Protocol of the Session on January 25, 2018

Für die Landesregierung spricht Herr Minister Dr. Wissing.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht übertrieben, wenn ich für die Landesregierung festhalte, der Abschluss des Élysée-Vertrages vor nunmehr 55 Jahren war ein Ereignis von historischer Dimension. Ebenfalls nicht übertrieben ist es, wenn ich als Wirtschaftsminister des Landes Rheinland-Pfalz festhalte, wir verdanken den wirtschaftlichen Aufstieg unseres Landes zu einem ganz erheblichen Teil eben dieser deutschfranzösischen Zusammenarbeit.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin deshalb dankbar, dass wir heute im Rahmen einer Aktuellen Debatte über dieses Thema diskutieren, und ich bin dankbar aus doppeltem Grund. Erstens ist dies eine hervorragende Gelegenheit, einmal mehr an die Zusammenhänge zwischen Handel, internationalen Wirtschaftsbeziehungen, aber auch Arbeitnehmerfreizügigkeit auf der einen Seite und wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Wohlstand auf der anderen Seite zu erinnern. Das gilt gerade in Zeiten, in denen Nationalismus, Populismus und Protektionismus suggerieren, diese Zusammenhänge ignorieren und negieren zu können.

Nicht Abschottung, meine Damen und Herren, und neue Grenzen, sondern offene Märkte und enge nachbarschaftliche Beziehungen, das ist der richtige Weg.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin aber auch dankbar für die Aktuelle Debatte, weil wir damit einmal mehr zeigen können, wie in konkreten Projekten die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit unserem Nachbarn Frankreich der Wirtschaft und damit den Menschen in unserem Land dient. Zunächst zu dem, was bestimmte Menschen aus den politischen Randbezirken nicht hören wollen, nämlich, freier Handel, offene internationale Wirtschaftsbeziehungen ohne nationale Egoismen und eine enge grenzüberschreitende Kooperation auch und gerade in wirtschaftlichen Fragen sind die Basis für den wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes. Unser Land Rheinland-Pfalz ist dafür ein hervorragendes Beispiel. Wir sind wirtschaftlich überaus erfolgreich, eben weil wir ein starker Industrie- und ein starker Exportstandort sind.

Die Exportquote des Landes Rheinland-Pfalz liegt bei deutlich über 50 %. Im vergangenen Jahr, genauer gesagt im Zeitraum zwischen Januar und November – die DezemberZahlen liegen noch nicht vor –, lag die Exportquote von

Rheinland-Pfalz bei sage und schreibe 55,9 %. Damit liegen wir ganz knapp hinter Baden-Württemberg und vor Bayern auf Platz 2 im Ranking aller deutschen Flächenländer.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, bei diesen internationalen Verflechtungen spielt Frankreich eine ganz zentrale Rolle. Ich will die Werte von 2016 nennen, da mir die kompletten Jahreszahlen vorliegen. Rheinland-Pfalz hat in diesem Jahr Waren im Wert von über 52,4 Milliarden Euro exportiert, mehr als jeder zehnte Euro davon, über 5,3 Milliarden Euro, ging nach Frankreich. Frankreich ist damit Exportziel Nummer 1 für rheinland-pfälzische Unternehmen. Was das bedeutet, wird klar, wenn man hinter diese nackten Zahlen schaut. Auslandsumsätze mit Frankreich von weit über 5 Milliarden Euro, das bedeutet Beschäftigung, Wohlstand, es bedeutet Lebensqualität für unzählige Menschen bei uns in Rheinland-Pfalz.

Umgekehrt importieren rheinland-pfälzische Unternehmen Waren im Wert von fast 3 Milliarden Euro aus Frankreich. Damit liegen die Importe im Länderranking hinter den Niederlanden und Belgien mit ihren großen Häfen auf Platz 3. Auch das zeigt, wie intensiv und gut die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Frankreich und Rheinland-Pfalz sind.

Meine Damen und Herren, es ist aber nicht nur der freie Handel, sondern auch die grenzüberschreitende Tätigkeit von Unternehmen, die unsere Wirtschaft von den guten Beziehungen mit der Französischen Republik profitieren lässt. Es gibt beispielsweise in den Grenzräumen zu Frankreich zahlreiche Handwerksunternehmen, die regelmäßig zu Kunden nach Frankreich fahren und große Teile ihrer Umsätze und Gewinne in Frankreich erwirtschaften.

