Protocol of the Session on March 28, 2019

(Beifall im Hause)

Außerdem darf ich herzlich den Senioren-Kaffee-Club Gensingen willkommen heißen, der durch das Programm „Zukunftsstadt 2030“, Leben im Alter, gegründet wurde. Auch Ihnen ein herzliches Willkommen bei uns im Landtag!

(Beifall im Hause)

Ich rufe nun Punkt 14 der Tagesordnung auf:

Sechster Opferschutzbericht der Landesregierung Besprechung des Berichts der Landesregierung (Drucksache 17/8001) auf Antrag der Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/8577 –

Ich erteile dem Abgeordneten Sippel für die Fraktion der SPD das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der sechste Opferschutzbericht der Landesregierung zeigt erneut, dass Opferschutz in Rheinland-Pfalz einen besonders hohen Stellenwert hat und wir die Aktivitäten von Jahr zu Jahr weiterentwickeln.

Es ist völlig richtig, dass wir den Fokus in den vergangenen Jahren verstärkt auf die Belange der Opfer von Straftaten gerichtet haben. Der Opferschutz ist längst aus seinem früheren Schattendasein herausgetreten. Das ist für einen modernen Rechts- und Sozialstaat unerlässlich.

Bei alldem ist sehr entscheidend, dass wir neben allem staatlichen Handeln auch die Zivilgesellschaft für die Prävention, die Verhinderung von Straftaten und die Begleitung von Betroffenen gewinnen. Das hohe ehrenamtliche Engagement bei den vielen ehrenamtlichen Opferschutzeinrichtungen – ich nenne stellvertretend den WEISSEN RING – verdient daher einen besonderen Dank.

(Beifall bei SPD und FDP)

Das gilt aber auch für die zahlreichen Einrichtungen, die vom Land selbst getragen oder gefördert werden, wie beispielsweise die Vereine für Soziale Rechtspflege, die Interventionsstellen gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen, die Kooperationskonzepte mit interdisziplinären Fallkonferenzen, wie etwa die Arbeitsgruppe „FOKUS: Opferschutz“, die Stiftung Opferschutz und viele mehr.

Zivilcourage ist gefragter denn je. Die Kampagne „Wer nichts tut, macht mit“ mit der Ausbildung von ZivilcourageTrainerinnen und -Trainern und zahlreiche weitere vergleichbare Programme gehen deshalb in die absolut richtige Richtung.

Meine Damen und Herren, gesetzlich und organisatorisch hat sich in den zurückliegenden zwei Jahren auf Bundesund Landesebene wiederum einiges bewegt. Ich nenne exemplarisch die Einführung der psychosozialen Prozessbegleitung im Jahr 2017, maßgeblich angeschoben vom Land Rheinland-Pfalz, um Opfer in belastenden Verfahren beizustehen.

Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld wurde ausgeweitet.

Der Stalking-Paragraf, § 238 des Strafgesetzbuches, und das Gewaltschutzgesetz wurden zum Schutz vor Nachstellungen verbessert, und auf Bundesebene und in einigen Bundesländern wurden Opferbeauftragte eingesetzt. Rheinland-Pfalz gehört zu den ersten Ländern, die die Empfehlung von Kurt Beck, dem damaligen Opferbeauftragten der Bundesregierung, umgesetzt haben. Uns war es wichtig, die Arbeit auf schwerste Schadensereignisse zu begrenzen, um eine Parallelstruktur zu vermeiden, gerade weil das zivilgesellschaftliche Engagement in RheinlandPfalz so stark ausgeprägt ist.

Der Opferschutzbericht nennt Fallzahlen. Die Anzahl der Opfer ist von 2008 bis 2017 nominell um 9 % auf rund 54.000 gestiegen. Das ist ein Anstieg, der allerdings einer genauen Betrachtung bedarf. Die Zunahme resultiert vor allem aus dem Anstieg der einfachen Körperverletzungen.

Diese machen 45 % der Gesamtzahl aus.

Widerstandshandlungen gegen Vollstreckungsbeamte werden erst seit dem Jahr 2011 als Opferdelikte ausgewiesen. Auch die Verschärfung des Sexualstrafrechts mit dem Delikt der sexuellen Belästigung führt zu einer Einschränkung der Vergleichbarkeit, genauso wie die höhere Anzeigenbereitschaft. Insoweit ist der Befund eines Anstiegs um 9 % zu relativieren.

