Protocol of the Session on June 20, 2018

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie auch mich zunächst im Namen meiner Fraktion den Eltern, der Familie, den Freundinnen und Freunden und allen Menschen, die Susanna gekannt, geliebt und geschätzt haben, unsere Anteilnahme und unser herzliches Beileid aussprechen.

Der heutige Gang zu diesem Rednerpult ist mir zum ersten Mal nicht leicht gefallen. Es ist nicht leicht, über den Mord an einem jungen Mädchen zu sprechen, das mitten aus dem Leben gerissen worden ist und dieses Leben auf so furchtbare Art und Weise beenden musste.

Eine solch furchtbare und auch in aller Konsequenz zu verurteilende Tat macht, auch wenn ich Susanna persönlich nicht gekannt habe, betroffen. Nicht nur mich, sondern viele, viele Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer und auch in ganz Deutschland.

Der Respekt vor dem Andenken an Susanna sowie der Respekt vor ihrer Familie gebietet es allerdings, differenziert und mit Bedacht vorzugehen. Dies gebietet vor allem auch der Respekt vor allen Flüchtlingen, Asylbewerbern oder Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Migrationshintergrund, die zu uns gekommen sind. Es ist weder mein Stil noch der Stil der Freien Demokraten, aus einer solch schrecklichen Tat politisches Kapital zu schlagen oder gar eine Pauschalverurteilung vorzunehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vier Wochen nach dem an Susanna begangenen Tötungsdelikt ist es sicherlich zu früh, um die Tat abschließend zu bewerten oder gar politische Konsequenzen für Rheinland-Pfalz abzuleiten. Gespannt blicken wir derzeit nach Wiesbaden und verfolgen aufmerksam die Ermittlungen. Die dringlich zu beantwortenden Fragen zum Tathergang, zu den Motiven des oder vielleicht der mutmaßlichen Täter werden derzeit in unserem Nachbarland Hessen aufgeklärt. Eine schnelle Klärung liegt sicherlich im Interesse der dortigen Landesregierung.

Wenn ein Mensch getötet wird, entsteht daraus ein Auftrag an die Polizei, an die Justiz und auch an die Politik. Der Auftrag heißt, aufzuklären über eine unabhängige Justiz, nach den geltenden deutschen Gesetzen Recht zu sprechen sowie Präventionsmaßnahmen vorzunehmen. Und dennoch werden wir auch in Zukunft leider erleben

müssen, dass solch furchtbare Taten uns emotional immer wieder beschäftigen. Solche Gewaltverbrechen aus den unterschiedlichsten Motiven heraus sind so alt wie die Menschheit selbst. Zweifellos müssen wir – allerdings in Unabhängigkeit des vorliegenden Falls – irgendwann auch noch einmal über Asylverfahren, Verfahrensdauer, Ausreisen oder über politische Konsequenzen sprechen

(Abg. Michael Frisch, AfD: „Irgendwann“!)

und die richtigen Schlüsse ableiten.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser traurige Anlass schafft hier und heute nicht die Plattform, dies zu tun.

Haben Sie vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Köbler das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Der Mord an der 14-jährigen Susanna ist ein abscheuliches Verbrechen, das uns mit tiefer Trauer, Entsetzen, Fassungslosigkeit, ja auch Wut erfüllt. Unsere Gedanken sind bei Susannas Familie, ihren Freundinnen und Freunden, ihren Verwandten, bei ihren Schulkameradinnen und Schulkameraden, die nun mit der schrecklichen Gewissheit leben müssen, dass Susanna nie wieder zurückkommen wird. Ihnen möchte ich auch an dieser Stelle, auch im Namen der Grünen-Fraktion, meine ehrliche und aufrichtige Anteilnahme aussprechen.

