Protocol of the Session on June 21, 2017

Neben redaktionellen Änderungen liegen mir heute weite

re Änderungen in vier Punkten vor, die aber den wesentlichen Gegenstand des Gesetzes in keiner Weise verschieben oder tangieren. Wir haben einen sehr umfangreichen Gesetzentwurf vorgestellt und legen nur in kleinen Teilen Änderungen vor. Die Kritik, die vonseiten der Opposition vorgetragen wurde, steht nicht im Verhältnis; aber sie zeugt von einer Denkweise, die ich an der Stelle auch erwähnen möchte. Sie zeugt nämlich von dem aberwitzigen Glauben, dass mit der Videoüberwachung tatsächlich alle sicherheitspolitischen Probleme gelöst werden könnten. Das ist bei Weitem nicht so. Die Videoüberwachung kann höchstens ein kleines Mosaiksteinchen in einer Innenpolitik sein, und dass dies jetzt so groß nach vorn gestellt wird, zeugt davon, dass es für Sie das Allheilmittel ist. Für uns ist es das nicht. Stattdessen ist für uns eine kluge Innenpolitik,

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

ein Zusammenspiel zwischen zivilgesellschaftlicher Prävention, Personalausstattung der Sicherheitsbehörden und natürlich auch der gesetzlichen Grundlage sehr wichtig, und dabei kann die Videoüberwachung – wie gesagt – nur ein Mosaiksteinchen sein.

Nun zu den Änderungen im Einzelnen. Wir haben auch die Änderung vorgeschlagen, dass die Personenkontrollen bei einer Fahrzeugkontrolle ausgeweitet werden können, dass nicht nur der Fahrzeugfahrer oder die Fahrzeugfahrerin auf gefährliche Werkzeuge, Sprengstoff oder Waffen kontrolliert werden kann. Zukünftig können auch Fahrzeuginsassen nach solchen Gegenständen durchsucht werden. Das ist tatsächlich für die Polizistinnen und Polizisten im Einsatz ein wichtiger Punkt.

Wir wissen, gerade bei Fahrzeugkontrollen kommt es immer wieder zu Gefahrensituationen und zu Gewalteskalation. An dieser Stelle können wir als Koalitionsfraktion im Vergleich zu den Bodycams in Wohnungen ohne verfassungsrechtliche Probleme tatsächlich auf die Forderung der Polizei eingehen und ihr hiermit einen weiteren wichtigen Schritt zum Schutz von Polizistinnen und Polizisten vorlegen.

Die Anhörung kam auch zu dem Ergebnis – das hat Herr Kollege Schwarz schon richtig dargestellt –, dass unsere vorgeschlagene Regelung zur Videoüberwachung bei Großveranstaltungen zu unbestimmt und daher unverhältnismäßig ist.

Ich finde, es gehört auch dazu zu sagen, wir hören den Expertinnen und Experten bei Gesetzgebungsprozessen immer wieder zu. Da steht es uns auch gut an, wenn wir sagen: Okay, diese Regelung hat nicht die Zustimmung gefunden. Hier gibt es Bedenken. Wir ziehen sie zurück. –

Die Experten haben uns gleichzeitig aber in der Anhörung gesagt, dass die jetzt bestehende Regelung vollkommen für den Zweck ausreicht, den wir beabsichtigen. Deswegen fällt Ihre Kritik, wir hätten hier eine gesetzgeberische Faulheit an den Tag gelegt, auch völlig ins Leere. Unsere gesetzliche Grundlage reicht aus. Deswegen brauchen wir an dieser Stelle keinen neuen Abschnitt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Zu den Bodycams in Wohnungen wurde viel gesagt. Die Experten haben ganz klar erläutert, es ist hochgradig umstritten, inwieweit dies Artikel 13 Grundgesetz hergibt. Diese kleine Nische, die möglicherweise verfassungskonform sein könnte, wäre dann unter Richtervorbehalt gestellt. Das wäre bei einer Gewalteskalation in einer Wohnung, wenn man erst noch den Richter anrufen müsste, ob man mit der Bodycam hereingehen kann, nicht zuträglich für das Ziel, das Sie gern beschreiben würden, dass es nämlich Polizistinnen und Polizisten schützt.

(Glocke der Präsidentin)

Wir stellen uns aber auch hier ganz klar auf. Wenn sich in Nordrhein-Westfalen diese Regelung als verfassungsrechtlich konform darstellt, sind wir offen, hier darüber zu diskutieren.