An diesem Beispiel lässt sich ein weiterer Aspekt der guten Beziehungen zwischen Frankreich und Rheinland-Pfalz demonstrieren. Wir reden offen und wertschätzen uns gegenseitig, und wir sprechen Probleme an.

Wie Sie alle wissen, haben die Wirtschaftsminister der Länder Baden-Württemberg, Saarland und Rheinland-Pfalz im November vergangenen Jahres in einem gemeinsamen Schreiben an die französische Arbeitsministerin Pénicaud appelliert, Hürden bei der Entsendung von deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nach Frankreich abzubauen. Es ist Ausdruck unseres guten nachbarschaftlichen Verhältnisses, dass dieses Schreiben innerhalb kürzester Zeit zum Erfolg geführt hat. Geplante Verschärfungen bei der Arbeitnehmerentsendung kommen nicht, der Gesetzestext wird in Frankreich insgesamt überprüft, damit für unsere Unternehmen keine Hindernisse bei der grenzüberschreitenden Tätigkeit entstehen. Das ist ein schöner Erfolg, der zeigt, wie gut, wie intensiv, wie belastbar, aber auch wie anpassungsfähig die Wirtschaftsbeziehungen mit Frankreich sind. Es ist ein großes Geschenk, meine Damen und Herren.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Erleichterungen bei der Arbeitnehmerentsendung

sind ein Beispiel, wie konkret die Erfolgsgeschichte Frankreich/Rheinland-Pfalz fortgesetzt wird. Gerade im Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, im EU-Programm INTERREG A, gibt es viele weitere positive Beispiele. Ich erinnere an das, was im Bereich der grenzüberschreitenden Berufsbildung mittlerweile mit einem eigenen Rahmenvertrag geschieht.

Es gibt zudem das INTERREG-Projekt MobiPro, mit dem die grenzüberschreitende Mobilität von Studierenden im engen Zusammenhang mit Unternehmen aus der Großregion gesteigert wird. Praktika und Ausbildungsabschnitte im jeweiligen Nachbarland werden über ein anderes INTERREG-Projekt, die „Fachstelle für grenzüberschreitende Ausbildung“, gestärkt. So etwas weckt die Neugier für berufliche Perspektiven, die das jeweilige Nachbarland bietet, so etwas weckt aber auch die Neugier für Sprache und Kultur unserer Nachbarn und geht damit weit über die rein wirtschaftlichen Effekte hinaus.

Nennen will ich auch noch die schon seit geraumer Zeit etablierte und hoch angesehene Taskforce „Grenzgänger“, mit der Probleme bei grenzüberschreitender wirtschaftlicher Tätigkeit sofort angegangen werden. Darüber hinaus gibt es, um ein weiteres Beispiel von vielen zu nennen, noch die Robotics Akademie, ein grenzüberschreitender Forschungscluster für industrielle Robotic, das Know how aufbaut und für die industrielle Praxis bereitstellt. Hier werden vor allem kleine und mittlere Unternehmen bei der Einführung neuer Technologien unterstützt, aber auch Großunternehmen profitieren von außeruniversitären Bildungs-, Qualifizierungs- und Beratungsangeboten. Vielleicht hat die eine oder der andere von Ihnen beim Tag der Deutschen Einheit in Mainz die Gelegenheit gehabt, am Stand dieses Forschungsclusters vorbeizuschauen.

Meine Damen und Herren, für die Landesregierung steht fest, die deutsch-französischen Beziehungen sind auch und gerade wirtschaftlicher Motor, der unser Land voranbringt, der unser Land aber auch in Zukunft noch stärker machen wird. Diese Landesregierung sagt daher Nein zu jeder Spielart von sogenanntem Wirtschaftspatriotismus, der doch nie etwas anderes meint als Abschottung.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So ist es!)

Die Landesregierung sagt dagegen Ja zu offenen Märkten. Wir sagen Ja zu den europäischen Grundfreiheiten, wir sagen Ja zum Binnenmarkt, und wir sagen Ja zu starken deutsch-französischen Beziehungen. Es kommt jetzt darauf an, den Schwung des 55-jährigen Jubiläums der Élysée-Verträge mitzunehmen, auch und gerade in Verantwortung für kommende Generationen von RheinlandPfälzerinnen und Rheinland-Pfälzern. Die Landesregierung begrüßt außerordentlich, dass im Deutschen Bundestag ein fraktionsübergreifender Antrag für einen neuen Élysée-Vertrag zustande gekommen ist. Nur die AfD und die Linkspartei haben die Zustimmung im Deutschen Bundestag verweigert.