Im Bericht ist auffällig und signifikant, dass Kinder und Jugendliche deutlich seltener Opfer einer Straftat werden. Hier haben wir einen Rückgang gegenüber dem Jahr 2008 um 16,7 %. Das ist erfreulich. Trotzdem besteht bei den Heranwachsenden im Alter von 18 bis 21 Jahren immer noch die höchste Opfergefährdung.

Bei den Erwachsenen gibt es insbesondere bei den über 60-Jährigen eine deutliche Zunahme, mitverursacht durch eine Zunahme der Betrugsdelikte.

54,5 % der Opfer, bezogen auf alle Straftaten, hatten eine Beziehung zum Tatverdächtigen. Bei den schweren Vergewaltigungen waren es 82,8 %. Mitursächlich dürfte eine gestiegene Anzeigenbereitschaft sein. Gerade Opfer von häuslicher Gewalt wenden sich vermehrt an die Polizei und Hilfsorganisationen. Der Ausbau der Interventionsstellen gegen häusliche Gewalt hat sich absolut bewährt.

Meine Damen und Herren, ein besonders wirksamer Opferschutz ist die Prävention, damit Straftaten erst gar nicht entstehen. 120 der 210 Seiten des Berichts befassen sich mit den Maßnahmen und Projekten des Opferschutzes, von der Prävention bis zur Nachsorge. Es ist überaus beachtlich, was hier geleistet wird. Deshalb ist es auch gut, dass wir heute über den Opferschutzbericht sprechen können, um das ganz klar und deutlich herauszustellen.

Unser Dank gilt

(Glocke des Präsidenten)

dem Justizministerium, den verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Erstellung des Berichts. Die SPD-Fraktion hatte die Vorlage und die Einführung des Berichts 2007 beantragt. Es zeigt sich, dass die Vorlage alle zwei Jahre sehr aufschlussreich für unsere Arbeit ist.

Deshalb vielen Dank.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun erteile ich dem Abgeordneten Henter für die Fraktion der CDU das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Jahr 2007 hat der Landtag beschlossen, dass die Landesregierung alle zwei Jahre einen Opferschutzbericht erstattet. Beweggrund des Landtags war, die besondere Schutzbedürftigkeit der Opfer von Straftaten zu betonen.

Opfer einer Straftat verdienen die größtmögliche Unterstützung durch die Gesellschaft und die staatlichen Institutionen.

Im vorliegenden Opferschutzbericht wird hervorgehoben, dass die Landesregierung zum 28. August 2018 einen Opferbeauftragten bestellt hat, der eine zentrale Anlauf- und Betreuungsstelle für Betroffene von Naturkatastrophen, Terroranschlägen und größeren Unglücken in RheinlandPfalz sein soll. Opfer dieser Ereignisse und deren Angehörige können künftig sowohl in der Akutphase, aber auch mittel- und langfristig unterstützt und in die bestehenden Hilfesysteme vermittelt werden.

Dem wesentlich weitergehenden Vorschlag der CDULandtagsfraktion Rheinland-Pfalz, nach dem Vorbild von Nordrhein-Westfalen einen Opferschutzbeauftragten, dessen Zuständigkeit sich auf alle Opfer einer Straftat erstreckt, einzurichten, ist die Regierungskoalition leider nicht gefolgt, obwohl in einer Anhörung des Rechtsausschusses die Mehrheit der Sachverständigen die Auffassung der CDU unterstützt hat. Ziel war es, eine Ansprechstelle für Opfer aller Arten zu schaffen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, FDP und Grünen, lassen Sie mich in aller Ernsthaftigkeit sagen: Sie haben damit eine Chance vertan,

(Beifall bei der CDU)

eine Chance zur Verbesserung der Hilfemöglichkeiten für die Opfer.

Lassen Sie mich kurz auf einige wichtige Gesetzesänderungen – der Kollege Sippel hat sie auch schon aufgeführt – und Neuregelungen im deutschen Recht mit Bezug zum Opferschutz seit Oktober 2016 eingehen.

Das Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld ist eingeführt worden. Bei einem fremdverschuldeten Tod eines nahen Menschen steht dem Hinterbliebenen künftig eine Entschädigung, ein Hinterbliebenengeld zu. Dies ist in § 844 Abs. 3 BGB geregelt.

