Frau Präsidentin, vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Baldauf, ja, wir setzen heute ein Zeichen der Solidarität mit Israel. Es ist gute Tradition
geworden, dass wir bei einem solch bedeutenden Thema wie Antisemitismus einen gemeinsamen Antrag vorlegen, ihn heute diskutieren und später verabschieden werden.
Antisemitismus ist leider eine gefährliche, sich schleichend und versteckt ausbreitende Krankheit unserer Gesellschaft geworden. Es war wohl ein Irrglaube, sie überwunden zu haben.
Heute gilt mehr denn je, wachsam sein, Antisemitismus entschlossen bekämpfen. Das wollen und werden wir als Demokratinnen und Demokraten.
Deutschland trägt, ja wir alle tragen vor dem Hintergrund unserer Geschichte, dem Holocaust, dem millionenfachen Mord an jüdischen Menschen, eine besondere Verantwortung oder wie Bundespräsident Richard von Weizsäcker es in seiner berühmten Rede am 8. Mai 1985 treffend formulierte: „Die Jungen sind nicht verantwortlich für das, was damals geschah. Aber sie sind verantwortlich für das, was in der Geschichte daraus wird.“
Genau diese Haltung ist unser Ansporn und unsere Pflicht, damit Antisemiten und ihre abscheuliche Gesinnung nie wieder eine Chance in unserem Land und nie wieder eine Chance in Deutschland haben, nie wieder, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Antisemitismus hat verschiedene Farben und doch immer die gleiche Adresse – er entspringt, wie Kollege Baldauf das vorhin schon zutreffend formulierte, rechtsextremen Milieus, ist im linksextremen Spektrum zu finden, aber auch auf der islamischen Seite verortet.
Als Begründung missbraucht er, ja, er versteckt sich vielleicht gerade dahinter, vermeintliche Israelkritik und beinhaltet doch völkische Judenfeindlichkeit, brutalen und offenen Hass auf jüdisches Leben und jüdische Menschen. Antisemitismus ist Antisemitismus, Antisemitismus bleibt Antisemitismus. Wir alle werden ihn mit allen demokratischen Mitteln und als Rechtsstaat bekämpfen. Da gilt null Toleranz.
Ich möchte der Landesregierung ein Kompliment dafür aussprechen, dass wir in Rheinland-Pfalz Vorreiter sind und den ersten Antisemitismusbeauftragten eingesetzt haben. Ich bin sicher, die Sozialdemokratie ist sicher, und, ich glaube, wir alle sind sicher, dass Dieter Burgard diese Aufgabe hervorragend meistern wird. Wir wünschen ihm auf diesem Weg für seine wichtige Aufgabe viel Erfolg.
Meine Damen, meine Herren, persönlich möchte ich erwähnen, dass ich mich seit vielen Jahren im deutschisraelischen Freundschaftskreis Dimona in meiner Heimatstadt Andernach engagiere, der die älteste Partnerschaft zwischen einer deutschen und israelischen Stadt darstellt. 2017 konnte ich zum ersten Mal mit einer Delegation nach
Vieles war neu, vieles beeindruckend, zum Beispiel die Offenheit, mit der wir israelkritische Fragen, ja Kritik an der israelischen Innen- und Außenpolitik, wie beispielsweise im Siedlungsraum Westjordan, diskutierten. USA-Kritik, wie der Entschluss von Trump, die amerikanische Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, oder auch Kritik an israelischer Politik, sind weder in der Diskussion mit unseren Freunden in Dimona noch in unserem Land ein Tabu. Es gilt Meinungsfreiheit, es gilt das Grundgesetz seit 69 Jahren.
Es gibt aber auch klare Grenzen. Jeder, ob hier geboren, aufgewachsen, eingewandert oder zu uns geflüchtet, der sich im Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland aufhält und den Boden unseres Landes betritt, steht auf dem Boden des Grundgesetzes. Jeden Versuch, die Würde – Artikel 1 GG – eines Menschen jüdischen Glaubens infrage zu stellen, wird unser Rechtsstaat konsequent ahnden. Jedem Menschen in Rheinland-Pfalz, der hier lebt, muss klar sein, dass Antisemitismus bei uns keinen Platz hat. Dafür werden wir gemeinsam kämpfen als Demokratinnen und Demokraten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, jedoch hat man den Eindruck, dass Antisemitismus heimlich aus seinem Versteck herauskriecht, zum Beispiel dann, wenn vor dem Brandenburger Tor Israelflaggen verbrannt werden oder es Boykottaufrufe für israelische Produkte gibt oder sich Juden in Deutschland nicht mehr sicher fühlen oder das Denkmal für die ermordeten Juden Europas von Herrn Höcke als „Schandmal“ bezeichnet wird oder wenn wieder Nazisprech salonfähig wird, wie „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1.000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“.
(Abg. Christine Schneider, CDU: Ganz genau! – Abg. Uwe Junge, AfD: Jetzt werden Sie wieder schwach!)
Wer, wie der AfD-Vorsitzende Gauland, den Holocaust, den abscheulichen Mord an Millionen Juden, die Vernichtungslager Auschwitz und Birkenau zunächst als Petitesse abtun will und dies später zu relativieren versucht, bei dem fällt die Maske.
