Die Gründe für das Pendelverhalten hat auch das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung untersucht. Als Gründe sind zum Beispiel die stärkere Anzahl an sogenannten Doppelkarrierepaaren – das Wort ist nicht von mir – und die steigenden Immobilienpreise in den Metropolen zu nennen.
Zum Gesamtbild gehört auch der statistische Effekt bei der Gesamtpendlerquote, der sich einfach aus der Definition eines Pendler ergibt. Pendler ist jeder, der in einer anderen Gemeinde arbeitet als in jener, in der er lebt. Schon aufgrund unserer historisch bedingten relativ kleinteiligen Gemeindestruktur wird deswegen die Pendlerquote
in Rheinland-Pfalz immer besonders hoch sein. Anders ausgedrückt: Die vielen Pendler mit einer Fahrstrecke von vielleicht 5 km oder 10 km überqueren Gemeindegrenzen, die es in vielen anderen Bundesländern eben einfach nicht gibt, meine Damen und Herren.
Und dann jetzt zu dem Aspekt, der Sie ganz offensichtlich am meisten beunruhigt: das Pendeln über Landesgrenzen hinweg.
(Abg. Martin Haller, SPD: Das ist aber auch schlimm! – Staatsminister Roger Lewentz: Das macht krank! – Heiterkeit des Abg. Alexander Schweitzer, SPD)
denn es spricht für die hohe Attraktivität unseres Bundeslandes Rheinland-Pfalz, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in relevanter Zahl ihren Wohnsitz bewusst und gerne in Rheinland-Pfalz nehmen, auch wenn sie in Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen oder in Luxemburg arbeiten.
Schon seit vielen Jahren gilt der gebührenfreie und qualitativ hochwertige Kindergarten als Hauptargument für viele Familien, ihren Wohnsitz in Rheinland-Pfalz zu nehmen.
In vielen Regionen kommen bezahlbare Grundstückspreise dazu. Ein gutes Bildungsangebot und die intakte Vereinsstruktur bieten Lebensqualität für alle Altersgruppen und eben nicht nur Schlafqualität, Herr Dr. Weiland,
obwohl wir natürlich nicht ganz so stark vom Fluglärm betroffen sind wie beispielsweise das Land Hessen.
Aufgrund der guten Infrastruktur wirkt sich der Zuzugseffekt zunehmend auch in grenzfernen Gebiete aus. Ich
wohne in Bad Sobernheim, ziemlich genau in der Mitte des Bundeslandes Rheinland-Pfalz. Ich konnte dort kürzlich eine Familie kennenlernen, die gerade aus Frankfurt zugezogen ist. In dem Fall ist der Hauptverdiener der Mann; er arbeitet am Flughafen Frankfurt am Main. Die Familie ist nach Bad Sobernheim gezogen, weil in dem Fall der Mann mit der Bahn seinen Arbeitsplatz umsteigefrei in einer guten Stunde erreichen kann.
Wegen der Breitbandverfügbarkeit ist für ihn und viele andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer heute keine tägliche Anreise mehr zum Arbeitsplatz erforderlich. Vieles kann zu Hause erledigt werden.
(Abg. Christian Baldauf, CDU: Aber nicht mit Breitband von 2 Mbit/s! – Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Mit der Brieftaube, oder wie?)
Das reduziert auch den mit dem Pendeln häufig verbundenen Stress, weil es die Entfernung relativiert.
Meine Damen und Herren, wir sind stolz darauf, dass diese Familie und viele andere den Weg nach Rheinland-Pfalz gehen. Sie könnten, wenn sie nicht direkt großstädtisch wohnen wollten, ja auch auf die andere Seite des Ballungsraums ziehen. Sie haben die Wahl, sie können sich entscheiden, und sie entscheiden sich eben für den Weg nach Rheinland-Pfalz, meine Damen und Herren.
Ein Mangel an Arbeitsplätzen lässt sich aus meiner Sicht aus dem Gesagten ebenfalls nicht ableiten; denn wir haben in Rheinland-Pfalz ja nicht nur die drittniedrigste Arbeitslosenquote Deutschlands, sondern auch einen Rekordstand bei den Erwerbstätigen mit über 2 Millionen Menschen, die innerhalb unseres Bundeslandes arbeiten. So viele waren es noch nie.
