Protocol of the Session on June 23, 2016

Das Bundesumweltministerium hat die veröffentlichten Ergebnisse durch die Reaktorsicherheitskommission, die Gesellschaft für Reaktorsicherheit und das Materialprüfungsamt prüfen lassen. Sie kamen zu dem Schluss, dass die veröffentlichten Ergebnisse nicht ausreichen, um die Integrität des Reaktordruckbehälters nachvollziehen zu können.

Obwohl die Sicherheitsbedenken deutscher Experten bis heute nicht ausgeräumt werden konnten, wurde Tihange 2 und ebenso Doel 3 wieder angefahren.

Zudem geben die Laufzeitverlängerungen der veralteten belgischen Reaktoren weiterhin Anlass zu großer Sorge. So wurden die bisherigen Laufzeiten für die Reaktorblöcke Tihange 1 sowie Doel 1 und Doel 2 von 40 auf nunmehr 50 Jahre bis 2025 verlängert.

Auch die Teilevakuierungen der belgischen Atomkraftwerke infolge der Terroranschläge in Brüssel am 10. April 2016 haben erneut die Verwundbarkeit der Atomkraftwerke auch gegen terroristische Angriffe deutlich gemacht.

Die vom französischen Staatspräsidenten Hollande angekündigte Abschaltung des Reaktors Fessenheim für das Jahr 2016 ist derzeit noch nicht endgültig gesichert, und trotz zahlreicher Probleme, die beispielsweise 2014 sogar eine Notabschaltung per Borflutung notwendig gemacht haben, ist die Stilllegung – jedenfalls bisher – nicht vollzogen.

Letzteres war ein sehr außergewöhnlicher Vorgang, der zudem der Öffentlichkeit längere Zeit – über ein Jahr – vorenthalten worden ist. Wir haben die klare Erwartung, dass Frankreich seine Ankündigung wahr macht und den ältesten laufenden Meiler Frankreichs wie angekündigt abstellt.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das AKW Cattenom macht nach wie vor mit Meldungen über Verstöße gegen Betriebsvorschriften und technische Pannen von sich reden. Wir wissen aus der Vergangenheit, dass sich die Risiken der Atomenergie niemals sicher beherrschen lassen. Daher wird sich die rheinland-pfälzische Landesregierung auch zukünftig mit allen ihr zur Verfügung

stehenden Mitteln für die baldmöglichste und endgültige Abschaltung der Atomkraftwerke einsetzen.

Zu Frage 2: Die Landesregierung hat sich in diesen Angelegenheiten wiederholt an die höchsten politischen Stellen in Frankreich und in Belgien gewandt und dort ihre Besorgnis über die Sicherheit der Anlagen zum Ausdruck gebracht und die Abschaltung gefordert. Mit unseren Partnern in Luxemburg, dem Saarland und Nordrhein-Westfalen arbeiten wir seit Jahren eng zusammen, um auf die Abschaltung dieser Anlagen hinzuwirken. So haben wir beispielsweise im Jahr 2012 gemeinsam mit Luxemburg und dem Saarland an der Beurteilung und Durchführung des Stresstests für das AKW Cattenom teilgenommen.

Wegen der Laufzeitverlängerung für die AKWs Tihange 1 sowie Doel 1 und 2 hat das Land zusammen mit dem Land Nordrhein-Westfalen am 9. März 2016 Beschwerde bei der EU-Kommission wegen der Unterlassung der Umweltverträglichkeitsprüfung bei der Laufzeitverlängerung eingelegt.

Wir haben zudem in der Umweltministerkonferenz in der vergangenen Woche auf Initiative von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen erreicht, dass die Bundesregierung einstimmig durch alle Bundesländer aufgefordert wurde, sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dafür einzusetzen, dass die Laufzeiten europäischer Atomkraftwerke nicht verlängert werden, die risikobehafteten Atomkraftwerke vorzeitig stillgelegt werden und grundsätzlich eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung verpflichtend vorgeschrieben wird.

