Protocol of the Session on August 23, 2019

Wir haben gefragt: „Welche wissenschaftliche Untersuchung legt nahe, dass es einen schädlichen Einfluss auf die Rechtschreibung hat, wenn Schüler von Anfang an auf ihre Fehler hingewiesen werden?“ Die Antwort: „Der Landesregierung ist keine wissenschaftliche Untersuchung bekannt, die das nahelegt.“ Da fragt man sich: Warum gehen wir diesen Weg?

Trotzdem hat sie ohne Not ein bewährtes System beschädigt, hat mit Schreiben nach Gehör und der Anlauttabelle munter drauflosexperimentiert. Es ist allerhöchste Zeit, dieses Experiment, das keinen Mehrwert gebracht hat, zu beenden.

(Beifall bei der AfD)

Schreiben nach Gehör muss aus unseren Grundschulen verschwinden, und zwar auch in den verschiedenen Mischvarianten.

Um künftig besser beim IQB-Bildungstrend abzuschneiden, hat sich die Landesregierung einen besonders tollen Trick ausgedacht. Ich zitiere aus der Antwort auf Frage 4: „Ebenfalls seit diesem Schuljahr steht den Schulen ein Aufgabenpool in Deutsch und Mathematik zur Verfügung, der sich in seinen Aufgabenformaten an den IQB-Aufgaben, wie sie im Bildungstrend 2016 verwendet wurden, orientiert.“

Statt also wieder für mehr Niveau an den Schulen zu sorgen, sollen die Schüler besser an die Aufgabenformate herangeführt werden. Ein durchsichtiges Manöver. Eine Mogelpackung. Das ist eigentlich Selbstbetrug.

Noch besser aber ist die „Antwort“ auf Frage 8, mit der wir wissen wollten, welche Gründe gegen eine Wiedereinführung der Diktatpflicht sprechen würden. Ich zitiere meine beiden Lieblingssätze aus der Antwort: „Leistungsnachweise (...) tragen weder zur Verbesserung noch zur Verschlechterung von Lernleistungen bei; sie messen diese. Entscheidend für den Lernerfolg ist daher nicht eine möglichst hohe Anzahl von Leistungsnachweisen, sondern eine möglichst effektive Übungsphase davor.“

Wenn man das Schülern vorliest, erntet man Kopfschütteln. Abgesehen davon, dass es wohl einen Zusammenhang zwischen der Abschaffung der Diktatpflicht und der Verschlechterung der Rechtschreibleistung gibt, ist doch klar, dass eine Kuschelpädagogik nicht zum Erfolg führt. Ohne häufige Leistungsnachweise wird eben nicht kontinuierlich gelernt. Das können Ihnen jeder Schüler und die Lehrer, die sich in der Praxis bewähren müssen, sagen.

Gerade bei der Rechtschreibung ist Folgendes fundamental: Üben, üben, üben. Aber eben auch: Prüfen, prüfen, prüfen.

(Beifall bei der AfD)

Regelmäßige Diktate sind daher sinnvoll. Bei den Gründen für das schlechte Abschneiden verweist die Landesregierung auf die Autoren der IQB-Studie. Sie hätten die zunehmende Heterogenität – unsere Kritik daran haben Sie gestern im Grunde genommen abgewiesen –, bedingt durch Zuwanderung und Inklusion, als wesentlich ausgemacht. Damit ist doch klar, dass es eine Heterogenität gibt, die die Politik mitunter zu verantworten hat.

(Heiterkeit des Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unsere Forderungen sind daher klar: Inklusion mit Augenmaß und nicht um jeden Preis. Integration in den Regelunterricht nur bei ausreichenden Deutschkenntnissen. Abschaffung von Schreiben nach Gehör. Wiedereinführung der Diktatpflicht. Überfrachtung der Grundschulen beenden. Volle Konzentration auf Lesen, Schreiben und Rechnen. Deshalb: Abschaffung des Englischunterrichts an den Grundschulen. Keine Frühdigitalisierung an den

Grundschulen, die diese Konzentration stört und beeinträchtigt und den Lernerfolg verhindert.