Nur der Vollständigkeit halber will ich in Sachen Verantwortung der Landesregierung noch anfügen, dass in unserem Staat natürlich jeder seinen Wohnsitz frei wählen und frei bestimmen darf.
(Beifall der SPD, der FDP, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Staatsministers Roger Lewentz – Zurufe aus dem Hause)
Rheinland-Pfalz ist Pendlerland. Laut SWR pendeln über 1,1 Millionen Arbeitnehmer zum Arbeitsplatz, das sind 8,2 % mehr als vor fünf Jahren. Trotz Homeoffice und neuen Büromöglichkeiten nimmt die Zahl der Pendler stetig zu.
Der Fokus der heutigen Diskussion liegt auf der Zahl der Ein- und Auspendler aus anderen und in andere Bundesländer. Herr Dr. Alt, Ihre Äußerungen, die Sie vorhin getätigt haben, zeugen von einer gewissen Arroganz der Landesregierung in dieser Frage.
Also, ein negativer Pendlersaldo weist auf Schwächen und ein positiver Saldo auf Stärken der einzelnen Bundesländer hin. Viele Bürger überqueren täglich die Landesgrenzen nach Nordrhein-Westfalen, Hessen, Baden-Württemberg oder auch Luxemburg. Für die Betroffenen selbst spielt die Landesgrenze keine relevante Rolle. Da sind andere Faktoren relevant, aber später dazu mehr.
Es ist allerdings Zeichen einer zu schwachen Wirtschaftsstruktur im Land, wenn die Zahl der Auspendler die Zahl der Einpendler wesentlich übertrifft. Dies ist in RheinlandPfalz im Gegensatz zu Hessen und Baden-Württemberg der Fall: 316.500 Auspendler, 178.500 Einpendler. Der Saldo beträgt 138.000, betrachtet hier nur die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.
Die Landesregierung rühmt sich gerne für die niedrige Arbeitslosigkeit im Land. Diese lag im Jahr 2017 bei 4,8 % im Jahresdurchschnitt, also 106.300 Personen. Rechnet man nun den Pendlersaldo hinzu, dann macht das im Land ein Ergebnis von 244.300 Arbeitsstellen zu wenig. Rein rechnerisch entspräche dies einer theoretischen Arbeitslosenquote von 11,0 % im Jahr 2017.
Die niedrige tatsächliche Arbeitslosenquote im Land ist also einzig und allein der Flexibilität und Leistungsbereitschaft der Rheinland-Pfälzer, die teils erhebliche Anfahrtswege zur Arbeit in Kauf nehmen, zu verdanken.
Diesen Menschen – ich habe es selbst in Richtung Karlsruhe über die Rheinbrücke erlebt – macht der Staat das Leben durch verzögerten Invest und den Investitionsstau zur Hölle. Staus, Brückensperrungen, Sanierungen, Stichwort Rheinbrücke zwischen Wörth und Karlsruhe. Eng hiermit zusammen hängt auch das Thema öffentlicher Nahverkehr und die Taktung des Bahnverkehrs. Auch hier hat Rheinland-Pfalz Verbesserungsbedarf.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Dauer der einzelnen Wegstrecke für den Arbeitnehmer und die Folgen für Gesundheit und Familie. Pendeln kann krank machen. Steffen Häfner, Facharzt für psychosomatische Medizin, in der FAZ: „Schlafmangel, Magenbeschwerden, Rückenschmerzen, Übergewicht, psychische Probleme (...) – die Liste
Die Ursachen hierfür sind vielfältig: Stress durch Staus, Verspätungen im Bahnverkehr, Bewegungsmangel, ungeregelte Mahlzeiten und damit auch weniger Zeit für sportliche Betätigung. Pendler haben weniger Zeit für die Familie und für ihre Kinder. Bessere Wirtschaftspolitik, gut bezahlte Arbeitsplätze im Land schaffen, um die Last des Pendeln zumindest zu verringern, ist somit gleichzeitig gute Gesundheitspolitik und Familienpolitik.
Auch haben die Arbeitgeber die Verantwortung, Digitalisierung zu nutzen, um häufiger Homeoffice zu ermöglichen. Das Land ist selbst Arbeitgeber und kann mit gutem Beispiel vorangehen. Zufriedene Mitarbeiter sind im Regelfall engagierte Mitarbeiter, gerade in einer Zeit, in der Privatund Berufsleben immer weiter verschmelzen.