Dann ist das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen erlassen worden. Es geht hierbei darum, § 238 Strafgesetzbuch, den sogenannten StalkingParagrafen, auszubauen und die Opfer solcher Straftaten besser zu schützen.

Seit der Gesetzesänderung kommt es nicht mehr darauf an, ob die Tat tatsächlich eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers verursacht hat, sondern nur noch darauf, ob die Art und Weise der Tathandlung geeignet ist, eine solche Beeinträchtigung herbeizuführen. Durch die Änderung wurde § 238 von einem Erfolgsdelikt in ein Eignungsdelikt umgestaltet. Allein die Tathandlung und deren Intensität ist maßgeblich, nicht mehr die Auswirkungen beim Opfer.

Opfer im Sinne der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) sind unmittelbar Betroffene speziell definierter Delikte gegen höchstpersönliche Rechtsgüter, zum Beispiel Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Ehre, sexuelle Selbstbestimmung, und von Widerstandsdelikten. Im Jahr 2017

hat die Polizei 54.024 Opfer von Straftaten registriert. Davon waren 40,7 % weiblich – im Jahr 2008 waren es 41,2 % – und 49,3 % männlich – im Jahr 2008 waren es 48,8 %.

Gegenüber dem Jahr 2008 stieg die Zahl der Opfer um 4.448 bzw. 9 %, wobei die Opferzahl nur eingeschränkt mit den Vorjahren vergleichbar ist. Die Zunahme beruht auf einem Anstieg der vorsätzlichen einfachen Körperverletzung. Der zweite Grund ist darin zu sehen, dass die Widerstandshandlungen aufgrund von Änderungen der PKS-Richtlinien erst seit dem Jahr 2011 als Opferdelikte ausgewiesen werden. Im Jahr 2017 wurden 2.600 Opfer von Widerstandshandlungen registriert.

Des Weiteren erfolgte zum 1. Januar 2017 im Zuge der Verschärfung des Sexualstrafrechts unter anderem die Einführung des Opferdelikts der sexuellen Belästigung gemäß § 184 i StGB mit 521 Opferfällen. Ohne die Delikte des Widerstands und der sexuellen Belästigung ergibt sich im Betrachtungszeitraum ein Anstieg um 1.307 Opfer. Das ist ein Plus von 2,6 % auf 50.833.

Teil D des Opferschutzberichts befasst sich mit Maßnahmen und Projekten des Opferschutzes in Rheinland-Pfalz. Aufgrund der beschränkten Redezeit ist es leider nicht möglich, die Vielzahl der Projekte und Initiativen zum Opferschutz im Einzelnen darzustellen.

Ich möchte ein paar Sätze zum vorbeugenden Opferschutz sagen. Auf Seite 90 wird ausgeführt: „Ebenso ist im Bereich der Polizei eine gute personelle Ausstattung wichtig, um allgemeine Kriminalität bekämpfen zu können.“ Dies ist eine Aussage, die wir zu 100 % unterstützen.

(Beifall der Abg. Hedi Thelen und Marlies Kohnle-Gros, CDU)

Bedauerlich ist nur, dass die Landesregierung ihren eigenen Anforderungen nicht nachkommt, da wir in RheinlandPfalz zu wenige Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte haben, was von der CDU-Fraktion und den Polizeigewerkschaften seit Jahren heftig kritisiert wird.

(Beifall bei der CDU)

Die Häuser des Jugendrechts leisten im Bereich des vorbeugenden Opferschutzes durch Bekämpfung der Jugendkriminalität hervorragende Arbeit. Wie schon erwähnt, gibt es im Bereich des vorbeugenden und nachsorgenden Opferschutzes eine Vielzahl von Initiativen. Ich will einige wenige aus dem Bereich des nachsorgenden Opferschutzes aufführen.

Ich verweise auf das Pilotprojekt für OEG (Opferentschädigungsgesetz) -Traumaambulanzen. Bis zur Jahresmitte haben sich insgesamt 423 Opfer von Gewalttaten an die OEG-Traumaambulanzen gewendet, um Soforthilfe zur Behandlung ihres psychischen Traumas zu erhalten.

Ich verweise auf das rheinland-pfälzische Interventionsprojekt gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen.