(Abg. Uwe Junge, AfD: Was für eine unanständige Unterstellung! – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Anständigkeit ist nicht Ihr Wort! – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Ihres schon gar nicht!)
In diesem Gesetzentwurf wird ein staatliches Defizit, für den Erhalt ungeborenen Lebens zu werben, attestiert. Der Auftrag, ungeborenes Leben zu schützen, ist im Grundgesetz festgeschrieben und durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt.
Das ist unstrittig und steht auch gar nicht zur Debatte. Diesem Auftrag wird in Deutschland selbstverständlich nachgekommen. Insofern wird hier eine Pseudodebatte geführt.
So hat die Schwangerenkonfliktberatung verpflichtend zu erfolgen. Die Beratung hat als Prämisse, ungeborenes Leben zu schützen. Das ist ganz klar. Sowohl im Strafgesetzbuch als auch im Schwangerschaftskonfliktgesetz ist es festgeschrieben. Gleichzeitig hat die Beratung aber auch ergebnisoffen, mitfühlend und ohne Indoktrination und Bevormundung zu erfolgen. Das ist eine ganz sensible und schwierige Aufgabe. Wir in Rheinland-Pfalz sind stolz auf die vielfältige Beratungslandschaft.
Es gibt eine Vielzahl von Trägern, kirchliche und private. Jede Frau in Rheinland-Pfalz kann den Träger wählen, von dem sie sich am meisten verstanden fühlt. Das unterstützt die Landesregierung durch die finanzielle Förderung dieser Institutionen.
Wir haben schon mehrfach den Vorwurf gehört, einmal implizit, einmal explizit, dass diese Einrichtungen die Beratungen nicht im Sinne des gesetzlichen Auftrags durchführen würden.
Das jetzige Schutzkonzept zum Schwangerschaftsabbruch mit Beratungsgespräch hat sich bewährt. Vor allem nimmt es die Verantwortung der Frauen ernst, selbst entscheiden zu können. Dagegen ist das Frauenbild, das dem vorliegenden Gesetzentwurf zugrunde liegt, gelinde gesagt, irritierend. Die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche, die aufgezählt wurden, wird auf fehlende Bewusstseinsbildung über die Schutzwürdigkeit Ungeborener zurückgeführt. Traut man diesen Frauen nicht zu, sich über die Folgen einer persönlich so einschneidenden Entscheidung bewusst zu sein? Frauen in dieser Situation entscheiden garantiert nicht leichtfertig.
Eine solche Ansicht wird den Frauen, die vor der unermesslich schwierigen Entscheidung über einen Abbruch stehen, in keiner Weise gerecht. Sie ist geradezu höhnisch gegenüber den Frauen, die sich für eine Abtreibung entschieden haben.
Uns als Parlamentariern steht es gut an, den Menschen in dieser Situation mit Respekt entgegenzutreten. Betroffene Frauen brauchen fachlich kompetente und persönliche Beratung und Verständnis in ihrer Situation. Sie brauchen keine moralisierenden, selbst ernannten Lebensschützer, die zu wissen und meinen glauben, was das Beste für sie ist.
(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Jens Guth, SPD: So ist es! Sehr gut! Diese Wortwahl verstehen Sie! – Abg. Michael Frisch, AfD: Völlig an der Sache vorbei! – Zuruf der Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU)
Die Frauenärzte an den Pranger stellen, Schwangere mit Bildern blutiger Föten bedrängen oder Mahnwachen vor Beratungsstellen abhalten, das sind unappetitliche Vergleiche. Sollen solche Organisationen eine Förderung erhalten? Gerade uns als Liberale ist es wichtig, dass sich der Staat aus zunächst privaten Entscheidungen heraushält. Wir glauben an die Eigenverantwortung des Einzelnen und daran, dass Menschen für sich die besten Entscheidungen treffen können. Dem Staat obliegt es, dem Schutz ungeborenen Lebens im Rahmen der Pflichtberatung adäquat Rechnung zu tragen, eine entsprechende Beratungsinfrastruktur zu gewährleisten und durch weitere Beratungen und Unterstützungen Alternativen zum Schwangerschaftsabbruch aufzuzeigen. Das funktioniert, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Eine Gängelung des Staates zu einem gewünschten Verhalten in dieser sensiblen privaten Frage lehnen wir aus tiefster Überzeugung ab.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Willius-Senzer, Sie haben in der Einleitung Ihrer Rede gesagt, Sie wollten mit Sensibilität und Respekt dieses Thema behandeln. Sie haben uns jetzt dargelegt, was Sie unter Respekt verstehen. Ich bin sehr froh, dass ich das endlich von Ihnen weiß.
(Beifall der AfD – Zurufe von der FDP: Oho! – Abg. Jens Guth, SPD: Toller Redebeitrag! – Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: Ich sehe es als Kompliment!)
Ich gehe davon aus, dass es darauf keine Erwiderung gibt. – Frau Kollegin Blatzheim-Roegler hat nun für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Worum geht es in dem Gesetzentwurf der AfDFraktion „Gesetz zur öffentlichen Information und Aufklärung über die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit ungeborener Kinder“, der hier heute vorliegt? – Vorweg: Wir halten den Gesetzentwurf für überflüssig. Im Grunde genommen sind die Angelegenheiten, die sie verfolgen, bereits bundesgesetzlich geregelt.
