Deshalb hält sich die SPD auch so bedeckt. Man schweigt und zahlt, in Berlin und in Mainz. Der Landesjugendring schüttete 2016 noch mehrere Tausend Euro an die DITIBJugend aus. Offenkundig hält man hierzulande eine Jugendarbeit, die sich zuletzt im Posieren mit dem Hassprediger Pierre Vogel ausdrückt, für förderwürdig.
Der Erfolg der politisch religiösen Dauermobilisierung zugunsten Erdogans kann nun beziffert werden: Im türkischen Konsulat in Mainz stimmten 65 % der Wahlberechtigten, darunter viele Doppelstaatler, für die Transformation der Republik in einen sunnitisch-islamistischen Gottesstaat. – Ähnlich hoch war die Zustimmung im Konsulat Essen: Hier erzielte Erdogan ganze 76 %.
Kein Zufall: Beide Bundesländer werden seit Jahrzehnten rot regiert. Offenkundig gedeihen die Parallelwelten, in denen DITIB stark mobilisieren kann, hier besonders gut.
Das Ja aus Mainz war zugleich ein Bekenntnis zur Politik, die Christen als Bürger zweiter Klasse betrachtet. Die Jasager stimmten dafür, Christen dort jene Rechte zu verwehren, die sie hier als Muslime als selbstverständlich beanspruchen.
Sie bekannten sich darüber hinaus zur Verfolgung Andersdenkender. Sie stimmten die Integrationspolitik der Altparteien nieder. Sie wollen nicht Deutsche werden, sondern Türken unter Führung Erdogans bleiben, nur eben im Sozialstaat.
Klar und deutlich drückte sich der Erdogan-Gegner Esref Cakar in der „FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG“ aus: „Die Integrationspolitik ist tot.“ Das Abstimmungsergebnis – ich zitiere – es kam zustande, weil in den vielen Moscheevereinen in Deutschland Imame des türkischen Staats die AKP-Ideologie predigen. – In unserem Land baut DITIB seine Macht aus, symbolisiert durch drei große Bauprojekte in Germersheim, Bad Kreuznach und Hachenburg. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Demokratie der Zug, auf den wir aufspringen, so Erdogan über seine Strategie.
In ihr spielen die 900 Import-Imame eine Schlüsselrolle. Sie sind Motoren von Fanatisierung und Fremdsteuerung, allesamt türkische Staatsbeamte. In kein zweites Land entsendet die direkt Erdogan unterstehende Religionsbehörde Diyanet in Ankara so viele AKP-Prediger.
Der Islam-Wissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi stellt fest – ich zitiere –: Die Predigten kommen aus Ankara. Die
DITIB stellt als Täuschungsmanöver deutsche Ausgaben auf ihre Webseite. Sie sind aber nur selektive Zusammenfassungen.– Zitat Ende.
Dass diese Imame nicht nur predigen, ist bekannt. Sie spitzeln und liefern durch gezielte Denunziationen ErdoganGegner der Verfolgung aus, auch und gerade hier in Rheinland-Pfalz. Wir wissen mittlerweile genug von Aufrufen zu Übergriffen von Tätern und von Bespitzelten und nun auch über die Folgen ihrer Dauermobilisierung hier bei uns.
DITIB ist verfassungsfeindlich. Nehmen Sie das Abstimmungsergebnis in Mainz zum Anlass, die Verhandlungen abzubrechen. Prüfen Sie ein Verbot.
Für Erdogans AKP-Prediger darf es nur eine Botschaft geben: Verlasst unser Land, und kehrt nie wieder zurück.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gerade das gehört, was eigentlich die Kluft zwischen die Türkinnen und Türken treibt, nämlich alle unter Generalverdacht zu stellen, zu dem Referendum abgestimmt zu haben.
Der Titel der Aktuellen Stunde hat schon gezeigt, dass hier alles vermischt wird und einfache Lösungen gesucht werden.
Natürlich hat uns alle das Ergebnis schockiert. Es gibt sicherlich keinen, der abends vor dem Fernseher gesessen und sich gefreut hat. Es waren viele von uns schockiert und auch enttäuscht, weil es die sind, die mit uns im Fußballverein sind, die neben uns wohnen, die hier Unternehmen aufgebaut haben, die auch mit abgestimmt haben. Da ist uns schon klar, dass es nicht ganz einfach ist, aber ich finde es auch schwierig, es als so einfach zu erklären, woher diese Zustimmung kommt, und alles miteinander zu vermischen. Das geht überhaupt nicht.
Natürlich ist es für uns schwierig zu begreifen, wie jemand, der hier die Vorzüge unserer Demokratie genießt, dann dort mit Ja stimmen kann, wo Meinungs- und Pressefreiheit mit Füßen getreten werden. Heute ist der internationale Tag der Pressefreiheit. Viele Journalistinnen und Journalisten, wie auch Deniz Yücel, einer der bekanntesten, sitzen immer noch im Gefängnis. Das kann keiner von uns ertragen und lässt viele von uns schaudern, dass dort in der näheren Umgebung die Menschenrechte mit Füßen getreten werden.