Susanna war Mainzerin. Sie war eine von uns. Die Integrierte Gesamtschule Mainz-Bretzenheim, die jüdische Gemeinde, der Stadtteil Mainz-Lerchenberg, ja die ganze Stadt ist geschockt, sie trauert, und sie nimmt aktiv Anteil. Der Mord und die Umstände sind Gespräch in der ganzen Stadt, am Arbeitsplatz oder in unseren Schulen. Wir hatten eine Mahnwache, es gab einen Trauermarsch, eine Trauerfeier, eine beeindruckende Spendenaktion von Bürgerinnen und Bürgern des Mainzer Lerchenbergs, um die Beisetzung zu finanzieren. Das ist auch das Signal an die Hinterbliebenen: Wir stehen zusammen, Ihr seid in dieser fürchterlichen Situation nicht allein. –

Aber eben nicht nur in Mainz, sondern auch in der bundesweiten Öffentlichkeit, in den Medien hat der Fall ein außerordentlich hohes Interesse gefunden und findet es bis heute. Natürlich stellen sich Fragen: Hätte die Tat verhindert werden können? Sind die Ermittlungen optimal gelaufen? Wieso konnte der Täter zunächst in den Irak flüchten? Müssen politische Rahmenbedingungen verändert werden? Wie können unsere Verfahren beschleunigt werden? Und vor allem: Wie können wir junge Frauen und Mädchen besser vor solchen Taten schützen? – All diese Fragen sind absolut nachvollziehbar, und all diese Fragen müssen seriös beantwortet werden.

Eines ist aber doch auch klar: Schuld an einem solch grässlichen Mord hat vor allem der Täter. Es ist nun die Aufgabe der Polizei und der Justizbehörden, mit Hochdruck und Gründlichkeit zu ermitteln und den Tathergang restlos aufzuklären, damit der oder die Täter einer gerechten und angemessenen Strafe zugeführt werden können.

Solange die Ermittlungen jedoch nicht abgeschlossen sind, ist es aber auch unsere Verantwortung, uns mit Schnellschüssen zurückzuhalten. Erst wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen, kann und muss analysiert werden, ob beispielsweise die Flucht des Tatverdächtigen Irakers begünstigt wurde oder ob es möglicherweise früher schon Hinweise gegeben hat, die vielleicht zu anderen und auch schneller zu Ermittlungsergebnissen hätten führen können. Aber wir müssen uns auch ehrlich machen, eines ändert sich nicht: die bittere Erkenntnis, dass Susanna tot ist, ja dass sie zum Zeitpunkt der Vermisstenmeldung bei der Polizei offenbar bereits schon tot war. Sie kehrt nie wieder zurück.

Was bedeutet das für uns, für uns als Gesellschaft und für uns in der Politik? Ja, wir müssen wachsamer sein. Sexualisierte Gewalt gehört in Deutschland endgültig und ein für alle Mal heraus aus der Tabuzone. Dieser Fall steht in trauriger und erschreckender Weise auch stellvertretend für Hunderte Sexualverbrechen, deren Opfer meist Frauen und Kinder sind. Die Zahlen sexualisierter Gewalttaten in Deutschland mit Tötungsabsicht sind erschreckend. Fast jeden Tag wird eine Frau Opfer sexualisierter Gewalt mit Tötungsabsicht. Im Jahr 2016 gab es fast 150 Todesopfer.

Wir müssen aber auch zusammenstehen. Wir dürfen uns jetzt nicht spalten lassen. Wenn so ein junger Mensch brutal aus dem Leben gerissen wird, ja, dann macht das wütend, da gibt es wenig Tröstendes und erst recht nichts Rechtfertigendes zu sagen. Es ist Aufgabe des Rechtsstaats, den Täter mit aller Konsequenz zur Rechenschaft zu ziehen. Aber umso mehr ist es unsere Verpflichtung auch gegenüber diesem Rechtsstaat, aus dem geschehenen Unrecht eben nicht noch mehr Unrecht zu machen. Dass rechte Hetzer versuchen, den Mord an Susanna politisch zu instrumentalisieren, ist eben auch ein solches Unrecht. Wenn die AfD in Mainz unter Vortäuschung von Pietät und Anstand dazu aufruft, dann wird ein Mord politisch instrumentalisiert und missbraucht, um gegen Politiker und Geflüchtete zu hetzen.

