Vor diesem Hintergrund wurden inzwischen zwei Zusatzgutachten in Auftrag gegeben, die die Einordnung der islamischen Verbände als Religionsgemeinschaften überprüfen sollten. Für mich ist bei allen Gutachten, die in Auftrag gegeben werden, die ganz zentrale Frage: Kann der türkische Staat direkt oder indirekt bei einem islamischen Religionsunterricht in unsere Klassen hineinregieren oder kann er dies nicht? – Das ist die zentrale Frage. Deswegen finde ich es gut und richtig, dass hier sehr sorgfältig geprüft wird. Nur wenn diese Frage klipp und klar mit Nein beantwortet werden kann, ist DITIB für uns ein denkbarer Partner für islamischen Religionsunterricht in RheinlandPfalz.
Ich habe schon im vergangenen Januar gesagt, wir verlangen von der DITIB, dass sie sich vom türkischen Staat emanzipiert. Ich muss aber feststellen, das Gegenteil ist passiert. Die Vorstandswahlen der DITIB Deutschland im Dezember letzten Jahres haben uns klar vor Augen geführt: Diyanet als verlängerter Arm von Erdogan hat seinen Einfluss auf DITIB noch weiter zementiert. Von einer Religionsgemeinschaft frei von Weisungen der türkischen Regierung können wir heute keinesfalls ausgehen.
Dabei müssen wir aber betrachten – das haben wir auch von grüner Seite thematisiert –, dass es in der Vergangenheit Ermittlungen der Bundesstaatsanwaltschaft gegeben hat, die der DITIB Spionage gegen in Deutschland lebende türkische Gläubige vorgeworfen haben. Hier scheint sich die türkische Regierung der DITIB und ihrer in der Türkei ausgebildeten Imame nur bedient zu haben. Aber dieser Vorwurf konnte nicht weiter erhärtet werden. Das gehört auch dazu.
grüner Seite auch sehr intensiv – mit der DITIB. Grüne Vertreterinnen und Vertreter, insbesondere Volker Beck und Cem Özdemir, haben sich sehr intensiv mit der Entwicklung in der Türkei und selbstverständlich auch mit der DITIB auseinandergesetzt. Dabei ist für uns eine klare Trennung zwischen politischer Kritik und pauschaler Verunglimpfung einer Religion geboten; denn wir haben weiter das Ziel, Partner für den islamischen Religionsunterricht an rheinland-pfälzischen Schulen zu finden.
Wenn DITIB ein solcher Partner sein will, muss sie sich klar und deutlich vom türkischen Staat emanzipieren und dies auch in ihren Vereinsstrukturen nachvollziehen. Der Grundsatz galt vor einem Jahr, er gilt, und er wird auch noch morgen gelten. Das ist unser Maßstab zur Beurteilung der DITIB.
Da sind wir klar und deutlich, aber auch klarer und deutlicher als die AfD in dieser Frage; denn Sie verdammen einerseits den Einfluss von Erdogan auf die DITIB, andererseits feierten Ihre Anhänger genau diesen Diktator, dass er einen Journalisten – nämlich Deniz Yücel – ein Jahr lang ohne Anklage in den Knast warf.
Einschränkung der Pressefreiheit, unliebsame Journalistinnen und Journalisten, Wissenschaftler und Menschenrechtsaktivisten werden durch Massenverhaftungen in Gefängnisse gesteckt: Der Rechtsstaat wurde quasi abgeschafft. Das ist leider die traurige Entwicklung. Von genau solchen Maßnahmen träumen Sie von der AfD doch eigentlich.
Sie haben Massenverhaftungen gefordert. War das nicht Ihr Wording? Wieso feiern Sie beispielsweise, dass ein unliebsamer Journalist in der Türkei ohne Anklage im Gefängnis saß? Stattdessen missbrauchen Sie die Kritik an der DITIB, die sachlich angebracht ist. Sie missbrauchen diese Kritik meiner Ansicht nach.
