Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube – das ist auch in der Debatte im Ausschuss deutlich geworden –, uns eint das Ziel, eine möglichst flächendeckende, wohnortnahe und qualitativ hochwertige Versorgung mit Grundschulangeboten in ganz RheinlandPfalz zukunftsfähig sicherzustellen.
Wo wir auseinander liegen, ist bei der Frage, welchen Weg wir beschreiten, um das auch vor dem Hintergrund starker demografischer Veränderungen in Zukunft noch gewährleisten zu können. Ich glaube, darum geht es im Kern der Debatte.
hat und jetzt auch schon spürt, dann muss man sie angehen und gemeinsam mit den Verantwortlichen vor Ort diese Entwicklung gestalten.
Der Gesetzentwurf der CDU geht im Prinzip in die Richtung, für die nächsten Jahre wollen wir erst einmal die Augen zumachen und erst einmal nichts unternehmen. Dann bekommen wir aber das gleiche Problem in fünf oder zehn Jahren, weil es darauf im Prinzip hinausläuft. Dann haben wir weniger Vorlauf. Das ist der Kern, warum wir Ihren Gesetzentwurf ablehnen, nicht aus anderen Gründen, schon gar nicht, weil bei uns nicht das Kind im Mittelpunkt steht, sondern weil es uns im Gegenteil darum geht, wo immer möglich, ein wohnortnahes Angebot gerade für die Allerkleinsten an Schulen zukunftsgerecht vorzuhalten. Das ist genau das, was wir tun und was mit dem Leitlinienprozess gerade geschieht.
Fakt ist nun einmal, dass wir in Rheinland-Pfalz mit 964 Grundschulen ein extrem dichtes Netz haben und dennoch aufgrund der demografischen und topografischen Situation in den ländlichen Strukturen schon jetzt 60 % der Schülerinnen und Schüler ohnehin im Bus sitzen und nicht in ihrer Ortsgemeinde eine Grundschule haben.
Das Zweite ist auch, wir haben mit die kleinsten Grundschulklassen in ganz Deutschland. Das noch zum Thema pädagogische Qualität.
Hier sind die Rahmenbedingungen gesetzt. Andere, wie Bayern – auf Ihren Antrag hin hatte aus dem bayerischen Staatsministerium ein Vertreter berichtet, wie die Situation in Bayern ist –, können von diesen Klassengrößen nur träumen, die wir in Rheinland-Pfalz an unseren Grundschulen haben.
Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist eine kluge Politik, eine sich abzeichnende Herausforderung frühzeitig gemeinsam mit den Betroffenen anzugehen und nicht wie die berühmten drei Affen die Ohren, die Augen und den Mund zuzumachen; denn dann wird uns das Schicksal ereilen, wie es schon die Hauptschulen ereilt hat. Dann werden am Ende die Eltern mit den Füßen abstimmen.
Deswegen ist es richtig, mit den Leitlinien in die Schulentwicklungsplanung vor Ort zu gehen, die mit den Betroffenen vorher abgestimmt worden sind, vor Ort zu fragen „Was habt ihr für Konzepte? Wie sehen eure Planungen aus?“, und in jedem einzelnen Fall zu schauen, wie man vor Ort eine zukunftsfähige wohnortnahe Grundschulstruktur gemeinsam organisieren kann.
Ich halte es für den richtigen und einen wichtigen Weg. Die Situation wird sich keineswegs dadurch verbessern, dass man, wie die CDU jetzt beantragt, sagt, wir gehen bei der Mindestgröße auf zwei Klassen pro Schule runter. Dann haben wir an einigen Stellen immer noch das Problem, und an vielen anderen Stellen werden wir das Problem nur zeitlich aufgeschoben in den nächsten Jahren bekommen. So lösen Sie keine Probleme, so schieben Sie sie nur immer weiter vor sich her für kommende Generationen und vergrößern die Probleme am Ende aufgrund der demografischen Entwicklung, anstatt sie rechtzeitig zu lösen.
Aufgeführt worden ist hier der Elternwille. Natürlich will niemand Schulstandorte gegen den Willen der Eltern schließen, wenn es nicht sein muss. Das will kein Mensch.
Ich möchte Sie aber darauf hinweisen, dass selbst der angehörte Sachverständige aus dem bayerischen Kultusministerium berichtet hat, dass sie auch in Bayern, im unionsgeführten Bayern, Grunschulstandorte zugemacht haben und es auch dort Proteste und Diskussionen mit den Eltern und den Bürgermeistern gab, wie man das machen könne. Das ist doch ganz klar, das ist emotional vollkommen verständlich.
