Es ist schon so – das möchte ich Ihnen allen als Mediziner sagen –, dass für Föten, Säuglinge, Kleinkinder und Jugendliche insbesondere in Wachstums- und Entwicklungsphasen nicht unerhebliche Gefahren durch bestimmte Ernährungsformen und Selektivernährung bestehen. Hierbei gilt das medizinische Grundprinzip, dass das Risiko für eine Nährstoffunterversorgung bzw. für einen Nährstoffmangel umso größer ist, je stärker die Lebensmittelauswahl eingeschränkt wird und je weniger abwechslungsreich die Ernährung ist.
Die am weitesten verbreitete, potenziell problematische Ernährungsweise ist mit Sicherheit die vegane Ernährungsweise gefolgt von makrobiotischen Ernährungsformen und Absonderlichkeiten wie den Frutariern. Sollte Ihnen jemals im Park jemand begegnen, der vor dem Apfelbaum steht und wartet, bis der Apfel runterfällt, weil er den Baum nicht verletzen möchte, wenn er ihn pflückt, dann ist das ein Frutarier. Der medizinische Rat hierzu lautet: großflächig umgehen.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung äußert sich unter Einbeziehung zahlreicher Experten der Ernährungsmedizin demzufolge auch klar bezüglich veganer Ernährung im Säuglings- und Kindesalter sowie bei Jugendlichen. Auf der Basis aktueller wissenschaftlicher Literatur aus dem Jahr 2016 kommt die DGE zum Schluss, dass bei einer rein pflanzlichen Ernährung eine ausreichende Versorgung mit einigen Nährstoffen nicht oder nur schwer möglich ist. Frau Dr. Groß hat einige davon angesprochen. Kritischer Nährstoff ist hier insbesondere Vitamin B 12. Es sind aber auch essenzielle Aminosäuren, langkettige n-3-Fettsäuren, Vitamine wie Riboflavin, Vitamin D, Mineralstoffe und Spurenelemente wie Calcium, Eisen, Jod, Zink und Selen als kritisch zu betrachten.
Daraus leitet sich die Empfehlung ab, dass für Schwangere, Stillende, Säuglinge, Kinder und Jugendliche eine vegane Ernährung nicht empfohlen wird. Auch bei Erwachsenen ist die DGE zu Recht sehr kritisch und empfiehlt, bei veganer Ernährungsweise eine dauerhafte Vitamin-B12-Supplementation,
angereicherte Lebensmittel und Nährstoffpräparate zu verwenden, sich ausführlich und gründlich von einer qualifizierten Ernährungsfachkraft beraten und die Versorgung mit kritischen Nährstoffen regelmäßig ärztlich überprüfen zu lassen.
Da muss ich Ihnen schon sagen: Wer folgt denn diesen Empfehlungen in dieser Konsequenz? Tun Sie das, Herr Schweitzer?
Wir sind hier nicht in der Sprechstunde, aber wenn Frau Anklam-Trapp Sie schon als ein leuchtendes Beispiel für vegane Ernährung vorgeführt hat, dann muss ich Ihnen ganz grundsätzlich als Mediziner sagen, dass es grundsätzlich keine gute Geschichte ist, wenn sich ein ZweiMeter-Mann mit Ihrem Energieumsatz nur noch von Körnern ernährt.
Das sollte man nicht unterschätzen. Schon eine adäquate vegetarische Ernährung bereitet vielen unserer Patienten Probleme, von der veganen Ernährung gar nicht zu sprechen. Ein nicht unwesentlicher Teil der Patienten mit Mangelerscheinungen, wie Vitamin-D-Mangel oder Zeichen einer perniziösen oder Eisenmangelanämie, sind junge Damen zwischen 15 und 30 Jahren, die sich vegetarisch bzw. vegan ernähren. Da liegt einiges im Argen.
Dann muss man auch konstatieren, dass bei Veganern die ideologische Beseeltheit, das Richtige zu tun, der mühsam unterdrückte missionarische Eifer, die eigene moralische Überlegenheit in die Welt zu tragen, doch deutlich ausgeprägter ist als der Wissensstand über die richtige Ernährung und die sachgerechte Zufuhr der fehlenden Vitamine und Spurenelemente, meine Damen und Herren.
Beispielhaft sei hier Dr. Henrich von der Seite ProVegan angesprochen, der sich auf seiner Webseite dafür feiern lässt, dass sein Schäferhund Felix neunzehn Jahre geworden ist und ausschließlich vegan ernährt wurde. Der Hund tut mir leid. Ein Leben ohne ein Stückchen Salami ist eine schwierige Geschichte, glaube ich.
