Protocol of the Session on September 19, 2018

Daher werden wir uns auch nicht am Bundesgesundheitsminister oder an anderen Protagonisten abarbeiten. Es

geht uns vielmehr darum, dieses gesellschaftlich heiß diskutierte Thema vielseitig zu beleuchten. Unsere Fraktionsvorsitzende Cornelia Willius-Senzer wird dies in der zweiten Runde von einer anderen Facette her tun.

Die Entscheidung, ob ein Mensch die eigenen Organe nach dem Tod spendet, ist ganz klar eine ethische. Daher möchte ich allen Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause dafür danken, dass ich an dieser Stelle meine persönliche Haltung zu diesem wichtigen, aber schwierigen Thema nennen darf.

Wir schieben unsere Gedanken an das Sterben stets gerne von uns weg. Wir wollen möglichst lange nichts damit zu tun haben. So sieht es auch Dr. Peter Benöhr, Transplantationskoordinator des Klinikums Fulda. Ich darf zitieren: „Ein Grund ist sicherlich die fehlende Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod“, sagt er. Das zeigt auch die stetig abnehmende Zahl der Organspender. Bundesweit warten derzeit ca. 10.000 Menschen auf ein Spenderorgan.

Bei der Widerspruchslösung, die heiß diskutiert wird, ist es vor allem die Situation von Kindern und Eltern, die mich beschäftigt. Ich als Vater von zwei Kindern – ich denke, der eine oder andere denkt genauso – empfinde die Frage, wie Eltern eines Kindes über die Spende von dessen Organ entscheiden, als besonders schwierig. Die Frage, ob die Eltern eines verstorbenen Kindes in dieser Situation tatsächlich in dessen Sinne entscheiden können oder auch wollen, ist für mich bis dato nicht klar zu beantworten.

Daher habe ich persönlich Sympathie für die sogenannte verpflichtende Entscheidungslösung. Hierbei müssen sich alle Bürgerinnen und Bürger der Entscheidung stellen, ob sie Organspender werden möchten. Anlass der Entscheidung kann auch die Beantragung eines Personalausweises sein. Dieses Dokument würde dann erst nach der Entscheidung für oder gegen die Organspende ausgegeben werden. Dies kann zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Thema führen, auch in Bezug auf die eigenen Familienangehörigen.

Dafür bedarf es aber der Aufklärung, die wir als Politik dringend unterstützen sollten. Es soll nicht darum gehen, Menschen ihrer Werte, ihrer Kultur, ihrer Religion oder Selbstbestimmung zu entledigen, ganz im Gegenteil. Nur wer über die Praxis der Organentnahme Bescheid weiß und den Zweck kennt, kann eine differenzierte Entscheidung treffen, die wir alle zu akzeptieren haben, egal, wie diese dann ausfällt.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun erteile ich das Wort Frau Abgeordneter Thelen von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, ich kann den

Wunsch gut verstehen, hier im Hause Zuhörer lebhafter und spannender Debatten zu sein. Dass das in einer Aktuellen Debatte möglich ist, hat die vorherige Debatte anschaulich gezeigt.

Allerdings haben wir für diese Debatte auch einen sehr engen Rahmen. Jede Fraktion kann ihre Position darstellen in einmal fünf und einmal zwei Minuten Redezeit, und das heißt maximal von zwei Rednern.

Es sind aber nicht diese engen Rahmenbedingungen alleine, weshalb mich auch die Ankündigung der heutigen Debatte zu diesem Thema durch die FDP in den Medien verwundert. Ausgerechnet ein derart grundsätzliches Thema wie die Organspende, bei der es um Leben und Tod geht, als Beitrag für mehr Lebhaftigkeit im Parlament und mit der Erwartung einer großen Meinungsvielfalt als Aktuelle Debatte einzubringen, kann weder dem Thema noch diesem formulierten Ziel gerecht werden, meine Damen und Herren.

(Beifall der CDU und bei der AfD – Abg. Thomas Roth, FDP: Aktueller geht es doch gar nicht mehr!)

Bei allen Fragen rund um das Thema „Organspende“ kann es nicht um Lebhaftigkeit der Debatte gehen, es muss vielmehr um einen genauen Blick auf die komplexe Situation in unserem Land, um die gründliche Analyse der Wirklichkeit, der vielfältigen Rahmenbedingungen auch in unterschiedlichen Zuständigkeiten und Verantwortungen und um wohlüberlegte, abgewogene und verantwortungsvolle Entscheidungen über notwendige und zielführende Verbesserungen gehen.