Aber ich glaube, auch in Bayern ist trotz Grundschulstandortschließungen die Welt im Grunde noch ganz in Ordnung; denn deren Ergebnisse in Bildungsvergleichstests sind nicht die schlechtesten, wenn ich das hier auch einmal sagen darf. Von daher ist es eine Entwicklung, die wir in ganz vielen Bundesländern haben.
Noch ein Punkt – da hier das gute Engagement der Betroffenen vor Ort genannt worden ist –, zum Beispiel Lieg.
Die Eltern in Lieg wollen den Erhalt der Grundschule. Meine Damen und Herren, wie viele Erstklässler haben wir in Lieg? Wir haben in Lieg genau noch zwei Erstklässler. Jetzt unterstelle ich einmal, das sind keine Geschwister. Das heißt, hier haben zwei Eltern aus dem ganzen Ort diesen Grundschulstandort noch gewählt. Wir haben andere Grundschulstandorte, da sind es drei,
wir haben mehrere, da sind es vier. Ob man da von d e m Elternwillen vor Ort sprechen kann, ist fraglich.
Mit dieser Argumentation müssen Sie wirklich hinterfragen, ob da jeder Standort auch im Sinne der Eltern noch zeitgemäß ist. Deswegen lehnen wir den Gesetzentwurf ab.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Grundschulen sind zuallererst Orte der Bildung, und zwar, um das noch einmal ganz deutlich zu sagen, in Stadt und auf dem Land. Sie sollen unseren Kindern die bestmögliche Bildung vermitteln, damit sie später das Rüstzeug haben, das sie auf ihrem Weg in ein erfolgreiches Leben brauchen. Dazu gehört, dass wir mit Schulen überall in Rheinland-Pfalz ein wohnortnahes, ein hochwertiges und
ein stabiles Angebot für unsere Schülerinnen und Schüler gewährleisten. Wichtig ist für uns natürlich auch, ob und wie Eltern dieses Angebot annehmen.
Frau Beilstein, ich habe es hier schon mehrfach betont, ich habe es im Ausschuss gesagt und immer gesagt, natürlich wird an den kleinen Grundschulen in unserem Land hervorragende Arbeit geleistet. Aber Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass die Eltern mit den Füßen abstimmen und es Grundschulen gibt, bei denen kaum mehr Kinder aus dem Ort sind, weil diese Kinder aus dem Ort in einen ganz anderen Ort gehen.
Ich nenne unser Lieblingsbeispiel Klotten. Zwei Drittel der Kinder sind in anderen Orten. Klotten ist dabei kein Einzelfall. Die Protestwelle, von der Sie sprechen, ist ehrlich gesagt nie zu meiner Kenntnis gekommen,
(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Ja! Die einzige Welle, die es heute gab, war in der Landesgeschäftsstelle der CDU!)
Die Schullandschaft muss sich an die Gegebenheiten vor Ort anpassen. Dieser Prozess wird seit Jahrzehnten verantwortungsbewusst von vielen Schulträgern und der Schulaufsicht umgesetzt, aber nicht überall und auch nicht von allen. Viele Kommunen haben es versäumt, vor Ort eine Schulentwicklungsplanung vorzunehmen. Auch das war übrigens ein Ergebnis der Ausschussanhörung, dass es sehr wichtig ist, auch in diesem Bereich Schulentwicklungsplanung vorzunehmen.
Gerade deshalb haben wir uns die Standorte mit den kleinsten Grundschulen angesehen und die Schulträger aufgefordert, uns darzulegen, wie die Situation vor Ort ist. Wir wollten uns nämlich nicht dem Vorwurf aussetzen: „Ihr macht das in Mainz vom grünen Tisch aus", sondern wir haben gesagt, wir wollen wissen, wie die Situation vor Ort ist, was es für Konzepte vor Ort gibt, welche man entwickeln kann und wie man sich Gedanken darüber machen kann, wie die Zukunft der Schulen aussehen soll, ob und welche Alternativen es gibt, und zwar Alternativen zu einer Schule, die aus einer Klasse oder aus zwei Klassen besteht.
Das Ganze soll natürlich nicht mit dem Ziel geschehen, möglichst viele Schulen zu schließen. Das wissen Sie. Sie haben immerhin heute nicht mehr von der Schließungswelle, sondern nur noch von der Prüfungswelle gesprochen. Aber Sie machen genauso weiter wie früher. Jetzt fangen Sie an mit den kleinen Realschulen plus. Wir haben seit Jahren Leitlinien zu den kleinen Realschulen plus. Wir haben seit den vergangenen Jahren genau fünf davon zugemacht, weil sie am Ende überhaupt nicht mehr die notwendige Größe erreicht haben.
