Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Élysée-Vertrag wurde am 23. Januar 1963 von Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer und dem französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle unterzeichnet. Mit diesem deutsch-französischen Freundschaftsvertrag sollte ein freundschaftliches Verhältnis innerhalb einer europäischen Gemeinschaft an die Stelle der jahrhundertealten Erbfeindschaft zwischen Deutschland und Frankreich treten.
Diese europäische Gemeinschaft war als Bündnis souveräner Staaten mit einem gemeinsamen Binnenmarkt gedacht, nicht als europäischer Bundesstaat.
De Gaulle, gleichermaßen Patriot wie Europäer – was kein Gegensatz ist –, beschrieb diese Konstellation mit dem schönen Wort vom Europa der Vaterländer.
Heute ist Frankreich der wichtigste Handelspartner für Rheinland-Pfalz. Das Außenhandelsvolumen betrug 2016 knapp 8,3 Milliarden Euro. Eine Unwucht erhält diese Beziehung durch das Handelsbilanzdefizit Frankreichs gegenüber Rheinland-Pfalz von über 2,4 Milliarden Euro. Das französische Handelsbilanzdefizit ist inzwischen chronisch. 2016 war Frankreich das Land mit dem vierthöchsten Handelsbilanzdefizit auf der ganzen Welt. In den 90er-Jahren hatte Frankreich dagegen meistens eine ausgeglichene Handelsbilanz. Die Wende kam erst mit dem Euro. Die französische Wirtschaft verlor mit dem Euro ihre Anschlussfähigkeit.
Darum ist auch unser Außenhandel mit Frankreich leider keineswegs besonders dynamisch. Der deutsche Außenhandel weltweit ist im Zeitraum von 2002 bis 2016 nominell um 84,5 % gestiegen, der Außenhandel mit Frankreich aber nur um 42,9 %. Seit 2011 stagniert er, wenn auch auf hohem Niveau, und ist 2016 sogar zurückgegangen.
Da mögen feierliche Erklärungen, wie aktuell die zum 55. Jahrestag zum Élysée-Vertrag, noch so sehr die Währungsunion beschwören, die Zahlen sagen etwas anderes. Die Menschen übrigens auch. Der französische Präsident Emmanuel Macron selbst sagte kürzlich beim britischen BBC im Fernsehen, dass die Franzosen aktuell wahrscheinlich mehrheitlich für einen „Frexit“ stimmen wür
Meine Damen und Herren, die AfD möchte, dass Frankreich in der EU bleibt zum Wohle des deutschen und des französischen Volkes. Doch die EU muss grundlegend reformiert werden. Inzwischen sind fast alle dieser Meinung, über die Prinzipien einer Reform herrscht jedoch ein Meinungsgegensatz. Macron setzt eindeutig auf eine weitere Zentralisierung in Brüssel. Er möchte vor allem erstens ein gemeinsames Budget für die Eurozone, zweitens neue gemeinsame europäische Steuern zur Finanzierung dieses Budgets und drittens in einem weiteren Schritt Beiträge der Einzelstaaten Europas zu dem Budget.
Letztlich geht es Macron darum, dass das französische Handelsbilanzdefizit von Europa – und das heißt vor allem von Deutschland – dauerhaft finanziert wird.
Dabei – wir haben es soeben schon gehört – unterstützen die deutschen Sozialdemokraten Macron am lautesten. Sie möchten Deutschland bis zum Jahr 2025 in einem europäischen Bundesstaat auflösen. Auch die Union trägt die Forderung Macrons mit und hat in ihr Sondierungspapier mit der SPD auch deren Forderung nach einer weiteren Erhöhung der deutschen Zahlungen an die EU aufgenommen.
Nur im Rahmen der Nationalstaaten sind bislang Demokratie und Freiheitsrechte wirkungsvoll garantiert.
Eine Stabilisierung der Währungsunion durch immer neue Transfers und eine Null- und Negativzinspolitik lehnt die AfD ab. Wir fordern, dass der Maastricht-Vertrag endlich wieder eingehalten wird und jeder Staat für seine eigenen Schulden einsteht. Staaten, die dies nicht aus eigener Kraft schaffen, müssen die Währungsunion verlassen.
Wir möchten den Binnenmarkt erhalten, das heißt, freien Warenverkehr, Dienstleistungsfreiheit sowie freien Kapitalund Zahlungsverkehr.
Wir stehen auch zur Arbeitnehmerfreizügigkeit und zur Niederlassungsfreiheit für Selbstständige; dabei dürfen allerdings die sozialen und Verbraucherschutzstandards des jeweiligen Ziellandes nicht unterlaufen werden. Für Sozialfälle wiederum soll einzig und allein das Heimatland zuständig sein.
