Protocol of the Session on May 24, 2018

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr richtig!)

Wir erwarten aber hier endlich politische Zielvorgaben auch mit konkreten Zielen ihrer Umsetzung.

(Beifall der CDU)

Zur Erwiderung hat Frau Staatsministerin BätzingLichtenthäler das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Thelen, nehmen Sie zur Kenntnis, dass der „Masterplan Medizinstudium 2020“ in Berlin am 31. März 2017 verabschiedet wurde.

(Abg. Hedi Thelen, CDU: Sie wissen, es ist der zweite Masterplan! Wir hatten hier schon einen! Das Problem ist seit Langem bekannt! Da brauchen wir keinen Masterplan!)

Frau Thelen, Ihnen wurde auch zugehört.

Frau Thelen, ich glaube, ich habe jetzt das Wort, und es wäre schön, Sie würden mir zuhören. Dann würden Sie auch auseinanderhalten können, über welche Pläne wir hier sprechen.

Der „Masterplan Medizinstudium 2020“ ist vom Bundesgesundheitsminister und von der Bundeswissenschaftsministerin gemeinsam mit den GMK- und KMK-Vertretern der Länder erarbeitet worden. Wir haben über lange Zeit hinweg gemeinsam verhandelt und einen Plan zur praxisnäheren Ausgestaltung des Medizinstudiums verabschiedet, wobei eine der 37 Maßnahmen die Landarztquote ist.

Dieser „Masterplan Medizinstudium 2020“ ist auf Bundes

ebene am 31. März 2017 verabschiedet worden. Wir haben uns in Rheinland-Pfalz umgehend mit der Ärztekammer, mit dem Hausärzteverband, mit den Beteiligten zusammengesetzt und eingeleitet, diesen Masterplan der Bundesebene zusätzlich zu unseren Landesmaßnahmen umzusetzen.

Ich möchte auch noch einmal darauf hinweisen, dass es bezüglich der Maßnahme Nummer 37, der Landarztquote, bisher kein Bundesland gibt, das seit dem 31. März 2017 eine Landarztquote umgesetzt hätte. Von daher lasse ich diesen Vorwurf hier nicht im Raum stehen, dass wir irgendetwas verschlafen hätten. Wir erarbeiten derzeit innerhalb der Landesregierung ein Konzept, wie eine mögliche Quote aussehen könnte, um dann zielgerichtet und zielführend über das Thema konkret für Rheinland-Pfalz zu diskutieren.

(Beifall der SPD und vereinzelt bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben das Thema der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung bereits als eines der ersten Bundesländer immer wieder auf dem Plan und sind es immer wieder auch angegangen seit 2007. Wir entwickeln uns hier weiter mit den Maßnahmen und den entsprechenden Ansätzen, auch angepasst an die bundespolitischen Rahmenbedingungen. Wir stellen uns dem Thema Sicherstellung der ärztlichen Versorgung. Wir müssen uns hier vor nichts verstecken. Wir wollen aber eine zielführende Auseinandersetzung. Dafür arbeiten wir jetzt an einem Konzept für eine mögliche rheinland-pfälzische Landarztquote.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit kommen wir zu Abstimmung.

(Abg. Christine Schneider, CDU: Nein, Ausschussüberweisung!)

Es ist Ausschussüberweisung beantragt. Ich gehe davon aus, der Antrag soll an den Ausschuss für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur – federführend – und an den Ausschuss für Gesundheit, Pflege und Demografie überwiesen werden. Oder umgekehrt?

(Abg. Martin Haller, SPD: Wissenschaft federführend!)

Wissenschaft federführend – darüber stimmen wir ab –, mitberatend an den Gesundheitsausschuss. Wer dafür ist, den darf ich um das Handzeichen bitten! – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag einstimmig an die beiden Ausschüsse überwiesen.

Wir kommen somit zu Punkt 17 der Tagesordnung:

Kopftuchverbot an Grundschulen Antrag der Fraktion der AfD – Drucksache 17/6253 –

dazu: Kindliche Entwicklung umfänglich ermöglichen – Fasten und Verschleierung in der Grundschule unterbinden Antrag (Alternativantrag) der Fraktion der CDU – Drucksache 17/6297 –

Zur Begründung spricht der Abgeordnete Frisch der AfDFraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! „Wir müssen (...) die jungen Mädchen (...) vor Funktionalisierung und Missbrauch schützen. (...) Wer das Kopftuch will, ist Traditionalist und interpretiert die Überlieferung im eigenen Interesse. In Deutschland gehört er damit zu der Minderheit von Muslimen, die diese Religion nicht spirituell, sondern als Gesetz begreifen und einen ‚Scharia-Islam‘ vertreten.“ Das sagt die in der Türkei geborene Soziologin Necla Kelek in Alice Schwarzers „Emma“.

