Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Hochschule Fresenius in Idstein hat im Oktober 2017 eine beunruhigende bundesweite Studie zu Aussteigern aus den therapeutischen Berufen vorgestellt. Darin gaben von 306 befragten Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten 25 % an, bereits aus dem Beruf ausgestiegen zu sein, 51 % denken über einen Ausstieg nach, und nur 24 % wollen sicher in diesem Beruf weiterarbeiten.
Auch wenn diese Studie eine kleine Fallzahl hat und man bestimmt über die Repräsentativität diskutieren kann, geben uns diese Zahlen doch einen Hinweis darauf, dass die Rahmenbedingungen in diesem Beruf genauso wie in den anderen therapeutischen Berufen nicht besonders befriedigend sind.
Als einer der Hauptgründe für den vollzogenen oder geplanten Ausstieg werden von den Befragten der zu geringe Verdienst und die mangelnden beruflichen Perspektiven genannt. Dies bestätigen auch viele andere Untersuchungen. Daran müssen wir ansetzen, wenn wir die Attraktivität des Physiotherapieberufes steigern und so den drohenden Fachkräftemangel abwenden wollen.
Nach dem Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit verdient ein Physiotherapeut in Rheinland-Pfalz im Mittel 2.239 Euro. In freien Praxen liegt der Wert noch weit darunter, sowohl für die angestellten Therapeutinnen und Therapeuten als auch für die selbstständigen Praxisinhaberinnen und -inhaber. Der wesentliche Grund dafür liegt in der nach wie vor unzureichenden Vergütung der Heilmittelleistungen durch die Krankenkassen. Ein erster Schritt in die richtige Richtung wurde mit dem Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz unternommen, aber dieser reicht eben noch nicht aus.
Eine weitere Ursache für die Unzufriedenheit, die in der Studie genannt wurde, ist die mangelnde Lobby des Berufsstandes. Von den Berufsverbänden kommt immer wieder die Forderung nach einem eigenen Sitz im Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) auch für Therapieberufe. Auch wenn es an dieser Stelle sicherlich unterschiedliche Auffassungen und unterschiedliche Perspektiven gibt, wird uns an dieser Stelle die Diskussion um eine Verkammerung und Kammerbildung in der Zukunft weiter beschäftigen.
Einig sind sich fast alle Beteiligten darüber, dass die Ausbildung novelliert werden muss. Darunter fällt auch die allgemein geforderte Akademisierung des Berufes, um Perspektiven zu bieten. In diese Richtung hat das Land RheinlandPfalz in der Gesundheitsministerkonferenz 2016 einen Vorstoß zu einer Novellierung des Berufsgesetzes unternommen. Darin soll es den Physiotherapeutinnen und -therapeuten auch ermöglicht werden, eine größere Versorgungsverantwortung zu übernehmen. Auch im Koalitionsvertrag der Ampelkoalition haben wir uns den Ausbau der Studienmöglichkeiten und die eigenständige Ausübung von Heilkunde für geeignete Fachberufe vorgenommen.
Ein weiteres wichtiges Ziel im Koalitionsvertrag, das heute schon mehrfach erwähnt wurde, ist die Schulgeldfreiheit für Gesundheitsfachberufe. Wie die Antwort auf die Große
Anfrage der CDU zeigt, sind wir in Rheinland-Pfalz schon einen großen Schritt weitergekommen. Schon im Schuljahr 2018/2019 sollen 12 von 19 Physiotherapieschulen schulgeldfrei sein, zum Schuljahr 2021/2022 sollen dann alle bedarfsnotwendigen Ausbildungsplätze zur Deckung des Fachkräftebedarfs schulgeldfrei sein. Das ist sicherlich noch nicht das Ende der Fahnenstange, aber es ist bereits ein großer Schritt, und es ist bereits ein großer Erfolg.
