeiten schon an Anträgen, aber die Ministerin hüllt sich in Schweigen darüber, wie sie die 5 Millionen € künftig vergeben wird. Das ist ein Unding! Wenn ich jetzt höre, was Frau Birk gesagt hat, dann weiß ich natürlich, warum es die Vergaberichtlinien noch nicht gibt. Wahrscheinlich soll neben dem Innovationsfonds noch ein Genderfonds eingeführt werden, der wahrscheinlich die Hälfte der Mittel bekommen soll.

(Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Als hätten die Frauen jemals die Hälf- te der Mittel gekriegt!)

- Nein, ich nutze das nur als Gelegenheit, um Ihnen deutlich zu machen, dass das, was Sie, Frau Birk, hinsichtlich der Frauenförderung in der Forschung gesagt haben, zeigt, dass Sie Lichtjahre von einer Problemerkennung entfernt sind. Sie argumentieren hier sachfremd!

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich zur Bund-Länder-Aufgabe Forschung kommen. Frau Ministerin, ich unterstütze das, was Sie hinsichtlich der Forschungsförderung gesagt haben. Ich glaube, dass man in der Tat bei all den

(Jost de Jager)

Diskussionen, die wir über Föderalismus haben, nicht zu einer Entflechtung im Bereich der inhaltlichen Forschungsförderung kommen sollte, weil sie nämlich dann zum Erliegen kommen würde. Die großen Gemeinschaften, die Leibniz-Gemeinschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft und andere große Gesellschaften, würden zum Erliegen kommen, wenn es keine Mischfinanzierung und keine Beteiligung des Bundes geben würde. Das wäre nachteilig für das Land Schleswig-Holstein. Es wäre nachteilig für die Forschungslandschaft in Deutschland insgesamt. Insofern bekennen wir uns zu einer gemeinsamen Aufgabe in der Forschungsförderung.

Ich glaube, dass man aber auch noch einmal darüber nachdenken muss, ob das Gleiche für die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau gelten muss. Im Bereich der Föderalismusdiskussion wird darüber nachgedacht, eine Entflechtung im Bereich des Hochschulbaus hinzubekommen. Ich glaube, dass es inhaltlich keinen zwingenden Grund gibt, warum der Bau von Hochschulgebäuden eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern sein muss. Inhaltlich gibt es keine zwingende Begründung dafür.

Wir haben es nachgeprüft: Es ist so, dass wir als Land Schleswig-Holstein in den letzten Jahren überproportional von der gemeinsamen Förderung, die es im Hochschulbau gegeben hat, profitiert haben. Die Frage ist allerdings bei den ganzen Projekten, die dort gemacht werden, ob das auch für die Zukunft gilt. Es ist die Position meiner Fraktion, dass man im Bereich des Hochschulbaus zu einer Entflechtung der Aufgaben zwischen Bund und Land kommt; das allerdings unter der Maßgabe, dass es dabei einen vernünftigen Verteilschlüssel der Bundesmittel gibt. Der Königssteiner Schlüssel allein kann nicht die Maßgabe sein. Wir müssen zu einem vernünftigen Weg kommen, die Bundesmittel zu verteilen. Ich glaube aber, dass man dauerhaft nicht an einer Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau festhalten sollte.

Der Vorteil ist, dass man Geld bekommt. Der Nachteil ist allerdings, dass wir in unseren Entscheidungen, was Struktur und Standort in Schleswig-Holstein betrifft, stark eingeengt werden. Insofern gebe ich für unsere Fraktion zu bedenken, an dieses Thema noch einmal heranzugehen.

