Protocol of the Session on September 19, 2019

Die Landwirte dürfen mittlerweile mit gutem Recht fragen: Wo bleibt die Soziale Marktwirtschaft für uns? Die Landwirtschaft hängt im Moment am Prinzip Hoffnung. Ob diese Hoffnungen sich erfüllen werden, ist mehr als fraglich.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie sollten sich nicht auf Bloch berufen, als Rechter!)

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall der AfD)

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, freue ich mich, dass wir weitere Gäste bei uns im Landtag begrüßen dürfen. Dies sind Bürgerinnen und Bürger aus dem Wahlkreis 42 Neustadt an der Weinstraße. Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Andreas Hartenfels.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal bin ich froh, dass wir das Thema nach einem guten halben Jahr noch einmal auf die Tagesordnung gesetzt haben. Danke dafür noch einmal an die FDP; denn es ist ein wichtiges Thema, das viele Millionen Bürgerinnen und Bürger in unserem Land beschäftigt.

Wie schaffen wir es, mehr Tierwohl in unseren Ställen zu realisieren? Wie können wir die Landwirtschaft dabei unterstützen, damit sie die Schritte in diese Richtung macht und dabei Unterstützung findet, und wie können wir gleichzeitig die Schnittmenge zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern herstellen, damit sie das über den Kaufpreis ein Stück weit unterstützen können?

Darum geht es, und ich will die Debatte wieder ein Stück weit darauf zurückführen, nachdem wir gehört haben, dass wir eine Bundesministerin haben, auf die wir stolz sein sollen. Herr Licht, Sie haben dann lang und breit erklärt, wo die Schwierigkeiten liegen und dass das alles nicht so einfach ist.

(Abg. Alexander Licht, CDU: Ja!)

Sie haben damit auch ein bisschen entschuldigt, dass das Ergebnis vielleicht nicht so wünschenswert ist, wie man sich das vielleicht wünschen sollte.

(Zuruf des Abg. Alexander Licht, CDU)

Nichtsdestotrotz möchte ich uns alle einfach noch einmal daran erinnern, worüber wir konkret reden, wenn es um den Begriff „Tierwohl“ geht. Wenn man die Einstiegsstufe des Tierwohllabels heranzieht, müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher, die zukünftig an der Theke stehen und sich auf ein Label verlassen wollen, zur Kenntnis nehmen, dass diese Eingangsstufe für ein 110 kg schweres Mastschwein bedeutet, dass es statt 0,75 m2 zukünftig 0,9 m2 Platz hat. Das wird dann als Tierwohl verkauft.

Herr Licht, man muss ehrlich und offen darüber reden, ob das die Verbesserung ist, die sich die Verbraucherinnen und Verbraucher wünschen, und wir dadurch einen Systemwechsel in der Landwirtschaft erreichen, weg von den Agrarfabriken, sage ich einmal, die wir nicht in RheinlandPfalz, aber in Deutschland haben.

Es ist leider in der Tat nach wie vor so,

(Unruhe bei der SPD – Glocke der Präsidentin)

und das hat das Tierwohllabel von Frau Klöckner noch einmal gezeigt, dass Frau Klöckner zwar in jede Kamera lächelt, die sie vorfindet, die Inhalte aber schuldig bleibt. Vor allem die Inhalte, ein vernünftiges Label vorzulegen, statt eines Alibilabels.

(Unruhe im Hause – Glocke der Präsidentin)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Geräuschpegel ist extrem hoch. Bitte senken Sie den ab.

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Dass wir kein Alibilabel bekommen, sondern dass wir endlich aufhören, die schützende Hand über diese Tierfabriken zu legen und es hinbekommen, uns über Lösungen Gedanken zu machen, das ist die Forderung von vielen Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land.

Herr Licht, es gibt gute Vorbilder. Insofern ist es nicht schwierig, sondern eigentlich haben wir schon Lösungen entwickelt. Diese möchte ich aus grüner Sicht noch einmal benennen.

Erstens: Wir brauchen ein verbindliches Label. Wir haben bei der Eierkennzeichnung ein solches verbindliches Label entwickelt. Das wurde von den Verbraucherinnen und Verbrauchern sehr gut angenommen. Die Kategorien gehen dort von 0 bis 3. Wir als Grüne haben immer gesagt, kein Ei mit einer 3. Die 3 stand für das Käfigei. Dieses Käfigei ist in diesem Segment verschwunden, weil die Verbraucherinnen und Verbraucher gesagt haben, das wollen wir nicht mehr haben. Wir entscheiden uns für die anderen Angebote.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei SPD und FDP – Abg. Johannes Zehfuß, CDU: Aus Deutschland!)

Das ist genau die Entwicklung, die es zu unterstützen gilt. Herr Licht, das ist nicht schwierig, sondern das ist eine Möglichkeit.

Zweitens brauchen wir ein einfaches Label. Auch das haben wir bei der Eierkennzeichnung hinbekommen: Ein einfaches Label, das übersichtlich ist und bei dem die Verbraucherinnen und Verbraucher sofort verstehen, was hinter den einzelnen Nummern steht.