(Heiterkeit der Abg. Julia Klöckner, CDU – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ein Hundeleben!)
Lassen Sie mich noch kurz auf den von Ihnen kritisierten Flyer der Landeszentrale für Gesundheitsförderung eingehen. Ich halte den Ansatz der Landeszentrale, den Schwerpunkt des Informationsflyers auf die Beschreibung der für die Kindesentwicklung nötigen Nährstoffe zu legen, für den richtigen Weg. Es ist aus meiner Sicht nicht unbedingt zwingend nötig, alle zum Teil absonderlichen Ernährungsweisen explizit zu erwähnen und auszuschließen. Es wird zum Beispiel auch nicht auf Drogen oder Rauschmittel eingegangen.
Wir als CDU-Fraktion halten ein weitergehendes Vorgehen für zielführend. Wir möchten eine Expertenkommission einberufen, um Ernährungstrends und deren Auswirkungen auf den menschlichen Organismus, speziell in den ersten Lebensjahren
ich komme zum Schluss –, auf Basis aktueller medizinisch-wissenschaftlicher und ernährungsphysiologischer Erkenntnisse zu beurteilen. Darauf aufbauend sollen Handlungsempfehlungen in Zusammenarbeit mit dem neu gegründeten Bundeszentrum für Ernährung entwickelt werden.
Meine Damen und Herren, es liegen mir zwei weitere Kurzinterventionen vor. Man merkt, bei dem Thema „Essen“ glaubt jeder im Saal, mitreden zu können. Aber das ist ja auch ganz schön.
(Heiterkeit bei der AfD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Christine Schneider, CDU: Herr Präsident, was sind das hier für Wertungen?)
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Gensch, die Quelle, von der ich die Zahl der Veganer für 2016 habe, ist „Statista“. Daher habe ich das, um das zu klären.
Zweitens möchte ich sagen, dass wir Ihrem Vorschlag nicht zustimmen können. Sie haben das Prozedere erwähnt, nach dem es vorgehen soll. Die Expertenkommission kostet Geld. Wer soll das bezahlen?
Alle Fakten liegen auf dem Tisch, was eine vegane Ernährung anstellen kann, weshalb man eine solche eigentlich nicht braucht.
Ich weiß nicht, ob Sie das vielleicht nicht gelesen haben. Das Bundeszentrum für Ernährung hat sich doch bereits positioniert. Es sagt – ich zitiere –: „Experten sind sich jedoch einig, eine vegane Ernährung ist für Kleinkinder mit deutlichen Risiken verbunden.“ Weiter heißt es seitens des Bundeszentrums für Ernährung: „Durch die begrenzte Auswahl an Lebensmitteln“ – wie Sie auch sagten, Herr Gensch – „besteht die Gefahr, dass das Kleinkind vor allem zu wenig Vitamin B12 aufnimmt.“ Auch die Zufuhr von Eiweiß, langkettigen mehrfach ungesättigten Fettsäuren, Kalzium, Eisen, Jod (...) kann kritisch sein. – „Als Folge der unzureichenden Nährstoffversorgung kann es zu Gedeihstörungen kommen, die die Gesundheit und die Entwicklung des Kindes gefährden. Wollen die Eltern trotz der Risiken dennoch ihr Kind vegan ernähren, ist es wichtig, auf die Vitamin-B12-Versorgung zu achten und diese mit entsprechenden Präparaten zu gewährleisten.“
Liebe CDU, wenn Sie ein gemeinsames Vorgehen zwischen der Landeszentrale für Gesundheitsförderung, der LZG, und des Bundeszentrums für Ernährung wünschen, dann stimmen Sie doch einfach unserem Antrag zu.
Zu einer weiteren Kurzintervention als Reaktion auf die Rede von Herrn Abgeordneten Dr. Gensch erteile ich Herrn Abgeordneten Schweitzer das Wort.
Ich möchte zunächst denjenigen danken, die zu den sachlichen Beiträgen in dieser Debatte beigetragen haben.
Nachdem das mein Herz mit Wärme erfüllt hat, dass offensichtlich insbesondere aus den Reihen der Opposition so viel Anteilnahme und Empathie für meine gesundheitliche Entwicklung ausgesprochen wurde, will ich mich zunächst dafür bedanken.
Wenn ich den Zwischenruf aufnehmen darf, ich bin tatsächlich nicht in der Situation, die Sie gerade beschrieben haben, aber ich verspreche Ihnen, wenn es einmal so weit kommt, dann werde ich mit Veganismus aufhören.