Protocol of the Session on November 14, 2003

Die Wirtschaft hat sich in vielen Bereichen Deutschlands eben nicht an die getroffenen Verabredungen gehalten und ist ihrer Ausbildungsverantwortung nicht gerecht geworden. Im Oktober 2003 standen fast 40.000 Bewerberinnen und Bewerbern ohne Ausbildungsplatz 13.800 offene Stellen gegenüber. Aus den Vorjahren gibt es noch eine Zahl von 120.000 bis 150.000 Jugendlichen, die immer noch keinen Ausbildungsplatz haben. Diese Zahlen, die nicht weggeredet werden können, machen deutlich, dass gehandelt werden muss.

Wir wollen aber auch ganz deutlich herausstellen, dass entgegen der bundesweit geschilderten Situation die Ausbildungsplatzsituation in Schleswig-Holstein auch in diesem Jahr voraussichtlich ausgeglichen sein wird. Wir begrüßen hierbei das außerordentliche Engagement aller Beteiligten in Wirtschaft, Verwaltung, Kammern und in unseren beruflichen Schulen. Wir sollten an dieser Stelle deutlich machen, dass auch die Politik ihren Anteil geleistet und Verantwortung übernommen hat.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Wir haben mit einem Bündel von Maßnahmen reagiert. So haben wir - das sollten vielleicht auch einmal diejenigen hören, die dem Ganzen sonst kritisch gegenüberstehen - mit einem Aufwand von rund 3,3 Millionen € die Schaffung von zusätzlich rund 2.100 Ausbildungs- und Qualifizierungsplätzen in diesem Land ermöglichen wollen.

Die erfolgreichen Bemühungen aller Beteiligten in Schleswig-Holstein und nicht zuletzt durch das Bündnis für Ausbildung haben dazu geführt, dass jeder junge Mensch einen Ausbildungsplatz bekommen hat und damit eine Zukunftsperspektive für sich selbst. In Schleswig-Holstein sind es gerade die mittelständischen Unternehmen, die die tragende Säule der Wirtschaft darstellen. Rund 98 % der Unternehmen in Schleswig-Holstein sind so genannte KMU, kleinere und mittlere Unternehmen, die mit rund 85 % den größten Teil der Arbeitsplätze und mit 80 % ebenfalls die meisten Ausbildungsplätze anbieten.

(Bernd Schröder)

Deshalb wollen wir die besonderen Anstrengungen von ausbildungswilligen Betrieben in SchleswigHolstein anerkennen.

Mit unserem Antrag fordern wir die Landesregierung auf, sich bei der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass eine solche Abgabe in Regionen, wie wir sie glücklicherweise in Schleswig-Holstein haben, nicht erhoben wird. Im Interesse der Ausbildungsbetriebe in Schleswig-Holstein, aber insbesondere im Interesse der jungen Menschen, denen auch in Zukunft ein Ausbildungsplatz und damit auch ein Stück Lebensperspektive angeboten werden soll, fordern wir Sie alle auf, diesem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Bevor ich das Wort gleich weitergebe, will ich nur darauf hinweisen, der Kollege Bernd Schröder hat für die Fraktion der SPD auf den Antrag mit der Drucksache 15/3035 abgehoben. Ich bin dahin informiert, dass offensichtlich eine Umverteilung nicht stattgefunden hat. Das Präsidium bemüht sich, dass dieses umgehend geschieht. Es ist in Auftrag gegeben worden. Falls bis zum Ende der Debatte zu diesem Punkt aus technischen Gründen keine Umverteilung mehr zustande kommen sollte, werde ich vor der Abstimmung den Antrag noch einmal verlesen.