Zu Frage 3: Frankreich und Belgien haben bisher die Chance für eine Energiewende nicht so genutzt, wie es möglich gewesen wäre, und halten leider ungeachtet der ständigen Störfälle, der steigenden Kosten und Betriebsausfälle an dem Weiterbetrieb ihrer veralteten Anlagen fest. Die in Frankreich geplante Laufzeitverlängerung auf 60 Jahre zeigt, dass die Fragen der Sicherheit dort nicht in der Priorität eingeschätzt werden, wie es aus unserer Sicht notwendig wäre.

Es ist hier auch zu erwähnen, dass es durchaus personelle Verflechtungen gibt, die Sorgen machen müssen, zum Beispiel, wenn ein ehemaliger Kraftwerksdirektor und Vizedirektor des Weltverbandes der Atomkraftwerksbetreiber – das ist der Kraftwerksdirektor für die Reaktoren in Tihange – jetzt der belgischen Atomaufsichtsbehörde vorsteht.

Dass unsere Nachbarn in Luxemburg, dem Saarland und Nordrhein-Westfalen unsere Bedenken gegen die Sicherheit dieser Anlagen teilen, will ich an dieser Stelle noch einmal unterstreichen.

Zu Frage 4: Die rheinland-pfälzische Landesregierung hat im Jahr 2014 den Energiegipfel der Großregion initiiert und dabei konstruktive Impulse für eine grenzüberschreitende Energiewende gesetzt. Hiervon können und sollen auch Frankreich und Belgien profitieren.

So weit die Antwort der Landesregierung zu den Fragen.

Gibt es Zusatzfragen? – Herr Steinbach, bitte schön.

Ich habe eine Nachfrage. Herr Staatssekretär, wird sich die Landesregierung an der Klage gegen das AKW Tihange der Städteregion Aachen und des Landes NordrheinWestfalen beteiligen?

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Steinbach, wir haben die Prüfung dieser Frage eingeleitet. Wir haben die Klageschrift der Städteregion angefordert. Eine erste vorläufige Prüfung hat ergeben, dass ein Beitritt zu dieser Klage sinnvoll sein könnte. Wir werden auf dieser Basis ein Votum für eine endgültige Ministerratsbefassung vorbereiten, und der Ministerrat wird dann abschließend über diesen Klagebeitritt entscheiden.

Eine weitere Zusatzfrage der Abgeordneten BlatzheimRoegler.

Inwieweit kann die Landesregierung den einstimmigen Beschluss des Stadtrates Trier vom 16. Juni 2016 zur Prüfung einer Klage gegen den Weiterbetrieb des AKW Cattenom nach dem Vorbild der Klage der Städteregion Aachen unterstützen?

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Blatzheim-Roegler, auch diese Prüfung werden wir durchführen. Ich muss allerdings an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die juristische Situation im Bereich Cattenom für Kläger schwieriger ist als im Bereich des AKW Tihange, wo wir gute Erfolgsaussichten sehen. Das hat seinen Grund darin, dass in Tihange eine Laufzeitverlängerung bzw. ein Wiederanfahren nach längerer Stillegungsphase genehmigt worden ist und damit ein Genehmigungsakt vorliegt, den man jetzt juristisch angreifen kann. Eine solche Situation haben wir bei Cattenom im Moment nicht.

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Billen.

Herr Staatssekretär, nach Ihrer Antwort auf die Frage der Kollegin komme ich zu dem Ergebnis, dass Sie das schon geprüft haben. Da müsste die Prüfung bei Tihange einfach sein, und Sie könnten sagen: Wir treten der Klage bei. – Bei Cattenom müsste dann die Frage einmal juristisch geprüft werden, am besten von einem Anwaltsbüro. Sind Sie dazu bereit?