Meine Damen und Herren, Ziel muss es sein, noch engere, noch intensivere Wirtschaftsbeziehungen mit Frankreich aufzubauen; denn, wie Konrad Adenauer zu Recht gesagt hat, ein vereintes Europa, welche Form es auch immer

annehmen mag, kann nicht bestehen ohne die engste Verbindung und die engste Freundschaft und Solidarität der beiden Nachbarstaaten Frankreich und Deutschland.

Deswegen darf das, was mit dem Élysée-Vertrag aufgebaut worden ist, nicht zu einem Geschäftsmodell heruntergeredet werden. Es geht nicht ums Geldverdienen, sondern es geht um mehr.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Christian Baldauf, CDU)

Meine Damen und Herren, es geht um Frieden, Freundschaft, Zusammenhalt in Europa, und es geht darum, dass wir auch wirtschaftlich voneinander profitieren können, wenn wir uns gegenseitig in allen gesellschaftlichen Fragen beistehen.

Ein echter deutsch-französischer Wirtschaftsraum ohne Grenzen und Hindernisse lässt sich nicht von heute auf morgen verwirklichen, aber es lohnt sich, an diesem großen Ziel zu arbeiten. Deswegen sollten wir es gemeinsam anpacken. Die Landesregierung ist dazu bereit.

Ich freue mich auch, dass die Debatte von Frau WilliusSenzer in Trikolore eröffnet worden ist. Ich schließe gern – Frau Willius-Senzer hat es auch getan – mit französischen Worten: Vive le traite de l’Élysée, vive l’amitié francoallemande, vive l’Europe!

(Beifall bei FDP, SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Durch die verlängerte Redezeit der Landesregierung stehen den Fraktionen jeweils noch anderthalb Minuten zusätzlich zu den zwei Minuten in der zweiten Runde zur Verfügung.

Gibt es Wortmeldungen? – Herr Kollege Hartenfels von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte – ich habe es schon angekündigt – doch noch einmal die Rolle der AfD in dieser Angelegenheit beleuchten. Traurig ist – und es hat mich fassungslos gemacht –, wie die AfD im Bundestag mit diesem Jahrestag umgegangen ist. Sie hat nicht nur die gemeinsame Resolution der beiden Parlamente nicht unterstützt, sondern sie hat auch die Teilnahme an der Delegation zum Gegenbesuch boykottiert. Bei der Rede des französischen Parlamentspräsidenten im Bundestag hat sie ihm als einzige Fraktion die Ehre verweigert und ist nicht aufgestanden, um zu applaudieren.

(Abg. Martin Haller, SPD: So sind sie halt!)

Dem AfD-Fraktionschef Alexander Gauland ist bei dem Thema nichts Besseres eingefallen, als den neuen ÉlyséeVertrag als „eine weitere Aushöhlung der nationalen Souveränität unseres Landes“ zu bezeichnen.

(Beifall der AfD)

Solche Äußerungen widersprechen diametral dem Geist der deutsch-französischen Freundschaft,

(Zurufe von der AfD: Nein!)

und sie wollen vor allen Dingen die Uhr zu Zeiten zurückdrehen, in denen man sich noch gegenseitig als Erzfeinde betrachtet hat.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Was? Lächerlich! – Abg. Joachim Paul, AfD: Wirklich albern ist das!)

Den Geist der Vaterländer zu mystifizieren, so wie sie es gern hin und wieder machen, hat nichts anderes als Leid und Elend über die Menschen in Frankreich und Deutschland gebracht. Deswegen will ich das hier für mich noch einmal so deutlich formulieren: Mit einer solchen Äußerung spuckt Herr Gauland auf das Grab meines Urgroßvaters, er spuckt auf das Grab meines Großvaters,

(Abg. Joachim Paul, AfD: Das ist wirklich albern!)

er spuckt auf die Mütter, die in zwei Weltkriegen ihre Kinder verloren haben und unsägliches Leid erfahren haben.

(Zuruf des Abg. Damian Lohr, AfD)

Solche Äußerungen des Fraktionsvorsitzenden der AfD zeigen, wie gefährlich, aber auch menschlich erbärmlich die Geisteshaltung beim Spitzenpersonal der AfD ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Für die AfD-Fraktion spricht Herr Dr. Bollinger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Hartenfels, da Sie offensichtlich nicht willens oder imstande sind, mir zu folgen, möchte ich es noch einmal ganz langsam und verständlich darlegen.

(Heiterkeit bei der SPD)