Protocol of the Session on November 23, 2017

Meine Damen und Herren, angesichts der – – –

Frau Dr. Groß, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ja. Es gibt bei pro familia keinen Grund, das 50-jährige Bestehen zu feiern. Das ist für uns kein Grund.

(Beifall der AfD)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Roth von der Fraktion der FDP.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! 1997, also vor genau 50 Jahren, gründete sich der Landesverband pro familia in Rheinland-Pfalz. Aufgrund dieses

Jubiläums lassen Sie uns gemeinsam auf das gesellschaftliche und politische Klima der damaligen Zeit kurz zurückblicken.

Erst sechs Jahre zuvor, also 1961, wurde die Vertreibung der Pille in Deutschland überhaupt erlaubt, allerdings zunächst nur an verheiratete Frauen, die bereits Kinder hatten, und das auch noch nicht von allen Ärzten. Noch in den 70er-Jahren stand der Schwangerschaftsabbruch in der Bundesrepublik Deutschland offiziell unter Strafe.

Anhand dieser beiden Beispiele wird bereits deutlich, wie wichtig die Gründung von pro familia und damit die Einrichtung von Beratungen rund um die Sexualität und Schwangerschaft waren.

In den letzten 50 Jahren haben sich die Situation und damit die Problemfelder deutlich gewandelt. pro familia als Beratungseinrichtung hat aber dennoch nichts an Relevanz verloren; denn wo alte Herausforderungen verschwinden, tauchen neue auf.

Eine wichtige Funktion sind die Schwangerenkonfliktberatungen. Das ist ein ganz sensibles Thema. Es gilt die Prämisse, ungeborenes Leben zu schützen, aber es gilt auch, das Gespräch ergebnisoffen zu führen, ohne belehrend oder dabei bevormundend aufzutreten. Angesichts dieser extrem schwierigen Aufgabe sind wir froh, uns auf die jahrzehntelange Erfahrung und das große Fachwissen von pro familia verlassen zu können.

pro familia ist auch dabei wichtig, eine Vielfalt von unterschiedlichen Beratungsstellen im Land zu bieten. Jede Frau soll sich bei der Schwangerenkonfliktberatung den Träger suchen können, von dem sie sich am meisten verstanden fühlt.

Frau Kohnle-Gros hat es vorhin kurz angeschnitten. Neben kirchlichen Trägern wie der evangelischen Kirche, der Diakonie, der Caritas und dem Sozialdienst katholischer Frauen oder Vereinen wie Donum Vitae oder Frauenwürde ist pro familia eine wichtige Ergänzung.

In der öffentlichen Wahrnehmung wird pro familia allerdings oft zu Unrecht auf diese Aufgabe beschränkt. Tatsächlich werden noch viele weitere, nicht minder wichtige Hilfen angeboten. So wird beispielsweise bei der Familienplanung etwa bei rechtlichen oder finanziellen Aspekten mit beraten. Das betrifft vor allem Familien in schwierigen Lebenssituationen, die fachmännische Unterstützung suchen.

Auch im Bereich der Aufklärung stellt pro familia ein breites Angebot.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wiederkehrend lancierte Diffamierungen von pro familia von einer bestimmten politische Seite, die wir heute wieder einmal in einer zynischen Art mit erleben durften, weisen wir als Ampelkoalition entschieden zurück.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Uwe Junge, AfD)

Wir wissen um das Know-how dieser Institution und wol

len sie sichern und unterstützen, auch um eine Vielfalt in der Beratungslandschaft in Rheinland-Pfalz zu gewährleisten. Das macht die Landesregierung durch die finanzielle Förderung von pro familia auch deutlich. Wir wollen dazu beitragen, dass pro familia noch über viele Jahre hinweg Familien in Rheinland-Pfalz berät und weitere Jubiläen feiert als eine wichtige und anerkannte Institution.

Haben Sie vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung spricht nun Frau Staatsministerin Spiegel.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! pro familia war wie kein anderer Verband eine Vorkämpferin für die Rechte der Frauen in einer Zeit, in der das alles andere als selbstverständlich war.

Seit 1953 galt zwar Artikel 3 des Grundgesetzes, Männer und Frauen sind gleichberechtigt, doch das Familienrecht ging allerdings noch bis 1977 von der „funktionalen Verschiedenheit der Geschlechter“ aus. Die Hausfrauenehe war gesellschaftliches Leitbild und gesetzliche Norm. Berufstätig durfte eine Frau nur sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar war.

Uneheliche Kinder und ledige Mütter waren gesellschaftlich unerwünscht und sozial benachteiligt. Sichere Verhütungsmittel waren nur schwer zugänglich. Seit 1961 gab es zwar die Antibabypille, aber nur wenige Ärztinnen und Ärzte verschrieben sie, und wenn, dann nur an verheiratete Frauen, die schon Kinder hatten und über 30 Jahre alt waren.