Ich habe bereits gesagt, dass wir zum AKW Cattenom eine entsprechende Prüfung vornehmen werden. Was das AKW Tihange angeht, habe ich Ihnen gesagt, wie das Ergebnis unserer Vorprüfungen im Moment aussieht. Ich will aber klar darauf hinweisen, dass nach der Geschäftsordnung der Landesregierung über einen Beitritt zu dieser Klage nicht ein Ministerium oder gar die Abteilung eines Ministeriums entscheidet, sondern darüber entscheidet die Landesregierung, weil es ein Beitritt der Landesregierung zu der Klage wäre und dass deshalb selbstverständlich der Ministerrat darüber das abschließende Wort hat.

Eine weitere Zusatzfrage der Abgeordneten BlatzheimRoegler.

Inwieweit ist der Landesregierung die Absicht der IRT – das ist die Initiative Region Trier e. V., ein Zusammenschluss von sehr vielen Unternehmen und kommunalen Gebietskörperschaften der Region – bekannt, dass diese das Thema Cattenom in ihrer Juli-Sitzung mit dem Ziel behandeln will, auch einen konzertierten Prozess gegen das AKW Cattenom zu beraten. Gibt es auch Kontakte zur IRT seitens der Landesregierung?

Ich kann jetzt von nicht konkreten Kontakten berichten, aber ich kann sagen, dass wir jede Aktivität, die dazu führt, dass wir auch gegenüber der belgischen Seite deutlich machen, dass dieser Reaktor abgeschaltet werden muss, sehr begrüßen und das als willkommene Unterstützung werten.

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Schmitt.

Herr Staatssekretär, wir haben das Thema Cattenom hier schon so oft behandelt. Warum wurde denn nicht schon früher einmal geprüft, wie aussichtsreich eine Klage gegen Cattenom sein könnte?

Die Prüfung der Klagen hat darin ihren Ausgang genommen, dass jetzt bei dem AKW Tihange eine Laufzeitverlängerung bzw. ein Wiederanfahren im letzten Jahr – ich habe es eben kurz erwähnt – von den belgischen Behörden genehmigt worden ist. Das ist der Ansatzpunkt für eine Klage. Deswegen hat die Städteregion Aachen eine entsprechende Klage Anfang des Jahres erhoben. Deswegen können wir – übrigens auch das Land Nordrhein-Westfalen, das hat seinen Beitritt zu dieser Klage schon erklärt – darauf

bauen, diese Klage zu unterstützen. Einen solchen Anknüpfungspunkt gibt es bei Cattenom nicht, weil dieses Kraftwerk damals genehmigt worden ist und sich bisher jedenfalls kein Antrag auf Laufzeitverlängerung im Genehmigungsverfahren befindet und es deswegen sehr viel schwieriger ist, das juristisch anzugreifen.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Bernhard Henter.

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, der Landkreis TrierSaarburg hat in seiner Kreistagssitzung am vergangenen Montag beschlossen, die Klage gegen Tihange zu unterstützen. Warum dauert das Prüfverfahren der Landesregierung so lange, und wann ist mit einer Kabinettsentscheidung zu rechnen?

Herr Abgeordneter, ich glaube, man muss ein bisschen unterscheiden. Das eine ist die Frage, ob man die Klage unterstützt, und das andere ist, ob man ihr förmlich beitritt. Der förmliche Beitritt ist natürlich noch eine wesentlich machtvollere Unterstützung der Klage als eine Unterstützungserklärung. Deswegen bedarf es auch einer etwas längeren juristischen Prüfung, ob und wie man das bewerkstelligen kann. Aber ich habe Ihnen ja bereits gesagt, dass wir die Prüfung längst eingeleitet hatten und wir von einem vorläufig positiven Ergebnis ausgehen, aber der Ministerrat die endgültige Entscheidung darüber treffen wird.

Eine weitere Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Blatzheim-Roegler.

