Eine der Schlüsselfragen, Herr Minister - und das ist mitnichten eine Abfragen von Zahlenfriedhöfen -, lautet: Welche Hauptzielgruppe visiert die Landesregierung eigentlich an? Denn nur wenn wir wissen, welche Hauptzielgruppe Sie meinen, können wir beurteilen, ob Sie Ihre Ziele erreicht haben.
„Hauptzielgruppe beider Programme waren beziehungsweise sind die in SchleswigHolstein arbeitslos gemeldeten Menschen.“
Damit sind die Programme von vornherein zum Scheitern verurteilt; sie müssen zum Scheitern verurteilt sein. Denn wenn - das haben Sie hier selber dargestellt - aktive Arbeitsmarktpolitik mitnichten in der Lage ist, das Problem der Arbeitslosigkeit zu beheben, können Sie nicht als Hauptzielgruppe sämtliche als arbeitslos gemeldete Menschen in Schleswig-Holstein nehmen, sondern müssen sich gezielt auf ganz bestimmte Problemgruppen konzentrieren. (Beifall bei der FDP)
Ich nehme die Landesregierung beim Wort. Ich nehme die Hauptzielgruppe, die Sie definiert hat, und trage Ihnen einmal vor, was dabei herausgekommen ist. Behalten Sie bitte im Hinterkopf: Ich nehme immer die Hauptzielgruppendefinition der Landesregierung. Dann kommt bei ASH Folgendes heraus: Bei ASH III wurden über die gesamte Laufzeit im Durchschnitt 9,4 % der selbst definierten Zielgruppe erreicht. Das heißt, die Landesregierung hat noch nicht einmal jeden Zehnten erreicht, den sie laut eigener Aussage eigentlich erreichen wollte.
Vermittelt - also das, was eines der Erfolgskriterien darstellen kann - wurde etwas mehr als jeder Hundertste, nämlich im Durchschnitt 1,5 %. Herr Minister Rohwer, das ist ein ganz bescheidenes - um nicht zu sagen -, das ist ein miserables Ergebnis der Gesamtbilanz von ASH III.
Ich will Ihnen freundlich einmal eine Alternativrechnung aufmachen, die die FDP-Fraktion zu Ihren Gunsten angestellt hat. Wir haben lediglich das Verhältnis von Vermittelten und Teilnehmenden angesehen, wer aus dem Kreis der Teilnehmer vermittelt worden ist. Dabei kommen wir auf immerhin 16 %. Auch das ist nicht unbedingt ein Ausweis schlagkräf
tigen Erfolges, aber es ist deutlich mehr als das, was Sie definieren. Nach Ihrer Definition sind Sie mit 1,5 % unter jeder Latte, die Sie sich selbst gelegt haben, locker durchgekrochen. Aber - wie gesagt - selbst bei dieser Betrachtungsweise bleibt das Ergebnis mehr als mager.
ASH III war insgesamt alles andere als ein erfolgreicher Beitrag zur Arbeitsmarktpolitik. Wir haben es immer wieder befürchtet, wir haben das auch immer wieder gesagt. Deswegen bleibt bei ASH III als Abschluss festzuhalten: Von 46.200 Teilnehmern konnten insgesamt 7.583 vermittelt werden; die Gesamtkosten betrugen dafür knapp 90 Millionen €.
Weil wir Ihnen diese Kritik immer wieder entgegenhalten haben, haben Sie ja - das erkenne ich durchaus an - bei ASH 2000 gesagt: Wir wollen vieles besser machen. Sie haben die Kritik berücksichtigt. Aber auch wenn wir nur den Stichtag 31. August 2003 berücksichtigen, ist die Bilanz von ASH 2000 nicht sonderlich glorreicher. Wir haben - wiederum Ihre eigene Hauptzielgruppe zugrunde gelegt - im Jahr 2000 lediglich 8 % der Zielgruppe erreicht, 2001 waren es 6,8 % und 2002 gerade 7 %. Im Hinblick auf die vermittelten Frauen und Männer ergibt sich ein genauso düsteres Bild wie bei ASH III: Im Jahr 2000 haben Sie 2 % Ihrer selbst definierten Hauptzielgruppe vermittelt, 2001 1,7 % und im Jahr 2002 1,4 %. Herr Minister Rohwer, der Hauptfehler liegt darin, dass sich die Landesregierung bei ASH 2000 vollkommen verzettelt hat in 30 Einzelmaßnahmen. Dann definieren Sie auch noch als Hauptzielgruppe 140.000 arbeitslose Frauen und Männer. Das muss schief gehen.