Ich bin froh, dass dieser Hass in Mainz nicht auf fruchtbaren Boden fällt. Wir in Mainz haben gezeigt, wir sind vielfältig. Wir feiern gemeinsam, aber wir trauern auch gemeinsam. Das gilt auch für den rheinland-pfälzischen Landtag und für die Menschen in Rheinland-Pfalz.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der FDP und bei der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Staatsminister Lewentz das Wort.

Sehr geehrter Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Präsident, lassen Sie mich Ihnen zunächst einmal im Namen der Landesregierung sehr herzlich für dieses sehr wichtige Gespräch danken, das Sie mit der Mutter von Susanna geführt haben.

Ich darf auch sagen, natürlich sind wir, die Mitglieder der Landesregierung, nach wie vor sehr erschüttert und tief betroffen über die schreckliche Tat, die sich in der Nacht vom 22. auf den 23. Mai 2018 in Wiesbaden ereignet hat.

Unsere Gedanken sollten heute zunächst – auch in dem Punkt pflichte ich Ihnen ausdrücklich bei, sehr geehrter Herr Präsident – der Familie, den Angehörigen und Freunden von Susanna gelten. Für die gesamte Landesregierung möchte ich ihnen erneut mein, unser tiefes Mitgefühl und unsere aufrichtige Anteilnahme aussprechen.

In diesen schweren Tagen Zuspruch und Halt zu erfahren, macht die Tat nicht ungeschehen. Es ist verständlich, wenn sie derzeit kein Trost erreichen kann. Als Parlament und als Gesellschaft sollten wir uns aber nochmals bewusst machen, welches Leid der mutmaßliche Täter über die Familie von Susanna und ihr Umfeld gebracht hat.

Seit der Tat wird in der Öffentlichkeit viel über die Hintergründe diskutiert, teilweise auch spekuliert, die zu Susannas Tod geführt haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe auch großes Verständnis dafür, dass viele Bürgerinnen und Bürger vor dem Hintergrund einer solchen Tat Fragen haben und sich schnelle Antworten wünschen. Unsere Verantwortung als Regierung, und, ich glaube, auch als Parlament erlaubt uns diesen emotionalen Reflex nicht.

Unsere Aufgabe ist es jetzt, besonnen und nüchtern die Fakten zu betrachten, Probleme zu identifizieren und Lösungen zu erarbeiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte auch sagen, das, was in den letzten Wochen auch von einigen Mitgliedern dieses Hauses geäußert worden ist, erschüttert mich. Das Verbrechen – noch schlimmer –, das Leid der Familie und Freunde wird etwa bei sogenannten Mahnwachen rücksichtslos instrumentalisiert.

(Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD: Unglaublich! Das ist unglaublich!)

Es wird der Versuch unternommen, politisches Kapital aus dieser schrecklichen Tat zu schlagen. Das ist falsch. Das geht nicht.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Was machen Sie denn jetzt gerade? – Glocke des Präsidenten)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für die Landesregierung möchte ich an dieser Stelle betonen, dass nach den mir bislang vorliegenden Informationen bei der Bearbeitung des Vermisstenfalls in Mainz alle rechtlich zulässigen und alle taktisch gebotenen Maßnahmen zeitgerecht ergriffen wurden, um Susanna zu finden.

Dabei gestaltete sich die Zusammenarbeit mit den Behörden in Hessen ebenso vertrauensvoll wie professionell. In Hessen ist durch die verantwortliche Landesregierung festgestellt worden, dass kein Behördenversagen die Tat begünstigt hat. So werte ich ausdrücklich auch das Handeln der rheinland-pfälzischen Polizei.