Ich darf jetzt das Wort für die Fraktion der CDU Herrn Abgeordneten Torsten Geerdts geben.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Schaffung einer Ausbildungsplatzabgabe ist ein Bonbon für die SPD-Basis und eine weitere schallende Ohrfeige für die deutsche Wirtschaft.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die Wirtschaft und dort insbesondere Mittelstand und Handwerk haben erneut große Kraftanstrengungen unternommen, um jeden ausbildungsfähigen und ausbildungswilligen Schulabgänger mit einer Lehrstelle zu versorgen. Vor wenigen Wochen haben wir in diesem Parlament an die Wirtschaft appelliert, weitere Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Ende August 2003 gab es noch 4.053 unversorgte Schulabgänger, einen Monat später waren es noch 701 Ausbildungsplatzsuchende, und heute gibt es 150 freie Lehrstellen in Schleswig-Holstein. Die Unternehmen in Schleswig-Holstein haben in einer wirtschaftlich schwierigen Phase fast alle jungen Menschen in Ausbildung gebracht. Das war eine enorme Kraftanstrengung, die angesichts der Rahmenbedin

gungen für die Unternehmerschaft in Deutschland überhaupt nicht selbstverständlich ist.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und SSW)

Die Unternehmer haben im Gegensatz zu vielen Gewerkschaften ihre soziale Verantwortung beispielhaft wahrgenommen. Wie sieht der Dank von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für dieses vorbildliche Verhalten aus? Eine Ausbildungsplatzabgabe soll eingeführt werden; als Dank schwingen Sie die Keule der gnadenlosen Gängelung.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

- Ich habe ja gehört, von wem es kam, Herr Neugebauer.

Eine Ausbildungsplatzabgabe soll eingeführt werden. Auch Herr Neugebauer will dies. Dies ist aus Sicht der CDU-Landtagsfraktion ein völlig falsches Signal. Nach der geplanten Abschaffung des Meisterbriefes in 62 der 94 Handwerksberufe ist das eine weitere Ohrfeige für die Leistungsträger in unserer Gesellschaft. Sie motivieren nicht die Leistungsbereiten, Sie demotivieren sie in diesem Land.

Die Reaktionen der Wirtschaft sind eindeutig und leider auch nachvollziehbar. Die IHK spricht von einer Kriegserklärung an den Mittelstand, die Landesfachinnung der Fliesenleger droht mit einem Boykott der Lehrlingsausbildung, und die Gastronomie schlägt Alarm. Weitere Branchen werden folgen. Die Politik von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Berlin vernichtet auch in dieser Frage die Zukunftschancen der jungen Generation.

Mit der Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe schaffen Sie ein weiteres bürokratisches Monstrum. Sie knebeln weiter die Wirtschaft, und Sie vernichten weitere Lehrstellen in Deutschland.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ihr Verhalten - und das muss ich leider auch sagen, nachdem ich gehört habe, was in Ihrem Antrag stehen soll - ist schlichtweg verantwortungslos.

(Beifall bei CDU und FDP)

Sie zerstören Vertrauen in die Politik, aber auch Vertrauen in die politisch Handelnden, denn in dieser Frage haben sich die Unternehmer bis vor ein paar Tagen auf das Wort des Wirtschaftsministers Rohwer und des Wirtschaftsministers Clement verlassen. Heute sind sie verlassen. Clement und Rohwer konnten sich in der eigenen Partei nicht durchsetzen, und das regionale Fenster, was Sie jetzt vorschlagen, ist doch ein Aktionismus, der uns vor Ort nicht weiterhilft.

(Torsten Geerdts)

Diesem Antrag werden wir nicht zustimmen, wenn er uns denn zugeleitet wird.