Eine so höchst persönliche Frage, ob man sich selbst als Organspender zur Verfügung stellen will oder aus ganz persönlichen Gründen dies für sich ausschließt, man bei einer positiven Entscheidung auch bereit ist, diese zu dokumentieren, oder für eine doppelte Widerspruchslösung ist, wird sicherlich in diesem Landtag, in diesem Hause sehr unterschiedlich beantwortet.

(Beifall bei der CDU)

Eine Aktuelle Debatte mit maximal zwei Rednern pro Fraktion ist aus diesen genannten Gründen ungeeignet und deshalb aus unserer Sicht das falsche Format. Wir würden es daher sehr begrüßen, wenn wir das Für und Wider in all seinen Facetten mit einem angemessenen Zeitrahmen in einer Orientierungsdebatte austauschen könnten.

(Beifall bei der CDU)

Die Geschichte der Debatten über Fragen rund um die Organspende in diesem Landtag ist lang. Seit 1996 habe ich das Vergnügen, diesem Hause und auch dem zuständigen Gesundheitsausschuss anzugehören. In jeder Legislaturperiode seither haben wir uns immer wieder sehr intensiv genau mit diesen Fragen, wie wir die Bereitschaft zur Organspende stärken, die Transplantation unterstützen und die Hemmnisse abschaffen können, auseinandergesetzt.

Aber allein die immer weiter zurückgehenden Zahlen der Organspender zeigen, dass alle bisherigen Beschlüsse

und Appelle nichts, wirklich nichts bewegt haben. Das macht uns nachdenklich.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind auf einem Tiefstand bei der Zahl der Organspender. Ich will es deutlich machen: Wir haben in Deutschland im Jahr 2017 – das sind die letzten Zahlen, die wir haben – auf 1 Million Einwohner nur 9,7 Organspender gehabt. In Rheinland-Pfalz sind es noch etwas weniger. Es waren 9,4 auf 1 Million. In Zahlen ausgedrückt: Es waren 38 Organspender. Denen wurden 137 Organe entnommen, vermittelt und transplantiert. Das ist gut, dass es das gegeben hat, aber auch am Ende des Jahres 2017 standen immerhin noch 447 Bürgerinnen und Bürger aus unserem Land auf der Warteliste für ein Spenderorgan.

Wir von der CDU haben uns entschieden zu handeln und uns die Aufgaben anzuschauen, die wir im Land beeinflussen können. Das sind vor allen Dingen die Arbeitsbedingungen von Transplantationsbeauftragten. Dazu kann das Land die Rahmen setzen und vorgeben, wie diese aussehen sollen.

Das aktuelle Gesetz dazu sieht sehr dünn und dürftig aus. Wir haben eine Große Anfrage gestellt. Die Antwort der Landesregierung hat den Handlungsbedarf bestätigt. Wir haben im März dieses Jahres einen Antrag ganz konkret zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Transplantationsbeauftragten gestellt. Die Regierung hat ein Gesetz zur Verbesserung vorgelegt. Noch im August hatten wir ein Anhörverfahren – der Kollege von der FDP war dabei gewesen – mit hervorragenden Anregungen. Wir werden im Oktober darüber beraten,

(Glocke des Präsidenten)

welche Anregungen wir aufnehmen.

Ich glaube, das ist der richtige Weg, um Hemmnisse bei der Organspende abzubauen und hier bei uns im Land tätig zu werden. Die Frage des Pro und Kontra sollten wir tatsächlich in einer Orientierungsdebatte führen.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Ich darf auf der Zuschauertribüne neue Gäste willkommen heißen, und zwar eine Seniorengruppe aus Neustadt mit Freunden. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag! Schön, dass Sie sich für die Landespolitik interessieren.

(Beifall im Hause)

Nun hat für die SPD-Fraktion Frau Abgeordnete AnklamTrapp das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! 11.000 Menschen warten derzeit auf ein

neues, aber lebensrettendes Organ. Täglich sterben durchschnittlich drei Menschen.

Seit dem 1. November 2012 gilt die Entscheidungslösung. Die Krankenkassen informieren ihre Versicherten aktiv, damit sie sich erklären mögen, ob sie Organspender sind oder nicht. Diese Entscheidungslösung beinhaltet natürlich auch die Frage, ob jemand überhaupt Organe spenden möchte – ja oder nein.

