Protocol of the Session on June 20, 2018

Susanna F. – Politische Konsequenzen auf Antrag der Fraktion der AfD – Drucksache 17/6462 –

Für die AfD-Fraktion, die Antragsteller, spricht der Vorsitzende, Herr Junge.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich danke Ihnen für die gesprochenen Worte, die Sie als Alternative für die von uns als Antrag gestellte Schweigeminute gewählt haben. Ich denke, es war angemessen. Ich danke Ihnen dafür.

Der Mord an der 14-jährigen Susanna Feldmann aus Mainz hat uns nach dem gewaltsamen Tod von Mia aus Kandel erneut schwer erschüttert. Ich möchte mich an dieser Stelle anschließen und nochmals mein Beileid für die Angehörigen und Freunde aussprechen.

Aber so schrecklich dieser erneute Mordfall an diesem jungen Mädchen auch ist, überraschend kam er aus realistischer Sicht und in Kenntnis der kulturellen Besonderheiten nicht. Vielmehr ist die grausame Tat nur eine weitere, die sich noch viele Male wiederholen kann, weil das Aufeinandertreffen zweier so völlig unterschiedlicher Kulturen und Wertvorstellungen diese Tat geradezu zwangsläufig hat passieren lassen, auch weil eine gewisse Naivität, vielleicht auch Ignoranz, eben die Gefahren nicht sehen wollte.

Für die seit 2015 nie unter Kontrolle gewesene Asylpolitik Deutschlands ist die Asylbiografie des jungen Irakers Ali Bashar exemplarisch, der vorgab, Schutz zu suchen, dennoch einem schutzlosen Mädchen brutal das Leben nahm.

Ali Bashar kam mit der Welle, einer mehr unkritischen Humanität getragenen, im Spätsommer 2015 über die Türkei, Griechenland und die sogenannte Balkanroute rechtlich illegal nach Deutschland. Im Oktober 2015 überquerte er unbehelligt die deutsche Staatsgrenze. Kontrolliert und registriert wurde er dabei nicht. Er reiste mit seiner achtköpfigen Familie und folgte wie 100.000 andere auch dem uneingeschränkten Willkommensruf der Bundeskanzlerin und ihrer vielen Mitstreiter aus allen Altparteien.

Erst im September 2016 – also ein ganzes Jahr nach seiner Ankunft aus einem sicheren Drittstaat – stellte er einen Asylantrag. Darin gab er als Schutzgrund an, dass er in seiner irakischen Heimat von der kurdischen PKK verfolgt werde und um sein Leben fürchten müsse. Heute wissen wir, es war eine Lüge.

Das BAMF erkannte Bashars Gründe trotz der doch eher, wie wir jetzt wissen, lockeren Bearbeitungsmentalität nicht an und lehnte seinen Asylantrag im Dezember 2016 ab. Seiner drohenden Abschiebung stellte sich der Iraker mit Hilfe eines Asylanwalts im Januar 2017 entgegen. Ihm wurde durch die Ausländerbehörde eine Duldung ausgestellt.

Diese Klage wurde – das ist der eigentliche Skandal, meine Damen und Herren – bis zum Mord an Susanna, also eineinhalb Jahre später, nicht einmal bearbeitet und war ohnehin nur auf Zeitgewinn angelegt, da sie von vornherein ohne Begründung eingereicht wurde. Schlamperei? – Nein, das ist leider der üblich gewordene Lauf der Dinge in der Behandlung dieser Rechtsfragen, in dem jeder Parksünder und GEZ-Gebührenverweigerer die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommt,

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gauland!)

aber kriminelle Personen mit Samthandschuhen angefasst werden und auch noch Prozesskostenzuschüsse erhalten, anstatt endlich die Voraussetzungen zu schaffen, diese Leute festzusetzen und mit aller Konsequenz abzuschieben.

Womit verbringt der junge Ali seine alimentierte Duldungszeit als angeblich verfolgter Schutzsuchender? Ein Blick in die Polizeiakte erhellt ungemein. Bashar beteiligt sich an Schlägereien und Raubüberfällen, bespuckt Polizistinnen und soll an der Vergewaltigung einer 11-jährigen Deutschen beteiligt gewesen sein und – weil man von dem bisschen Kohle nicht leben kann – dealt nebenbei mit Rauschgift am Bahnhof.

