Protocol of the Session on June 21, 2018

Da mir die persönliche Begegnung ein Anliegen ist, bin ich mehrfach nach Israel gereist, auch beruflich, habe mit einer jüdischen Kultusgemeinde gesprochen und an der Feierlichkeit zur 70-jährigen Gründung Israels in der Speyerer Synagoge teilgenommen. Ich war übrigens der einzige Landtagsabgeordnete.

So beeindruckend die Aufbauleistung Israels ist, so bedrückend ist teilweise die Situation von Juden hier im Land, auch und gerade wirtschaftlich. Zu über 90 % sind jüdische

Bürger Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion, die zu erheblichen Teilen auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. In den jüdischen Gemeinden im Land sind weniger als 4.000 Personen vereint. Der Landesverband der jüdischen Gemeinden geht aber von bis zu 20.000 Personen aus, die in unserem Bundesland leben.

Die AfD-Fraktion wird eine Große Anfrage stellen, die sich mit jüdischem Leben und Kultur in Rheinland-Pfalz befasst. Wir werden diese mit dem Antisemitismusbeauftragten und der jüdischen Gemeinde, in der wir das Gespräch geführt haben und diese Idee geboren wurde, abstimmen; denn so wichtig es ist, Antisemitismus zu bekämpfen und Erinnerungen als Mahnung wachzuhalten, die Kontakte zwischen Juden und Nichtjuden heute sollten nicht voreingenommen sein und sich auf einer guten zwischenmenschlichen Ebene abspielen.

(Beifall der AfD)

Nur das Interesse für jüdisches Leben, jüdische Kultur, Religion und Geschichte kann zu einem gesellschaftlichen Selbstverständnis führen, in dem die jüdische Religion und Kultur als Teil der eigenen Herkunft und Geschichte verstanden wird. Jeder Angriff auf die Würde jeder Person stellt das Grundgesetz infrage. Das ist von den Verfassern des Grundgesetzes auch so gemeint gewesen. Denken wir immer an diese Verpflichtung als an eine universelle.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall der AfD)

Für die FDP-Fraktion spricht die Abgeordnete Helga Lerch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! „Als Jude in Deutschland zu leben heißt nicht, sorgenfrei zu leben.“ So die Allgemeine Zeitung Mainz vom 22. Mai 2018 in einem Interview mit dem Antisemitismusbeauftragten von Rheinland-Pfalz, Dieter Burgard.

Was passiert in unserem Land, dass Menschen jüdischen Glaubens hier nicht frei leben können? – Unsere rheinlandpfälzische Landesverfassung spricht in der Präambel von der Sicherung der Freiheit und Würde des Menschen, und in Artikel 1 heißt es: „Der Mensch ist frei.“

Das Grundgesetz verbietet es, die Würde eines Menschen infrage zu stellen, unabhängig von seiner Religionszugehörigkeit. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind unmissverständlich; dennoch gibt es in unserem Land offenen Antisemitismus, der sich in verbaler Weise zeigt oder durch Schändungen jüdischer Grabstätten, Synagogen und anderer Einrichtungen. In meiner Heimatstadt Ingelheim gibt es vier jüdische Friedhöfe, die allesamt verschlossen sind, und das hat seinen guten Grund. Man kann nur bei Gästeführungen einen offenen Friedhof erwarten.

Es gibt neben den verbalen Schändungen auch versteckten Antisemitismus, der sich „in Teilen der Gesellschaft

noch latent vorhandener Vorurteile bedient und darauf abzielt, diese zu konservieren und zu verdichten“. Das Zitat stammt aus dem Verfassungsschutzbericht des Landes Rheinland-Pfalz 2017, Seite 27.

Folglich, meine Damen und Herren, sagen 80 % der jüdischen Mitbürger, Deutschland sei für sie nicht sicher. Die Kriminalstatistik stellt für Rheinland-Pfalz im Jahr 2017 22 antisemitische Straftaten fest, das jedoch ist nur die Spitze des Eisbergs. Viel mehr wirken Vorurteile in unserem Land, die in zahlreicher Form instrumentalisiert werden und bis in die Mitte unserer Gesellschaft reichen.

Viele Delikte sind – und das seit Jahrzehnten – rechtsextrem motiviert; aber auch unter Islamisten und im Linksextremismus finden sich antisemitische Einstellungen und Handlungen, wie der bereits zitierte Verfassungsschutzbericht deutlich macht.

Wir müssen uns deshalb fragen, wie wir als verantwortliche Politiker mit der Lage umgehen. Die Berufung eines Antisemitismusbeauftragten ist ein guter und richtiger Schritt und hat bundesweit Beachtung gefunden. Rheinland-Pfalz macht hier einen Anfang. Die Aufwertung der Städte Mainz, Worms, Speyer, Städte mit einer großen jüdischen Tradition und Kultur in das UNESCO-Weltkulturerbe aufzunehmen, ist vorbehaltlos zu unterstützen und findet auch den Niederschlag im Koalitionsvertrag.

