Protocol of the Session on June 21, 2018

Um insbesondere den stationären Handel zu unterstützen, greift die Landesregierung zu einem ganzen Bündel von Maßnahmen. Auch hier gilt: Wirtschaftliches Handeln ist im Allgemeinen nicht Aufgabe der Politik, sondern Aufgabe der Wirtschaft. Die Landesregierung kann aber dazu beitragen, dass Lösungsansätze bekannt werden, erfolgreiche Modelle nicht an jedem Ort erneut entwickelt werden müssen, also das sprichwörtliche Rad nicht immer neu erfunden werden muss.

Das Wirtschaftsministerium bietet zu diesem Zweck Möglichkeiten der Vernetzung und des Erfahrungsaustauschs an, hält eine Dialogplattform vor und richtet im Abstand von zwei Jahren ein Handelssymposium aus.

Meine Damen und Herren, Einzelhandel vor Ort ist auch besonders auf eine hohe Kundenfrequenz angewiesen. Es mag sein, dass ein Rückgang dieser Frequenz, den wir beobachten, mit bequemen Einkaufsmöglichkeiten von zu Hause aus zusammenhängt. Sicher ist das so, aber sie hängt auch von der Aufenthaltsqualität in unseren Innenstädten ab.

Um diese Aufenthaltsqualität zu verbessern, halten wir das Landesgesetz über lokale Entwicklungs- und Aufwertungsprojekte für ein richtiges Instrument. Wir haben deswegen die Erwartung, dass alle Hindernisse, die einer Anwendung heute noch entgegenstehen, ausgeräumt werden.

Wir wollen damit die Möglichkeit schaffen, dass private Initiativen der Händler und Gewerbetreibenden vor Ort ausreichend finanziell ausgestattet werden und sich zum Wohl eines ganzen Straßenzugs entfalten können. Meine Damen und Herren, ob vor Ort in eine attraktive Weihnachtsbeleuchtung oder in einen jahreszeittypischen Blumenschmuck investiert wird, ob ein Fest organisiert wird und sonstige Maßnahmen ergriffen werden, sollte vor Ort passgenau festgelegt und entschieden werden.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So ist es! Sehr richtig!)

In zahlreichen rheinland-pfälzischen Städten existieren bereits Initiativen, die das Gesetz nutzen und ein sogenanntes LEAP auf den Weg bringen möchten. Wir unterstützen diesen Wunsch, etwas zugunsten eines städtischen Zentrums oder eines Straßenzugs zu bewegen; denn das ist Ausdruck von Engagement und Eigeninitiative.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als besondere Hürde, die bisher die Umsetzung der Projekte verhindert hat, hat sich die Bestimmung des § 8 Abs. 9 des Landesgesetzes herausgestellt, nach der zu Wohnzwecken genutzte Grundstücke von der Abgabe ausgenommen werden müssen. Wie das genau zu geschehen hat und insbesondere bei gemischt genutzten Grundstücken umgesetzt werden kann, ist unklar oder zumindest mit einem hohen administrativen Aufwand verbunden.

Nach unserer Kenntnis arbeitet die Landesregierung auf

der Staatssekretärsebene an einer Lösung für diese Frage. Diese könnte nach unserer Vorstellung dahin gehen, Art und Umfang der Befreiungen durch eine örtliche Satzung der Gemeinde zu regeln, statt wie bisher eine verbindliche Regelung im Gesetz zu treffen. Dabei müssen die Gemeinden selbstverständlich kompetent und lösungsorientiert unterstützt werden.

Sollte an der verbindlichen Herausnahme aller privaten Grundstücke festgehalten werden, sind wir als Land gefordert, klare Maßstäbe zu benennen, nach denen diese Trennung erfolgen und in der Praxis umgesetzt werden kann. Meine Damen und Herren, die mit dem Gesetz verbundenen Erwartungen rechtfertigen es jedenfalls sicherlich, dass diese komplexe Aufgabe engagiert bearbeitet wird;

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Schön formuliert!)

denn von attraktiven Innenstädten profitieren letztlich alle: Einzelhandel, Grundstückseigentümer, Bewohnerinnen und Bewohner sowie Besucherinnen und Besucher innerstädtischer Bereiche, die einen Straßenzug beleben und auch wirtschaftlich prosperieren lassen können.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut!)