Insgesamt haben wir ein gutes Gesetz vorgelegt. Es wird mit unseren Änderungen noch besser. Meine Fraktion stimmt selbstverständlich zu.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Abg. Johannes Zehfuß, CDU: Kann nur besser werden!)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Kollegen Lammert das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Weil die Debatte noch einmal von der Kollegin Schellhammer wegen des Einsatzes der Bodycams angestoßen wurde, möchte ich kurz noch eine Anmerkung machen. Vielleicht ist es manchmal hilfreich, wenn man ein Gesetz oder das Grundgesetz liest. Dort steht in Artikel 13 Abs. 5 – ich darf zitieren –: „Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.“

(Beifall der CDU)

Damit ist alles gesagt. Alle Möglichkeiten sind gegeben. Es ist völliger Nonsens, dass das verfassungswidrig ist. Tut mir leid.

Danke schön.

(Starker Beifall der CDU)

Zu einer Erwiderung erteile ich Frau Kollegin Schellhammer das Wort.

Herr Kollege Lammert, wir haben in der Anhörung verschiedene Rechtsauffassungen gehört, inwieweit der Einsatz von Bodycams in Wohnungen zulässig ist. Wir alle wissen von der Forderung und dem Wunsch der Polizistinnen und Polizisten, die Bodycams auch in Wohnungen mitzuführen. Nichtsdestotrotz haben wir verfassungsrechtliche Bedenken. Diese wurden auch von Experten in der Anhörung dargestellt. Diesen verfassungsrechtlichen Bedenken folgen wir.

Sollte allerdings eine Regelung, die den Einsatz von Bodycams in Wohnungen vorsieht, verfassungsrechtlich Bestand haben, werden wir erneut sehr gern die Debatte führen.

Wenn Sie unsere Gesetzesänderung anschauen, dann sehen Sie, dass wir das Thema „Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten“ sehr ernst nehmen. Deswegen haben wir auch § 18 geändert, damit bei Fahrzeugkontrollen die Sicherung von Polizistinnen und Polizisten bei der Durchsuchung möglich ist. Wir ignorieren also dieses Thema nicht, sondern wir folgen an dieser Stelle nur einer anderen Rechtsauffassung, nicht Ihrer. Deswegen haben wir einen Dissens. Dieser bleibt weiterhin bestehen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Unterschiedliche Wahrnehmungen!)

Für die Landesregierung spricht Herr Staatsminister Lewentz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor einigen Wochen haben wir den 70. Geburtstag der rheinland-pfälzischen Polizei gefeiert, unter anderem mit einer tollen Festveranstaltung, in der wir noch einmal in die Anfangszeiten des Landes Rheinland-Pfalz und die Herausforderungen für die Polizei geschaut haben: Räuberbanden, Schwarzmarkt, Ernährungsfragen – Das waren die Themen vor 70 Jahren. Wir alle haben festgestellt und erleben müssen, wie sich das weiterentwickelt hat. Neben der „Alltagskriminalität“ kämpfen wir heute mit Herausforderungen wie Cybercrime, Angriffen auf kritische Infrastrukturen oder Angriffe durch internationalen Terrorismus.

Es hat immer für uns in diesen sieben Jahrzehnten gegolten, die Polizei darf nicht stillstehen. Die Ausstattung und die Rahmenbedingungen müssen stimmig sein.

Lieber Herr Kollege Lammert, ich finde es eigentlich gut. Wir können heute feststellen, die Koalition ist in der Frage der Bewahrung der bürgerlichen Freiheiten tatsächlich anders aufgestellt als die CDU. Wir haben andere Vorstellungen. Für uns gilt: Sicherheit ja, aber in vielen Bereichen mit einem starken Augenmaß. – Das ist wichtig.

Für uns nehme ich in Anspruch, wir streben nicht den tota

len Überwachungsstaat an.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Matthias Lammert, CDU: Wir auch nicht!)

Wir streben den sicheren Staat mit möglichst vielen bürgerlichen Freiheitsrechten an. Das ist unsere Aufstellung.

(Abg. Julia Klöckner, CDU: Wir sind nicht für einen totalen Überwachungsstaat! Das ist jetzt eine Unterstellung!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz grundsätzlich gilt: Rheinland-Pfalz ist eines der sichersten Länder in Deutschland. – Wir sind in der Aufklärungsquote auf Platz 2, festgestellt vom Statistischen Bundesamt. Das kann doch nur bedeuten, unsere Polizei hat schon jetzt die Instrumente, die notwendig sind, um den Gefahrenlagen entsprechend zu begegnen und aufzuklären.