Die Physiotherapeutinnen und -therapeuten wünschen sich auch mehr Eigenverantwortung in der Therapie. Ein Instrument dafür ist die sogenannte Blankoverordnung, in der der Arzt nur noch Diagnose und Indikation festschreibt und der Heilmittelerbringer dann unter bestimmten Bedingungen selbst über die Auswahl und die Dauer der Therapie entscheidet. Es gibt Modellvorhaben in Berlin-Brandenburg in diese Richtung, und sie haben eine verbesserte Wirksamkeit und eine bessere Nachhaltigkeit der Behandlung sowie auch mögliche Kostenreduktionen zum Ergebnis gehabt. Deswegen würden wir Grüne gern eine Überführung dieses Modells in die Regelversorgung unterstützen. Unsere grüne Bundestagsfraktion hat dies bereits 2016 in den Bundestag eingebracht; leider hat dieser Antrag keine Mehrheit gefunden.
Zusammengefasst kann ich sagen, die Antwort auf die Große Anfrage der CDU zeigt, dass in Rheinland-Pfalz von der Landesregierung schon viel unternommen wird, um die Versorgungssituation in der Physiotherapie zu verbessern und auch zu erhalten. Das wollen wir weiterverfolgen. Aber diese Anstrengungen allein reichen leider nicht aus. Es muss auch von den anderen Akteuren und Akteurinnen in der Gesundheitspolitik mehr Unterstützung kommen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Enders, wenn Sie kritisieren, dass die Landesregierung das Thema der physiotherapeutischen Ausbildung in den vergangenen Jahren hat schleifen lassen, dann möchte ich dem gern einige Fakten entgegenstellen. Meine Damen und Herren, die Fachkräftesicherung in den Gesundheitsfachberufen hat bei der Landesregierung einen hohen Stellenwert. Wir waren das erste Bundesland, das bereits im Jahr 2010 ein Branchenmonitoring ausschließlich für die Gesundheitsfachberufe eingeführt hat und zusätzlich auf der Grundlage eines Gutachtens den konkreten Fachkräftebedarf und auch die Anzahl der bedarfsnotwendigen Ausbildungsplätze ermittelt hat. Danach müssen spätestens ab 2021/2022 jährlich
Wir sind aber in Rheinland-Pfalz gut aufgestellt, um diese Herausforderung zu meistern. Gemeinsam mit den Expertinnen und Experten aus den Berufsverbänden und aus der Praxis haben wir Fachkräftesicherungsmaßnahmen eingeleitet und auch umgesetzt.
Ja, meine Damen und Herren, das Schulgeld, das an privaten Physiotherapieschulen zu zahlen ist, stellt tatsächlich eine Hürde bei der Steigerung der Ausbildungszahlen dar. Deshalb hat aber die Landesregierung bereits im Jahr 2012 zwischen der Landeskrankenhausgesellschaft, den Krankenhäusern und den Krankenkassen Gespräche moderiert und auch forciert, um mehr schulgeldfreie Ausbildungsplätze anzubieten. Wir sind sehr froh, dass es uns nun gelungen ist, mehr als die Hälfte der Schulen schulgeldfrei zu stellen. Ab dem Jahr 2018/2019 werden 12 von 19 Physiotherapieschulen schulgeldfreie Ausbildung anbieten.
Unser Ziel ist es – das haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart –, dass bis zum Jahr 2021/2022 alle bedarfsnotwendigen Ausbildungsplätze schulgeldfrei zur Verfügung stehen.
Meine Damen und Herren, dieser Erfolg, den wir hier erarbeitet haben, findet Anerkennung. So betonen die Berufsverbände, mit denen wir in engem Kontakt stehen, ausdrücklich den Erfolg unserer gemeinsamen Arbeit und bescheinigen Rheinland-Pfalz hier eine absolute Vorreiterrolle.