Ja, uns ist durchaus bewusst, dass die Religionsfreiheit und das Erziehungsrecht der Eltern hohe Güter sind. Aber gerade, weil dies so ist und wir daher in einem sensiblen Bereich agieren, müssen wir die Sache genau betrachten. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen stellte im Februar 2011 fest, dass nach überwiegender islamischer Ansicht vor Eintritt der Pubertät kein Verschleierungsgebot besteht. Selbst in religiösen muslimischen Kreisen wird über die Bedingungen gestritten, unter denen Frauen das Kopftuch tragen sollen. Von Grundschulkindern ist hier nicht die Rede. In diesem Alter hat das Kopftuch für Mädchen nicht den Stellenwert einer islamischen Bekleidungsvorschrift. Ein Verbot wäre demnach möglich, ohne die Religionsfreiheit zu beeinträchtigen.

Genau deshalb ist hier auch das Recht des Staates über das religiöse Erziehungsrecht der Eltern zu stellen. Die schon erwähnte Soziologin Kelek unterstreicht diesen Sachverhalt. Ich zitiere: „Mädchen vor dem 14. Lebensjahr mit dem Kopftuch in die Schule zu schicken, das hat wenig mit Religionsfreiheit oder dem Recht der Eltern auf Erziehung zu tun“, sondern ist ein Verstoß gegen die Menschenwürde und das Diskriminierungsverbot. „Denn das Kopftuch qualifiziert das Kind als Sexualwesen, das seine Reize vor den Männern zu verbergen hat, das weniger Freiheiten hat als die Brüder und die anderen Schulkameradinnen.“

Meine Damen und Herren, ein Kopftuchverbot in der Grundschule ist nicht nur rechtlich möglich, es ist auch aus guten Gründen geboten; denn das Kopftuch ist gerade in diesem Alter eine Gefahr für Integration und Selbstbestimmung der Mädchen. So forderte die türkisch-stämmige Politikwissenschaftlerin Cigdem Toprak ein Kopftuchverbot für junge Mädchen mit der Begründung, dies erreiche genau jene Familien, die das Selbstbestimmungsrecht ihrer Töchter missachten. Ein solches Verbot – so Toprak – helfe den Kindern, sich zumindest in den wichtigsten Entwicklungsjahren nicht anders fühlen zu müssen.

Und in der Tat, Kinder in diesem Alter wollen so sein wie

alle anderen. Die Bürde des angeblich Besonderen, des Sauberen, das entfremdet sie von den Übrigen. Wenn es heißt, wer kein Kopftuch trägt, hat keine Ehre, dann treibt das Kopftuch einen Keil in die Klassen. Necla Kelek bezeichnet es daher gar als ein „Zeichen von religiöser Apartheid“. Das aber ist das Gegenteil von dem, was Kinder in diesem Alter lernen sollten, und es ist auch entwicklungspsychologisch ausgesprochen schädlich. Und daher müssen wir Kindern durch ein Kopftuchverbot Freiräume ermöglichen, notfalls sogar gegen den Willen der Eltern.

Auch die in Ostanatolien geborene Sonja Fatma Bläser stellt in der taz klar, dass das Kopftuch kein simples Kleidungsstück ist und Mädchen „entrechtet“, die sich nicht selbst dafür entschieden haben.

Auf die Frage, ob die Entwicklung eines muslimischen Mädchens durch das Kopftuch stärker eingeschränkt werde als die eines Kindes, das in einer fundamentalistischchristlichen Familie aufwächst, antwortet Bläser: „Ich fürchte, das Kopftuch ist um ein Vielfaches wirksamer“; „denn es stellt eine andauernde körperliche und psychische Disziplinierung“ dar, „und zwar in einem prägenden Alter.“

Meine Damen und Herren, es sollte uns sehr nachdenklich stimmen, dass solche Warnungen gerade von muslimischen Frauen kommen, die aus eigener Erfahrung wissen, worüber sie reden. Ein Kopftuchverbot für junge Mädchen würde klarstellen, erst eine Frau kann sich möglicherweise frei für oder gegen das Tuch entscheiden. Aber im Grundschulalter ist das Kopftuch definitiv nicht individueller Ausdruck religiöser Identität, sondern vielmehr Zeichen von Fremdbestimmung und vor allem Instrument sozialer Kontrolle; denn während für die Mehrheitsgesellschaft die Frau mit Kopftuch vorrangig ein Individuum sein mag, ist sie für ihre Community primär Teil des Kollektivs. Sie muss sich nicht nur etwas von ihren eigenen Eltern anhören, sondern auch von Verwandten oder von unbekannten Taxifahrern. Oder haben Sie schon einmal junge Frauen mit Kopftuch auf der Straße einen Mann küssen sehen?

(Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja!)

Ein Mädchen, das von Kindesbeinen an Kopftuch trägt, kann es nicht so einfach mit 17 Jahren wieder ablegen wie das Kreuz an einer Kette; denn ein solches Ablegen bedeutet nicht nur das Ablehnen der bisherigen Religion, sondern zugleich der mit dem Tuch verbundenen Werte, Normen und Sitten. Frauen, die das tun, machen sich angreifbar und werden als Verräterin stigmatisiert. Und auch deshalb dürfen wir nicht akzeptieren, dass bereits die kleinen Kinder antrainiert werden, ein Kopftuch zu tragen.

Meine Damen und Herren, wir erleben in Europa zurzeit eine Radikalisierung des Islam. Lange war diese ohnehin auf politische Macht ausgerichtete Religion nicht mehr so offensiv und missionarisch wie heute. Dabei nehmen gerade die Radikalsten gezielt Einfluss auf junge Menschen und betreiben unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit ihre freiheitsfeindliche Agenda.

Unser Antrag richtet sich nicht gegen die Muslime, die gut integriert bei uns leben und unsere demokratische Grundordnung respektieren. Unser Antrag richtet sich gegen

eine Interpretation des Islams, die sogar über das hinausgeht, was im Koran steht. Hier müssen wir ein deutliches Signal aussenden. Wir werden es nicht dulden, dass sich in unserem Land Tendenzen ausbreiten, mit denen kleine Mädchen sexualisiert werden,

(Glocke des Präsidenten)

ihre Selbstbestimmung verhindert und so Integration gefährdet wird. Und wir werden es nicht hinnehmen, dass bereits Kindern ein Frauenbild aufoktroyiert wird, das mit unseren Vorstellungen eines gleichberechtigten Zusammenlebens nicht vereinbar ist und daher einen wesentlichen Teil unserer Werteordnung negiert.

Unterstützen Sie dieses wichtige Anliegen. Stimmen Sie unserem Antrag zu.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will ergänzend noch informieren, es gibt einen Alternativantrag der Fraktion der CDU zu diesem Antrag mit dem Titel „Kindliche Entwicklung umfänglich ermöglichen – Fasten und Verschleierung in der Grundschule unterbinden“ – Drucksache 17/6297 –.

Nächster Redner ist Herr Köbler, ich nehme an für die Koalitionsfraktionen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen: „Denn wenn eine Frau sich nicht verschleiert, so mag sie sich auch das Haar abschneiden lassen; ist es aber für eine Frau schimpflich, sich das Haar kurz zu schneiden oder es sich ganz abscheren zu lassen, so soll sie sich verschleiern.“

Das Kopftuch, ein Stück Stoff, seit Jahrhunderten aufgeladenes Symbol, Streit in und zwischen Gesellschaften und Kulturen: Die einen wollen Frauen zwingen, es zur Sicherung der patriarchalischen Machtstrukturen zu tragen. Andere wollen verbieten, es zu tragen, zur Sicherung des eigenen Weltbildes.

Aktuell ist die Diskussion immer wieder in der Geschichte; heute aufgrund von Globalisierung, internationalen und kulturellen Konflikten, Fundamentalismus und Islamophobie. Dabei kennt der Koran gar kein explizites Kopftuchgebot des Propheten.

Das eingangs erwähnte Zitat stammt aus der Bibel, dem ersten Korintherbrief des Apostel Paulus, steht also im Neuen Testament. Ob es ein religiöses Kopftuchgebot für Frauen gibt, ist also – wie übrigens in vielen Religionen – theologische Auslegung der jeweiligen Zeit. Weitgehend Einigkeit besteht darüber, es kann für muslimische Frauen, wenn überhaupt, erst ab der Geschlechtsreife gelten, was übrigens auch für das Fastengebot des Propheten im Ramadan gilt.

Ergo hat das Kopftuch immer nur die Symbolik, die man ihm theologisch, kulturell und gesellschaftlich beimisst. Das bedeutet also, niemand darf – auch nicht aus vorgeblich religiösen Gründen – gezwungen werden, ein Kopftuch zu tragen. Wer aber das Tragen verbieten will, vornehmlich, um eine fundamentalistisch patriarchalische Symbolik der Unterdrückung und Sexualisierung von Frauen und Mädchen zurückzudrängen, der akzeptiert zumindest implizit die Auslegung und Lehre dieser patriarchalischen Fundamentalisten und stärkt diese am Ende.