Nun erteile ich das Wort Frau Abgeordneter Wieland von der Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Stellen Sie sich einmal folgende Situation vor: In einer Kleinstadt sind engagierte Einzelhändler in einem Teil der Innenstadt, die dem drohenden Umsatzrückgang im Facheinzelhandel etwas entgegensetzen wollen. Sie werden selbst aktiv, fordern nicht nur, sondern packen selbst mit an. Sie erkennen, dass sie gemeinsam etwas bewirken können. Sie sagen, wir müssen das Rad nicht neu erfinden. Deshalb prüfen sie, was in anderen Städten erfolgreich war und wo es gute Beispiele für Maßnahmen gibt.

Dann fahren sie, weil es ein sehr gutes Beispiel ist, nach Gießen, wo sie erleben, wie ein Business Improvement District eine Einkaufsstraße sehr gut vorangebracht hat, so gut, dass sich die anschließenden Bereiche in der Nachbarschaft ebenfalls in dieser Form zusammengeschlossen haben.

Was wird dort gemacht? – Es wird gemeinsam Blumenschmuck angeschafft, Weihnachtsbeleuchtung in hochwertiger Qualität wird installiert, und bestimmte Sondermaßnahmen werden gemeinsam finanziert.

Voller Motivation machen sich diese rheinland-pfälzischen Einzelhändler auf, um Eigentümer ihres Bereichs zu überzeugen, sich die Unterstützung der Stadt zu sichern und

sich Ziele für ihr gemeinsames BID zu überlegen.

Dann kommt der Knackpunkt. Diese Einzelhändler erleben, dass das rheinland-pfälzische Gesetz nicht umsetzbar ist. Die Einzelhändler versuchen, das Ministerium zu überzeugen, dass eine kleine Gesetzesänderung nötig und sinnvoll wäre.

(Staatsminister Dr. Volker Wissing: Welche?)

Kommt gleich. Im Laufe der Monate werden Einzelhandelsverband, IHK, verschiedene Oberbürgermeister und Ratsfraktionen zu ihren Fürsprechern. Welche Änderungen das sind, werde ich gleich noch darstellen. Die Verbände wenden sich ans Ministerium, häufig ohne überhaupt eine Antwort zu bekommen.

Wir von der CDU-Fraktion haben mehrfach Anfragen gestellt, haben das Thema im Ausschuss besprochen, haben entweder ausweichende Antworten bekommen oder gesagt bekommen, es herrscht kein Änderungsbedarf. Deshalb haben auch wir eine Mündliche Anfrage für dieses Plenum wiederum auf die Tagesordnung gesetzt.

(Beifall bei der CDU)

Das, was ich hier beschrieben habe, ist kein Märchen, es ist Tatsache. Wir haben hier im Landtag 2015 das LEAPGesetz verabschiedet und damals auch diskutiert, dass nicht nur das Gesetz verabschiedet werden soll, sondern es wurde auch ein Antrag mit verabschiedet, in dem die Landesregierung aufgefordert wurde, die ersten, ich nenne es jetzt LEAPs, aktiv zu unterstützen.

Es hat sich gezeigt, dass das Gesetz so, wie es formuliert ist, nicht umsetzbar ist. Beispielsweise könnte eine Änderung sein, dass es eine Kann-Regelung gibt für den Ausschluss von Wohneigentum. Eine andere Variante sieht vor, dass die Eigentümer selbst aktiv werden und nachweisen, sie haben Wohneigentum, oder das hessische Gesetz in Reinform übernommen wird.

(Zuruf des Abg. Marco Weber, FDP)

So sind wir in der Situation, es gibt bundesweit inzwischen 100 BIDs, in Rheinland-Pfalz – Fehlanzeige. Der Knackpunkt ist, wie gesagt, die Einbeziehung des Wohneigentums.