Für keine dieser Taten wurde er zur Rechenschaft gezogen oder in Untersuchungshaft gesteckt, obwohl die Tatbestände dafür ausreichend gewesen wären

Nachdem er Susanna vergewaltigt und getötet hat, reist er geordnet und erneut unbehelligt mit der ganzen Familie aus Deutschland aus und in den Irak wieder ein, dorthin, wo doch angeblich die PKK auf ihn lauert und ihm und seiner Familie Lebensgefahr und Verfolgung droht. Ein Witz, wenn es nicht so traurig wäre. Den Rest kennen Sie aus den Medien, aber ich fürchte, von dieser Art Biografien werden wir noch viele kennenlernen.

Diese ständige Beschwichtigung, diese immer wiederkehrenden Relativierungen, das kollektive Wegsehen ist alles ein Schlag ins Gesicht der Opfer und ihrer Angehörigen. Wer glaubt, solche Taten als ständige Einzelfälle verharmlosen zu können, der handelt aus unserer Sicht fahrlässig, verantwortungslos und nimmt weitere Morde dieser Art billigend in Kauf, meine Damen und Herren.

Es müssen endlich Konsequenzen aus diesen Morden der letzten Zeit gezogen werden; denn die Fälle wirken wie ein Brennglas der verfehlten Asylpolitik, zeigen sie doch in ihrer Entstehung und in ihrem Verlauf geradezu symptomatisch das politische und in der Folge das behördliche Versagen bei der Bewältigung der selbst angerichteten Asylkrise.

Meine Damen und Herren, Susanna und Mia könnten noch leben, wenn die Verantwortlichen auf allen Ebenen rechtzeitig ihre verblendete Haltung gegen eine realistische und wachsame Lagebeurteilung aus- und eingetauscht hätten.

(Glocke des Präsidenten)

Fragen und die möglichen Antworten dazu in der zweiten Runde.

Danke schön.

(Beifall der AfD)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Klomann das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Mord an der 14-jährigen Susanna hat uns alle schockiert und berührt. Unser tiefes Mitgefühl gilt den Eltern und der Familie der Getöteten, die in diesen Tagen viel Unterstützung, Zuneigung und Verständnis brauchen. Unser Mitgefühl gilt auch den zahlreichen Freundinnen und Freunden und den Mitschülerinnen und Mitschülern der IGS Bretzenheim und dem Kollegium der Schule. Für sie alle ist dieser Mord ein schockierendes Ereignis.

Mainz ist keine typische anonyme Großstadt, sondern eine Stadt, die recht übersichtlich ist, in der es durch vielerlei Dinge ein Zusammengehörigkeitsgefühl gibt. Ich bin daher dankbar, dass in den vergangenen Tagen genug Raum war für das Trauern und das stille Gedenken, für Anteilnahme; denn für die Menschen auf dem Lerchenberg und der IGS geht es in erster Linie darum, diese schreckliche Tat zu begreifen, sie zu verinnerlichen, sich zu versichern, dass man in der Trauer nicht allein ist.

Das Bedürfnis, darüber reden, war genauso spürbar wie das Bedürfnis, sich solidarisch zu zeigen, Anteil zu nehmen, auch wenn man nicht auf dem Lerchenberg wohnt oder Teil der Schulgemeinschaft ist, so zum Beispiel bei der Gedenkveranstaltung des Deutschen Gewerkschaftsbundes am Montag letzter Woche, auf der nicht viel Worte gemacht wurden, sondern bei der wir still gedachten. Das gilt auch für den Trauermarsch auf dem Lerchenberg, der auf Initiative der Menschen dort stattfand.

Ich bin der Schule dankbar, die eine würdige Trauerfeier veranstaltet hat und die den Schülerinnen und Schülern den Raum gibt, ihrer Trauer und ihrem Entsetzen Ausdruck zu verleihen. Unterstützt wird die Schule dabei vom Schulpsychologischen Dienst des Pädagogischen Landesinstituts.

Ihre Aktuelle Debatte ist betitelt mit „Politische Konsequenzen“. In einem Rechtsstaat ist es üblich, dass eine Straftat zunächst immer strafrechtlich verfolgt wird. Ich bin dankbar, dass die hessische Strafverfolgung und die Bundesregierung dafür Sorge getragen haben, dass der mutmaßliche Täter schnell gefasst und zurück nach Deutschland gebracht wurde.

