Meine Damen und Herren, die Aufgabe der Politik ist es zu informieren, Regelungen zu schaffen und das Vertrauen bei den Menschen in die Organspende wieder zurückzugewinnen. Deswegen: Lösung diskutieren und Leben retten.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema „Organspende“ begleitet uns in den Plenarund Ausschusssitzungen seit Beginn dieses Jahres. Aus gutem Grund; denn die Deutsche Stiftung Organtransplantation beklagte Anfang des Jahres den niedrigsten Stand der Organspenden seit 20 Jahren. Deshalb ist es wichtig, hier Wege zu diskutieren und Lösungen zu entwickeln, damit letztendlich Leben gerettet werden kann.
Über die Stärkung der Transplantationsbeauftragten haben wir uns bereits im Plenum und in den Ausschüssen umfangreich ausgetauscht und ein Anhörverfahren durchgeführt. Der Auswertung, die für den 18. Oktober dieses Jahres vorgesehen ist, möchte ich allerdings nicht vorgreifen.
Ich möchte den Blick auch nicht auf Rheinland-Pfalz beschränken. Zum einen, weil Organspende nicht an den Landesgrenzen beginnt oder endet. Zum anderen, weil der Bundesgesundheitsminister jüngst einen Entwurf für ein Gesetz bezüglich einer besseren Zusammenarbeit und besseren Strukturen bei der Organspende vorgelegt hat.
Leider wurden in der medialen Berichterstattung die Positionen des Bundesgesundheitsministers vielfach auf die Frage der sogenannten doppelten Widerspruchslösung beschränkt. Darauf möchte ich an dieser Stelle nicht vertieft eingehen, weil diese Lösung aus unserer Sicht schlichtweg der falsche Weg ist, und weil es angesichts der Komplexität und der damit verbundenen ethischen Probleme nicht geeignet erscheint, hier in wenigen Minuten im Rahmen einer Aktuellen Debatte diskutiert zu werden.
Der Entwurf des Bundesgesundheitsministers enthält zudem eine Vielzahl an Maßnahmen, die durchaus geeignet sind, die Organspende zu stärken, ohne dass tiefgreifende Einschnitte in das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen erforderlich wären, und ohne dass die damit verbundene ethische Debatte geführt werden müsste, bei der es erfahrungsgemäß deutlich schwieriger ist, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Ich denke, diese Maßnahmen sind es wert, hier diskutiert zu werden, auch wenn der Entwurf nicht der Landesgesetzgebung unterliegt.
Der Vorschlag des Bundesministers sieht unter anderem eine bessere Vergütung der Entnahmekrankenhäuser, eine Grundpauschale für Leistungen vor der Spendermeldung, eine Vergütung für Leistungen im Zusammenhang mit der Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls und weitere Pauschalen für die intensivmedizinische Versorgung bei der Organentnahme vor. Damit wird auf wichtige Forderungen aus der Praxis eingegangen, wobei es gegebenenfalls im Detail noch Gesprächsbedarf geben wird.
Auch der Vorschlag, kleinere Entnahmekliniken durch einen flächendeckenden, neurologischen, konsiliarärztlichen Bereitschaftsdienst zu unterstützen, ergibt durchaus Sinn, da Ärzte gerade hier wenig Gelegenheit haben, Erfahrungen in dieser anspruchsvollen Materie zu sammeln. Kombiniert mit einer Verpflichtung, verbindliche Verfahrensanweisungen zu erarbeiten, um vorab Zuständigkeiten und Prozesse festzulegen, wird dies dazu beitragen, potenzielle Organspender besser zu erkennen.
Gerade hier besteht offensichtlich eine Schwachstelle, wie eine Studie zum Rückgang der Organspenden, die jüngst im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht wurde, offenbart hat; denn tatsächlich hat die Anzahl der möglichen Organspender in Deutschland im Zeitraum von 2010 bis 2015 um 14 % zugenommen, während gleichzeitig der Anteil der gemeldeten möglichen Organspender in den letzten Jahren deutlich abgenommen hat, wobei deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Entnahmekrankenhäusern aufgetreten sind.
Die Einstellung der Betroffenen hingegen war für den Rückgang der Organspenden nur in geringem Umfang maßgeblich. Als Erfolgsfaktor zur Steigerung der Organspenden wurde daher ein verbessertes Meldeverhalten der Entnah
mekrankenhäuser identifiziert. Dazu können das im Entwurf vorgesehene flächendeckende Berichtssystem und insbesondere die Auswertung der Gründe für eine unterbliebene Identifizierung eines potenziellen Organspenders beitragen. Nicht zuletzt ist eine transparente Fehlerkultur eine wichtige Voraussetzung, um Prozesse zu verbessern.