Deswegen lautet mein Appell: Wenn Sie ASH 2000 neu ausrichten, beschränken Sie sich auf wenige Maßnahmen, beschränken Sie sich auf Kernzielgruppen wie Langzeitarbeitslose, Menschen mit Behinderung oder gering Qualifizierte!
Ein Wort zum JOB-AQTIV-Gesetz. Das ist wahrscheinlich das, was der Minister „Zahlenfriedhöfe“ nannte. Ich will Ihnen einmal sagen, was passiert, wenn man bestimmte Daten einfach nicht hat. Es ist legitim zu fragen: Wie wirkt eigentlich das JOBAQTIV-Gesetz, wie erfolgreich ist so eine Maßnahme?
Von 37 von uns hierzu gestellten Fragen beziehen sich 29 auf Grunddaten, die man einfach braucht, um beurteilen zu können, ob das JOB-AQTIV-Gesetz wirkt oder ob es nicht wirkt. Von diesen 29 Fragen konnte die Landesregierung 19 bedauerlicherweise nur damit beantworten, dass sie sie nicht beantworten könne.
Ich kann deswegen heute bei JOB-AQTIV nur bilanzieren: Kein Mensch kann sagen, ob dieses Programm erfolgreich oder nicht erfolgreich war. Vielleicht ist das ja auch Sinn der Übung. Aber hüten Sie sich vor denjenigen, die Ihnen erzählen wollen, dass JOBAQTIV ein Erfolg gewesen ist! Dann will ich nämlich wissen, wie sie diesen Erfolg messen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die politische Bewertung mag Sie nicht verwundern, Sie werden aber auch, wenn Sie die Presseerklärung zu meiner Pressekonferenz gelesen haben, gesehen haben, dass ich durchaus Alternativvorschläge gemacht habe, wie man eine tatsächlich aktive Arbeitsmarktpolitik auf die Beine stellen kann, die Frauen und Männern hilft, wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen. Ich bilanziere heute lediglich die aktive Arbeitsmarktpolitik der Landesregierung in den vergangenen 16 Jahren. Da kann ich nur sagen: Sehr geehrter Herr Minister Rohwer, ich nehme zur Kenntnis, dass Sie seit neuestem Wachstum als das Credo für die Politik der nächsten zwölf Monate ausgerufen haben. Sie haben aber im vergangenen Jahrzehnt auf dem Gebiet der aktiven Arbeitsmarktpolitik vollständig versagt.
Heute können wir keine ernsthafte Aussage darüber treffen, wie die neu angelaufenen Instrumente des Bundes tatsächlich wirken. Die allgemeinen Arbeitsmarktdaten sprechen allerdings nicht gerade dafür, dass das ein durchschlagender Erfolg ist.
Ich bleibe dabei: Wenn wir uns an anderen Ländern orientieren wollen - beispielsweise an Dänemark, Schweden oder auch der Schweiz -, ist eine Grundforderung - das betrifft nicht nur einzelne Zielgruppen, sondern alle Arbeit suchenden Frauen und Männer -, dass wir das Monstrum „Bundesagentur für Arbeit“ in der Form, in der wir es heute haben, nicht brauchen. Wir brauchen eine Quote von Vermittler zu Vermittelnden, die bei 1 zu 70 oder 1 zu 80 liegt und nicht bei 1 zu 700 bis 1 zu 1.000.
Wir brauchen auch keinen Herrn Gerster - das ist mein letzter Satz, Herr Präsident -, dessen größter Vermittlungserfolg war, Berateraufträge für 40 Millionen an Roland Berger zu vermitteln.
