und sollten uns vom EU-Zentralstaatsmonster verabschieden. Darum geht es, und nicht um die Marktfreiheiten.
Herr Abgeordneter Joa, das Wort „geifern“ gehört nicht zu unserem parlamentarischen Sprachgebrauch. Ich bitte Sie, das bei Ihrer nächsten Rede zu berücksichtigen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Christine Schneider, vielen Dank für die Ausführungen in Richtung AfD. In dem Bereich ist schon alles gesagt worden.
Ich möchte Wert darauf legen, wenn wir über eine Weiterentwicklung der Europäischen Union, und zwar eine Weiterentwicklung auf einem sehr hohen Niveau, das wir in Europa schon erreicht haben, reden, drei Punkte noch einmal kurz anzusprechen. Das eine ist natürlich, dass wir bei der Steuergesetzgebung noch Hausaufgaben im Bereich der Europäischen Union zu machen haben. Es gilt vor allem, die Steuerschlupflöcher zu schließen, die sich immer noch ergeben, insbesondere für die großen Handelsriesen in Europa, die es schaffen, zwar auf der einen Seite sehr viel Geld mit Europa zu verdienen, aber gleichzeitig sehr genau schauen, in welchem europäischen Land sie das zu versteuern haben. Insofern stehen wir Grüne dafür, dass wir eine länderspezifische Steuertransparenz haben und gerade in dem Bereich unter dem Stichwort Digitalsteuer einen Schritt weiterkommen.
Es kann nicht sein, dass wir auf der einen Seite den Faktor Arbeit sehr stark in der Steuergesetzgebung belasten, sich aber auf der anderen Seite immer mehr große Konzerne aus ihrer Verantwortung herausziehen können, ihren Steuerbeitrag zu leisten auch bezogen auf das, was wir als Gemeinwohlförderung mit diesen Steuermitteln machen wollen.
(Abg. Dr. Timo Böhme, AfD: Dass es Steuerschlupflöcher zum Beispiel in den Niederlanden gibt, ist europäische Realität!)
Ein zweiter Punkt, der uns neben dem Schließen von Steuerschlupflöchern wichtig ist, ist natürlich – dieser Punkt wurde von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern schon angesprochen –, dass wir uns im Bereich der Sozialgesetzgebung und des Arbeitsrechts noch weiterentwickeln müssen im Sinne einer Angleichung für Europa. Wir brauchen einheitliche Sozialstandards für Europa. Ich glaube, in dem Bereich ist noch viel Luft nach oben.
Wir brauchen einen einheitlichen Mindestlohn, zu dem wir uns hinbewegen müssen, damit wir uns auch hier auf Augenhöhe begegnen können. Ich glaube, auch in dem Punkt muss die Europäische Union noch Hausaufgaben machen. Das ist für uns Grüne ganz wichtig.
Ich möchte einen letzten Punkt zum Schluss ansprechen, der bei den Grünen natürlich nicht fehlen darf. Ich freue mich, dass der Klimaschutz und seine Bedeutung für Europa auch bei den anderen angekommen ist. Wir wollen – das geht in Europa nur gemeinsam – den Klimaschutz voranbringen. Wir wollen die Pariser Klimaschutzziele erreichen,
nicht nur wegen des Klimaschutzes – dies ist mein letzter Satz –, sondern natürlich auch, weil es Unsinn wäre, so viel Wertschöpfung liegen zu lassen. Allein in RheinlandPfalz leisten wir uns den Luxus, 3,5 Milliarden Euro für die fossilen Brennstoffe auszugeben und sie außer Landes zu tragen. Das muss nicht sein. Das können wir als Wertschöpfung bei uns realisieren.
Wer diesem Wahlvorschlag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön. Das war einstimmig. Ich gratuliere dem Abgeordneten Wagner zur Wahl.
Landesgesetz zur Änderung des Landesgesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 17/8657 – Zweite Beratung
Gemäß der Absprache im Ältestenrat behandeln wir diesen Tagesordnungspunkt ohne Aussprache. Ich darf Sie kurz über das bisherige Aussschussverfahren informieren.
Die erste Plenarberatung fand in der 77. Sitzung am 27. März 2019 statt. Dort fand eine Aussprache statt. Der Gesetzentwurf wurde an den Sozialpolitischen Ausschuss – federführend – und an den Rechtsausschuss – mitberatend – überwiesen. Die Ausschussempfehlung lautet auf unveränderte Annahme.
Wir kommen deshalb zur unmittelbaren Abstimmung über den Gesetzentwurf – Drucksache 17/8657 – in zweiter Beratung. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön. Das ist einstimmig der Fall. Für Enthaltungen und Gegenstimmen ist kein Raum.
Wer dem Gesetzentwurf in der Schlussabstimmung zustimmen möchte, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben! – Danke schön. Damit ist das Gesetz in der Schlussabstimmung einstimmig angenommen worden.