Festlegung der Verwendung der Schreibschrift von Anfang an. Das sind Maßnahmen, die wir als AfD fordern und die meines Erachtens dazu geeignet sind, eine Trendwende einzuleiten.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Für die Koalitionsfraktionen spricht die Abgeordnete Helga Lerch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich halte fest, dass mein Vorredner davon spricht, dass die Landesregierung Tricks anwendet, die Bildungspolitik eine Mogelpackung sei und ein durchsichtiges Manöver praktiziert würde. Ich halte ferner fest, dass zum wiederholten Male Themen hier auf den Tisch gelegt wurden, mit denen wir uns in diesem Plenum schon zigmal beschäftigt haben und zu denen wir Ihnen schon zigmal die Antwort gegeben haben, dass Variantenreichtum in der Grundschule letztendlich auch eine Frage des pädagogischen Einfühlungsvermögens und der Kompetenz der Lehrer ist. Es kommt mir bald an den Ohren heraus, dass Sie Schreiben nach Gehör schon wieder thematisieren.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihre große Anfrage bezieht sich nicht nur, wie die Überschrift suggeriert, auf die Rechtschreibung, sondern bezieht Fragestellungen, den Fremdsprachenunterricht in der Grundschule betreffend, sowie Fragen der Digitalisierung ein.

Ich möchte zunächst auf Aspekte der Rechtschreibung eingehen. In der IQB-Studie aus dem Jahr 2016, die von der AfD als Orientierungsmaßstab herangezogen wird, liegt Rheinland-Pfalz im Ländervergleich im Mittelfeld. Die Ursachen für diese Positionierung sind hinreichend bekannt und auch im Bildungsausschuss mehrfach thematisiert worden. Wir hatten im Jahr 2016 viele Neuzugänge aus dem Primarbereich von Kindern, die neu nach RheinlandPfalz kamen. Viele dieser Kinder konnten die deutsche Sprache nicht, sodass Förderbedarf bestand und auch noch besteht. Auch das haben wir gestern im Plenum diskutiert.

Auch die freie Entscheidung der Eltern, ihr Kind mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf nicht an einer Förderschule, sondern an einer Regelschule anzumelden, hat dazu beigetragen, dass sich die Zusammensetzung der Schülerschaft geändert hat.

Meine Damen und Herren, in Rheinland-Pfalz wird ein besonderer Schwerpunkt auf die Lesefähigkeit gesetzt.

Das hat naturgemäß Auswirkungen auf die Schreibfähigkeit. In der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage werden zahlreiche Programme aufgelistet, die in den Schulen zur Verbesserung der Schreibfähigkeit der Schülerinnen und Schüler Anwendung finden. Ich verzichte darauf, diese alle noch einmal aufzuzählen.

Bezüglich des verbindlichen Grundwortschatzes halten wir es für angebracht, sich in einem Rahmen von 700 bis 800 Wörtern zu bewegen; denn es gibt klare Kriterien, welche Wörter für die Grundschule als Modellwörter herangezogen werden sollten.

Bezüglich der angesprochenen Diktate gilt wie bei allen Lernphänomen das Üben. Die Übungsphase ist von ganz entscheidender Bedeutung, und das Diktat zeigt dem Kind seinen Lernstand an.

Bei der Digitalisierung wird in der Tat Schreiben in Symbolen – jetzt spreche ich nicht von der Schule, sondern ich spreche vom Privatbereich der Kinder –, zum Teil ohne Beachtung von Rechtschreibregeln, zu einer Herausforderung für die Schulen und insbesondere dann natürlich für die Grundschulen. Deshalb ist dem Schreiben mit der Hand, dem Einüben einer flüssigen Handschrift, große Priorität einzuräumen. Im Januar-Plenum haben wir auch darüber ausführlich diskutiert, sodass die heute vorgebrachten Argumente wirklich nicht mehr neu sind. Auch hier heißt es, Variantenreichtum in der Grundschule in der Verantwortung der Lehrerinnen und Lehrer.

Ich komme nun zum Fremdsprachenlernen in der Grundschule. Hier spielt in einigen Teilen unseres Landes die Nähe zum Nachbarland Frankreich eine Rolle. In anderen Teilen des Landes wird Englisch an den Grundschulen gelehrt. Dabei ist der Lernstand am Ende der 4. Klasse von Schule zu Schule unterschiedlich. Das hängt mit der Zahl der zu erteilenden Stunden zusammen, aber natürlich auch mit der Qualität des Unterrichts in Verbindung mit der fachlichen Qualifikation der Lehrkraft.