Was sicherlich auch zur Attraktivitätssteigerung der Ausbildung beiträgt, ist, dass in den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst durchgesetzt wurde, dass künftig für betrieblich-schulische Auszubildende endlich eine Ausbildungsvergütung gezahlt werden soll, wenn der Arbeitgeber dem TVöD unterliegt. Ich glaube, auch das trägt wirklich zur Attraktivitätssteigerung bei.
Meine Damen und Herren, darüber hinaus – auch das haben wir schon gehört – ist es dringend notwendig, dass das Berufsgesetz sowie die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung der Physiotherapie novelliert werden. Dieses Berufsgesetz und die Ausbildungsverordnung sind veraltet. Sie entsprechen in keiner Weise mehr den heutigen Anforderungen und dem Stand der Forschung. Deswegen hat die Landesregierung seit 2013 im Rahmen der Gesundheitsministerkonferenz immer wieder den Bundesgesundheitsminister – seit 2013 ist dies ein unionsgeführtes Ministerium – aufgefordert, sich hier für eine Novellierung einzusetzen und diese einzuleiten.
Nun, fünf Jahre später, im Februar 2018 ist es endlich gelungen. Der Bundesgesundheitsminister hat eine BundLänder-Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die ihre Arbeit zur Novellierung des Berufsgesetzes aufgenommen hat.
Meine Damen und Herren, aber wir in Rheinland-Pfalz wollen gar nicht auf diese Ergebnisse warten. Wir wissen
nicht, wie lange sich das noch hinziehen wird. Deswegen haben wir uns gemeinsam mit Experten aus der Praxis und den Schulen zusammengesetzt und erarbeiten zurzeit einen Ausbildungs- und Rahmenlehrplan, um eine einheitliche und hochwertige Ausbildung in Rheinland-Pfalz sicherzustellen. Wir nehmen es selbst in die Hand, um in Rheinland-Pfalz diese hochwertige Ausbildung flächendeckend zu gewährleisten.
Zur Weiterentwicklung der physiotherapeutischen Behandlung zählen – ganz wichtig – die dualen Studiengänge. Hier haben wir in Rheinland-Pfalz zwei duale Studiengänge, die an den Hochschulen in Trier und Mainz für über 270 Studierende angeboten werden. Mit diesen dualen Studiengängen und dieser Akademisierung gelingt es uns, akademisiertes Wissen in die Praxis zu tragen und die Physiotherapie auf einem hohen Niveau weiterzuentwickeln.
Meine Damen und Herren, Sie sehen, mit all diesen Maßnahmen hat die Landesregierung ihr Ziel im Blick, genügend schulgeldfreie Ausbildungsplätze für eine hochwertige Ausbildung in der Physiotherapie zu schaffen, die sich an den Bedarfen der Patientinnen und Patienten in Rheinland-Pfalz orientiert.
Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Die Große Anfrage ist hiermit beendet und ausgesprochen. Wir haben den Tagesordnungspunkt abgeschlossen.
An historische Orte der Demokratie in Rheinland-Pfalz erinnern und unsere Demokratie gemeinsam weiterentwickeln Antrag der Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/6229 –
Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von fünf Minuten vereinbart. Herr Kollege Schweitzer hat sich für die SPDFraktion zu Wort gemeldet.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Demokratie ohne Demokratinnen und Demokraten wird nicht funktionieren. Demokratie ist immer mehr als die Gesamtheit der Straßenverkehrsordnung, der kommunalen Satzungen und all der Regeln, die wir uns für das Zusammenleben gegeben haben.
Demokratie ist auch immer die Gemeinschaft von Orientierungen, Wertorientierungen und gemeinsamen Überzeugungen, die man im tagespolitischen Streit gegeneinander stellen darf.
Demokratie ist nicht naturgesetzlich wie das gute Wetter da, das vielleicht da ist und nicht mehr weggeht. An dem kann man sich erfreuen. Ganz plötzlich wundert man sich, wenn es mal regnet. Dann wird es auch wieder schön. Nein, Demokratie ist etwas, was man erkämpfen musste, was Generationen vor uns erkämpft haben. Nach meinem Gefühl muss das in den heutigen Generationen immer wieder neu erkämpft, erstritten und verteidigt werden.