... tes Landesgesetz zur Änderung der Gemeindeordnung Gesetzentwurf der Fraktion der AfD – Drucksache 17/8669 – Zweite Beratung
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist noch nicht lange her, da propagierten alle Parteien das Leitbild vom mündigen Bürger: kein braver Untertan, der dankbar und demütig akzeptiert, was kluge Regierungen beschließen, vielmehr ein Staatsbürger, Souverän einer demokratischen Gesellschaft, die jedem zutraut, vernunftgeleitet und verantwortungsbewusst über das zu entscheiden, was alle betrifft. Gut informiert sollte dieser Bürger sein, politisch interessiert und gebildet, damit die Herrschaft des Volkes nicht nur dem Willen der Mehrheit, sondern auch dem Guten und dem Wohl der Allgemeinheit diene.
Betrachtet man die Debatte über den von uns vorgelegten Gesetzentwurf zur Erweiterung direktdemokratischer Mit
bestimmung, dann gewinnt man den Eindruck, diese Zeiten seien zumindest in Rheinland-Pfalz vorbei. Während man es andernorts längst den Bürgern selbst überlässt – sofern gewollt –, auch in Fragen der Bauleitplanung über Grundsätzliches zu entscheiden, verweigert man ihnen hier eben dieses Recht. Und das, obwohl die EnqueteKommission „Aktive Bürgerbeteiligung für eine starke Demokratie“ schon im Jahr 2014 in ihrem Abschlussbericht ausdrücklich vorgeschlagen hat, die Einleitung eines Bauleitverfahrens aus dem Negativkatalog für Bürgerbegehren herauszunehmen. SPD und Grüne haben dem damals ausdrücklich zugestimmt. Auch im abweichenden Votum der CDU findet sich kein Widerspruch gegen diesen Vorschlag.
Dementsprechend verwundert es nicht, dass die im Rahmen der Debatte vorgetragenen Einwände gegen unseren Gesetzentwurf mehr als dürftig waren. Die Ampelfraktionen haben lediglich auf andere, bereits umgesetzte Maßnahmen zur Stärkung direkter Demokratie verwiesen und festgestellt, man müsse zunächst einmal die Auswirkungen dieser Reformen abwarten, bevor Weiteres auf den Weg gebracht werde.
Das Erste entspricht der Ausrede eines ertappten Schülers, der auf die Frage des Lehrers nach seinen fehlenden Hausaufgaben treuherzig beteuert, er habe ja für andere Fächer durchaus gelernt.
Als Argument für eine ernsthafte politische Debatte taugt so etwas natürlich nicht. Und auch der zweite Einwand ist in Wahrheit keiner; denn die bisherigen Erfahrungen mit der direkten Demokratie sind in Rheinland-Pfalz genauso positiv wie in anderen Bundesländern.
So hat es in Baden-Württemberg nach der Öffnung der Bürgerentscheide für die Bauleitplanung im Jahr 2015 keine inflationäre Zunahme solcher Verfahren gegeben. Und auch in Rheinland-Pfalz hat die Erweiterung direktdemokratischer Mitbestimmung im Anschluss an die EnqueteKommission keineswegs dazu geführt, dass die Kommunen mit einer Flut von Begehren aufmüpfiger Bürger überschüttet und damit die Rechte der gewählten Mandatsträger grundsätzlich ausgehebelt worden wären.
Im Gegenteil: Wie eine Kleine Anfrage meiner Fraktion ergab, hat sich die Zahl der Bürgerbegehren nur unwesentlich erhöht, und nicht wenige von ihnen sind abschlägig beschieden worden. Manche sind bereits an den vorgegebenen Quoren gescheitert, nicht selten wurde auch die Position der Räte gestützt. Mit anderen Worten: Unsere Bürger wissen es zu schätzen, dass sie nicht nur gehört werden, sondern zumindest gelegentlich auch selbst entscheiden können. Und sie gehen ausgesprochen verantwortungsbewusst mit dieser Möglichkeit um, ganz so, wie es dem Bild des mündigen Bürgers entspricht.
Auch die Bedenken der CDU-Fraktion lassen sich mit Fakten entkräften. Es gibt nun einmal keinen Mangel an Repräsentativität bei Bürgerbegehren. Im Gegenteil: Die Beteiligung ist außerordentlich hoch. In mehr als zwei Drittel aller Fälle liegt sie über 50 %, bei einem knappen Drittel sogar über 75 %. Auch bei den Kommunalwahlen in den
Selbst beim Bürgerentscheid über das weltbewegende Thema einer Tankstelle im Trierer Alleenbereich haben sich mehr Bürger für deren Erhalt ausgesprochen als wenige Monate zuvor bei der Wahl des neuen Oberbürgermeisters für den Sieger gestimmt hatten. Nimmt man also die Repräsentativität als Kriterium für die Qualität einer demokratischen Entscheidung, dann ist die Legitimation des Trierer Oberbürgermeisters geringer als die der AralTankstelle in der Ostallee.
Meine Damen und Herren, direkte und repräsentative Demokratie sind kein Gegensatz, sondern sie ergänzen sich. Die Sorge, mehr Mitbestimmung der Bürger könnte der politischen Stabilität schaden, ist nicht nur unberechtigt, wie das Beispiel der Schweiz eindrucksvoll zeigt. Sie zeugt auch von einem fragwürdigen Menschenbild. Wenn der Präsident dieses Landtags glaubt, in einem SWR-Interview davor warnen zu müssen, mehr direkte Demokratie würde angesichts komplexer Sachfragen den Populisten in die Hände spielen,