Deshalb beginnen alle weiterführenden Schulen quasi bei null. Ich war Englischlehrerin. Meine Kolleginnen und Kollegen von anderen Schulen haben immer wieder bei null angefangen, um allen Kindern die gleichen Startbedingungen zu geben. Gefördert wird dabei auf jeden Fall in der Grundschule die Neugier des Kinds auf eine Fremdsprache und die Freude, erste Begriffe und Redewendungen umzusetzen. Ob es Auswirkungen auf die Rechtschreibfähigkeit in der deutschen Sprache gibt, ist nicht belegt.

(Glocke der Präsidentin)

So weit die Ausführungen der Koalition.

Vielen Dank.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für eine Kurzintervention erteile ich dem Abgeordneten Paul das Wort.

Sehr verehrtes Präsidium! Liebe Kollegin Lerch, ich habe mich natürlich an Ihrer Maxime üben, üben, üben orientiert, und Wiederholung ist ein Mittel der Pädagogik. Das habe ich beherzigt. Ich weiß nicht, was daran auszusetzen ist.

In der IQB-Studie, die Sie noch einmal im Zusammenhang mit Einwanderungsphänomen erwähnt haben, waren die Kinder von Asylbewerbern noch gar nicht enthalten. Ich stelle deshalb fest: Hier haben wir es mit einem hausgemachten Irrweg in der Bildungspolitik zu tun, der durch diese Phänomene nicht weiter beeinträchtigt oder verschärft wird. Das sollte uns stutzig machen. Das zeigt, dass hier über lange Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte etwas falsch gelaufen ist.

Sie haben viele Programme erwähnt. Wir werden der Sache nachgehen, ob das Programme sind, die sich vorwiegend in Hochglanzbroschüren niederschlagen, oder ob die tatsächlich Teil der Realität des Schulalltags sind, die viele Kollegen zu vergegenwärtigen haben. Ich setze da einmal ein Fragezeichen. Wir werden die Sache nachprüfen. Das ist schließlich unsere Aufgabe.

Beim Diktat handelt es sich im Übrigen gerade bei dieser Form nicht nur um eine Leistungsfeststellung, sondern das Diktat schult auch Hörverstehen und Konzentrationsfähigkeit. Es gehört deshalb zur Königsklasse der Leistungsnachweise, weil eine Klasse sich ganz anders in ein Diktat hineinversetzen kann, als wenn ich einen Lückentext ausfüllen lasse. Es ist meines Erachtens ein großer Mangel, dass wir diesem Diktat nicht eine volle Wertschätzung zugute kommen lassen. Das ist mehr als nur eine schnöde Leistungsüberprüfung, weil es schult eine Menge anderer Dinge mehr.

(Beifall bei der AfD)

Der Philologenverband hat ganz klar die Forderung erhoben, dass in der Grundschule der Fremdsprachenunterricht abgeschafft werden soll. Warum? Weil die Ergebnisse in keinem Zusammenhang mit dem Aufwand stehen und die Lehrer dafür nicht ausgebildet sind. Wir brauchen in der Grundschule keinen Fremdsprachenunterricht, wir brauchen keine Tablets, sondern wir brauchen die volle Konzentration auf die Grundfertigkeiten, damit wir an den weiterführenden Schulen nicht vor Probleme gestellt werden.

(Beifall der AfD)

Wird eine Erwiderung gewünscht?

(Abg. Helga Lerch, FDP: Nein!)

Danke. – Für die CDU-Fraktion spricht dann die Abgeordnete Anke Beilstein.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits im Oktober 2017 hat die CDU-Fraktion das schlechte Ab

schneiden von Rheinland-Pfalz im IQB-Bildungstrend zur Aussprache gebracht. Auf unsere Initiative hin und in Übereinstimmung mit allen Fraktionen fand am 18. Januar 2018 eine Anhörung im Bildungsausschuss statt. In regelmäßigen Anträgen unterschiedlicher Art machen wir deutlich, dass wir es nicht dabei belassen werden, das Ergebnis nur so zur Kenntnis zu nehmen.

(Beifall der CDU)

Die Antworten der Bildungsministerin auf die in Rede stehende Große Anfrage machen deutlich, dass wir noch immer dicke Bretter zu bohren haben, wenn wir sicht- und messbare Verbesserungen erreichen wollen.

„Ratlos in Klassenzimmer“ lautete im Herbst 2017 eine Überschrift in der AZ Mainz. „Ratlos im Ministerium“ scheint mir eine passende Situationsbeschreibung Stand heute zu sein.

(Beifall der CDU und bei der AfD)