Wir sind bei der Frage des Anstiegs der Vollzeitäquivalente – auch dies laut Statistischem Bundesamt – bei der Spanne von 2005 bis 2015 auf Platz 1 der deutschen Bundesländer.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP)

Meine Damen und Herren, im Rahmen der Feierlichkeiten zu 70 Jahre Rheinland-Pfalz haben wir einen „Tag der Polizei“ auf der Festung Ehrenbreitstein organisiert. 13.500 Bürgerinnen und Bürger sind gekommen und waren über das, was die Polizei dort an Informationen geboten hat, sehr begeistert und sehr angetan, auch erleben zu dürfen, dass wir mit 551 Polizeianwärterinnen und -anwärtern so viele Kommissaranwärterinnen und Kommissaranwärter vereidigt haben wie noch nie in der Geschichte unseres Landes Rheinland-Pfalz. Diese Zahlen haben wir für die gesamte Legislaturperiode fortgeschrieben; denn diese Koalition und die Landesregierung streben an und werden es umsetzen, bis 2021 9.600 Beamtinnen und Beamte in diesem Land zu haben.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als wir die Verantwortung übernommen haben, haben wir 8.800 gehabt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Rednerinnen und Redner der Koalition haben schon betont, wir haben schon jetzt ein gutes POG, mit dem wir handeln können. Die letzte Fortschreibung war 2011, also vor Paris, vor Brüssel, vor London und vor Berlin. Deswegen müssen wir es jetzt fortschreiben. Das machen wir. Das tun wir mit Augenmaß, aber so passgenau, wie es eben geschildert wurde, dass wir als Polizei damit handeln und arbeiten können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich war in der letzten Woche in der Innenministerkonferenz in Dresden. Die Polizei in Rheinland-Pfalz erfährt im Kollegenkreis eine unglaublich hohe Wertschätzung und große Anerkennung. Das hat etwas damit zu tun, dass wir schon sehr früh Entscheidungen getroffen haben – Sicherheitspaket I –, als

zweites Bundesland hatten wir die Einführung der Bodycam, die Aufstockung der Polizei in diesen Rekordzahlen. Wir haben auch Entscheidungen in diesem Haus getroffen, die gar nicht so groß diskutiert wurden. Wir haben jetzt wieder aufgrund eines Angriffs auf eine bayerische Polizeibeamtin erleben müssen, während unsere Polizeibeamten schon lange eine moderne Schusswaffe haben, soll diese in Bayern erst in einigen Jahren eingeführt werden. Also kann doch keiner davon sprechen, wir würden unsere Hausaufgaben nicht machen.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte als Stichwort die automatisierte Kennzeichenerfassung herausnehmen und ausdrücklich sagen, wir leben in besonderen Zeiten mit besonderen Herausforderungen mit Blick auf die Innere Sicherheit. Wir müssen Entscheidungen treffen, die immer stärker in die Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger eingreifen. Diese Regelung wurde schon einmal zurückgenommen.

Ich möchte Ihnen ganz ehrlich sagen, ich würde mich freuen, es käme wieder die Zeit und wir könnten viel von den Dingen, die wir jetzt verschärfend machen und einführen müssen, um zum Beispiel auf internationalen Terrorismus zu reagieren, wieder zurückdrehen. Das ist doch eine Entwicklung, die wir uns alle nur wünschen.

Wenn ich mir die Videoüberwachung anschaue, so haben wir glücklicherweise die Regelung im Absatz 3, mit dem wir sehr gut arbeiten können. Man muss aber vorsichtig sein. Ich habe es schon bei der Fußfessel gesagt. In London soll es über 400.000 Videoüberwachungen geben. Leider ist die Hauptstadt unserer Nachbarn vom Terrorismus betroffen wie kaum eine andere.

Man darf den Bürgerinnen und Bürgern nicht vorgaukeln, mit der oder der sozusagen ausufernd getroffenen Entscheidung ist die Innere Sicherheit absolut gewährleistet. Das kann man nicht tun. Das wäre unverantwortlich. Deswegen empfinde ich die Fortentwicklung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes, wie sie die Koalitionsfraktionen heute vorgeschlagen haben, als eine Fortführung mit Augenmaß, die die Handlungsfähigkeit der rheinlandpfälzischen Polizei auf der Basis einer sehr, sehr erfolgreichen Bilanz noch einmal stärkt.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)