Meine Damen und Herren, insgesamt sind die im Entwurf vorhandenen Vorschläge zur Verbesserung der Schwachstellen des Gesundheitssystems bei der Organspende aus unserer Sicht zu begrüßen. Auf Landesebene wird es dann unsere Aufgabe sein, entsprechende Vorgaben umzusetzen und mit weiteren Maßnahmen zu flankieren. Dazu gehört natürlich auch eine unermüdliche Aufklärungsarbeit, um die Menschen in unserem Land für eine Organspende zu gewinnen, damit Leben gerettet und Lebensqualität geschenkt werden kann.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf heute als einzige Rednerin für meine Fraktion in dieser Debatte sprechen. Nicht etwa, weil es keine unterschiedlichen Auffassungen zur jüngst vorgeschlagenen Widerspruchslösung oder zur Entscheidungslösung gäbe, sondern weil wir in unserer Debatte innerhalb der Fraktion festgestellt haben, dass es uns schwerfällt, das Spektrum der Haltungen in ein Pro und ein Kontra einzuteilen.
Es gibt in der Debatte um die Organspende eben mehr als nur zwei Meinungen. Da dies in einer Aktuellen Debatte nur schwer darstellbar ist, darf ich heute auf unsere gemeinsamen Punkte eingehen.
Unser Ziel ist eine Gesellschaft, in der Menschen Verantwortung füreinander übernehmen und einander helfen. Dies auch, indem sie sich als Organspender zur Verfügung stellen, dies bereits während ihres Lebens entscheiden und schriftlich festlegen. Ganz wichtig ist uns dabei, dass sie das auf der Basis guter Informationen und innerhalb eines gut organisierten und transparenten Organspendesystems tun.
Leider ist der Stand der Dinge – die Zahlen sind bereits genannt worden – in Deutschland nicht so, dass man damit zufrieden sein könnte, oder dass wir sagen könnten, dieses Ziel ist bereits erreicht. Trotz groß angelegter Informationskampagnen sind die Spenderzahlen in Deutschland ernüchternd. Seit 2013 ist die Zahl der realisierten Organspenden deutlich zurückgegangen. Im internationalen Vergleich kann Deutschland lediglich zehn realisierte
Spenden pro 1 Million Einwohner vorweisen. Der Spitzenreiter Spanien kommt auf 43 realisierte Spenden pro eine Million Einwohner.
Um Zahlen wie in Spanien zu erreichen, sind aus unserer Sicht Information und Organisation die Dreh- und Angelpunkte, wenn wir nicht nur die Bereitschaft in der Bevölkerung zur Organspende steigern wollen, sondern auch die Zahl der tatsächlich realisierten Transplantationen in den Krankenhäusern. Für beide Punkte ist es genau genommen unerheblich, ob man eine Widerspruchslösung favorisiert oder bei der Entscheidungslösung bleiben möchte. Eines ist jedoch klar: Nur eine Gesetzesänderung hin zur Widerspruchslösung wird unser schlechtes Abschneiden nicht verbessern.
Ich habe Spanien angesprochen, ein Land, das in dieser Diskussion als Vorbild gilt und bereits vor 40 Jahren die Widerspruchslösung eingeführt hat. Rafael Matesanz gilt als Erfinder des spanischen Modells. Auch er sagt, dass es keinen einzigen Fall auf der Welt gibt, bei dem die Zahl der Spender allein durch eine Gesetzesänderung zugenommen hätte. Er rät ebenfalls dazu, die Widerspruchslösung nur dann einzuführen und ihr nur dann zu vertrauen, wenn es einen allgemeinen gesellschaftlichen Konsens darüber gibt,
Insofern ist es richtig, über Widerspruchs- und Entscheidungslösung öffentlich und breit zu diskutieren. Dies allein schon deshalb, um die öffentliche Debatte zu haben und zu schauen, ob es einen gesellschaftlichen Konsens gibt oder wie dieser eventuell herzustellen wäre.
Das alleine genügt aber nicht. Es braucht einerseits Organisationsänderungen. Hier kommen wir mit den Novellen der Transplantationsgesetze im Bund und im Land hoffentlich einen großen Schritt voran. Es braucht aber auch mehr und bessere Informationen über den Stand der Wissenschaft und das System der Organspende. Ein Appellieren an das Pflichtbewusstsein der Menschen alleine wird nicht ausreichen.
Im Jahr 2011 wurden 1.165 Schüler von Mainzer Gymnasien im Alter zwischen 14 und 20 Jahren zu den Themen „Hirntod“ und „Organspende“ befragt. Auffällig ist, dass 63 % der Befragten die postmortale Organspende befürworteten, jedoch nur 11,3 % selbst einen Organspendeausweis besaßen. Unter denen, die die Organspende ablehnten, gaben 72,4 % ein Informationsdefizit als Grund für die Ablehnung an, keine ethischen Überlegungen oder sonstigen Gründe. Wissensfragen zum Thema „Hirntod“ wurden teilweise von über der Hälfte der Befragten falsch beantwortet.