Der zeigt nicht nur eine ungeheuerliche Geschichtsdemenz seiner Partei, sondern auch, dass wir Demokraten dieser unbeschreiblichen Gesinnung den Kampf ansagen werden. Das werden wir auch tun.
(Beifall der SPD, der FDP, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD – Glocke der Präsidentin)
Lassen Sie mich mit den mutigen Worten des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker zum Ende kommen: „Es gibt keine endgültige errungene moralische Vollkommenheit – für niemanden und für kein Land! Wir haben als Menschen gelernt, wir bleiben als Menschen gefährdet. Aber wir haben die Kraft, Gefährdungen immer von neuem zu überwinden.
Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, begrüße ich als Gäste auf der Zuschauertribüne Schülerinnen und Schüler der Klasse 9d der Geschwister-Scholl-Realschule plus aus Andernach. Schön, dass ihr gerade zu diesem Tagesordnungspunkt da seid. Herzlich willkommen im Landtag!
Jetzt erteile ich für die AfD-Fraktion Herrn Abgeordneten Dr. Böhme das Wort. – Bitte schön, Herr Dr. Böhme.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Ruland, schön, dass Sie wenigstens einen Satz aus der Rede von Herrn Gauland gelesen haben. Vielleicht denken Sie über die restlichen Sätze auch einmal nach.
(Abg. Christine Schneider, CDU: Wie stehen Sie denn zu dem Satz? Teilen Sie den Satz? – Abg. Christian Baldauf, CDU: Das wüsste ich auch gern!)
Wer auch nur einen Menschen rettet, der rettet die ganze Welt. Wer auch nur einen Menschen tötet, zerstört sie. – So steht es im Talmud geschrieben.
Meine Rede dreht sich um zwei Punkte, zum einen um den vorliegenden Antrag zur Bekämpfung des Antisemitismus,
Auch wenn Sie uns nicht gefragt haben, wir tragen den Antrag als AfD-Fraktion mit, meine Damen und Herren.
Wir begrüßen die formulierte Absicht, über Antisemitismus weiterhin verstärkt aufzuklären und ihn politisch und mithilfe der Gesellschaft zu bekämpfen. Das einschneidendste Ereignis in der deutschen Zivilisationsgeschichte, der industrielle Massenmord an den Juden, bleibt hierbei ein wesentlicher Bestandteil der Gedenkarbeit, Herr Ruland.
Wie sehr Aufklärungsbedarf besteht, hat der Tätigkeitsbericht der Landeszentrale für politische Bildung 2017 gezeigt, in dem Antisemitismus lediglich als Form religiöser Intoleranz beschrieben wurde. Nun geht Antisemitismus aber gerade über Religion hinaus und verkörpert eine biologistische Vorstellungswelt. Gerade in Deutschland, wo diese Ideologie wegen ihrer rassistischen Komponente einst so mörderische Konsequenzen hatte, gilt es, dies festzuhalten.
Manche Passagen des Antrags überraschen aber auch. So werden Boykottaufrufe gegen Israel völlig zu Recht ausdrücklich verurteilt. Es wird hier auf die Kampagne „Boycott, Divestment, Sanctions“ hingewiesen. Wie verträgt sich das aber mit der EU-Kennzeichnungspflicht für israelische Waren, die aus Siedlungsgebieten stammen? Trotz lebhafter israelischer Proteste ist weder aus Berlin noch aus Mainz etwas zu hören gewesen, nur Beschwichtigungen, dass die Folgen nicht so gravierend seien.
Im Weiteren wird die Existenz Israels im Antrag zum Teil der deutschen Staatsräson erklärt. Wie verträgt sich das mit der Tatsache, dass auf dem Boden Deutschlands jedes Jahr mit öffentlichen Demonstrationen der al-Quds-Tag gefeiert werden kann, in dem zur muslimischen Eroberung Jerusalems aufgerufen wird? Zwar gab es Proteste, sie blieben aber vage. Die SPD schickte in Berlin eine Bezirksbürgermeisterin zur Gegenkundgebung, die CDU niemanden.
Hier klaffen der Anspruch auf besondere deutsch-jüdische Beziehungen und die politische Realität deutlich auseinander.
Auch auf den muslimischen Antisemitismus haben Sie so wenig eine Antwort gefunden wie auf die Probleme der Zuwanderung überhaupt, meine Damen und Herren.
Kommen wir zur Lebenswirklichkeit von Juden in Rheinland-Pfalz. Antisemitismus gedeiht oft gerade dort, wo es keine Juden gibt. Ein entscheidender Beitrag zu seiner Bekämpfung wird deshalb immer dadurch geleistet sein, dass jüdische Lebenswirklichkeit im Alltag erfahrbar wird. Dadurch werden antijüdische Vorurteile nicht nur abgebaut, sondern entstehen gar nicht erst.
Da mir die persönliche Begegnung ein Anliegen ist, bin ich mehrfach nach Israel gereist, auch beruflich, habe mit einer jüdischen Kultusgemeinde gesprochen und an der Feierlichkeit zur 70-jährigen Gründung Israels in der Speyerer Synagoge teilgenommen. Ich war übrigens der einzige Landtagsabgeordnete.