Schließlich, meine Damen und Herren, kommt der Bildung große Bedeutung zu. Nur wer Geschichte kennt und sich mit politischen Fragestellungen auseinandersetzt, hat einen verlässlichen Kompass. Dank gilt hier der Landeszentrale für politische Bildung, die zum Beispiel in vielen Veranstaltungen Erinnerungskultur aufarbeitet. Frau Ministerin Hubig, Sie haben vor wenigen Tagen eine Absichtserklärung mit der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem unterzeichnet, um Gedenkstättenpädagogik zu fördern. Damit ermöglichen Sie Lehrerinnen und Lehrern sowie Schülerinnen und Schülern eine unmittelbare Erfahrung; denn nur wenn wir Menschen sensibilisieren, machen wir sie stark gegen Extremismus.

Der heutige gemeinsame Antrag von SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – und ich freue mich, dass sich die AfD ihm anschließt – ist ein klares öffentliches Bekenntnis für jüdisches Leben und jüdische Kultur und gegen jede Form von Antisemitismus.

Meine Damen und Herren, ich möchte die Sekunden Redezeit, die ich noch habe, nutzen, um etwas zu zitieren, was im Jahr 1931 von Friedrich Hollaender als politische Satiere daherkam. – Im Jahr 1931! Ich zitiere:

„An allem sind die Juden schuld! Die Juden sind an allem schuld! Wieso, warum sind sie dran schuld? Kind, das verstehst Du nicht, sie sind dran schuld. Und Sie mich auch! Sie sind dran schuld! Die Juden sind, sie sind und sind dran schuld! Und glaubst Du’s nicht, sind sie dran schuld, an allem, allem sind die Juden schuld!“ So weit das Zitat. Begründungen waren da nicht vonnöten.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Katharina Binz das Wort. Bitte schön, Frau Binz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch meine Fraktion ist sehr froh, dass wir heute einen parteiübergreifenden Antrag vorliegen haben und auch beschließen können. Dieses gemeinsame Vorgehen ist wichtig; denn Antisemitismus darf uns nicht kalt lassen, und es darf auch kein Thema sein, bei dem wir gegeneinander, anstatt miteinander arbeiten.

Wir verzeichnen in den letzten Jahren leider einen Anstieg an antisemitisch motivierten Übergriffen auf Jüdinnen und Juden in Deutschland. In Rheinland-Pfalz bleiben körperliche Übergriffe Gott sei Dank absolute Einzelfälle. Aber auch in unserem Land werden antisemitische Propagandadelikte verübt, und es wird versucht, gegen Jüdinnen und Juden Stimmung zu machen. Dem stellen wir uns entschieden entgegen.

Die absolut überwiegende Zahl der antisemitischen Straftaten kommt aus dem Rechtsextremismus; doch das darf uns nicht davon abhalten, antisemitische Äußerungen und Denkmuster in all ihren Ausprägungen ins Auge zu fassen und ihnen entschlossen entgegenzutreten. Antisemitismus ist nicht ausschließlich rechtsextrem, er ist auch nicht ausschließlich linksextrem, und er ist auch nicht spezifisch muslimisch.

Antisemitismus tritt immer dann auf, wenn sich das, wie Theodor Adorno es ausdrückte, „Gerücht über die Juden“ verbreitet, wenn Menschen denken, für komplexe Probleme gäbe es eine einfache Erklärung, nämlich eine Verschwörung, einen weltumspannenden Einfluss oder, wie im Falle des Nahostkonfliktes, einen eindeutigen Schuldigen.

Antisemitismus tritt auch dann auf, wenn ein interner Feind gesucht und mit den Jüdinnen und Juden gefunden wird. Da Antisemitismus auch in der Mitte der Gesellschaft verbreitet ist, ist auch keine Partei davor gefeit, Mitglieder und Anhänger mit antisemitischen Einstellungen zu haben. Wichtig ist daher, wie man damit umgeht. Uns war es wichtig, eine Selbstverpflichtung der Parteien in den vorliegenden Antrag zu übernehmen, gegen Antisemitismus auch in den eigenen Reihen Stellung zu beziehen.

Der Kampf gegen Antisemitismus ist aber nicht nur dem Staat und seinen Institutionen vorbehalten. Wir brauchen zivilgesellschaftliches Engagement gegen Antisemitismus. Wie können wir ihm begegnen? – Mit einer klaren Haltung, dass die Thematisierung und die Bekämpfung von Antisemitismus eben nicht nur ein Thema von jüdischen Gemeinden ist, sondern ein Thema für uns alle als Gesamtgesellschaft, es ist also auch ein Thema für christliche Gemeinden und auch für muslimische Gemeinden.