Mit Blick auf die Zeit lassen Sie mich zum Schluss kommen. Ich habe schon 20 Sekunden überzogen: Ich glaube, dass wir bei der Auswertung der Antwort auf diese Große Anfrage sicherlich zu einigen Bereichen kommen werden, in denen wir uns in der Bewertung und der Analyse des Ist-Zustandes deutlich unterscheiden. Ich glaube allerdings, dass wir auch - was die Position gegenüber dem Bund anbelangt - Ge

meinsamkeiten finden werden. Zumindest gilt dies für die inhaltliche Forschungsförderung. Ich glaube, dass wir die Beratung im Detail im Ausschuss fortsetzen sollen. Ich glaube, es gibt sehr viel zu tun, um Schleswig-Holstein für die Forschungszukunft fit zu machen. Das, was uns vorgelegt wurde, reicht dafür allein nicht aus. Insofern brauchen wir auch hier einen neuen Drall.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der FDP erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was hier von grüner Landtagsfraktion und rot-grüner Landesregierung auf 85 Seiten an Fragen und Antworten ausgebreitet worden ist, führt im Kern zu der bekannten und relativ nüchternen Bilanz: Schleswig-Holstein liegt im Bereich der Hochschulen und der Forschung im Vergleich zu anderen Bundesländern erheblich im Rückstand. Der Anteil der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen an der Summe aller Beschäftigten ist nur in Brandenburg niedriger als bei uns in Schleswig-Holstein. Der Anteil Schleswig-Holsteins an den in Deutschland getätigten Ausgaben für Forschung und Entwicklung, den FuE-Ausgaben, liegt mit 1,4 % sehr niedrig.

Dafür gibt es sicherlich mehrere Gründe. Der unterdurchschnittliche Zufluss von Forschungsmitteln des Bundes ist gewiss einer davon. Auf diesen Punkt haben die Grünen in ihrer Presseerklärung vom 9. Februar auch hingewiesen, allerdings geschah dies ziemlich einseitig. Ich denke, dass die stärkere Präsenz forschender Industrieunternehmen in anderen Ländern bei den mageren schleswig-holsteinischen FuE-Anteilen sicherlich eine größere Rolle spielt. In dieser Statistik sind auch die privaten FuEInvestitionen enthalten.

Die mangelnde Eigenleistung des Landes darf man natürlich auch nicht vergessen, auch wenn die fragestellenden Grünen dies natürlich nicht so gern ansprechen wollten. Dabei hat doch gerade der im vergangenen Jahr vorgelegte Bericht der ErichsenKommission deutlich gemacht, dass wir im Vergleich zum Durchschnitt der westdeutschen Flächenländer bei den Hochschulausgaben - gemessen an der Größe unseres Landes und der Einwohnerzahl - einen Rückstand von über 100 Millionen € haben. Das ist Fakt. Das ist der Vergleichsmaßstab, dem wir uns stellen

(Dr. Ekkehard Klug)

müssen. Wir geben für den Bereich deutlich weniger aus als andere Bundesländer.

(Zuruf der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Frau Kollegin, wenn es nach dem BIP-Anteil ginge, müsste Mecklenburg-Vorpommern das Silicon Valley der Bundesrepublik Deutschland sein. Ist Ihnen bei dieser Statistik aufgefallen, dass ausgerechnet Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt die höchsten Werte verzeichnen? - Vielleicht sollten Sie sich die Stichhaltigkeit bestimmter statistischer Indikatoren, auf die Sie auch in Ihrer Presseerklärung rekurriert haben, ganz genau anschauen.

Meine Damen und Herren, wie sehr die Grundausstattung der Hochschulen darüber entscheidet, was dann noch an Drittmitteln dazukommen kann, zeigt zum Beispiel das Förderranking der Deutschen Forschungsgemeinschaft, in dem das Übergewicht der gut ausgestatteten süddeutschen Universitäten oder auch von Hochschulen wie der TH Aachen deutlich wird.

Wer unsere Hochschulen in Schleswig-Holstein im Wettbewerb um Drittmittel stärken und ihnen größere Chancen geben will, der muss ihre Grundausstattung verbessern. Daran führt kein Weg vorbei.

Der Nachholbedarf unseres Landes ist unbestreitbar. Die mit hierzulande vergleichsweise geringen Mitteln an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen erbrachten Leistungen werden durch diese Feststellung nicht etwa geschmälert, sondern erscheinen eigentlich umso beachtlicher.

(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Eben!)