Sie nennen es immer wieder und nehmen es, um die Menschen, die muslimischen Glaubens oder aus der Türkei hierher gekommen sind, in die Kritik zu stellen.
Unser Ziel ist es, in Rheinland-Pfalz mit Partnern einen islamischen Religionsunterricht einzusetzen und umzusetzen. Die DITIB ist für uns so lange kein Partner, bis sie sich nicht klar erkennbar vom türkischen Staat emanzipiert hat.
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich sagte es bereits, und das macht unsere Große Anfrage auch klar, dass man entscheidende Fragen nicht gestellt hat. Im Innenausschuss hatten wir das Thema. Ich bin zur Verschwiegenheit verpflichtet. Aber ich gebe Ihnen den Rat – auch der Landesregierung –, einmal hinzuschauen, wer der Eigentümer der DITIB-Grundstücke der Moscheegemeinden ist; denn das zeigt ganz klar, wer DITIB im Griff hat. Es ist die Kölner Zentrale. Es ist Diyanet. Das sind Fragestellungen, die wichtig sind; denn sollte die DITIB Köln der Eigentümer sein, kann sie jederzeit sagen, du kommst aber nicht mehr ins Haus, du kommst nicht mehr auf das Grundstück. Das ist Macht, das ist politische Macht, und der müssen Sie auf den Grund gehen. Schauen Sie dahin. Das ist ganz wichtig.
Herr Kollege Paul, Sie beziehen sich auf die Landesregierung. Bitte, beziehen Sie sich auf Frau Schellhammer.
Somit kann keine Emanzipation erfolgen, wenn ich in der Hand der Zentrale bin. Der Ruf nach Emanzipation ist schön, aber sie kann strukturell gar nicht erfolgen, weil die Eigentumsverhältnisse vielleicht so sind, wie ich sie beschrieben habe.
Dann vielleicht noch ganz kurz: Die Staatsferne DITIBs ist längst widerlegt; denn bei jedem Ereignis sehen wir eine Befehlskette. Erdogan will, Erdogan wünscht, Diyanet weist an, Diyanet befiehlt, ordnet an und wünscht, und DITIB folgt. Sie führen das durch. Schauen Sie sich die perfekt organisierte Demonstration pro Erdogan in KölnDeutz an. Ich war da. Es waren beklemmende Bilder, die ich in Deutschland nicht sehen möchte. Ganz klar.
Zu Deniz Yücel: Deniz Yücel ist ein Journalist, der einiges geschrieben hat. Er ist als Journalist damit in die Öffentlichkeit getreten. Dann muss er und darf er kritisiert werden. Auch das ist Pressefreiheit, dass ich sage, das, was ein Journalist schreibt, gefällt mir nicht.
Keiner hat doch gesagt, dass er ohne Verfahren eingelocht werden soll. Es ist doch absurd, was Sie behaupten. Er hat Dinge geschrieben, die heute als Satire gelten, die Sie uns aber immer vorwerfen – Stichwort Poggenburg.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mich zunächst einmal bei Frau Kazungu-Haß, Herrn Oelbermann, Frau Schellhammer und Frau Lerch sehr herzlich bedanken. Ich finde, die Debatte hat gezeigt, dass es bei Fragen des Zusammenlebens unserer Gemeinschaft durchaus unterschiedliche Ansätze geben kann, aber dass Demokraten in der Lage sind, tatsächlich sachlich und sachorientiert miteinander zu diskutieren.
Ich will gerne auf den Antragsteller eingehen. Die Kritik, man habe über Jahre hinweg in einer linksromantischen Schwärmerei mit DITIB Verhandlungen geführt, haben Sie im Grunde genommen weitgehend selbst aufgehoben; denn viermal haben Sie heute betont, man habe nur ein einziges Gespräch mit den Verbänden geführt. – Entweder haben wir jahrelang mit DITIB verhandelt und einen Vertrag gemacht, oder wir haben nur einmal mit ihnen gesprochen. Aber beides kann nicht sein.