28 % der Deutschen besitzen lediglich den kleinen Ausweis. Das sind Menschen zwischen 14 und 75 Jahren. Die Zahl der Organspender – ich denke, da sind sich alle in diesem Hause völlig einig – ist viel zu niedrig. In den vergangenen Jahren – auch das möchte ich nicht unerwähnt lassen – war der Skandal um die Organvergabe etwas, das viel Vertrauen in der Bevölkerung zerstört hat.

Ein weiterer Grund ist das, was Kollege Steven Wink gesagt hat – ich bin der FDP durchaus dankbar für diese Debatte heute im Landtag –, nämlich das Hindernis, sich mit dem Tod, was danach ist, aktiv beschäftigen zu wollen. Aber genau diese Frage gilt es zu erörtern. Die Frage ist letztendlich: Darf oder soll der Bundesgesetzgeber einen Eingriff seitens des Staates in die Freiheit und Selbstbestimmtheit des Einzelnen, in seine Unversehrtheit beschließen?

Meine Damen und Herren, in diesen Tagen bearbeiten wir im gesundheitspolitischen Ausschuss das Artikelgesetz zum Transplantationsgesetz. Wir als Land können Krankenhäuser ertüchtigen und befähigen und Pfleger und Ärzteteams, die Transplantationen begleiten, Angehörige begleiten, wertschätzend mit verstorbenen Menschen umgehen, befähigen und stärken, damit wir wieder mehr Transplantationen in Rheinland-Pfalz bekommen. Das ist eine Aufgabe der Politik.

Aber es ist eine Aufgabe der Gesellschaft, der LIGA, der Deutschen Stiftung für Organspende, der Ethikkommission und der Pflegekammer, eine Orientierung zu geben und die Frage der Organspende immer wieder zu befördern.

Es gibt viele Sichtweisen. Die einen Sichtweisen sind ganz einfach und ganz eindringlich. 10.663 Menschen warten auf ein Spenderorgan. Wenn man auf dieser Warteliste steht, zum Beispiel für eine Niere, ist das ein täglicher und wöchentlicher Marathon, wenn man drei Dialysetermine hat. Lebensplanung, Arbeitsplanung und Familienplanung sind einfach unmöglich.

1.108 Menschen warten in Deutschland auf ein Herz. Ein Kind kenne ich in der Nähe meines Wahlkreises, das händeringend auf ein Herz wartet.

Meine Damen und Herren, jeder Betroffene, seine Familie und die Angehörigen warten hoffend und händeringend auf die ersehnte Nachricht, dass ein Organ für ihn gefunden worden ist.

Aber viele dieser Menschen, die betroffen sind, positionieren sich klar. Sie empfinden die jetzige bundesgesetzliche Regelung als unzureichend. Die persönliche Entscheidung, was mit dem eigenen Körper nach dem Tod geschieht, ist aus meiner Erfahrung – ich habe 16 Jahre als Kranken

schwester Organtransplantationen, Explantationen begleitet – für Hinterbliebene oftmals ein Trost in der Trauer.

Was bedeutet aber Explantation für die Menschen, die ihre Angehörigen begleiten, wenn diese auf der Intensivstation pflegerisch und ärztlich ganz intensiv versorgt werden, ihre Organe untersucht und sie für die Organtransplantation vorbereitet werden? Das dauert Tage, und Abschied und Begreifen, das gehört dann auch dazu.

Deutschland ist in Europa in einer besonderen Situation. Die Organspende in Deutschland ist ein Sonderfall, wohl auch wegen unserer deutschen Geschichte. Ein Blick in die Nachbarländer: Die erweiterte Zustimmungslösung, von mir mit Sympathie betrachtet, haben wir in Dänemark, Griechenland, Großbritannien, Litauen, Rumänien und der Schweiz. Dabei stimmt der Spender zu, und der Angehörige bestätigt das. Die Widerspruchslösung gibt es in 17 anderen Ländern, zum Beispiel in Österreich.

Meine Damen und Herren, der Vorstoß von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, CDU, hat zumindest diese wichtige Diskussion erneut angestoßen. Für die SPDFraktion darf ich sagen, dass wir dazu noch keine abschließende Meinung haben. Aber im gesundheitspolitischen Ausschuss können wir uns eine fachliche Befassung zur Meinungsbildung im Sinne einer Anhörung durchaus vorstellen.

(Glocke des Präsidenten)