Das Zusammenleben von Mehrheit und Minderheit ist in Schleswig-Holstein also im Jahr 2000 im Alltag zunehmend von Normalität und Akzeptanz geprägt.
Dies wurde auch auf dem Minderheitenkongress 2000 am letzten Freitag in Sankelmark unterstrichen. Dennoch: Die These, dass das schleswigsche Grenzland eine Art Modellregion für ganz Europa darstellt, können wir - trotz aller Fortschritte in den Beziehungen zwischen Deutschen und Dänen - nicht stützen. Das deutsch-dänische Grenzgebiet hat seine eigene unverwechselbare Geschichte, die nicht auf andere Länder in Europa übertragbar ist.
Das heutige friedliche und vorbildliche Miteinander in unserem Grenzland ist die Folge eines langen, nicht
immer leichten Prozesses, der über 150 Jahre gedauert hat. Deshalb kann man nicht davon sprechen, dass wir eine Modellregion sind. Der Begriff Modell ist zu theoretisch und würde bedeuten, dass man unsere Rahmenbedingungen einfach auf andere Länder übertragen könnte. Ich weiß, dass das so nicht gemeint ist, und es wurde am Freitag in Sankelmark so auch nicht diskutiert. Dennoch tritt der Begriff Modellregion immer wieder auf. Dazu kommt, dass es trotz allem, was wir gemeinsam erreicht haben, immer noch offene Fragen bei der finanziellen und kulturellen Gleichstellung von Mehrheit und Minderheit gibt. Es ist daher immer wieder nötig, dass die Minderheiten auf ihre besonderen Probleme aufmerksam machen.
In der Regierungserklärung Anfang Mai sprach die Ministerpräsidentin davon, dass „Schleswig-Holstein in Europa als Vorbild für partnerschaftliches Zusammenleben von Mehrheiten und Minderheiten gilt und dass Dänen, Friesen, Sinti und Roma aktiv und selbstbewusst zur kulturellen Vielfalt und Attraktivität unseres Landes beitragen.“ Der SSW unterstützt all dies.
Wir wissen es auch zu schätzen, dass die Ministerpräsidentin zugleich mit ihrer Wiederwahl eine neue Minderheitenbeauftragte berief, wobei Renate Schnack schon längst nicht mehr „neu“ wirkt, sondern sich mit großem Engagement und Sachverstand in die Arbeit gestürzt hat.
Ich hebe dies ausdrücklich hervor, weil ich noch genau im Ohr habe, wie vor der Wahl vom „Beauftragtenunwesen“ gesprochen wurde. Ich möchte Renate Schnack von dieser Stelle aus ausdrücklich dafür danken, dass sie sich an die Arbeit gemacht hat.
Uns allen ist auch bewusst, dass wir heute sehr viel weiter gekommen sind, zum Beispiel in der Akzeptanz der Minderheitenpolitik. Rückschläge wird es immer geben; die Landtagsdebatte zum Thema Sprachencharta war einer. Aber nach der letzten Beratung im Europaausschuss bin ich zuversichtlich, dass wir dazu einen interfraktionellen Antrag werden formulieren können.
Dennoch werden wir die Landesregierung an den Aussagen der Ministerpräsidentin messen. Minderheitenpolitik darf nicht zur Schönwetterpolitk verkommen. Alle Formulierungen zum Schutz der Minderheiten sind nur so gut, wie sie sich auch im alltäglichen Leben bewähren oder verwirklichen lassen. Für uns geht es deshalb immer in erster Linie darum, dass diese Zielsetzungen mit Leben erfüllt werden.
Bei den Beratungen zum Haushalt 2001 werden wir uns mit aller Kraft dafür einsetzen, dass die angepeilten Kürzungen bei den Organisationen der Minderheiten zurückgenommen werden. Weiterhin sind wir uns bewusst, dass wir, realistisch betrachtet, bei einer ganzen Reihe von Kollegen - neu gewählte in den holsteinischen Wahlkreisen - erst noch Überzeugungsarbeit leisten müssen. Vor diesem Hintergrund möchte ich mich bei dem Kollegen Hay ganz ausdrücklich für seine Rede von heute Morgen bedanken.
Ich möchte gern feststellen, dass er der Einzige war, der den Bereich der Minderheitenpolitik aufgegriffen hat. Er hat ihn ausführlich behandelt und die Perspektiven aufgezeigt.
Ausdrücklich möchte ich erwähnen, dass durch diesen Redebeitrag deutlich wurde, dass Minderheitenpolitik in Schleswig-Holstein nichts Exotisches, sondern ein wesentliches Merkmal unseres Gemeinwesens ist.