Sie können uns vorwerfen, dass wir zu weit gegangen sind, aber dann sagen Sie, wie konntet ihr nur einmal mit ihnen diskutieren. Also wir sind nicht so weit gegangen wie die Hessen. Das stimmt. Die Hessen haben einen Vertrag gebildet, und das setzt wahrscheinlich mehr als ein Gespräch voraus. Aber die Zurückhaltung in Rheinland-Pfalz als Anlass zu nehmen und zu kritisieren, dass man zu weit gegangen ist, ist einfach nur hochgradig widersprüchlich, passt aber leider in Ihre gesamte Argumentationskette.
Herr Oelbermann, zu Ihrem Hinweis, schlichte Fragen erfordern auch schlichte Antworten. Es ist tatsächlich so.
Ich will seitens der Regierung zu der Debatte nur zwei Sachen sagen. Erstens will ich das festhalten, was wir schon immer sagten und auch in den letzten Jahren immer zur Voraussetzung für Gespräche für einen Religionsunterricht, aber auch in anderen Bereichen gesagt haben: Mit einer Religionsgemeinschaft ist das klare Bekenntnis zu einer Staatsferne verbunden. Es darf niemals sein, dass irgendein Staat Einfluss auf religiöse Inhalte nimmt, egal wo sie auch betrieben werden. Zweitens, der uneingeschränkte Zuspruch und das uneingeschränkte Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
Den zweiten Part, den ich sagen möchte, ist, wer von anderen mehrfach die Verfassungstreue einfordert, muss sie auch selbst leben.
Unsere Verfassung verlangt, dass wir in Fragen des Religionsunterrichts immer auch eine Partnerschaft haben. Der Staat hat nicht das Recht, alleine Religionsunterricht zu gestalten. Er verlangt vom Staat eine Partnerschaft mit Religionsgemeinschaften oder Kirchen. Er verlangt von Religionsgemeinschaften, dass sie auf dem Boden der Verfassung stehen und staatsfern sind. Die Analyse darüber, ob eine Gemeinschaft eine Religionsgemeinschaft ist, insbesondere an der hier formulierten Frage der Staatsferne orientiert, kann sich nicht daran orientieren, dass irgendjemand einmal etwas auf Facebook gelesen hat, sondern das muss sauber und rechtssicher im Sinne der Gerichte geklärt werden.
Deswegen verschanzt sich niemand hinter Gutachten. Wir halten uns an unsere Verfassung, wir arbeiten an unserem Rechtsstaat, und ich bin stolz darauf, in diesem Rechtsstaat leben zu können, der nicht nach Willkür argumentiert, sondern klar sagt, was die Verfassung will, wie unser Zusammenleben gestaltet sein soll. Das arbeiten wir auch genau so ab.
Herr Staatssekretär Barbaro, das war sehr interessant. Aber ich kann Ihnen diesen angeblichen Widerspruch auflösen. Sie haben pressewirksam, medienwirksam einen langen Prozess verkündet. Ich unterstelle der Landesregierung eine wahltaktische Motivation. Wir erinnern uns an die Auftritte von Frau Ministerpräsidentin Dreyer vor der DITIB-Gemeinde in Ludwigshafen, die türkische Fahne im Hintergrund, eindrückliche Bilder. Es war sozusagen die PR. Wenn man dann die Decke hinter diesem Verhandlungsprozess wegzieht, stößt man auf einen Verhandlungstag, ein kurzatmiges Unternehmen, in dem wesentliche und unbequeme Fragen nicht gestellt worden sind.
Ich habe Ihnen eben Hinweise gegeben, was man hätte fragen müssen, und zu welchen Ergebnissen man hätte kommen können. Das ist ein Verhandeln, das naiv und in seiner Frequenz völlig unangemessen ist. Das ist insofern kein Widerspruch, sondern hier klafft eine Lücke zwischen PR – eventuell wahltaktischer PR – und tatsächlichem Verhandlungsgeschehen. Diese Lücke haben wir jetzt hier