(Beifall der AfD – Abg. Martin Haller, SPD: Man nennt es Wahnvorstellung! – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Gehen Sie mal zum Psychiater!)
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf das Europa der Vaterländer werde ich in der zweiten Runde eingehen. Ich möchte mich zunächst bei der FDP für die Aktuelle Debatte bedanken. Ich denke, das Thema verdient Aufmerksamkeit; allerdings auf eine andere Art und Weise, als es mein Vorredner gerade präsentiert hat.
Nur 18 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und nach einem Jahrhundert der Feindschaft und verheerender kriegerischer Auseinandersetzungen wurde der ÉlyséeVertrag zu einem wichtigen Meilenstein für die Aussöhnung zwischen unseren beiden Ländern Deutschland und Frankreich. Auch in meiner Familiengeschichte lässt sich diese wunderbare Entwicklung und diese Leistung nachvollziehen.
Mein Urgroßvater musste den Wahnsinn des Ersten Weltkrieges erleben mit fürchterlichen Materialschlachten und unvorstellbarem Leiden beiderseits der deutschfranzösischen Grenze. Mein Großvater musste das Töten und Morden im Zweiten Weltkrieg noch mitmachen und kam Ende des Krieges mit einer schweren Kriegsverletzung nach Hause.
Meine Eltern mussten den Krieg als Kinder – meine Mutter im Raum Kirn und mein Vater im Raum Stromberg – miterleben. Mein Bruder und ich sind nun die erste Generation, die den Luxus erleben durfte, in keinen Krieg gegen Frankreich ziehen zu müssen. Deshalb möchte ich auch für mich persönlich festhalten, die Sicherung eines dauerhaften Friedens im Nachkriegseuropa ist das größte Geschenk, das meine Elterngeneration mir machen konnte.
Aus sogenannten Erbfeinden friedliche Nachbarn zu entwickeln, nötigt mir noch heute ungeheuren Respekt ab und eine tief empfundene Dankbarkeit. Daran haben sehr viele gute Geister damals mitgewirkt, von denen ich nur zwei exemplarisch nennen möchte, die auch schon genannt worden sind. Dies sind Charles de Gaulle und auch Konrad Adenauer.
Freundschaften sind immer wertvolle Geschenke, die aber auch gepflegt sein wollen. Freundschaften auf Dauer sind nicht immer selbstverständlich. Wir in Rheinland-Pfalz leben diese Freundschaften aktiv, nicht zuletzt, weil wir in direkter Nachbarschaft zu Frankreich leben und die Vorzüge von grenzenloser Partnerschaft und grenzenloser Zusammenarbeit schätzen gelernt haben und täglich erleben dürfen, aber natürlich auch nicht zuletzt, weil wir ökonomisch sehr stark davon profitieren.
Der Élysée-Vertrag war natürlich auch beispielgebend für ähnliche Freundschaftsverträge mit unseren östlichen Nachbarn Polen oder auch Tschechien. Ich möchte in diesem Zusammenhang an unsere Partner in Oppeln und auch Mittelböhmen erinnern. Wenn wir als politisch Verantwortliche so, wie wir hier stehen, Europa dauerhaft zusammenhalten wollen, dürfen wir die mittel- und osteuropäischen Mitgliedstaaten trotz oder auch gerade wegen der bestehenden Differenzen nicht abhängen. Sie sind fester Bestandteil eines weiterzuentwickelnden Europas.
Der französische Präsident Macron hat viel Mut bewiesen, um die europäische Politik wieder mit neuem Schwung zu versehen. Er hat Ende September mit einer Initiative für Europa umfangreiche Vorschläge gemacht. Wir Grünen teilen vieles von seiner Initiative für Europa, und auch das, was wir an dieser Initiative nicht teilen, ist trotzdem eine fruchtbare Grundlage für weiterführende Debatten, weil sie die Einigkeit und die Weiterentwicklung von Europa zum Ziel hat.
Ich möchte deshalb für meine Fraktion festhalten, diese Resolution und geplante Erneuerung des Élysée-Vertrages noch in 2018 ist ein wichtiger Schritt für eine Weiterentwicklung unseres gemeinsamen Europas. Es ist eine starke Antwort für mehr Europa und nicht für weniger Europa. Das selbstbewusste Auftreten des deutschen und des französischen Parlaments hat mich mit Stolz erfüllt sowie auch die Debatten dazu, und es hat gleichzeitig die Perspektivlosigkeit der ewig Gestrigen entlarvt.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So sieht es aus! – Abg. Martin Haller, SPD: Das ist beschämend!)
Nur gemeinsam können wir in und mit Europa vieles für unsere Menschen erreichen, und zwar zuallererst Frieden, sozial und nachhaltig gerecht organisierten Wohlstand und vor allem grenzenlose Freundschaft. Freuen wir uns dar