Natürlich ist es bei einer Straftat, der einer Vermisstenanzeige vorausging, üblich, dass hinterfragt wird, ob die Polizei auf der einen wie auf der anderen Seite des Rheins alles richtig gemacht hat, wie man ausreisen kann, wenn auf Flugticket und Ausweis unterschiedliche Namen stehen und weshalb die Klage gegen einen abgelehnten Asylantrag über so lange Zeit unbearbeitet bleibt.

Wofür ich aber kein Verständnis habe, ist die Art, in der die AfD mit diesem Thema umgeht. Ich verstehe es nicht, dass die AfD-Jugendorganisation kurze Zeit nach dem Entdecken der Leiche bereits ein Bild zu dem Mord über Twitter jagte, auf dem zwei blutverschmierte Hände zu sehen sind. Ich habe zuerst gedacht, dass das ein Fake-Bild ist, dass selbst die AfD eigentlich noch so viel Anstand und Reife hat, dass sie die Blutrünstigkeit einer Tat mit Rücksicht auf Opfer und Familie nicht ausschlachtet. Aber leider sind sie sich selbst für solche pietät- und geschmacklosen Aktio

nen nicht zu schade.

Dieses Twitter-Bild spricht Bände. Es sagt sehr viel aus. Im Mittelpunkt steht nicht die Anteilnahme, nicht die Trauer, nicht das Entsetzen, sondern nur die politische Instrumentalisierung, das Schüren von Emotionen und die profane Gier nach Likes. So geht man nicht mit einer solchen Tat in einer zivilisierten Gesellschaft um.

Was Ihre Motive sind, ist auch treffend in der Allgemeinen Zeitung vom 11. Juni zu lesen. Ein Mord ist für Sie nur dann interessant, wenn möglichst lange spekuliert werden kann, dass der mutmaßliche Täter Ausländer ist, oder wenn er tatsächlich ein Ausländer war. Stellt sich aber heraus, dass der Täter doch kein Ausländer ist, dann lassen Sie die Opfer fallen wie heiße Kartoffeln. Keine Anteilnahme mehr, keine Schweigeminuten mehr, keine Kerzen und keine Aktuellen Debatten. Das ist scheinheilig.

Für uns in Mainz ist wichtig, dass das Trauern um Susanna, das würdevolle Gedenken an sie möglich ist und es nicht verdrängt wird durch eine politische Instrumentalisierung von extremistischer Seite. Wir hier lassen uns nicht von zugereisten Demonstranten auseinanderdividieren, sondern stehen auch in solch schweren Zeiten zusammen. Wir sollten die Situation, in der sich Susannas Familie derzeit befindet, mit aufgeheizten Debatten nicht noch schwerer machen, als sie ohnehin schon ist.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltend starker Beifall der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Schreiner das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere Gedanken sind heute bei Susanna, die noch so viel vorhatte, die Träume hatte für ihr junges Leben und die ihre Träume nun nicht mehr leben kann. Uns bleibt die Hoffnung, dass Gott sie auch in ihrer letzten Stunde getragen hat. Unsere Gedanken sind bei ihren Eltern, bei ihrer Familie, bei ihren Freunden, die einen unermesslichen Schmerz erlitten haben, die mit Susanna gemeinsam die Welt entdecken wollten, die so viel Liebe, so viel Hoffnung, so viel Vertrauen in sie gelegt haben. Uns bleibt die Hoffnung, dass sie sich dereinst vor allem wieder an die schönen Augenblicke auf ihrem Weg erinnern, auch weil unser Rechtsstaat den Täter zur Verantwortung ziehen wird.