Ich freue mich auf die Diskussion im Wirtschaftsausschuss und beantrage, die Große Anfrage federführend an den jetzt dafür zuständigen Wirtschaftsausschuss zu überweisen.
Herr Präsident! Meinen lieben Kolleginnen und Kollegen! Es bleibt auch im Jahr 2004 festzuhalten: Die Beseitigung der Arbeitslosigkeit, die Eindämmung der Massenarbeitslosigkeit und die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen und zusätzlichen Ausbildungsplätzen bleibt die größte Herausforderung für die Politik und alle gesellschaftlichen Gruppen.
Die FDP-Fraktion hat mit ihrer Großen Anfrage die Landesregierung zu einem umfangreichen und detaillierten Bericht über die Arbeitsmarktpolitik der Landesregierung aufgefordert. Ich will vorwegnehmen: Für diese umfangreiche Bestandsaufnahme gilt Ihnen, Herr Minister, und den an diesem Bericht beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein großes Dankeschön.
Das Programm „Arbeit für Schleswig-Holstein III“ umfasst den Zeitraum von 1995 bis 1999 zuzüglich zweier Auslaufjahre und das Programm „ASH 2000“ hat eine Laufzeit von 2000 bis 2006 zuzüglich zweier Auslaufjahre. Der Bericht stellt die Einbindung der Landesarbeitsmarktprogramme in die Politik des Bundes und der Europäischen Union dar. Als qualitative Ziele werden die Schaffung von Arbeit, die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Schleswig-Holstein sowie Qualifizierung und Nachhaltigkeit genannt. Am Gesamtprogramm ASH III haben 46.223 Personen teilgenommen, von denen 7.583 in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt worden sind. Dies entspricht einer Vermittlungsquote von 16 %. Ich finde, das ist, bundesweit gesehen, ein sehr anständiges Ergebnis.
Am Programm ASH 2000 haben bislang 142.180 Personen teilgenommen. In den auf Vermittlungen in den ersten Arbeitsmarkt ausgerichteten Programmpunkten lag die Teilnehmerzahl bei 28.799 Personen. Von diesen wurden bereits jetzt 6.586 in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt. Dies entspricht einer Vermittlungsquote von 23 %. Das zeigt deutlich, dass sich die Effektivität und die Effizienz der Vermittlung
in den ersten Arbeitsmarkt kontinuierlich gesteigert hat. Dies ist ein Erfolg unserer Arbeitsmarktpolitik.
Aber auch die Gesamtkosten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt wurden, sind vom Programm ASH III zum Programm ASH 2000 gesunken. Waren es beim Programm ASH III noch 11.774 € pro vermittelter Person, so liegen die Aufwendungen heute im Schnitt bei 10.955 €. Auch dies macht die Effizienzsteigerung deutlich sichtbar.
Im Weiteren erspare ich mir detaillierte Aussagen zu den einzelnen Programmpunkten von ASH III oder zu den 34 Programmpunkten von ASH 2000. Sie sind in der Antwort der Landesregierung übersichtlich und klar gegliedert. Ich kann nur jedem die Lektüre empfehlen; denn es ist wirklich hilfreich, Herr Kollege Garg, einmal zu sehen, wo und in welchem Rahmen hier tatsächlich Schwerpunkte gesetzt worden sind. Grundsätzlich bleibt aber festzuhalten - dies wird in der Antwort der Landesregierung auch deutlich -, dass jede staatliche Fördermaßnahme, und sei sie noch so effizient, eine schlechte Situation auf dem Arbeitsmarkt nicht ausgleichen kann. Mit einer gezielten Arbeitsmarktpolitik ist es aber möglich, die individuellen Voraussetzungen für eine Arbeitsaufnahme im ersten Arbeitsmarkt für den einzelnen Arbeitsuchenden zu verbessern, das heißt, ihn zu qualifizieren und ihn, wie es immer so schön ausgedrückt wird, „fit für den Arbeitsmarkt zu machen".