Das zeigt aber die tiefe Spaltung der Gesellschaft und auch der türkischen Gesellschaft, die in Deutschland lebt. Es ist aber schwierig, aller unter einen Generalverdacht zu stellen; denn es gibt immer noch diejenigen – die haben Sie nicht genannt –, die nicht abgestimmt haben.
Sie haben gesagt: 63 %. Das ist so auch nicht richtig. 63 % derjenigen, die abgestimmt haben, haben mit Ja gestimmt. Das ist sehr bedenklich, aber was ist mit denen, die mit Nein gestimmt haben, die Menschen, die immer noch glauben, dass die Türkei weiter demokratisch in die Zukunft gehen kann? Was ist mit den Menschen? Denen stoßen Sie mit diesen Debatten vor den Kopf.
Es ging um das Referendum, von daher spreche ich auch darüber. Sie sprachen auch über DITIB. DITIB ist auch keine homogene Gruppe, wie Sie sie darstellen. Es gibt auch Menschen, die in Moscheen gehen und vielleicht Erdogan-Kritiker sind. Haben Sie mit ihnen gesprochen? Ich glaube nicht.
Es ist doch keine Lösung, jetzt mit dem Finger zu zeigen. Ich habe auch mit Türkinnen und Türken gesprochen, die überall angeschaut werden, wenn sie einkaufen gehen oder unterwegs sind und persönlich dafür haftbar gemacht werden, was da passiert.
Das aber ist absolut das Falsche. Für uns ist es wichtig zu schauen, dass wir mit den Menschen im Dialog bleiben und eine Brücke bauen.
Es gibt seit 50, 60 Jahren Gastarbeiter, die damals aus der Türkei hierherkamen, um hier zu arbeiten. Es ist sicherlich – darin können wir alle übereinstimmen – nicht alles richtig gelaufen, was die Integration angeht. Früher haben wir uns nicht über Integrationskurse unterhalten, da musste jeder so leben, wie er hierhergekommen war.
Viele Menschen haben sich aber angepasst. Sie gehen mit den Kindern in die Schule, sind in den Vereinen aktiv oder haben Unternehmen aufgebaut, die auch unsere Wirtschaft in Rheinland-Pfalz stärken. Das darf man alles nicht verneinen, dass es das gibt.
Aber es besteht weiter die Herausforderung, hier die verschiedenen Religionen friedlich miteinander leben zu lassen. Das wird nicht einfach sein. Aber ich glaube, dass jeder Einzelne von uns dafür verantwortlich ist, weiter hier mit den Menschen, die mit Ja abgestimmt haben, in den Dialog zu treten. Wir können die Menschen nicht einfach aufs Abstellgleis schicken und sagen, Sie haben mit Ja gestimmt.
Wir müssen versuchen, auch wenn es schwierig ist, weil Ängste bestehen, mit diesen Menschen ins Gespräch zu kommen.
Das, was derzeit auf Bundesebene betrieben wird, stellt ein „Noch-mehr-vor-den-Kopf stoßen“ dar, wenn es um eine Hausordnung geht, die hier irgendwo hingehängt werden soll, in der Punkte aufgelistet sind, bei denen ich meinem Sohn sage, dass man jemandem offen begegnen soll. Wir haben ein Grundgesetz. Es ist wichtig, dass wir uns daran halten.
Aber ich glaube nicht, dass wir andere, künstliche Regeln brauchen, um festzulegen, wie man miteinander umgeht.
(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So ist es!)
Das gilt auch für solche Debatten wie um den Doppelpass. Mein kleiner Sohn hat auch zwei Staatsbürgerschaften, auch wenn er kein Türke ist. Es ist schwierig zu sagen, dass die Menschen nicht zu uns gehören.
Auch die, die mit Ja gestimmt haben, müssen wir mitnehmen und ihnen zeigen, was es vielleicht für Konsequenzen hat, aber wir müssen auch die mitnehmen, die mit Nein gestimmt haben und dafür sorgen, dass wir weiter im Dialog bleiben, da die weitere Spaltung der Gesellschaft uns allen nicht am Herzen liegen kann.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Rauschkolb, knapp zwei Drittel der türkischen Wahlberechtigten in Rheinland-Pfalz und dem Saarland haben für die Verfassungsänderung in der Türkei votiert, alleine im Konsularbereich Mainz 64,4 %.
(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das stimmt doch gar nicht! Diejenigen, die abgestimmt haben, nicht die Wahlberechtigten!)
Zwei Drittel haben damit für die Schwächung der parlamentarischen Demokratie gestimmt, zwei Drittel für einen starken, autoritären und kompromisslosen Präsidenten mit umfassenden Rechten, zwei Drittel für die Initiative eines Präsidenten, der den öffentlichen Dienst in der Türkei säubert, Tausende in Gefängnisse stecken lässt, die Pressefreiheit massiv behindert und ein gesellschaftliches Klima des Misstrauens und der Intoleranz sät. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das können und wollen wir nicht leichtfertig beiseiteschieben.