Protocol of the Session on May 24, 2018

Ergo hat das Kopftuch immer nur die Symbolik, die man ihm theologisch, kulturell und gesellschaftlich beimisst. Das bedeutet also, niemand darf – auch nicht aus vorgeblich religiösen Gründen – gezwungen werden, ein Kopftuch zu tragen. Wer aber das Tragen verbieten will, vornehmlich, um eine fundamentalistisch patriarchalische Symbolik der Unterdrückung und Sexualisierung von Frauen und Mädchen zurückzudrängen, der akzeptiert zumindest implizit die Auslegung und Lehre dieser patriarchalischen Fundamentalisten und stärkt diese am Ende.

Letztlich wird damit das Gegenteil dessen erreicht, was vorgeblich das Ziel ist bzw. sein sollte, nämlich die Verteidigung unserer aufgeklärten freiheitlichen demokratischen und offenen Gesellschaft. Meine Damen und Herren, das ist doch unser Ziel.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Meine Damen und Herren, vergangene Woche, am 18. Mai, unserem Verfassungstag, haben wir gemeinsam mit der Ministerpräsidentin – Kollegin Willius-Senzer, Kollege Klomann, Kollege Schreiner und ich waren dabei – in Mainz den zweiten Platz der Kinderrechte nach HöhrGrenzhausen in Rheinland-Pfalz eröffnet. Die zentrale Botschaft dieser Kampagne des Kinderschutzbundes ist, Kinder nicht als Objekte, sondern als Subjekte unserer Gesellschaft mit eigenen Rechten, mit eigener Meinung und mit eigenem Willen zu begreifen.

Meine Damen und Herren, jede Kleidungsvorschrift – egal ob es der Vater, die Eltern, der große Bruder oder der Staat sind – ist ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dieser Kinder. Es ist gut, dass in der aufgeklärten Gesellschaft für uns nicht heilige Schriften der Maßstab sind, sondern die Verfassung und die freiheitlich demokratische Grundordnung. Diese wird letztlich vom Bundesverfassungsgericht ausgelegt.

Blicken wir in den jüngsten Entscheid des Bundesverfassungsgerichts zum Thema Kopftuch vom Jahr 2015: Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 27. Januar 2015 der Auffassung eine klare Absage erteilt, wonach der Landesgesetzgeber im schulischen Bereich einen umfänglichen Regelungsanspruch hat. Ein Verbot ist ganz im Gegenteil lediglich dann verfassungskonform auslegbar, wenn nachweislich eine hinreichend konkrete Gefahr oder Beeinträchtigung des Schulfriedens vorliegt.

Der Verfassungsgerichtshof geht noch einen Schritt weiter. Die Privilegierung zugunsten christlich abendländischer Kulturwerte und Traditionen ist verfassungswidrig. Ein derartiger Eingriff in die Persönlichkeitsrechte ist unverhältnismäßig, auch dann, wenn eine bloß abstrakte Störung des Schulfriedens angenommen wird.

Schauen wir uns die Situation in Rheinland-Pfalz an. § 54 der Grundschulordnung besagt: „Es gehört zu den erzieherischen Aufgaben der Lehrkräfte, die Notwendigkeit und Funktion von Ordnungsregelungen einsichtig zu machen und so dazu beizutragen, dass die Schülerinnen und Schüler die Ordnung in der Schule bejahen und danach handeln.“ Bei uns regeln es die Schulen, auch die Grundschulen, vor Ort gemeinsam mit den Schülerinnen

und Schülern und den Eltern.

Meine Damen und Herren, das tun sie sehr erfolgreich. Mir ist noch kein einziger Fall bekannt, in dem aufgrund des Tragens eines Kopftuchs einer Grundschülerin der Schulfrieden in Rheinland-Pfalz nachhaltig gestört sei. Eine aktuelle Anfrage beim Bildungsministerium ergab: Weder dem Ministerium noch der Schulaufsicht liegen in Rheinland-Pfalz nur ein einziger Fall vor, in dem durch das Tragen eines Kopftuchs der Schulfrieden in einer rheinlandpfälzischen Schule gestört wird.

(Glocke des Präsidenten)

Eine solche erfolgreiche Regelung sollten wir nicht ändern.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Nun erteile ich Herrn Abgeordneten Kessel von der Fraktion der CDU das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Diskriminierung oder gut für die kindliche Entwicklung? Die Frage um ein Kopftuchverbot für minderjährige Mädchen wird kontrovers diskutiert. Die Positionen könnten unterschiedlicher nicht sein. Einerseits wird darauf hingewiesen, dass Schulen ein gesetzlicher Schutzraum sein müssen, in dem sich junge Mädchen unbelastet entwickeln und entfalten können sollen. Andererseits wird das Kopftuch in geradezu naiver Leichtgläubigkeit als Zeichen von Vielfalt verklärt.

Eines ist klar: Die Verhüllung ist nicht bloß Mode und auch kein Ausdruck von Multikulti, sondern hat eine politische und eine religiöse Dimension.

(Beifall bei der CDU)

Ich persönlich finde es sehr bedenklich, wenn junge Schulmädchen schon ein Kopftuch tragen müssen. Wir sollten ihnen ihre Kindheit lassen. Kinder brauchen Freiräume, in denen es keine patriarchalischen Geschlechterbilder gibt, und das sollte die Schule sein.

Kinder im Grundschulalter können noch keine fundierten Entscheidungen treffen, insbesondere wenn es um so schwerwiegende Entscheidungen wie das Tragen eines Kopftuchs geht, sondern das geht von den Eltern aus. Die CDU ist grundsätzlich dagegen, dass Mädchen im Grundschulalter – also zwischen sechs und zehn Jahren – gezwungen werden, ein Kopftuch zu tragen,

(Beifall bei der CDU)

um muslimische Kinder vor Diskriminierung und Mobbing aus religiösen Gründen zu schützen und um sie nicht in einen unseligen Identitätskonflikt in der Schule und ihren

Familien zu zwingen und um ihnen eine freie und offene psychosoziale Entwicklung zu ermöglichen.