(Beifall bei CDU und FDP)

Sie vernichten massenhaft Ausbildungsplätze, Sie tragen dazu bei, dass die Qualität der Arbeitsleistung - das ist einer der Standortvorteile der Bundesrepublik Deutschland - weiter sinken wird. Eigentlich hatte ich gehofft, dass die SPD-Landtagsfraktion mit ihrer Zustimmung zum Antrag der FDP signalisieren würde, dass sie hinter den bisherigen Äußerungen ihres Wirtschafts- und Arbeitsministers Rohwer stünde. Das ist nun nicht mehr der Fall. Die Wirtschaft kann sich auf diesen Arbeits- und Wirtschaftsminister schlichtweg nicht mehr verlassen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Vieles ist wirklich nur noch Fassade, und ich befürchte, dieser Vertrauensverlust wird auch dazu beitragen, das Klima weiter zu verschärfen und weitere Ausbildungsplätze zu verlieren.

Ich möchte im Namen der CDU-Landtagsfraktion heute noch einmal die Gelegenheit nutzen, um allen Ausbildern dafür zu danken, dass sie auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten jungen Menschen durch die Bereitstellung von Lehrstellen eine Zukunftsperspektive geben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich hätte mir gewünscht, dass von dieser Landtagssitzung ein gemeinsames Signal aller Fraktionen ausgehen würde wie beim Meisterbrief auch, dass die Ausbildungsabgabe wirklich ein Weg ist, der nur noch als ein Holzweg beschrieben werden kann. 30 % der Lehrstellen im Handwerk sind durch die geplante Abschaffung des Meisterbriefes akut gefährdet, weitere Stellenverluste werden folgen, wenn wir der Politik von Rot-Grün in Berlin folgen. Ich hatte gehofft, dass wir am Ende sagen können: Wir stoppen gemeinsam diesen Unsinn. Dem ist nicht so.

Die CDU-Fraktion wird dem Antrag der FDPFraktion zustimmen. Er ist gut, geht in die richtige Richtung und stärkt den Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich will nur Gelegenheit nehmen, da es offensichtlich einen unterschiedlichen Grad der Verteilung der Unterlagen gibt, beide Anträge für die nachfolgende Debatte zu verlesen, damit man weiß, worüber wir nachher im Detail abzustimmen haben. Vielleicht ist

das auch für den einen oder anderen Diskussionsbeitrag noch von Belang.

Der Antrag der Fraktion der FDP lautet wie folgt:

„Der schleswig-holsteinische Landtag fordert die Landesregierung auf, sich beim Bundestag, bei der Bundesregierung und im Bundesrat nachdrücklich gegen eine Ausbildungsplatzabgabe einzusetzen.“

Der Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lautet wie folgt:

„Der schleswig-holsteinische Landtag stellt fest, dass bundesweit noch immer nicht genügend Ausbildungsplätze für alle Schulabgänger zur Verfügung stehen.

Der schleswig-holsteinische Landtag stellt weiterhin fest, dass die Ausbildungsplatzsituation in Schleswig-Holstein auch in diesem Jahr voraussichtlich ausgeglichen sein wird. Wir begrüßen das verstärkte Engagement aller Beteiligten in Wirtschaft, Verwaltung, Kammern und unseren beruflichen Schulen.

Der Landtag fordert die Landesregierung und alle anderen Beteiligten auf, ihre Anstrengungen fortzusetzen, damit das Ziel erreicht wird, dass spätestens bis Ende des Jahres alle Jugendlichen einen Ausbildungsplatz bekommen.

Der Landtag würde es begrüßen, wenn es auch auf Bundesebene gelingt, ausreichend Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, damit die Erhebung einer Ausbildungsplatzumlage nicht erforderlich wird.

Falls jedoch die Wirtschaft weiterhin bundesweit nicht genügend Ausbildungsplätze bereitstellt und daher eine Ausbildungsplatzumlage unvermeidlich ist, fordert der Landtag die Landesregierung auf, sich bei der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass eine solche Umlage in Regionen mit ausgeglichener Situation nicht erhoben wird.“

Das sind die beiden Antragstexte.

Ich erteile jetzt das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Herrn Fraktionsvorsitzenden Karl-Martin Hentschel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer behauptet, wir müssten nichts tun, der hat nicht meine

(Karl-Martin Hentschel)