Die Quote von 23 % Vermittlung in den Programmbestandteilen, die auf Vermittlung orientiert sind, zeigt deutlich, dass in diesem Bereich Erfolge möglich sind. 23 %, das sind mehr als 6.500 Menschen, die sonst nicht ohne weiteres einen Arbeitsplatz gefunden hätten. Das sind 6.586 Einzelpersonen, aber auch Familien, Alleinerziehende. Das heißt, nicht nur die Maßnahmeteilnehmer, sondern auch das ganz persönliche Umfeld, die Familie, die Kinder, spüren und erfahren eine neue Lebensperspektive, sie erfahren, wie es ist, ohne Arbeitslosigkeit zu leben. Herr Garg, wenn Sie mit unterschiedlichen Rechnungen Misserfolge beweisen wollen, sage ich Ihnen: Diese rund 6.600 Menschen und ihre Familien lassen sich auch durch Ihre Rechnungen den Erfolg, Arbeit zu haben, nicht nehmen.
Die Weiterentwicklung der Arbeitsmarktpolitik des Landes geschieht bis zum Jahre 2006 im Rahmen von ASH 2000 und danach ist die Umsetzung der so genannten Hartz-Gesetze von entscheidender Bedeu
tung. Auch weiterhin wird sich die Landesarbeitsmarktpolitik in die Förderpraxis der Bundesagentur für Arbeit einpassen müssen. Aber eine Arbeitsmarktpolitik des Landes Schleswig-Holstein muss sich zum Beispiel auch daran orientieren, den Personen, die in der neuen, gestrafften Förderpraxis der Bundesagentur keine Unterstützung oder Förderung mehr finden, eigenständige Maßnahmen anzubieten, sie zu qualifizieren und zu fördern.
In der Antwort auf die Große Anfrage wird bereits auf eine bestehende enge Zusammenarbeit zwischen der Landesregierung und der Bundesagentur für Arbeit verwiesen. So wird bei vielen Fragen wie zum Beispiel zum JOB-AQTIV-Gesetz oder zu den Personal-Service-Agenturen (PSA) oder zu Job-Centern auf die Zuständigkeit der Bundesagentur verwiesen.
Die Bundesagentur hat, vertreten durch das Landesarbeitsamt Nord, wie ich finde, viele der gestellten Fragen sehr informativ beantwortet. Es wird aber auch deutlich, dass viele Fragen der FDP-Fraktion nicht mit der Struktur der Bundesagentur oder mit der Datenerhebung, wie sie von ihr durchgeführt wird, vereinbar sind. Die Bundesagentur ist eben nicht nach politischen Kreisen aufgestellt, sondern hat in Schleswig-Holstein neben der Regionaldirektion regionale Arbeitsämter. So fällt es schwer, Fragen nach Kreisen und kreisfreien Städten geordnet beantwortet zu bekommen, was, wie ich finde, auch normal ist. Wenn ein Arbeitsamt für drei oder vier Landkreise und kreisfreie Städte zuständig ist, dann ist die Datenerhebung tatsächlich nicht ganz einfach. Aber auch die Aufteilung nach Branchen kann aus der Statistik der Bundesagentur so nicht beantwortet werden. Dies ist zu akzeptieren. Wir können es auch deshalb akzeptieren, weil in Schleswig-Holstein eine gute Zusammenarbeit zwischen der Landesregierung und der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit vorhanden ist. Dieses Zusammenwirken wird sich auch vor dem Hintergrund der geplanten Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe bewähren müssen.
Unter der Überschrift „Arbeit und sinnvolle Tätigkeiten statt Arbeitslosigkeit finanzieren" werden die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe zusammengeführt. Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind - dies gilt auch für Sozialhilfeberechtigte -, müssen die Chance auf eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt bekommen. Die Integration in den Arbeitsmarkt bedeutet eine Sicherstellung der eigenen Lebensgestaltung. Es bedeutet auch, Angehörigen und vor allem Kindern eine Perspektive aufzuzeigen,