Protocol of the Session on December 12, 2003

Ich rufe Tagesordnungspunkt 38 auf:

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau)

Fortentwicklung der Verwaltungsreform

Landtagsbeschluss vom 26. September 2003 Drucksache 15/2936

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/3063

Ehe ich dem Herrn Innenminister das Wort erteile, möchte ich auf der Tribüne unsere nächste Besuchergruppe begrüßen. Das ist die Besuchergruppe der Realschule Schenefeld und der Verwaltungsakademie Bordesholm. - Herzlich willkommen!

Herr Innenminister Buß hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der interfraktionelle Antrag zeigt das große Maß an Gemeinsamkeit zwischen Landtag und Landesregierung zum Thema einer erforderlichen und ständig fortzuentwickelnden Verwaltungsreform. Ich danke ausdrücklich Ihnen allen für die Fristverlängerung zur heutigen Sitzung, da so die Beschlüsse des Kabinetts zur Neuordnung der Staatlichen Umweltämter, der Ämter für ländliche Räume und des Landesamtes für Gesundheit und Arbeitsicherheit vom 11. November 2003 im schriftlichen Bericht berücksichtigt werden konnten. Die Ergebnisse sind noch am gleichen Tag der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Mein Kollege Dr. Stegner hat hier am 14. November ausführlich im Plenum berichtet.

Ich konzentriere meine Ausführungen zu dem Bericht auf drei Punkte.

Erstens: optimale Zuordnung der öffentlichen Aufgaben des Landes. Die Landesregierung hinterfragt ständig und kritisch die Aufgaben und berücksichtigt dabei die Möglichkeiten a) des Verzichts auf Landesaufgaben und b) der Übertragung von Landesaufgaben auf private Dritte oder unter Beachtung des Konnexitätsprinzips auf die kommunale Ebene und c) der Zusammenlegung von Landesaufgaben auf staatlicher und kommunaler Ebene. Die Landesregierung hat entsprechend den Beschlüssen der Strukturkommission den Kommunen einen Zehnjahrespakt angeboten. Es sollen alle Aufgaben zwischen Land und Kommunen im Hinblick auf eine optimale Aufgabenerledigung auf den Prüfstand gestellt werden.

Entscheidende Punkte für die Prüfung sind die drei Kriterien Wirtschaftlichkeit, Professionalität und Bürgernähe. In den kommunalen Landesverbänden werden Anfang 2004 Entscheidungen über eine Kommunalisierung von Landesaufgaben und Überlegungen für neue Strukturen in der Landesverwaltung getroffen werden. Weiter steht der Abschluss

einer Zielvereinbarung zwischen der Landesregierung und den kommunalen Landesverbänden zeitnah bevor.

Zweitens: Abbau von Vorschriften. Verwaltungsvorschriften sind ebenfalls ständig und kritisch auf ihre Notwendigkeiten und ihre Regelungsdichte hin zu überprüfen. In Umsetzung eines weiteren Vorschlags der Strukturkommission werden wir daher zum 1. Januar 2004 zahlreiche Richtlinien und Erlasse außer Kraft treten lassen. Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung Deregulierung und Standardabbau. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass Ausnahmeregelungen nur restriktiv eingesetzt wurden. Daher erwarte ich im Bereich der Richtlinien und Erlasse mit regelndem Charakter einen Abbau zwischen 30 und 40 %.