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, könnten Sie noch einmal konkret sagen, inwieweit die Landesregierung Rheinland-Pfalz eine Bundesratsinitiative für die Umsetzung einer europaweit verbindlichen Laufzeitbegrenzung für AKWs unterstützen will oder unterstützen kann?

Ja, das tun wir. Ich habe Ihnen auch kurz von dem Beschluss der Umweltministerkonferenz berichtet, den wir in der letzten Woche erreicht haben. Dabei haben NordrheinWestfalen und Rheinland-Pfalz zusammen die Initiative ergriffen und einen entsprechenden Beschluss, der die Bundesregierung auffordert, auf die vorzeitige Stilllegung dieser risikobehafteten Atomkraftwerke hinzuwirken, erreicht. Er ist von allen Bundesländern unterstützt worden und auch vom Bundesumweltministerium mitgetragen worden.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmitt.

Herr Staatssekretär, sieht die Landesregierung auch noch andere Möglichkeiten außerhalb der Klage, bei den Nachbarn vorstellig zu werden, um eine Lösung der Fragen um die Kernkraftwerke herbeizuführen?

Ja, Herr Schmitt, wir sind auf verschiedenen Feldern tätig. Ein Punkt ist auch, dass wir dafür eintreten – und auch dafür haben wir einen einstimmigen Beschluss der Umweltministerkonferenz erreicht –, dass endlich die Haftungsregelungen bei den ausländischen Atomkraftwerken angepasst werden, weil bisher kein ausreichender Versicherungsschutz für den Schadensfall besteht. Das würde sich auch dramatisch für die rheinland-pfälzische Bevölkerung auswirken, wenn es zu einem Schadensfall käme. Wir fordern mit Nachdruck – alle Bundesländer tun dies auf unsere Initiative hin –, dass ein entsprechender Versicherungsschutz geschaffen wird.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Joa.

Die Reaktoren Cattenom und Fessenheim gelten in der Energiebranche schon lange als äußerst unsicher. Das Thema ist nicht erst seit einem oder zwei Jahren verstärkt in der Debatte, sondern schon seit Jahren.

Vor diesem Hintergrund möchte ich die Anmerkung machen, während man die deutschen Kernkraftwerke regelmäßig verteufelt hat, frage ich mich, weshalb gerade von der Landes- oder von der Bundesregierung dieses Thema nicht schon länger adressiert wurde.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nicht eine Frage an sich selbst stellen, sondern an den Staatssekretär! – Abg. Katrin Anklam-Trapp, SPD: Fragestunde!)

Die konkrete Frage lautet: Sind Sie auf die Bundesregierung zugegangen und haben über diesen Weg versucht, auf Frankreich Druck auszuüben? – Die beiden Reaktoren in Frankreich sind für uns ein wirkliches Sicherheitsproblem und nicht nur ein vorgeschobenes.

Erstens muss man feststellen, dass die in der Frage enthaltene Unterstellung, dass die deutschen Reaktoren besonders sicher seien, nicht stimmt. Das muss ich hier klar sagen.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Das ist aber auch eine Unterstellung!)

Zweitens habe ich gerade dargestellt – ich kann das auch noch ein bisschen weiter ausführen –, dass wir in den vergangenen Jahren – nicht nur in diesem Jahr, sondern in den vergangenen Jahren – durch vielfältige Aktivitäten auf der Ebene der Umweltministerkonferenz, im Bundesrat und auch bei anderen Gelegenheiten aktiv gewesen sind, auch in Richtung Bundesregierung, was dazu geführt hat, dass die Bundesumweltministerin mit ihrem belgischen Amtskollegen inzwischen entsprechende Gespräche geführt hat. Allerdings müssen wir auch klar sagen, dass wir insoweit an Grenzen stoßen, als die Frage der Atomsicherheit und der Anforderungen leider nicht durch europäische Mindeststandards geregelt ist.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Billen.