Das Tragen eines Kopftuchs suggeriert den Mädchen, dass ihre einsetzende körperliche Entwicklung vor der Allgemeinheit zu verbergen ist, sich ihre soziale Entwicklung nur noch in eine Richtung vollziehen kann und die Vielfalt der Möglichkeiten beschnitten wird. Gleichzeitig ist das Kopftuch ein bestimmendes Unterscheidungsmerkmal von den anderen Schülerinnen und Schülern, das potenziell desintegrierend wirkt.

Die Verschleierung der Frau wird vor allem vom politischen Islam eingefordert. Dabei steht nirgends im Koran noch in einer anderen religiösen Quelle geschrieben, dass sich bereits junge Mädchen verhüllen sollen oder müssen. Dies unterstreicht den antiliberalen und politischen Charakter der Kopftuchbefürworter, deren Forderungen selbst von einigen islamischen Verbänden abgelehnt werden.

In dieselbe Richtung weist der zunehmende Trend, dass bereits muslimische Grundschüler während des Ramadan fasten. Auch dies wird im Islam nicht von Kindern eingefordert. Beide Erscheinungsformen beeinträchtigen die Kinder in ihrer körperlichen und psychischen Entwicklung.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Daher ist das Land gehalten, an dieser Stelle frühzeitig einzuschreiten und allen Kindern eine freie und selbstbestimmte Entwicklung zu ermöglichen; denn beim Verbot des Fastens wie auch des Kopftuchtragens in der Grundschule ist allein das Wohl des einzelnen Kindes stets im Blick.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist wichtig, eine Debatte über Kopftücher im Kindesalter zu führen: unaufgeregt und ohne populistischen Beigeschmack. Das Thema wurde von Unionspolitikerinnen und Unionspolitikern angesprochen und adressiert. Die AfD fokussiert sich jedoch in ihrem Antrag zu sehr auf das Kopftuch als religiöses Symbol. Dieser Ansatz greift zu kurz.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von der AfD: Sehr bemüht!)

Ein gesetzliches Kopftuchverbot für minderjährige Mädchen in deutschen Kindergärten und Schulen will wohlüberlegt sein. Schnellschüsse helfen uns nicht weiter, ganz abgesehen davon, dass allein ein Verbot das Problem nicht lösen würde; denn das führt einerseits zu Trotzreaktionen, und andererseits werden dadurch Entfremdungsprozesse von Staat und Teilen der Bevölkerung forciert.

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Um es noch einmal ganz klar zu sagen: Uns ist es wichtig, dass alle jungen Mädchen bis zur Religionsmündigkeit im Alter von 14 Jahren die Möglichkeit erhalten, sich frei zu entfalten und keinen Kleidungszwängen unterworfen sind. Um dies zu erreichen, sucht die CDU aber keine allein juristischen, sondern vor allem pädagogische Lösungen;

(Beifall bei der CDU)

denn für uns steht das Kindeswohl im Vordergrund. Das heißt, wir müssen Elternarbeit intensivieren, um frühzeitig auf die schädliche Wirkung des Fastens für die kindliche Entwicklung hinzuweisen.

Wir müssen im Rahmen des Runden Tischs Islam darauf hinwirken, dass die islamischen Verbände Eltern dazu anhalten, von einer Verschleierung und vom Fasten von Grundschülerinnen und Grundschülern abzusehen.

Wir brauchen einen konkreten Handlungsleitfaden für die Schulen, der ihnen Handlungssicherheit in interkulturellen Konfliktsituationen bietet.

In diesem Sinne fordern wir die Landesregierung auf, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, und Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, unserem Alternativantrag zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Bevor ich das Wort zu einer Kurzintervention erteile, darf ich weitere Gäste auf unserer Besuchertribüne willkommen heißen. Wir freuen uns über die Anwesenheit von Seniorinnen und Senioren der Ortsgemeinde Welterod in der Verbandsgemeinde Nastätten im Rhein-Lahn-Kreis. Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im Hause)

Ebenso herzlich begrüßen wir Mitglieder des Gewerbeforums Westerwald e. V. Auch Ihnen ein herzliches Willkommen!

(Beifall im Hause)

Wir begrüßen Damen und Herren der Singgemeinschaft Schwabenheim-Stadecken. Auch Ihnen ein herzliches Willkommen!

(Beifall im Hause)

Nun darf ich auf die Ausführungen von Herrn Abgeordneten Kessel Herrn Fraktionsvorsitzenden Junge das Wort zu einer Kurzintervention erteilen.

Herr Präsident, herzlichen Dank. Sehr geehrter Herr Kessel, das Thema, das wir eingebracht haben, hat Sie offensichtlich ein wenig in Panik versetzt;

(Abg. Christine Schneider, CDU: Den Eindruck hat er aber jetzt nicht gemacht!)

denn Sie haben im Grunde den gleichen Antrag gestellt, haben ihn aber noch einmal um das Fastenverbot ergänzt. Ich halte das für nicht zielführend, weil ich glaube, dass wir uns in der Sache des Kopftuchverbots und auch in der Art und Weise, wie Sie argumentiert haben, einig sind. Sie haben es ein bisschen verklausuliert.

Aber ich muss ganz ehrlich sagen, das Fastenverbot ist doch ein Eingriff: Wie wollen Sie den kontrollieren? Das haben wir natürlich auch einmal überlegt,