Gerade darum möchte ich noch einmal auf die besondere Problematik aufmerksam machen, die von den Sparvorschlägen der Landesregierung im Minderheitenbereich ausgeht.
Im Frühjahr dieses Jahres - der Kollege Hay sprach auch dies schon an - hat die dänische Regierung eine Analyse erstellt, die zeigt, dass Dänemark den größten finanziellen Anteil sowohl für die deutsche Minderheit als auch für die dänische Minderheit trägt. Das Verhältnis beträgt ungefähr 60 : 40. Auch wenn Finanzminister Möller in der Presse - in „Flensborg Avis“, um es genau zu sagen - dazu gesagt hat, er kenne diese Zahlen nicht, so können ihn diese Zahlen kaum überrascht haben. Denn diese Entwicklung ist seit Jahren bekannt.
Die Kürzungen der Landesregierung bei der dänischen Minderheit sind ein ganz schlechtes Signal, weil dadurch die finanzielle Schieflage im Grenzland weiter wachsen wird. Dass die Kürzungen nicht - wie angekündigt - zwischen 2,5 % und 5 %, sondern bei 13 % liegen, hat die Lage nicht besser gemacht. Vor dem Hintergrund der fehlenden finanziellen Gleichstellung - beispielsweise bei der Finanzierung der Schülerbeförderung - haben die Pläne der Landesregierung natürlich für negative Schlagzeilen auf beiden Seiten der Grenze gesorgt. Gleichzeitig müssen wir zum wiederholten Mal darauf aufmerksam machen, dass wir als Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, als Steuer
zahler dieses Landes auch davon betroffen sind, wenn ansonsten in Schleswig-Holstein gespart werden muss. Dies gilt insbesondere, wenn auch die Kommunen betroffen sind; denn bekanntlich sind die Zuschüsse für die Minderheiten in den kommunalen Haushalten immer noch freiwillige Leistungen.
Für den SSW wird es deshalb eine der wichtigsten Aufgaben sein, immer wieder darauf hinzuweisen, dass Dänisch und Friesisch gleichberechtigt zu unserem Land gehören. Wir werden darauf drängen, dass dies in der täglichen Politik der Landesregierung sichtbar wird. Wir wollen nicht, dass wir uns weiterhin von den Zielen entfernen, von denen wir manchmal glaubten, dass sie schon fast erreicht seien. Wir brauchen deshalb Perspektiven in der Minderheitenpolitik und wir erwarten deutliche Signale der Landesregierung, wie sie das Ziel der Gleichstellung der Minderheiten mit uns erreichen will.
Neben den Kürzungen bei den Kommunen und in der Minderheitenpolitik sieht der SSW insbesondere Probleme bei den Sparvorschlägen des Sozialministeriums, wonach Förderprogramme in Höhe von 17,9 Millionen DM im sozialen Bereich und in der Jugendhilfe gekürzt werden sollen. Wir können der Landesregierung nur raten aufzupassen, dass der Haushalt keine soziale Schieflage bekommt.
Oder anders formuliert: Trotz der schlechten Finanzlage des Landes ist es für den SSW nicht nachvollziehbar, warum gerade eine sozialdemokratisch geführte Landesregierung solche schweren Eingriffe im Sozialbereich vornimmt. Die Landesregierung darf aus unserer Sicht nicht vergessen, dass sie die Landtagswahl nicht zuletzt gewonnen hat, weil viele Wählerinnen und Wähler das Thema soziale Gerechtigkeit bei der Regierungskoalition besser aufgehoben sahen als bei CDU und F.D.P.
Was bringt es, wenn man in Resolutionen gegen Rechts über die herausragende Bedeutung der Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen spricht, wenn aber gleichzeitig die Fördermittel für die Demokratiekampagne gekürzt werden?
Man will junge Menschen daran hindern abzugleiten und gibt nichts für neue Wege in der Jugendstraffälligenhilfe aus!
Man spricht über die Bedeutung der Kinder - und Jugendhilfe und will gleichzeitig die Mittel für Jugendbildung und Modellvorhaben drastisch zusammenstreichen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es mag ja sein, dass einige Programme zusammengeführt werden können, aber ich vermisse ein Konzept. Ich vermisse, dass man weiß, woran man ist.
Gleichzeitig möchte ich darauf hinweisen, dass diese Bereiche ohnehin seit Jahren mit dem Status quo auskommen müssen, obwohl die Personalausgaben stetig steigen. So geht das nicht!