Darüber hinaus wird eine Vielzahl von Verwaltungsvorschriften künftig befristet, das heißt mit einem „Verfallsdatum“ versehen. Das Gleiche gilt für Verordnungen. Sie werden künftig generell auf fünf Jahre befristet. Gesetze werden hingegen nur in Ausnahmefällen befristet. Der Grund liegt auf der Hand. Es ist vor allem der hohe Verwaltungsaufwand, wenn wir Ihnen in regelmäßigem Abstand unentbehrliche Gesetze neu zum Beschluss vorlegen müssten. Denn viele der Ihnen vorgelegten Gesetzentwürfe sind nicht gewissermaßen hausbedingt, sondern dienen der Umsetzung von EU- oder Bundesrecht oder sind Zustimmungsgesetze zu Staatsverträgen. Drittens: Fortsetzung der Kooperation mit anderen Ländern. Dabei ist vor allem die seit Jahren erfolgreich praktizierte Zusammenarbeit mit der Freien und Hansestadt Hamburg hervorzuheben. Mit den drei zum 1. Januar 2004 beschlossenen neuen Fusionen beziehungsweise Zusammenlegungen in der Rechtsform von Anstalten des öffentlichen Rechts - Dataport, Statistische Landesämter und Eichverwaltung - ist ein Höhepunkt erreicht worden. Den Weg werden wir zusammen mit den anderen norddeutschen Ländern insbesondere im Bereich von EGovernment konsequent fortsetzen.

Zum Thema Verwaltungsreform liegen wir in Schleswig-Holstein auf gutem und klarem Kurs mit unseren Partnern. Hier gilt mein ganz besonderer Dank den kommunalen Landesverbänden. Wir arbeiten mit ihnen und den anderen Ländern eng und gut zusammen. Wir werden das auch weiterhin tun.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schlie.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag war wirklich gut. Er ist durch die Diskussionen, die wir im Innen- und Rechtsausschuss, auch in vielfältigen Sondersitzungen des Innen- und Rechtsausschusses zur Verwaltungsstrukturreform hatten, mit Hintergrund versehen. Wir haben alle zusammen, übrigens durch den Kollegen Puls formuliert, Folgendes gefordert:

„Der Bericht soll die konkreten Vorstellungen der Landesregierung über die Zuordnung der öffentlichen Aufgaben des Landes, den Abbau von Vorschriften, die Vereinfachung von Verwaltungsverfahren, die Fortsetzung der Kooperation mit anderen Bundesländern und sonstige Maßnahmen zum Bürokratieabbau und zur Straffung der Verwaltung enthalten.

Im Einzelnen soll die Landesregierung prüfen

1. die optimale Zuordnung der öffentlichen Aufgaben des Landes für jedes Regierungsressorts mit seinen jeweils nachgeordneten oberen und unteren Landesbehörden und hier insbesondere

a) die Möglichkeit des Verzichts auf Landesaufgaben als Aufgaben öffentlicher Daseinsvorsorge…“

Wie Sie sich vorstellen können, habe ich mit großer Aufmerksamkeit versucht, diesen Punkt in diesem Bericht zu finden. Ich stelle fest, dass auf den Seiten 4, 5, 6, 7, die nur mit drei Worten versehen sind, nichts dazu steht. Das ist das Problem! Sie haben nichts dazu aufschreiben können, weil Sie aufgrund der Maßnahmen, die es gegeben hat, auch nichts dazu aufschreiben können. Es ist gar nicht möglich!

(Beifall bei CDU und FDP)

Sie können nicht definieren, welche öffentlich zu erfüllenden Aufgaben in Zukunft nicht mehr stattfinden sollen. Sie können nicht definieren, welche von diesen Aufgaben konkret und im Einzelnen tatsächlich auf Dritte oder auf die Kommunen übertragen werden können. Sie können all das nicht tun, weil alles in der Koalitionssackgasse stecken geblieben ist.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Minister Müller hat sich da durchgesetzt. Das muss man neidlos anerkennen. Der selbsternannte Strukturminister Stegner hat landauf und landab getönt, er werde auch gegen seinen Koalitionspartner rigoros eine Verwaltungsstrukturreform auf die Beine

bringen, er werde rigoros dafür sorgen, dass öffentlich zu erfüllende Aufgaben definiert werden, die in Zukunft nicht mehr erfüllt werden.

(Günther Hildebrand [FDP]: Ohne Tabus!)