Ebenso kann ich die teilweise geäußerte Kritik, die Behörden in Rheinland-Pfalz hätten zu zögerlich und nicht umfassend informiert, nicht nachvollziehen. Mein Ministerium und das Polizeipräsidium Mainz unterliegen bei der öffentlichen Berichterstattung aufgrund der Sachleitungsbefugnis der hessischen Justiz, aber auch aufgrund des Persönlichkeitsrechts des Opfers und ihrer Angehörigen rechtlichen Restriktionen. Unter Berücksichtigung dieser Rahmenbedingungen haben wir das verlautbart, was uns möglich war. Transparenz bedeutet nicht, das Privatleben des Opfers in die Öffentlichkeit zu tragen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich weiß, dass die ermittelnden Behörden auch weiterhin alles daransetzen werden, die Tat, ihre Hintergründe und die Motive des Beschuldigten umfassend aufzuklären.

Sehr geehrter Herr Schreiner, das ist bei allen schweren Kriminalitätsfällen so, bei der rheinland-pfälzischen Polizei und bei allen deutschen Polizeien. Gerade solche Fälle wie Mord werden nahezu vollständig aufgeklärt. Für die rheinland-pfälzische Polizei darf ich als zuständiger Minister in Anspruch nehmen, wir liegen bei der Aufklärungsquote deutlich über dem Bundesdurchschnitt und sind in der führenden Position mit dabei.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Schnellschüssen und Forderungen ins Blaue hinein ist eine deutliche Absage zu erteilen, so etwa auch der Forderung nach einer unmittelbaren Abschiebung bei Straffälligkeit. Wir leben in einem Rechtsstaat. Ich möchte für mich diesen Begriff gerne aufnehmen, auch ich als Mitglied einer sogenannten Altpartei. Wir haben diesen Rechtsstaat nach der unsäglichen Nazizeit gemeinsam aufgebaut. Ich bin enorm stolz auf diesen Rechtsstaat. Ich glaube, es ist etwas, was in der Welt so oft nicht vorzufinden ist.

Der Rechtsweg steht bei uns jedem offen, nicht nur den Staatsbürgern. Die Rechtsstaatlichkeit ist eine der Grundfesten unserer Demokratie und unseres Zusammenlebens.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte auch sagen, die Taten Einzelner dürfen nicht zu einer pauschalen Verurteilung aller rechtstreuen und integrationswilligen Flüchtlinge führen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Rheinland-Pfalz hat durch die Bereitstellung von zusätzlichen Richterstellen und einem effektiveren Verfahren beim Verwaltungsgericht in Trier gezeigt, wie man als Land seinen Beitrag dazu leisten kann. Wir sind an dieser Stelle das Land der schnellsten Gerichtsverfahren bundesweit.

Sicherlich muss geprüft werden, welche weiteren Möglichkeiten es gibt, schneller zu rechtskräftigen Abschlüssen von Asylverfahren zu gelangen.

Wir hatten vor einer Woche Innenministerkonferenz. Die

Innenminister haben alle an die Verantwortung des Bundes, insbesondere an die des Kollegen Seehofer appelliert, seine Hausaufgaben zu machen, beispielsweise den Druck auf die Staaten zu erhöhen, die sich weigern, ihre eigenen Staatsangehörigen wieder aufzunehmen oder Ersatzpapiere auszustellen. Er hat genau dies bei der IMK versprochen. Jetzt muss gehandelt werden, auch beim BAMF. Auch das hat er angekündigt.

Zu den sogenannten Ankerzentren möchte ich an dieser Stelle noch einmal deutlich sagen, Herr Kollege Seehofer hat in der Innenministerkonferenz dazu gesagt, er habe keine eigenen Vorstellungen von Ankerzentren. Die Ankerzentren sollten die Länder mit Leben erfüllen. Ich glaube, das ist viel zu kurz gesprungen. Ich hätte mir an der Stelle mehr erwartet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die rheinlandpfälzische Polizei hat diesen Fall sehr, sehr ernst genommen und gemeinsam mit der hessischen Polizei und der Bundespolizei dafür sorgen können, dass der mutmaßliche Mörder gefasst und der deutschen Justiz überstellt werden konnte. Ich glaube, auch das ist später einmal ein Trost für die Familie.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)