Deswegen ist es so wichtig, dass man sich damit auseinandersetzt und sich im Landtag darüber im Klaren ist, dass Demokratie weit mehr ist als die institutionalisierte Form, die wir hier leben. Demokratie ist auch die Gemeinderatssitzung in jeder Gemeinde in Rheinland-Pfalz und darüber hinaus. Demokratie ist das Engagement einer Feuerwehrkapelle, weil sie sich für Gemeinschaft und Nachbarschaft einsetzt. Demokratie ist die Flüchtlingsinitiative vor Ort. Demokratie ist viel mehr, als wir hier leben. Es ist auch das, was wir hier tun.
Wir sind in einer Situation, bei der ich den Eindruck habe, Demokratie läuft Gefahr, dass sie einem Burn-out entgegengeht, weil man international oft spürt, dass es Systeme gibt – in China oder Nordamerika –, bei denen man beispielsweise in China den Eindruck hat, dass die alte Regel, dass Markt und Marktdurchdringung Demokratie mit sich bringen, aufgehoben ist. Ein extrem totalitäres und autoritäres System ist mit Marktmechanismen hocheffizient. Das ist eine Herausforderung für alle Demokratinnen und Demokraten, die gesagt haben, Wandel geschieht durch Handel.
Nordamerika, eines der Mutterländer der modernen Demokratie, schlittert nach meiner Auffassung in eine wirklich vitale Verfassungskrise hinein.
Wenn wir uns in Europa umschauen, dann sind Demokratien gerade in den Staaten Osteuropas, die gekämpft und sich demokratisch durchgesetzt haben, und zwar friedlich 1989/90, auch nicht mehr an der Tagesordnung. Es ist gut, dass wir uns darüber unterhalten, was wir dazu beitragen können, dass Demokratie neu, vital und immer wieder gekräftigt und gestärkt wird. Wir haben dazu einiges aufgeschrieben. Ich glaube, das ist kein abschließender Katalog. Es sind wichtige Bestandteile unserer Auffassung von einer modernen Demokratie.
Wir haben nicht, weil wir denken, es muss einen musealen Charakter erfüllen, aufgeschrieben, woher wir kommen. In Rheinland-Pfalz können wir stolz darauf sein, dass wir wichtige Stätten der Demokratiegeschichte ganz Deutschlands und ganz Europas haben. Sie erwarten alle – ich will Sie nicht enttäuschen –, dass ich über die Bergzaberner Republik spreche, meine Damen und Herren.
pfalz haben sich Menschen zum ersten Mal aufgemacht, die man damals noch nicht Bürgerinnen und Bürger genannt hat, und haben gesagt: Wir wollen uns gegen die Obrigkeit, die uns ausnutzt und ausbeutet, stellen. Wir wollen etwas anderes, etwas Neues, was aus Frankreich gekommen ist. Das ist etwas Revolutionäres. Wir wollen eine Republik gründen. – Die Bergzaberner waren die Ersten in ganz Deutschland. Natürlich gab es später die Mainzer Republik. Die ist hier schon ausführlich gewürdigt worden.
Wer sich mit der Bergzaberner Republik beschäftigt, der findet, dass viele Familiennamen, die damals in der Südpfalz eine Rolle gespielt haben, Familiennamen waren, die man später beim Hambacher Fest wiedergefunden hat. Das ist vielleicht die wichtigste Stätte der Demokratiegeschichte in Deutschland.
Meine Damen und Herren, wir werden es aushalten, dass heute immer wieder versucht wird, das Hambacher Fest zu nehmen und neu rechts aufzuladen. Das, was man damals mit Nationalstaat verbunden hat, nämlich Freiheit in einem Nationalstaat, wird heute versucht, ethnisch aufzuladen. Das hat nichts mit dem zu tun, was damals stattgefunden hat.