In Ihrem Gesetzentwurf verlangen Sie, dass Organisationen, die öffentlich für den Schutz ungeborener Kinder werben, finanziell gefördert werden sollen. Diese Organisationen halten Sie für notwendig. Das erschließt sich aus Ihrer Problemanalyse; denn in Ihrem Gesetzentwurf heißt es unter „A. Problem“ in Zeile 7 – ich zitiere –: „Gerade dann, wenn der Staat auf das Schwert des Strafrechts verzichtet und den Schutz des vorgeburtlichen Lebens der Letztverantwortung der Mutter übereignet, bedarf es eines klaren Bewusstseins vom Lebensrecht des Ungeborenen in der Gesellschaft.“ Da frage ich mich wirklich: Was ist das für ein Frauenbild, das Sie haben?
Die Frau als Gefäß, Entschuldigung. Mein Körper – ich bin mehr als ein Gefäß für ein Embryo. Ich bin mehr als ein Körper, in dem ein Mann seinen Samen versenkt hat. Schon merkwürdig, dass das Schwert des Strafrechts immer nur über der Frau hängt, nicht über dem Erzeuger, der
sich in nicht wenigen Fällen einen schlanken Fuß macht und auch keineswegs immer seinen Unterhaltspflichten nachkommt.
Dieser Satz macht gleichzeitig deutlich, welche intellektuellen Leistungen Sie einer Schwangeren zutrauen, nämlich keine. In dem Moment, in dem die Frau schwanger ist, gibt sie den Verstand nach Ihrem Eindruck wohl ab. Anders kann man die Formulierungen nicht verstehen.
Der Staat überlässt einer von Schwangerschaftshormonen völlig Verwirrten die Entscheidung. Das geht gar nicht!
(Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU: Das ist das andere Extrem! – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Das ist kein Extrem!)
Für Volk und Vaterland braucht man willige Gebärmütter. Lebensborn lässt grüßen. Da lohnt sich schon der Blick darauf, wer sich da in der Szene so tummelt und mit wem sich die AfD in eine Reihe stellt.
Schon mit dem Begriff des ungeborenen Kindes, der für die sogenannten Lebensschützer/-innen typisch ist, wird deutlich gemacht, Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, sollen moralisch ins Abseits gestellt und als verantwortungslos gebrandmarkt werden. Ärztinnen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, werden von den sogenannten Lebensschützer/-innen ebenso diffamiert und öffentlich an den Pranger gestellt, angezeigt, bedroht, als Tötungsmediziner/-innen und Mörder/-innen bezeichnet. Schwangeren Frauen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, wird vor Kliniken aufgelauert, sie werden bedrängt und drangsaliert. Das also ist die Szene, die hier mit Landesmitteln gefördert werden soll.
Immerhin, ich war auch auf den Seiten der Lebensschützer/-innen. Ich habe mich informiert. Die Seiten sind grauenhaft. Das einzig Positive, was man daran finden kann, ist – das sage ich vor dem Hintergrund der Diskussion um § 219 a –, dort wird umfassend über das Angebot von Ärztinnen und Ärzten informiert, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen.
Das Frauenbild jedenfalls, das hier zum Tragen kommt, ist das gleiche, das dem Verbot von sogenannter Werbung für Schwangerschaftsabbrüche in § 219 a zugrunde liegt. Frauen werden als moralisch unstete und kaum gefestigte Subjekte aufgefasst.
Wenn Sie sagen „Wer weiß denn schon, wie ein Embryo aussieht und was wann in seinem Körper wächst?“, dann kann ich nur sagen, zumindest aus meiner Erfahrung sind sich Frauen und – Gott sei Dank! – auch viele Männer, bewusst, wie das aussieht.
Es sind Frauen, die sich die Entscheidung manchmal sehr schwermachen – machen müssen –, ob sie das Kind behalten oder nicht, und ich habe Respekt vor jeder dieser Entscheidungen.
Wir verfügen in Rheinland-Pfalz über genügend hervorragende Beratungsstellen für schwangere Frauen in Konfliktlagen, aber auch zur allgemeinen Beratung. Diese Beratungsstellen nehmen die Frauen ernst, sie nehmen ihre Situation ernst und drängen sie auch nicht zu einer Entscheidung. Wir verfügen in Rheinland-Pfalz auch über ein breites Angebot an Beratung und Aufklärung, beispielsweise über Sexualität. Wenn Sie verlangen, dass früh in der Schule schon angefangen werden muss, diesen Bereich den Kindern oder den Jugendlichen nahezubringen, dann kann ich Ihnen sagen, diese Debatte hatten wir schon. Ich kann mich erinnern, Sie haben davon geredet, dass eine Frühsexualisierung in rheinland-pfälzischen Schulen am Werke sei.
Zu den Bestrebungen von sogenannten Lebensschützern, Schwangerschaftsabbrüche zu stigmatisieren, sage ich Ihnen ganz klar, für das, was Sie wollen, möchte ich nicht, dass in Rheinland-Pfalz Geld ausgegeben wird. Wir beraten die Frauen. Wir beraten junge Mädchen. Das machen wir für das Leben!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Blatzheim-Roegler, ich zitiere noch einmal den Satz, den Sie soeben angegriffen haben:
„Gerade dann, wenn der Staat auf das Schwert des Strafrechts verzichtet und den Schutz des vorgeburtlichen Lebens der Letztverantwortung der Mutter übereignet, bedarf es eines klaren Bewusstseins vom Lebensrecht des Ungeborenen in der Gesellschaft.“