- Herr Kollege Hildebrand, dazu kommen wir gleich noch! Übrig geblieben ist eine Mammutbehörde der Umweltverwaltung in Itzehoe. Zurzeit ist sie noch eine Fata-Morgana-Behörde, denn sie ist noch nicht da. Sie wird wahrscheinlich erst in den nächsten Monaten durch bauliche Maßnahmen entstehen. Da all das nicht so schnell geschehen kann, gibt es gleich zwei Außenstellen. Das LANU ist umbenannt worden. Letztlich ist es aber das Gleiche wie vorher. Herr Minister, das ist das Traurige: Es ist leider so, dass nichts geschehen ist. Es kann auch nichts mehr geschehen. Das ist aber auch nicht so schlimm, denn wir machen das 2005.

(Beifall bei der CDU)

Ich will jetzt aufgreifen, was der Kollege Hildebrand dazwischen gerufen hat. Hier steht, die Aufgaben sind in drei Kategorien dargestellt. Die Landesregierung betont nochmals, ohne Tabubereiche über alle Aufgaben mit den Kommunen verhandeln zu wollen. Herr Innenminister, bei aller persönlicher Wertschätzung: Sie sollten es sich nicht antun, so zu schwindeln! Sie wissen doch genau, dass Sie das nicht können. Es kann nicht ohne Tabubereiche verhandelt werden, weil es durch die Struktur der neu geschaffenen Landesämter klar ist, dass Sie im Kern gar nicht bereit sind, diese Aufgaben zu übertragen, weil es nicht geht.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage von dieser Stelle aus: Wir haben das ganze nächste Jahr über ein Dutzend Sonderveranstaltungen des Innen- und Rechtsausschusses terminiert und geplant, weil wir wirklich miteinander der Auffassung waren, es gelänge vielleicht doch, fraktionsübergreifend zu einem Ergebnis zu kommen und zu sagen, welche Aufgaben nicht mehr erfüllt werden, welche Aufgaben auf die Kommunen übertragen werden und welche Aufgaben auf Dritte übertragen werden können. Ich weiß nicht, welchen Sinn es macht, all diese Termine aufrechtzuerhalten. Die Dinge sind festgefahren und entschieden.

Schließen Sie sich unserem Antrag an! Wir fordern konkret eine Überprüfung aller vom Land und von den Kommunen öffentlich zu erfüllenden Aufgaben. Wir fordern hier im Parlament eine Definition, welche Aufgaben in Zukunft entfallen sollen. Wir fordern eine klare Zuordnung der verbliebenen Aufgaben auf das Land oder auf die Kommunen durch Einbezie

(Klaus Schlie)

hung in eine wirkliche Funktionalreform ohne jedes Tabu. Wir fordern - auch im kommunalen Bereich - die Schaffung ganz neuer Verwaltungsstrukturreformen. Das ist nun einmal die Voraussetzung, das schreiben Sie selber. Diese können jetzt aber gar nicht mehr geschaffen werden, wenn Sie diesen Prozess bis März abgeschlossen haben wollen. Das ist doch nur vorgeschoben!

Wir fordern einen Stufenplan für die Umorganisation der künftig vom Land noch zu erfüllenden Aufgaben. Wir fordern wirklich den Abbau staatlicher Reglementierung. Ich will gern zugeben, dass wir in dieser Richtung einen Schritt weitergekommen sind. Das ist keine Frage. Auch die Befristung auf fünf Jahre ist sicherlich gut. Trotz allem ist es so, dass wir immer noch zu viele Aufgaben haben, die auch tabuisiert werden. Das ist schon genannt worden. Damit meine ich nicht die europarechtlichen Dinge oder die bundesgesetzlichen Dinge, die zum Teil überhaupt nicht angegangen werden können. Nein, wir müssen noch viel radikaler an unsere eigenen unsinnigen Rechtsvorschriften ran.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Abgeordneter Eichstädt hat das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schlie, der Antrag war gut, da gebe ich Ihnen Recht. Der Bericht war auch gut. Leider konnte diese Serie mit Ihrer Rede nicht fortgesetzt werden, die ließ viele Wünsche offen. Ich denke, es wäre besser, wir würden uns anlässlich der Termine, die Sie selbst genannt haben, sehr wohl weiter inhaltlich damit beschäftigen. Ich hoffe, Sie nehmen sich trotzdem die Zeit, daran teilzunehmen. Wenn nicht, dann schaffen wir es notfalls auch allein.