Frau Klöckner hat sich leider ein System überlegt, bei dem die Verbraucherinnen und Verbraucher kaum in dem Dschungel erkennen können, wo jetzt wirklich die Verbesserungen liegen, was dort alles in den Blick genommen wird und wo wir wirklich die nächsten Schritte zu mehr Tierwohl hinbekommen. Das wäre die zweite Anforderung gewesen. Auch wenn alles so schwierig ist, haben wir die Vorbilder. Es ist uns in einem anderen Segment schon gelungen.

Drittens müsste die Gesellschaft noch über etwas anderes reden, und da wären wir viel schneller bei Erfolgen im Sinne des Tierwohls, weil das Tierwohllabel immer nur ein Schritt in einem Gesamtpaket sein kann: Wir müssten natürlich über Mindeststandards im Tierschutzbereich reden. Die Mindeststandards, die wir haben – ich habe

das Beispiel im Schweinebereich genommen –, sind Mindeststandards, die in der Regel leider dem Tierwohl nicht entsprechen, so wie sich die Bürgerinnen und Bürger das vorstellen.

Deshalb müssen wir auch über die Mindeststandards reden. Wenn wir darüber reden, dann müssen wir auch in der Politik bereit sein, Geld in die Hand zu nehmen, damit die Landwirte, die sich bisher auf dieses System verlassen haben, so wie sie produzieren, die Möglichkeit bekommen, mit öffentlichen Mitteln ihr System umzustellen. Das ist nicht vom Himmel gefallen; diese Entwicklung ist jahrzehntelang so gewollt worden.

Herr Licht, insofern brauchen wir eine gesellschaftliche Debatte darüber, ob diese Gesellschaft bereit ist, wenn sie sagt, wir wollen mehr Tierwohl, dieses Tierwohl dann auch zu definieren und der Landwirtschaft für die Umbaumaßnahmen das nötige Kleingeld oder auch „Großgeld“ in die Hand zu geben.

Das sind die Anforderungen, und das sind die Leitlinien, an denen sich eine Landwirtschaftsministerin orientieren müsste, statt ein Label zu produzieren, das die Glaubwürdigkeit der Politik wieder infrage stellt und vor allem nicht zielgerichtet zu mehr Tierwohl in den Ställen führen würde.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Das ist der Punkt!)

Darüber sollten wir heute eigentlich reden. Das ist der Knackpunkt. Ich muss sagen, da bin ich auf unsere Agrarministerin nicht stolz, sondern ganz im Gegenteil: Sie hat gekniffen, und sie hat sich weggeduckt,

(Abg. Martin Haller, SPD: Schämt sich!)

weil sie weiterhin schützend die Hand über diese Tierfabriken hält.

(Glocke der Präsidentin)

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Für die Landesregierung spricht Staatsminister Dr. Wissing.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Tierwohl wird in unserer Gesellschaft sehr ernst genommen. Die Menschen interessieren sich dafür, wie Tiere gehalten werden. Es ist den Menschen nicht egal. Sie wollen, dass wir unsere Wertvorstellungen leben und in unseren Ställen nichts versteckt wird. Sie wollen auch wissen, woher das Fleisch stammt und wie die Tiere gehalten werden. Deswegen ist das ein gutes Zeichen. Die Bürgerinnen und Bürger wollen Transparenz. Sie sind auch bereit, für tierfreundlichere Haltung einen höheren Preis zu zahlen.

Das ist ein gutes Zeichen; denn Tierschutz ist etwas, was nicht nur den Verbraucherinnen und Verbrauchern, sondern auch den Landwirtinnen und Landwirten am Herzen liegt. Dieses Thema kann man nicht mit einer symbolischen Handlung abarbeiten, sondern man muss wirklich konkret werden und einen Beitrag leisten, damit wir wirklich vorankommen.

Das Bundeskabinett hat ein Tierwohlkennzeichengesetz beschlossen. Das klingt erst einmal gut, aber statt eine verbindliche Regelung zu schaffen, setzt die Bundesregierung auf eine freiwillige Kennzeichnung, die es bereits gibt, weil sie die Wirtschaft schon eingeführt hat. Daraus kann man nur den traurigen Schluss ziehen, die Bundesregierung hinkt bei einer Frage, die der Gesellschaft am Herzen liegt, offensichtlich der Wirtschaft hinterher. Sie hinkt beim Tierwohl hinterher.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die zweite Frage, die man sich stellen muss: Kann es eigentlich Marktwirtschaft ohne Transparenz geben? – Die Antwort ist nein. Wenn ich marktwirtschaftlich denke, dann frage ich mich, weshalb ich dann die Schaffung von Transparenz in die freiwillige Entscheidung der Wirtschaftsakteure lege.

(Abg. Alexander Licht, CDU: Weil das transparent ist!)

Das halte ich für geradezu grotesk. Deshalb ist für mich die Verbindlichkeit einer Tierwohlkennzeichnung nicht nur eine Frage des Tierschutzes, sondern es ist für mich auch eine Frage der Schaffung marktwirtschaftlicher Strukturen;

(Zuruf des Abg. Alexander Licht, CDU)

denn der Verbraucher kann sich nur dann marktgerecht verhalten, wenn er auch weiß, wie das Tier gehalten worden ist, dessen Fleisch er in der Fleischtheke sieht.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Johannes Zehfuß, CDU)