Was hier mit wenig Geld an hervorragenden Leistungen zustande gebracht wird, ist in der Tat durchaus beachtlich.

Im Fächerspektrum müssen Schwerpunkte sicherlich deutlich gemacht werden; über Schwerpunkte ist hier schon diskutiert worden.

Aber - das sage ich auch - es darf keine Steinbruchmentalität geben. Die Empfehlung der Hamburger Dohnanyi-Kommission, an der Uni Hamburg die Hälfte der Geisteswissenschaften wegzurasieren, sei als abschreckendes Beispiel genannt. Leider ist es nicht das einzige negative Beispiel. Ich erinnere an die Äußerungen des Berliner SPD-Finanzsenators Sarrazin, der alles außerhalb der Natur- und Ingenieurwissenschaften für „weniger relevant“ und „nicht produktiv“ erklärt hat.

Frau Erdsiek-Rave, wenn Sie für wichtige Wissenschaften wie beispielsweise die Geisteswissenschaften intern in Ihrer Partei - beispielsweise auch gegenüber Ihrem designierten Bundesvorsitzenden - die Fahne hoch halten und sich dafür einsetzen, dass es eine ausgewogene Förderung der Wissenschaften auch hinsichtlich des Spektrums der Fächer gibt, dann werden Sie unsere Unterstützung finden.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Meine Damen und Herren, neue Steuerungsinstrumente der Hochschulfinanzierung dürfen nicht übermäßig auf Nachfrageorientierung beruhen. Wenn Fächer überwiegend nach der Kopfzahl der Studierenden finanziert werden, kann das angesichts der ständigen Wellenbewegungen in der Nachfrage nach bestimmten Fächern fatale Folgen haben.

In Schleswig-Holstein hat sich die Anzahl der Absolventen in den Ingenieurwissenschaften von 1995 bis 2002 leider mehr als halbiert: von 963 auf 410. Man muss sich Folgendes vorstellen: Bei einer unmittelbar an der Nachfrageentwicklung nach Studienplätzen ausgerichteten Hochschulfinanzierung würden diese Fachbereiche bei einem Rückgang der Studentenzahlen finanziell natürlich völlig ins Schwimmen geraten. Sie wären mit ihrem bestehenden Personal gar nicht zu halten.

Ich warne also davor, eine Hochschulfinanzierung unter dem Aspekt einer leistungsbezogenen Mittelvergabe zu wählen, die extrem stark an Nachfragekriterien ausgerichtet ist. Das würde zu enormen Verwerfungen führen, die mit den sehr starken Schwankungen in der Studienplatznachfrage zusammenhängen.

Diese Zyklenbewegungen gibt es im Grunde permanent. Beispielsweise verzeichneten wir in der Vergangenheit Defizite bei den Lehramtsfächern. Nun ist das Gegenteil der Fall: Es baut sich ein Überhang für das nächste Jahrzehnt auf. Dann werden wir vor dem Problem stehen, dass die Anzahl der Absolventen die Anzahl der zur Verfügung stehenden Stellen übersteigt. Insofern muss man diese Schwankungen durch eine vernünftige angebotsorientierte Hochschulfinanzierung abfedern können; das ist meine Überzeugung.

Meine Damen und Herren, Wirtschafts- und Industriepolitiker haben vor allem die anwendungsbezogene Forschung im Blick. Das ist insoweit verständlich, da man in diesem Bereich auf kurz- und mittelfristige Nutzeffekte erreichen kann.

Wenig vernünftig wäre es jedoch, darüber die Bedeutung der Grundlagenforschung aus dem Blick zu verlieren. Deren Früchte reifen so langsam, dass es

(Dr. Ekkehard Klug)

sich kein Wirtschaftsunternehmen leisten kann, unter jahre- oder jahrzehntelangem Verzicht auf Rendite in diese Forschung Geld zu investieren. Hier liegt deshalb vor allem die Verantwortung und die Rolle staatlicher Forschungspolitik. Ohne sie gäbe es nämlich keine Grundlagenforschung.