Ich bedanke mich ausdrücklich bei Minister Buß für den Bericht zur Fortentwicklung der Verwaltungsreform. Herr Minister, Sie haben die Fristverlängerung genutzt und eine Darstellung der eingeleiteten Verwaltungsreform vorgelegt, die eigentlich auch die Opposition überzeugen sollte und ihr deutlich machen müsste, dass das Langfristprojekt Verwaltungsreform bei der Landesregierung auf einem guten Weg ist.

Herr Kollege Schlie, permanentes Schlechtreden ist da wenig sinnvoll. Was Sie von der Opposition gelegentlich vergessen, ist Folgendes: Wenn Sie hier ausschließlich die Verwaltungsreform kritisieren, die ja, wie der Minister deutlich gemacht hat, in wichtigen Teilen das Ergebnis gemeinsamer Anstrengungen des

Landes und aller kommunaler Ebenen sein wird, so kritisieren Sie auch immer die Partner im kommunalen Bereich. Wenn ich mich richtig erinnere, haben Sie - zu unserem großen Bedauern - seit März dort durchaus an Einfluss gewonnen.

Kollege Schlie, Zielvereinbarungen sind nun einmal keine Diktate, sondern das Ergebnis von Verhandlungen auf gleicher Augenhöhe.

Meine Fraktion begleitet die Fortentwicklung der Verwaltungsreform intensiv, das wissen Sie durch die weitsichtigen Beiträge meines Kollegen hier im Parlament. Trotzdem fasse ich für Sie noch einmal zusammen. Die Verwaltungsreform ist ein Querschnittsprozess. Es gibt keinen Zeitpunkt, zu dem alles fertig ist. Vielmehr wird die Weiterentwicklung der Verwaltungsstrukturen ein permanentes Thema sein, mit dem wir uns auch hier permanent befassen müssen.

(Werner Kalinka [CDU]: Dann muss man auch mal anfangen!)

Die Verwaltungsreform soll alle beteiligten Ebenen mit einbeziehen und in die Diskussion einbinden. Aber bei allem Dialog: Am Ende müssen auch Entscheidungen stehen, da sind wir sicher einer Meinung, Herr Kalinka! Das kommt selten vor, aber hier ist es der Fall.

Wir wollen eine kritische Hinterfragung und möglichst optimale Zuordnung von Landesaufgaben. Wir haben die für uns wichtigen Schritte mehrfach auch für Sie nachvollziehbar genannt. Ich gebe sie gern noch einmal zu Protokoll: Erstens. Kann auf die Wahrnehmung von einzelnen Landesaufgaben verzichtet werden? Zweitens. Ist eine Übertragung auf Dritte sinnvoll und möglich? Drittens. Kann die kommunale Ebene - Kreis, Amt oder Gemeinde - eine Aufgabe zukünftig besser erledigen? Viertens. Kann eine Zusammenlegung von Landesaufgaben sinnvoll sein? Gewichtet wird dabei jeweils nach den Gesichtspunkten und Prüfsteinen Wirtschaftlichkeit, Professionalität und Bürgernähe.

Die bereits von Minister Stegner in der Novembersitzung vorgestellten Ergebnisse zur Neuordnung der Staatlichen Umweltämter, der Ämter für ländliche Räume und des Landesamtes für Gesundheit und Arbeitssicherheit werden von uns begrüßt. Im Übrigen betone ich noch einmal, dass das, was Minister Stegner in der Novembersitzung vorgestellt hat, nicht erst der Anfang, sondern nur ein weiterer Baustein war.

(Werner Kalinka [CDU]: Da muss er selber lachen!)