Sie tun jetzt so, als hätten wir die Schließungswelle bei den Grundschulen, und jetzt kommt gerade die Schließungswelle bei den Realschulen plus hinterher.
(Beifall bei der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Martin Haller, SPD: Das ist die Masche! – Abg. Astrid Schmitt, SPD: Unverantwortlich! – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Pure Panikmache!)
Wir haben immer gesagt, wir überprüfen mit Augenmaß und schauen uns jeden Einzelfall an. Wir sagen nicht, alle sind schlecht oder alle sind gut, sondern wir schauen, wie die Situation vor Ort ist. Das machen wir. Wir scheren sie nicht alle über einen Kamm und sagen auch nicht, alle, die nur eine Klasse oder zwei Klassen haben, werden zugemacht.
Der Gesetzentwurf der CDU-Fraktion bringt überhaupt keine Veränderung vor Ort. Im Gegenteil, statt zu gestalten und sich Gedanken über Schulentwicklung und den demografischen Wandel zu machen, lassen Sie die Situation einfach unverändert bestehen.
Ehrlich gesagt, wäre es dann ehrlicher und aufrichtiger gewesen zu sagen: „Dann legen wir einen Entwurf vor, der keine Mindestgröße mehr will und das Schulgesetz komplett anders auslegt; denn dann bräuchten wir keine Mindestgröße. Dann soll jeder machen, was er will. Dann muss man schauen, wie das funktioniert.“
Das geht aber nicht, weil wir nämlich ein stabiles und qualitativ gutes Angebot brauchen. Wir übernehmen auch die Verantwortung für dieses Angebot. Natürlich wissen wir, wie schwierig die Situation ist. Deshalb schauen wir uns alles sehr genau an.
Auch Ihre Behauptung, wir würden das machen, um Geld zu sparen, stimmt nicht. Wir haben es oft genug diskutiert und dargelegt. Wir haben schon in den vergangenen Jahren, um die Klassenmesszahl zu senken, keine einzige Einsparungsmöglichkeit aufgrund des demografischen Wandels genutzt, sondern dafür 800 Stellen zusätzlich in den Grundschulen eingesetzt und 200 Stellen in den weiterführenden Schulen.
Wenn Sie wirklich glauben, dass man mit den 49 Grundschulen, die überprüft werden, am Ende mit Blick auf 40.000 Lehrerstellen in Rheinland-Pfalz irgendwelche relevanten finanziellen Einsparungen machen kann, dann frage ich mich ehrlich gesagt, wie gut Sie zugehört haben angesichts dessen, wie häufig wir darüber schon diskutiert haben.
(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Martin Haller, SPD: Das kann man auch anders ausdrücken! – Zuruf des Abg. Michael Hüttner, SPD)
Wir haben gemeinsam mit Sachsen-Anhalt die kleinsten Grundschulen in Deutschland. Wir haben darüber hinaus eine sehr gute Lehrer-Schüler-Relation mit 14,9. Die Bay
ern, die wir immer gerne als Messlatte heranziehen, sind hier viel schlechter. Wir haben die kleinsten Grundschulklassen mit durchschnittlich 18,4 Schülerinnen und Schülern.
Auch inhaltlich arbeiten wir an den Standards. Die IQBStudie, mit der wir alle nicht zufrieden und glücklich sind, hat dazu geführt, dass wir uns vergangenen Montag mit allen Verantwortlichen getroffen und eine sehr sachliche und konstruktive Diskussion geführt haben als Auftakt in ein Fachgespräch, dem mehrere folgen werden und bei dem wir gemeinsam überlegen, welche Veränderungen sinnvoll sind, damit die Schülerinnen und Schüler eine bestmögliche Bildung in den Grundschulen bekommen.
Meine Damen und Herren, die Konzepte der Schulträger liegen vor, die Prüfung ist nahezu abgeschlossen. Das Ergebnis werden wir bald verkünden. Übrigens ganz bewusst nicht vor der Entscheidung des Parlaments zu dieser Gesetzesinitiative. Sie können sicher sein, dass diese Entscheidung mit Augenmaß gefällt wird, und Sie können auch sicher sein, dass es in Rheinland-Pfalz weiterhin ein dichtes Netz von Grundschulen mit einem hervorragenden Bildungsangebot und mit kurzen Wegen geben wird.