Der Schwangerschaftsabbruch war verboten und trotzdem oft der letzte Ausweg für Frauen in Not. Zudem suchten Frauen wegen der drohenden Strafverfolgung nach illegalen Abbrüchen oft keine ärztliche Hilfe auf, obwohl diese dringend notwendig gewesen wäre.

Die Frauenbewegung, die 68er-Generation, pro familia und viele andere mehr stritten für gesellschaftliche Veränderung, für die sexuelle Selbstbestimmung, für mehr Gleichberechtigung und Vielfalt und für die bessere Unterstützung von Frauen und Familien in unserer Gesellschaft.

Öffentliche Demonstrationen mit Tausenden von Teilnehmerinnen und Teilnehmern erzwangen zu Recht gesellschaftliche Debatten und Gesetzesänderungen. Wichtig blieb dabei für pro familia immer, Frauen und Paare bestmöglich zu unterstützen.

Für Frauen war die Gründung von pro familia in RheinlandPfalz 1967 daher eine große Errungenschaft. Endlich konnten sie Ratschläge rund um das Thema Sexualität erhalten. Natürlich ist pro familia – Frau Kohnle-Gros, Sie hatten es

angesprochen – parteipolitisch und konfessionell ungebunden. Aber pro familia ist nicht unpolitisch, war das nie gewesen und ist das zum Glück auch weiterhin.

Was wurde dabei seither erreicht, meine Damen und Herren? Ich möchte nur einige für Frauen wichtige Punkte hervorheben.

1976 eröffnete in Berlin das erste Haus für geschlagene Frauen in der Bundesrepublik.

1977 trat das schon erwähnte neue Eherecht in Kraft, das dann endlich die Hausfrauenehe abschaffte.

1978 wurde der erste Notruf für Vergewaltigungsopfer eröffnet.

1979 erlaubte Hamburg als erstes Bundesland Frauen den Zugang zur Schutzpolizei, und das dank des feministischen Protestes gegen das Berufsverbot für Frauen bei der Polizei.

1980 verabschiedete der Bundestag das Gesetz über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz.

Diese und weitere Errungenschaften, darunter auch die Gründung von pro familia, verdanken wir der Frauenbewegung, meine Damen und Herren. Darauf können wir stolz sein, und als Frauenministerin bin ich das auch.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Sie können sicher sein, dass es mit mir keinen Weg zurück geben wird.

Es sind wichtige frauenpolitische und gesellschaftspolitische Errungenschaften. Wenn hier das Rad der Zeit von einigen zurückgedreht werden soll, so werde ich mich solchen Tendenzen entschieden entgegenstellen, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Abg. Martin Haller, SPD: Wir auch!)

Ich betone es ganz ausdrücklich, insbesondere vor dem Hintergrund aktueller Diskussionen.

Meine Damen und Herren, pro familia leistet seit 50 Jahren eine Beratung, die das Selbstbestimmungsrecht der Frauen in den Mittelpunkt stellt. Natürlich leistet pro familia eine hervorragende Beratung wie auch viele andere Träger im Land. Ich bin stolz darauf und froh, dass wir so eine bunte, breit gefächerte Vielfalt an Beratungsstellen im Land Rheinland-Pfalz haben.

pro familia hat in der Beratung zu den Themen Schwangerschaft, Verhütung, Sexualität, Partnerschaft und Familienrecht Frauen und Paaren in Not immer zur Seite gestanden. Zudem erhalten Frauen, die sich nach intensiver Beratung doch für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, im Medizinischen Zentrum von pro familia die bestmögliche und schonendste medizinische Versorgung auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft. Und das ist auch gut so;

denn einen solchen Schritt – sicher einer, der ethisch und emotional schwersten Entscheidungen im Leben – macht sich keine Frau leicht. Wenn sie ihn denn geht, dann soll und muss sie dabei medizinisch in den besten Händen sein. Das ist sie unter anderem bei pro familia.

Sehr geehrte Damen und Herren, der Einsatz für eine selbstbestimmte Sexualität, für sexuelle und und reproduktive Gesundheit und für Geschlechtergerechtigkeit in den vergangenen 50 Jahren war ein wichtiger Motor der gesellschaftlichen Entwicklung. Mit der verbandseigenen Expertise ist pro familia auch weiterhin als gewichtige Stimme und als Partnerin der Landesregierung unverzichtbar.

Ich wünsche pro familia Rheinland-Pfalz für die nächsten Jahre von Herzen alles Gute; denn es gibt noch einiges zu tun auf dem steinigen Weg der Gleichberechtigung und der Frauenrechte. Ich hoffe, dass wir irgendwann sagen können, dass das lang ersehnte Ziel der Gleichberechtigung dann auch Wirklichkeit geworden ist.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Vielen Dank.

Bevor ich die zweite Runde eröffne, darf ich weitere Gäste auf unserer Besuchertribüne willkommen heißen, und zwar Damen und Herren der Evangelischen Heimstiftung Pfalz der Diakonie in Bellheim, Werkstatt für psychisch erkrankte Menschen. Seien Sie uns herzlich willkommen in der Plenarsitzung! Wir freuen uns, dass Sie da sind.