Unsere Gedanken sind auch bei den vielen Menschen, die der Familie, den Freunden, den Klassenkameraden helfen und geholfen haben, bei den Polizeibeamten und den Mitarbeitern des Jugendamts, bei den Seelsorgern und bei den Lehrern, bei den Menschen, die Susanna begleitet haben, als sie gelebt hat, und bei den Menschen, die nach ihr gesucht haben, als sie tot war.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, als Abgeordnete des rheinland-pfälzischen Landtags fragen wir uns aber auch, was wir konkret dazu beitragen können, um solch schreckliche Taten zu verhindern, was wir konkret tun können, um nach solch schrecklichen Taten zu helfen. Unabhängig von dem, was jetzt bundesgesetzlich überprüft und angestoßen wird, unabhängig von dem, was jetzt in Hessen überprüft und angestoßen wird, müssen wir uns fragen: Können wir in Rheinland-Pfalz sicherstellen, dass wir Intensivstraftäter und solche, die auf dem Weg sind, es zu werden, stellen und bestrafen? Können wir sicherstellen, dass wir mit Hochdruck jedem Verdacht einer schweren Straftat nachgehen, auch im rauen Milieu unserer Bahnhofsplätze und Flüchtlingsheime? – Die Antwort lautet: nicht in jedem Fall.

Können wir in Rheinland-Pfalz sicherstellen, dass wir Gefährder ohne Aufenthaltsrecht konsequent außer Landes bringen? Haben wir in Rheinland-Pfalz genug Polizisten, um ein 14-jähriges Kind in jedem Fall und unverzüglich und mit aller Kraft zu suchen, wenn es nicht nach Hause kommt? – Die Antwort lautet: leider nicht in jedem Fall.

Vieles könnte besser laufen, mit mehr Staatsanwälten, mit mehr Richtern und Polizisten, die Zeit haben für Prävention und Zeit haben, jeder Straftat unverzüglich eine Antwort unseres Rechtsstaats folgen zu lassen. Das ist auch unsere originäre Zuständigkeit hier im Land.

Doch noch eines ist mir wichtig angesichts der Tat und angesichts der Trauer. Ich wünsche mir, dass wir in unserem Land besser gegenseitig auf uns aufpassen. Ich wünsche mir eine neue Kultur der Achtsamkeit. Haben wir in Rheinland-Pfalz genug Menschen, die mit liebevollem Blick auf unsere Kinder achten? Haben unsere Lehrer in Rheinland-Pfalz genug Zeit für ihre Schüler, auch um für sie da zu sein, wenn sie plötzlich nicht mehr in die Schule kommen? – Die Antwort lautet: Ja, Lehrer kümmern sich aufopferungsvoll. Aber nein, genug Zeit haben sie eigentlich nie.

Finden all die, die trauern, all die, die sich fragen, ob sie persönlich etwas hätten verhindern können, finden alle diese jemanden, der ihnen zuhört, der ihre Fragen ernst nimmt, mit ihnen nach Antworten sucht? – Ja, denn es läuft nicht alles falsch in Rheinland-Pfalz; das hat der Herr Kollege angesprochen. Das Team aus Seelsorgern, Psychologen und Sozialarbeitern zum Beispiel war sofort da, als die Lehrer und die Schülerinnen und Schüler an Susannas Schule sie gebraucht haben.

Aber es ist eben auch richtig, es könnte vieles viel besser laufen. Es ist in erster Linie eine Frage der Haltung, dass wir aufeinander aufpassen, aber dann geht es eben auch ganz schnell um mehr Lehrer, um mehr Jugendpfleger und Jugendleiter, die Kindern gute Vorbilder sind, das Leben anzupacken und die eigenen Perspektiven zu nutzen, und das ist auch Verantwortung von uns hier im rheinlandpfälzischen Landtag.

Ich wünsche mir deshalb, dass wir hinsehen, wenn jemand unsere Hilfe braucht, und das gilt ganz besonders für unsere Kinder auf dem Weg, erwachsen zu werden. Ich wünsche mir, dass wir hinsehen, bevor Straftaten passieren und die richtigen Menschen an der richtigen Stelle

verhindern, dass Unschuldige zu Opfern werden. Und ich wünsche mir, dass wir hinsehen, wenn Straftaten passieren, dass wir dem Opfer beistehen und den Täter stellen. Wir werden damit das Böse nicht abschaffen, aber es ist an uns, das Gute zu tun.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei SPD, AfD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Roth das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie auch mich zunächst im Namen meiner Fraktion den Eltern, der Familie, den Freundinnen und Freunden und allen Menschen, die Susanna gekannt, geliebt und geschätzt haben, unsere Anteilnahme und unser herzliches Beileid aussprechen.