Das zeigt: Unabhängig davon, ob man die Widerspruchslösung oder die Entscheidungslösung bevorzugt, liegt noch viel Arbeit vor uns, um wirksame Informationsangebote zu schaffen. Wir müssen schauen, wann und wo wir die Menschen damit am besten erreichen, um gemeinsam für ein gesellschaftliches Klima einzutreten, in dem die Organ
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland so wenige Organe gespendet wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr. Nur knapp 800 Menschen spendeten nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe. Diese Zahl ist umso dramatischer, als dass zeitgleich mehr als 10.000 Menschen auf lebensrettende Organe wie Lunge, Niere, Leber oder Herz warten. Obwohl die Organspende mithilfe von Eurotransplant international organisiert wurde, um die Chancen zu erhöhen, sterben täglich drei Menschen in Deutschland, die auf der Warteliste stehen.
Laut einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung stehen in der Gesellschaft mehr als 80 % der Bürgerinnen und Bürger der Organspende positiv gegenüber. Nur 37 % füllen allerdings einen Organspendeausweis aus. An dieser Stelle müssen wir uns die Frage stellen, woran das liegt. Woran liegt es, dass sich viele Menschen damit schwertun, ihre zumeist positive Haltung zur Organspende auch positiv zu dokumentieren?
Selbst wenn in der jüngsten Zeit die Zahl derer, die einen Organspendeausweis besitzen, langsam steigt, so dürfen wir dennoch nicht noch mehr Zeit verlieren. Daher begrüße ich die aktuell angestoßene Debatte und bin offen für einen Haltungswechsel, der Organspende zur Normalität macht. Dies kann beispielsweise durch die Widerspruchslösung erreicht werden, wie sie in 18 europäischen Ländern gilt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin aber ebenso überzeugt davon, dass eine einzelne Maßnahme isoliert die Zahl der lebensrettenden Spenderorgane nicht wesentlich erhöhen kann.
Wir müssen daher ein Maßnahmenpaket schnüren. Aufklärung und Information sind in diesem Paket wichtige Bausteine und spielen eine zentrale Rolle. Die „Initiative Organspende Rheinland-Pfalz“ leistet mit ihren zahlreichen Aktionen schon jetzt einen großen und wichtigen Beitrag, insbesondere weil sie sich schwerpunktmäßig mit gezielten Kampagnen an junge Menschen richtet. Dies gilt es auszubauen, auszuweiten und noch stärker an die Bedürfnisse anzupassen. Die regelmäßigen Informationen der Krankenkassen tragen ebenfalls zur Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung bei.
In dieses Maßnahmenpaket gehören aber auch Maßnahmen, welche die Krankenhäuser stärken und die dazu beitragen, die Organisation in den Krankenhäusern zu verbessern. Hier liegt der Fokus insbesondere auf der Stel
lung der Transplantationsbeauftragten und auf Maßnahmen, die dazu geeignet sind, die Fort- und Weiterbildung zu optimieren, um unter anderem noch einfühlsamer in der Angehörigenarbeit tätig zu sein. Letztlich gehören dazu auch Maßnahmen, die sich auf die Finanzierung des Organspendeprozesses erstrecken und damit die Krankenhäuser in eine bessere Position versetzen.
In Rheinland-Pfalz sind wir im Übrigen gerade dabei, genau solche konkreten Maßnahmen zur Stärkung der Krankenhäuser ins Gesetzgebungsverfahren einzubringen. Wir haben in diesem Hohen Haus bereits darüber diskutiert. Wir befinden uns in der Novellierung unseres Ausführungsgesetzes zum Transplantationsgesetz. Dieses Ausführungsgesetz stammt aus dem Jahr 1999, liebe Kolleginnen und Kollegen. Bereits damals haben wir in RheinlandPfalz darüber diskutiert, eine Widerspruchslösung einzuführen, und zwar auf Landesebene, weil sich der Bund damals vor der Diskussion scheute.
Ich bin daher froh, dass nun, 20 Jahre später, dieser Vorstoß auf Bundesebene erneut gemacht wird und wir eine Debatte zur Widerspruchslösung in Kombination mit anderen Maßnahmen führen können.
Diese Debatte zeigt, dass wir uns mit dieser Situation nicht abfinden wollen, nicht abfinden dürfen, und sie zeigt, dass wir uns um die Menschen, deren Überleben von einer Organspende abhängt, sorgen und wir eine ernsthafte Debatte über den besten Weg hier gemeinsam führen. Dafür bin ich sehr dankbar.