Bevor ich die zweite Runde eröffne, darf ich weitere Gäste auf unserer Besuchertribüne willkommen heißen, und zwar Damen und Herren der Evangelischen Heimstiftung Pfalz der Diakonie in Bellheim, Werkstatt für psychisch erkrankte Menschen. Seien Sie uns herzlich willkommen in der Plenarsitzung! Wir freuen uns, dass Sie da sind.
Nun darf ich das Wort Frau Blatzheim-Roegler von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erneut erteilen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Kohnle-Gros, selbstverständlich wissen wir auch, dass es viele gute Beratungsstellen in Rheinland-Pfalz gibt. Ich glaube aber, die haben nicht alle 50-jährigen Geburtstag.
Deswegen haben wir pro familia, die gerade 50 Jahre Geburtstag hatten, in den Mittelpunkt unserer Aktuellen Debatte genommen.
Nach den Redebeiträgen, die zum Teil vorgetragen worden sind, möchte ich darauf zurückkommen, dass es eigentlich längst an der Zeit ist, darüber zu sprechen, was der Lebensschutz für den Schutz, die Gesundheit und auch das Leben von Frauen, die von einem Schwangerschaftsabbruch betroffen sind, bedeutet. Das scheint bei einigen von untergeordneter Bedeutung zu sein, wie ich das so entnehmen konnte.
Dass die sogenannten Lebensschützerrinnen die Bezeichnung nicht verdienen, finde ich, zeigt ein Blick auf die aktuelle Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO. Weltweit werden nach wie vor 25 Millionen Abtreibungen mit fragwürdigen und gefährlichen Mitteln vorgenommen. Die Autoren dieser Studien betonen, dass die meisten Schwangerschaftsabbrüche mit unsicheren Methoden in den Ländern durchgeführt werden, in denen Abbrüche entweder ganz verboten oder nur unter rigiden Indikationen erlaubt sind. Die Gesundheitsfolgen für die betroffenen Frauen können fatal sein, in vielen Fällen auch tödlich. So viel zum Thema Lebensschutz.
Natürlich, Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland verboten. Sie sind rechtswidrig, aber straffrei. Das ist das, worauf wir uns gesetzlich geeinigt haben. Wer in die Lage kommt, tatsächlich ungewollt schwanger zu sein und nicht zu wissen,
will ich dieses Kind austragen oder nicht, braucht die bestmögliche Unterstützung und Beratung. pro familia und auch andere Beratungsstellen geben sie in diesem Land.
Ich hoffe, dass wir nicht noch einmal 50 Jahre kämpfen müssen, bis tatsächlich die Selbstbestimmung der Frauen auch im sexuellen Bereich vollendet ist.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Blatzheim-Roegler, Sie haben diesen schön klingenden Satz zitiert, mit dem pro familia über Jahrzehnte für die vollständige Freigabe der Abtreibung geworben hat: Jedes Kind hat das Recht, erwünscht zu sein. – Ich setze dem hier ganz klar entgegen, was in Artikel 2 Grundgesetz steht. Dort heißt es, jeder Mensch hat das Recht zu leben. Auch jedes Kind, auch vor der Geburt, hat dieses Recht auf Leben. Das muss hier in aller Deutlichkeit gesagt werden.
Wenn wir uns die Zahlen anschauen, etwa der IPPF, die in Amerika 1,6 Millionen Abtreibungen im Jahr durchführt, oder auch die 100.000, die wir nach wie vor in Deutschland haben, dann kann ich da keine zivilisatorische Errungenschaft erkennen. Das ist etwas, was viele schmerzlich betrifft, aber auf jeden Fall kein Fortschritt ist.
Frau Kohnle-Gros, erlauben Sie mir noch eine Bemerkung zu dem, was Sie gesagt haben. Sie haben völlig kritiklos
über die Arbeit von pro familia gesprochen. Das war in den 50 Jahren, über die wir reden, keineswegs immer so. Viele CDU-Regierungen, auch in Rheinland-Pfalz, haben sich aus guten Gründen lange Zeit mit der finanziellen Förderung von pro familia zurückgehalten, um es einmal vorsichtig auszudrücken.
Im Jahr 1984 hat der damalige Bundesfamilienminister Geißler der Organisation vorgeworfen, sie ermuntere Frauen in der Konfliktberatung nicht genügend zum Austragen einer Schwangerschaft und boykottiere seine neu gegründete Bundesstiftung Mutter und Kind.
Die Länder – so Geißler damals – sollten pro familia schärfer kontrollieren und den Beratungsstellen gegebenenfalls die Anerkennung entziehen.
Er hat die Arbeit der elf südwestdeutschen pro familiaNiederlassungen als kontra familiam, als gegen die Familie gerichtet, bezeichnet.
Sie sehen, wenn wir uns mit diesen Organisationen kritisch auseinandersetzen, befinden wir uns damit in guter Gesellschaft. Dann stehen wir in einer Tradition, der früher auch einmal die ehemals Christlich Demokratische Union verpflichtet war.
Damals lagen Welten zwischen der Ideologie von pro familia und den Überzeugungen von CDU und CSU sowohl in Fragen des Lebensschutzes als auch in Fragen der Sozialethik.
Die CDU hat sich bedingungslos dem Zeitgeist verschrieben. Deshalb wird sie auch dessen Schicksal erleiden.
Die Verteidigung der CDU übernimmt gleich meine Kollegin, Frau Kohnle-Gros, auch wenn es mir in den Fingerspitzen juckt, das selbst zu tun.
In dem Bereich müssen wir einfach deutlich machen, dass ich es perfide für die Frauen finde, die tatsächlich – da bin ich Frau Blatzheim-Roegler und vor allem auch Frau Ministerin Spiegel dankbar – vor einer ethisch wirklich herausfordernden und oft auch traumatisierenden Entscheidung stehen, das zu einem Spielball im politischen Geschäft zu machen.
Das ist perfide für diese Frauen und führt auch nur dazu, dass tatsächlich Angst gemacht wird, sich doch zu öffnen. Das wiederum führt dazu, dass wir in die Dunkelziffern geraten und da Steigerungen haben. Das führt dazu, dass Frauen weiter ausgegrenzt werden. Das wollen wir nicht. Das können wir nicht wollen. Das hat nichts mit konservativ zu tun, sondern das hat einfach etwas mit rückwärtsgewandt und nicht menschengerecht zu tun. Das ist in dem Bereich für mich nicht konservativ.
Das ist überholt. Das ist in dem Bereich einfach ausgrenzend und verachtend. Zu diesem Bereich möchte ich deutlich machen, das ist auch einem Parlament nicht würdig. Dafür gibt es einen Ethikrat. Dafür gibt es eine ethische Debatte. Diese Debatte sollte auch ohne solch perfiden Anschuldigungen und Ausgrenzungen geführt werden. Dazu müsste man eine wirklich sachliche Debatte führen, eine Grundsatzdebatte in dem Bereich,
Wir stehen alle, fast alle – das sollte nach draußen schon deutlich werden – an der Seite der Frauen,