Das ist eine ernst zu nehmende Frage – Herr Minister, da sind wir voll auf Ihrer Seite –, die Frage, wie vermieden wird, dass Mietpreise steigen und Eigentümer gezwungen werden, gegen ihren Willen Abgaben zu leisten. Das muss ernsthaft geprüft werden.

Das ist nicht der Punkt, wir verneinen nicht, dass es Probleme geben kann. Es gibt aber verschiedene Vorschläge, wie das Gesetz umformuliert werden könnte, und die diese Knackpunkte berücksichtigen.

So wurde zum Beispiel in Mainz ein Arbeitskreis eingerichtet. Es wird vorgeschlagen, dass dieser Arbeitskreis um Mitglieder des Ministeriums erweitert wird und Experten, zum Beispiel von Haus & Grund, hinzugezogen werden, um gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten.

(Beifall der Abg. Hedi Thelen, CDU)

Der Oberbürgermeister von Mainz genauso wie der Oberbürgermeister von Koblenz sind aktiv geworden, die Stadtratsfraktion der Grünen in Koblenz hat einen Antrag gestellt. Sie sehen, von allen Parteien gibt es inzwischen Initiativen. Es geht um Rechtssicherheit, um eine Lösung, die verschiedene Interessen abwägt.

Sich gegen diesen Versuch des Ausgleichs zu verweigern, das sorgt nicht nur für Kopfschütteln, das trägt zur Politikverdrossenheit bei.

(Beifall bei der CDU)

Uns wird dann auch gesagt, es gibt einen Abstimmungsbedarf zwischen den Ministerien. Wenn eine solche Initiative im Abstimmungsbedarf zwischen den Ministerien unter die Räder gerät, dann ist das keine Werbung für den Standort Rheinland-Pfalz. Es lähmt aktive Einzelhändler, die wir ganz dringend brauchen.

(Beifall der CDU)

Deshalb unser Appell: Herr Minister, arbeiten Sie konstruktiv mit den Initiativen zusammen. Lassen Sie uns diskutieren, ob es rechtssichere Lösungen gibt, die auch die Interessen der Eigentümer mit aufnehmen. Sollten wir zu dem Ergebnis kommen, dass andere Formen der Zusammenarbeit – es wurde von Genossenschaften gesprochen – zielführender sein könnten, dann sollten wir das auch klar kommunizieren und nicht sagen, wir haben ein Gesetz, das wir umsetzen können. Dann sollten wir das Gesetz zurückziehen und andere Mittel fördern und vorantreiben.

(Beifall bei der CDU)

Mit einem Gesetz, das – wir haben es schon gehört – das Papier nicht wert ist, auf dem das Gesetz geschrieben steht,

(Glocke des Präsidenten)

verursachen wir nur unnötig Hoffnung und Frust, und den braucht der Einzelhandel zuallerletzt.

(Beifall der CDU)

Nun hat Herr Abgeordneter Wink von der Fraktion der FDP das Wort.

Verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Joa, ich darf fragen: Wo hat die Staatssekretärin im Wirtschaftsausschuss klargemacht, dass sie das LEAP-Gesetz klammheimlich fallen lassen möchte? – An keiner Stelle ist mir das bewusst, zumal Sie in Ihrem Antrag die Frage aufgeworfen haben, wie die Herausforderungen für den Einzelhandel durch die Digitalisierung sind. Das LEAP-Gesetz war überhaupt kein Thema in Ihrem Antrag.

Ja, es stimmt, die künftige Entwicklung unserer innerstädtischen Struktur ist eine der wichtigsten kommunalen Fragen der Zeit. Die Innenstädte stehen vor großen Herausforderungen. Gerade kleine und mittlere Geschäfte müssen gegen den enormen Druck des rasant wachsenden Onlinehandels ankämpfen.

(Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: Ja!)

Das ist in vielen kommunalen Räten auch heute schon Thema.