Der Bildung von antisemitischen Einstellungen müssen

wir vorbeugen, durch frühe Auseinandersetzung mit gesellschaftlicher Vielfalt, mit Begegnungen, mit Sichtbarmachung von jüdischem Leben in unserem Land, mit der klaren Vermittlung unserer Geschichte und auch unserer Verantwortung, die wir alle gemeinsam tragen. Wer in Deutschland und in Rheinland-Pfalz heute lebt, wer hier seine Heimat hat, wer hier seine Heimat gründen möchte, der nimmt diese Geschichte mit an. Der muss auch die Verantwortung für ein „Nie wieder!“ mit annehmen und tragen.

Lassen Sie mich noch auf einen Aspekt eingehen, der in der letzten Zeit wieder stärker wird. Das ist die Erscheinungsform des sekundären Antisemitismus. Der unabhängige Expertenkreis Antisemitismus definiert diesen in seinem Bericht an die Bundesregierung wie folgt: „Zentrale Grundlage des sekundären Antisemitismus ist die Unterstellung, dass die öffentliche Auseinandersetzung mit der massenhaften Ermordung der Juden im Nationalsozialismus nur der Diffamierung der nationalen Identität der Deutschen (...) diene.“

Das ist genau das, was wir in den letzten Wochen vonseiten der AfD erlebt haben. Genau solche Argumentationsmuster bedient Ihr Parteichef Gauland mit seiner unsäglichen „Vogelschiss“-Aussage. Diesen Zivilisationsbruch, der sich insbesondere kennzeichnete durch die generalstabsmäßige Planung und Industrialisierung der Tötung, diesen Zivilisationsbruch kleinzureden, indem man auf die vermeintlich kurze zeitliche Dauer hinweist, das ist antisemitisch, und es ist intellektuell so dermaßen armselig!

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Auch wenn er versucht hat, diese Äußerung zurückzunehmen, der Bann in Ihrer Partei ist längst gebrochen, und in der Auseinandersetzung über seine Äußerungen wurde sie aus der AfD noch verstärkt.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Schade, schade!)

Beispielsweise schreibt die Junge Alternative RheinlandPfalz auf Facebook in einem mittlerweile gelöschten Kommentar:

„(...) wie lange darf uns diese objektive Aufarbeitung noch beschäftigen? Reichen 70 Jahre nicht auch mal? Niemand hat [etwas] dagegen, wenn der Holocaust auf Seite 15 im Geschichtsbuch abgehandelt wird. Aber statt mit den Schülern nach dutzenden Workshops und Unterrichtsstunden nach Auschwitz zu pilgern, wäre einfach auch mal ein Ausflug zur Germania in Rüdesheim zu empfehlen und die Vermittlung eines positiven Deutschlandbildes, das sich nicht“ – Achtung! – „an den Verbrechen einer kleinen Führungselite im Dritten Reich aufhält, die noch dazu ein Staatsgeheimnis waren.“

(Zurufe von der SPD: Oh! – Abg. Martin Haller, SPD: Ekelhafter geht es nicht! – Glocke der Präsidentin – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Das ist Antisemitismus der AfD Rheinland-Pfalz!)

Das ist antisemitisch, und das ist ein ganz konkretes Problem in Ihrer Partei. Herr Junge, das ist ein Problem in Ihrem Landesverband, und Herr Lohr – er ist nicht da –, es ist ein Problem in Ihrem Jugendverband.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der SPD – Glocke der Präsidentin – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Schade, schade! Sie haben gut angefangen mit Ihrer Rede!)

Deswegen ist es auch gut, dass Sie nicht Teil der Antragsteller sind; denn es zeigt, Sie sind nicht Teil der Lösung, sondern Sie sind ein Teil des Problems.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Abg. Uwe Junge, AfD: Das ist Blödsinn! – Weitere Zurufe aus dem Hause – Abg. Christine Schneider, CDU: Ich hätte gern im Protokoll, dass Herr Junge zu mir gesagt hat, ich rede dummes Zeug, und ich bin stolz darauf!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit! Ich möchte Gäste im Landtag begrüßen, und zwar Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 11 des Grundkurses Sozialkunde des Carl-Bosch-Gymnasiums in Ludwigshafen. Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im Hause)

Außerdem begrüße ich Auszubildende zur/zum Verwaltungsangestellten der Berufsbildenden Schule aus Landau. Seien auch Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Herr Abgeordneter Dr. Böhme hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. – Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe lange Zeit in der Industrie gearbeitet. Dort motiviert man seine Mitarbeiter, indem man versucht, positiv auf sie einzuwirken.